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Väter: Selbständige und Freiberufler im Kompetenzvorteil

Väter: Selbständige und Freiberufler im Kompetenzvorteil

Gastbeitrag - Joachim E. Lask, Dr. Nina Junker

Die Lebensschule Familie lehrt Eltern über 70 Prozent überfachliche beruflich relevante Kompetenzen[i]. Damit wird Familie zu einem Kompetenzcenter. Wenn Väter und Mütter als auch Unternehmen diesen Vorteil nutzen, ändert sich die Bedeutung der Familie in den Unternehmen. Selbständige und freiberufliche Väter und Mütter können offensichtlich diesen Vorteil besser nutzen als Väter und Mütter in angestellter Erwerbstätigkeit.

In der Tat: Es sind die Familien mit ihren Müttern und Vätern, die die deutsche Wirtschaft tragen. Ca. 90 Prozent aller deutschen Unternehmen sind familiengeführt, stellen 60 % aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze und 80 % der Ausbildungsplätze[ii]
 
Wie kann das gelingen – Elternkompetenzen am Arbeitsplatz nutzen? Zum Kompetenzerwerb ist die einzige Voraussetzung, dass Väter und Mütter ihre Kinder lieben und damit einen proaktiven Part in der Verantwortung für ihre Entwicklung zum selbständigen Leben übernehmen. Die (weiter-) entwickelten Kompetenzen zu benennen für den Einsatz am Arbeitsplatz ist jedoch der Knackpunkt: Denn diese stehen so nicht auf dem Lehrplan einer Familie, sondern werden mit „learning by doing“ fast nebenher und selbstverständlich erworben. Damit ist das konkrete Benennen und Begründen dieser überfachlichen Kompetenzen gar nicht so einfach.

„Konflikt[fähigkeit], Kommunikation. Reflektion durch die Kinder, Spiegeln mich, nervig. Erinnern mich an eigene Regeln, an die ich mich nicht halte.“

Vater von 4 Kindern auf die Frage: Welche Kompetenzen haben Sie in der Familie (weiter-) entwickelt?

Und genau hier setzt unsere Studie „Elternkompetenz & Arbeit“ an, die das WorkFamily-Institut zusammen mit Dr. Nina Junker von der Goethe-Universität Frankfurt seit Juli 2017 betreibt. Wir befragten bisher über 250 erwerbstätige Mütter und Väter – davon 34 selbständig oder freiberuflich Tätige.

  • Welche Elternkompetenzen haben Sie in Ihrer Familie (weiter-)entwickelt?
  • Wie hoch ist die Erwartung, dass diese erworbenen Kompetenzen die Teilnehmenden zu einer besseren Arbeits-  bzw. Führungskraft macht?
  • Wie benennen selbständig bzw. freiberuflich tätige Väter und Mütter diese Kompetenzen?

Eine erste Teilauswertung für selbständig und freiberuflich erwerbstätige Mütter und Väter liegt nun vor. Hier einige Ergebnisse:

  • Selbständig und freiberuflich erwerbstätige Väter und Mütter entwickeln häufiger beziehungs- und aufgabenorientierte Elternkompetenzen als solche in einem Angestelltenverhältnis (siehe Tabelle 1).
  • Dabei sind 3 von 4 Befragten davon überzeugt, dass sie diese Kompetenzen in ihren beruflichen Herausforderungen nutzen können.
  • 47 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen diese Kompetenzen bereits beruflich in der Zusammenarbeit bzw. in der Zielerreichung einen Vorteil erbracht haben.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Kompetenzerwerb in der Familie für freiberuflich und selbständig Tätige einen Erfolgsfaktor darstellt.

„Geduld - Fehler sanft korrigieren; Mitarbeitern Zeit zur Entwicklung geben; Konfliktfähigkeit - aushalten, dass Mitarbeiter mit meiner Meinung nicht übereinstimmen; Perspektivwechsel - sich in die Rolle des ‚Untergebenen‘ einfinden können.“

Vater von 2 Kindern auf die Frage: Welche (weiter-)entwickelten Kompetenzen machen Sie zu einer besseren Führungskraft?

Konkret: Den Vätern und Müttern wurde eine Liste mit 56 vorgegebenen überfachlichen Kompetenzen vorgelegt, aus denen sie jene Kompetenzen auswählen sollten, die sie durch die Herausforderung in ihrer Familie besonders (weiter-)entwickelt haben.
Die statistischen Analysen zeigen u.a.:

  • Väter und Mütter in selbständiger und freiberuflicher Erwerbstätigkeit geben in beziehungsorientierten Kompetenzen häufiger als angestellte Väter und Mütter an, dass sie Konflikte besser lösen können, sie mit anderen „auf Augenhöhe“ kommunizieren und Familienmitglieder ermutigen.
  • Ebenso geben sie im Vergleich zu den angestellten Vätern und Müttern häufiger an, in der Familie aufgabenorientierte Kompetenzen (weiter-)entwickelt zu haben. Dazu zählen: auf Disziplin zu achten, situationsgerecht zu kommunizieren, erreichbare Ziele in der Familie zu entwickeln und zu verfolgen.
  • Auch folgenden Aussagen zu Selbstkompetenzen stimmen selbstständige und freiberufliche Väter und Mütter häufiger zu als angestellte Väter und Mütter:
    Seitdem ich Vater / Mutter geworden bin …
    • kann ich mich eher als früher überwinden, Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht machen will.
    • kann ich eine Situation besser als früher aus mehreren Perspektiven betrachten.
    • bin ich entschlossener als früher.

