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Tacheles statt Tabu: Wer sich liebt, spricht auch über Geld

Tacheles statt Tabu

Paarberater Michael Mary im Gespräch

Michael Mary arbeitet als Paar-, Individual- und Singleberater und hat bereits über 30 Sachbücher veröffentlicht, darunter zahlreiche Bestseller. Im Gespräch mit vaeter.nrw spricht der Partnerschaftsexperte über eins der letzten Tabuthemen in Paarbeziehungen – das liebe Geld.
vaeter.nrw: In Ihrem Buch „Liebes Geld“ beschreiben Sie das Reden über Geld als letztes Tabu in Paarbeziehungen. Warum fällt es Paaren so schwer, über Geld zu sprechen?Michael Mary: Einer der Hauptgründe dafür ist, dass den Paaren die Begriffe fehlen. Wenn man nur die Wörter „Liebe“ und „Geld“ zur Verfügung hat, redet man über Liebe – und Geld hat scheinbar nichts damit zu tun. Oder umgekehrt! Er sagt: „Wir müssen über Geld reden“ und sie antwortet: „Aber wieso, wir lieben uns doch!“ und schon ist das Thema erledigt. Partnerschaft ist aber gleichzusetzen mit gemeinsamer Lebensbewältigung und Existenzsicherung. Da spielt Geld eine große Rolle. Umso wichtiger ist es also, gut darüber reden zu können.Ein weiterer Grund, warum Paare nicht gerne über Geld sprechen, ist der, dass sich an dem Thema zeigt, wie ihr Beziehungsleben aufgestellt ist und anhand welcher Interessen und Lebensvorstellungen es beide jeweils ausrichten. Bestehen nämlich beim Umgang mit Geld extreme Diskrepanzen, so wirken sich diese direkt auf die Beziehung aus. Nehmen wir das Beispiel der gemeinsamen Wohnung: Wenn er in einen „Palast“ ziehen möchte, sie sich aber mit einer „Hütte“ begnügen würde, steckt das Paar in einem Konflikt, der zu lösen wäre. Um aber das Liebesgefühl aufrecht zu erhalten, meiden Paare gerade zu Beginn einer Beziehung häufig das Thema Geld.
vaeter.nrw: Väter und Mütter haben Familienaufgaben und Erwerbsarbeit in Balance zu bringen. Wie gelingt es Paaren, eine Wertschätzung herzustellen für all das, was nicht in Geld aufgewogen wird?Michael Mary: Das ist eine Frage der Bedeutung. In einer Partnerschaft sollte man nicht in Geldsummen rechnen, sondern in Bedeutungen. Es geht grundsätzlich darum, dass eine Leistung in einer Partnerschaft ausgeglichen wird. Im Paargespräch heißt es dann beispielsweise: „Dass ich mich um die Kinder kümmere, hat die gleiche Bedeutung wie deine acht Stunden Arbeit, und zwar unabhängig davon, wie viel du verdienst.“ Nicht-materiellen Beiträgen zum Gelingen einer Partnerschaft wie Hausarbeit, Planungsaufgaben oder Fürsorgearbeit wird also die gleiche Bedeutung verliehen wie der Erwerbsarbeit.
vaeter.nrw: Wie lautet Ihre Empfehlung: Welche Begriffe sollten Paare in ihrem Wortschatz haben, um besser über Geld sprechen zu können?Michael Mary: Zunächst ist es hilfreich zu berücksichtigen, dass Geld prinzipiell unpersönlich ist. Sobald Geld aber den Boden einer Paarbeziehung betritt, wird es persönlich. Ich unterscheide zwischen drei persönlichen Geldformen: kühles Partnergeld, warmes Freundesgeld und heißes Liebesgeld. Jede Geldart erfordert jeweils einen eigenen Umgang. Wenn Paare diese drei Begriffe zur Verfügung haben und sich bewusst machen, worum es jetzt gerade geht, können sie beginnen über Geld zu reden.
