Vater ist, das was du draus machst!
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Aktiv Vater sein, ist ein Weg zur Integration

Aktiv Vater sein, ist ein Weg zur Integration

Interkulturelle Väterarbeit

Väter mit Migrationsgeschichte treffen in der neuen Kultur auch auf neue Vaterbilder. Auf Männer, die mit ihren Kindern im Park spielen, sich in schulische Belange einmischen und mit den Müttern Erziehungsfragen aushandeln. Institutionen, die Väter zu einer aktiveren Rolle motivieren, bekommen Unterstützung vom IVA, dem Facharbeitskreis Interkulturelle Väterarbeit NRW.
Vieles von dem, was in der deutschen Mehrheitsgesellschaft als selbstverständlich vorgelebt wird, ist für manche Migranten verwirrend. Eltern und Kinder verbringen ihre Freizeit gemeinsam, tauschen öffentlich Zärtlichkeiten aus, diskutieren über Liebe und Politik. Aber es verwirrt nicht nur, es weckt auch Bedürfnisse, die in der Ursprungskultur nicht entstanden wären. Und es wirft bei Kindern und Eltern Fragen auf, für die sie bislang keine Antworten kennen. „Zunächst sind viele Migranten durch die Konfrontation mit dem Familienleben in Deutschland irritiert“, sagt Antonio Diaz. Er arbeitet für den Verein Bildung-Integration-Familien-Frauen (BIFF e. V.) und als Landeskoordinator beim Facharbeitskreis IVA für den Raum Dortmund. „Aber viele Väter stellen auch fest, dass sie nicht das Rollenmodell aus ihrer Ursprungskultur fortsetzen möchten. Ihre eigenen Väter waren oft kaum anwesend oder nur für Strafen und aufwendige Geschenke zuständig“, beschreibt Antonio Diaz. Die Vaterrolle werde dabei aber nicht nur vom Herkunftsland geprägt, sondern besonders vom Milieu der Familie: „In aufgeklärten, gebildeten und wohlhabenden Familien fallen die Unterschiede zu deutschen Vätern nicht so auf.“

Aus der eigenen Kindheit lernen

Für Ataman Yildirim ist es entscheidend, dass die Migrantenväter die Unterschiede zu deutschen Vätern als Anlass nehmen, sich und das erlernte Vaterbild zu hinterfragen: „Über die eigene Kindheit zu reflektieren und zu schauen, was man selbst vermisst hat, ist ein guter Weg, um den Wünschen der Väter und Kinder auf die Spur zu kommen.“ Ataman Yildirim ist verantwortlich für die Integrationsagentur der AWO Düsseldorf. Er ist Mitgründer und Landeskoordinator des Facharbeitskreises IVA. „Besonders bei muslimischen Vätern ist die Familie ein sehr sensibles Thema. Wünsche, Gefühle und Probleme anzusprechen, wird oft als Schwäche gesehen und die Väter haben Sorge, dass der Ruf der Familie leidet“, sagt er. Je nach Herkunft kommen kulturelle Tabus dazu. Von der pubertierenden Tochter, dem behinderten Sohn oder der gewalttätigen Mutter sprechen allerdings auch viele deutsche Väter nicht gerne mit Außenstehenden. Für Antonio Diaz ist es wichtig, zunächst Vertrauen zu schaffen: „Die Väter sollen erfahren, dass in den von uns organisierten Gesprächskreisen Gleichgesinnte sitzen. Niemand legt es den anderen Vätern als Schwäche aus, Sorgen und unerfüllte Bedürfnisse zu haben.“

Wer vertraut, öffnet sich

Das Vertrauen von Migrantenvätern zu gewinnen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, ist für die zuständigen Träger vor Ort nicht leicht. Daher bietet ihnen IVA vielfältige Beratung an und coacht sie beispielsweise, über bestimmte Themen oder Aktionen den Zugang zu den Vätern zu schaffen. „Schon gemeinsames Kochen kann so zum Türöffner werden“, sagt Antonio Diaz. „Wenn sich die Väter an ihre Lieblingsspeise aus der Kindheit erinnern, reflektieren sie im nächsten Moment schon ihre Erlebnisse und ihre Beziehung zum Vater. Sie entdecken Gemeinsamkeiten und sprechen leichter darüber, was gut oder schlecht war – und was sie selbst anders machen möchten.“ Seit seiner Gründung 2013 versteht sich der Facharbeitskreis IVA auch als Pool für die gesammelten Erfahrungen der einzelnen Mitglieder, Träger und Experten. Gemeinsam entwickeln sie Informationsmaterialien und geben den „Report“ heraus, eine PDF-Broschüre über Praxis und Forschung in der interkulturellen Väterarbeit. Für lokale Träger, interessierte Väter oder auch politische Akteure organisiert der Facharbeitskreis IVA Informationsveranstaltungen. Experten und Akteure werden eingeladen, zu ihrem Spezialgebiet zu referieren oder zu diskutieren. Das Themenspektrum ist groß: Was können Väter für den Schulerfolg ihrer Kinder tun? Wie arbeitet man mit Menschen, die kaum lesen und schreiben können? Was wissen wir über die Religionen der anderen? Ataman Yildirim: „Natürlich können wir über unsere Veranstaltungen zum einen Methoden vermitteln. Also wie sich Väter beispielsweise durch das Theaterspiel für bestimmte Themen öffnen. Aber wir können auch Extremismus-Prävention betreiben, indem Experten sagen, für welche Signale Väter bei ihren Kindern sensibel sein sollten und wie eine angemessene Reaktion ausschaut.“ Damit Hilfe und Aufklärung die Väter erreichen, achtet IVA genau auf die Zielgruppen und bietet viele Materialien und Veranstaltungen auf arabisch oder türkisch an.

Ansprechpartner in vielen Situationen

Immer wieder wird die Unterstützung durch den IVA aber auch sehr praktisch: Den Gruppenleitern vor Ort soll ermöglicht werden, ihre Arbeit kontinuierlich einzubringen. Dafür zeigt IVA Wege zur Finanzierung, erarbeitet gemeinsam Anträge, vermittelt Experten und ist – durch die regionalen Landeskoordinatoren – ein erreichbarer Ansprechpartner. Auch die Organisation von gemischten Veranstaltungen gehört zur Arbeit. Beispielsweise ein Abend mit Sintis, ihrer Musik und Tanz, sowie Flüchtlingen und Deutschen oder Väter-Kind-Aktionen wie ein Fußballspiel mit deutschen Vätern und ihren Kindern. Alle Aktivitäten verfolgen letztlich das Ziel, Migrantenväter zu ermutigen, am Familienleben intensiv teilzuhaben. Sie sollen gemeinsam raus gehen, die Begegnung mit Deutschen suchen und auch ungewohnte Situationen aushalten. Ataman Yildirim: „Das bereichert unmittelbar das Vatererleben und nur so kann auch Integration gelingen.“ (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 31. Mai 2016