Tabelle I: Top 15 der häufigsten benannten Kompetenzen, die Eltern mit selbständiger und freiberuflicher Erwerbstätigkeit angeben in ihrer Familie (weiter-) entwickelt zu haben.

Grafik Lask

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  • In Tabelle 1 finden Sie weitere Unterschiede in der Kompetenzentwicklung durch die Familienaufgaben zwischen freiberuflichen bzw. selbständigen Vätern/Müttern und angestellten Eltern. Sie zeigt, welche 15 von 56 vorgegebenen Kompetenzen am häufigsten von Freiberuflern und Selbständigen genannt wurden im Vergleich zu Angestellten.

Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass selbständige und freiberufliche Väter und Mütter ihre Familien im Kompetenzerwerb anders nutzen als Väter und Mütter in angestellter Erwerbstätigkeit. Dies könnte unter anderem an folgenden Gründen liegen:

  • Zum einen könnten die beschriebenen Unterschiede im höheren Freiheitsgrad der Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeit von selbständig und freiberuflich Tätigen begründet sein.
  • Weiter sind selbständig und freiberuflich Tätige möglicherweise intensiver herausgefordert, ihre persönlichen Kompetenzen unter Beweis zu stellen.
  • Ein dritter Grund könnte in einer flexibleren Zeiteinteilung liegen. Dies kann dazu führen, häufigere (nicht zeitlich längere) Kontakte mit Familienmitgliedern einzugehen. Selbständig und freiberuflich Tätige sind damit möglicherweise häufiger mit Herausforderungen und Lernsituationen in der Familie konfrontiert. Hierauf weist auch hin, dass in unserer Studie selbständig und freiberuflich Tätige insgesamt mehr Kompetenzen angeben, die sie in der Familie (weiter-)entwickeln als dies angestellte Väter und Mütter tun.

Noch sind diese Ergebnisse vorläufig und basieren auf einer kleinen Fallzahl. Daher bitten wir Sie als Leser oder Leserin – sofern Sie erwerbstätiger Vater oder erwerbstätige Mutter sind – an dieser Studie teilzunehmen bzw. diese Studie anderen Vätern und Müttern zur Teilnahme zu empfehlen. Einerseits können Sie ausprobieren, mit welchen Begriffen Sie Ihre in der Familie (weiter-)entwickelten Kompetenzen beschreiben. Andererseits können wir hierdurch ggf. die bereits vorgestellten Ergebnisse statistisch noch besser absichern und weitere Zusammenhänge aufzeigen.
 
Mit unserer Studie können wir nun genauer beschreiben, welche überfachlichen Kompetenzen insbesondere selbständige und freiberufliche Väter und Mütter in ihrer Familie lernen. Darüber hinaus entwickeln wir mit den Studien Strategien für Väter und Mütter, ihre (weiter-) entwickelten Kompetenzen auch benennen zu können z.B. mit einem Kompetenz-Webinar oder einer KompetenzApp.
 

Autoren:

Joachim Lask

© Elisabeth GärtnerJ

Joachim E. Lask, Diplom-Psychologe, Gründer und Geschäftsführer des WorkFamily-Instituts. Seit 2004 Forschung zum Enrichment-Ansatz zur Vereinbarkeit Arbeit und Familie. Entwicklung von Instrumenten zum Spillover-Effekt für die Personalentwicklung. Zusammenfassende Darstellung in „Gute Eltern sind bessere Mitarbeiter“ (Springerverlag, 2017).
Nina Junker
Dr. Nina Mareen Junker studierte Psychologie an der Universität Mannheim und promovierte im Anschluss extern zu impliziten Mitarbeiter- und Führungstheorien an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2016 ist sie Mitarbeiterin der Abteilung für Sozialpsychologie an der Goethe-Universität und hat ihren derzeitigen Forschungsschwerpunkt auf der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Gruppenprozessen und der Entwicklung von Burnout. Sie arbeitet zusätzlich seit mehreren Jahren als Trainerin und Beraterin im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement.

[i] Livingstone, D. (1999). Informelles Lernen in der Wissensgesellschaft. Erste kanadische Erhebung über informelles Lernverhalten. In ABWF (Hrsg.), QUEM-Report Heft 60: Kompetenz für Europa. Wandel durch Lernen – Lernen durch Wandel. Referate auf dem internationalen Fachkongress 21.–23. April 1999 (S. 65–91). Berlin: ABWF.