vaeter.nrw: Bitte erläutern Sie uns, was genau hinter den Begriffen steckt.Michael Mary: Ich gehe davon aus, dass in einer Liebesbeziehung, die von einem gemeinschaftlichen Projekt wie z. B. der Familie geprägt ist, Leistungen auf Basis eines Tauschgeschäfts ausgeglichen werden. Wenn Geld diesem Leistungsausgleich dient, wird es zu Partnergeld. Vergleichsmaßstab ist dabei aber nicht der monetäre Wert, sondern die persönlich zugewiesene Bedeutung. Das ist eine andere Form von Leistungsausgleich als im Geschäftsleben, wo es um objektiv vergleichbare Geldsummen geht.Freundesgeld wiederum ist Geld, das ich dem Partner oder der Partnerin zuliebe gebe und dient der Teilhabe. Es schafft einen Ausgleich zwischen Geben und Nehmen, allerdings nicht auf Grundlage harter Währung, sondern sein Maßstab ist das Glück des anderen. Freundesgeld, das ich gebe, hilft beispielsweise meiner Partnerin, ein Hobby zu finanzieren. Statt Leistung verbinde ich Wohlwollen damit. Liebesgeld wiederum dient dem Ausdruck meiner Liebe. Auf dieser Ebene gilt die Schenklogik. Geld, das mit Bedingungen verknüpft ist, kann nicht Liebesgeld sein.
vaeter.nrw: Unser aktueller Themenschwerpunkt lautet: „Partnerschaftlich aushandeln, damit's läuft“. Welche Praxistipps haben Sie dazu für Paare?Michael Mary: Entscheidend für die partnerschaftliche Dimension der Liebe ist das gemeinschaftliche Projekt. Das sollte mit kühlem Kopf ausgehandelt werden. Eine wichtige Grundlage dafür ist, dass nicht-materielle Leistungen genau so viel Wert sind wie materielle Leistungen. Heißt: Wenn z. B. rund um die Kindererziehung ein Elternteil einen Karriereeinschnitt in Kauf nimmt, dann sollte es dafür einen materiellen Ausgleich geben, um im Fall einer Trennung nicht schlechter dazustehen oder gar in der Altersarmut zu landen. Dies darf jeder mit Fug und Recht fordern, da es dabei nicht um das Wohl des anderen geht, sondern um den eigenen Anteil im Bereich des partnerschaftlichen Projekts. Diese inhaltliche Trennung ist enorm wichtig.Es gilt: Das Paar muss über das Geld bestimmen. Wenn das Geld über die Beziehung bestimmt, dann gerät die Partnerschaft in eine Schieflage.
vaeter.nrw: Stichwort Schieflage: Inwiefern wird Geld heute noch als Machtinstrument in Beziehungen eingesetzt?Michael Mary: Geld ist nicht gleichzusetzen mit Macht. Macht ist keine Eigenschaft, sondern sie wird jemandem verliehen – es gehören also immer zwei dazu. Anstelle von partnerschaftlichen Absprachen wirken dann einseitige „Anordnungen“ aus einem Abhängigkeitsgefüge heraus. Sprich: Wenn ich Wert leg auf einen hohen Lebensstandard, den ich mir ohne meine Partnerin nicht leisten könnte, und sie diesen Umstand ausnutzt, um ihre Interessen gegen meinen Willen durchzusetzen, dann wird das Geld als Machtinstrument eingesetzt. Wenn ich mir nichts aus einem hohen Lebensstandard mache, dann bleibe ich unabhängig. Geld als Machtinstrument hat dann seine Bedeutung verloren.
vaeter.nrw: Dem Vater kam traditionell die Rolle des alleinigen Familienernährers oder „Geldbeschaffers“ zu. Dieses Bild befindet sich im Wandel. Was bedeutet das für die Männer?Michael Mary: Die Männer lernen zuzulassen, dass eine Frau ebenfalls zum Familieneinkommen beiträgt oder gar mehr verdient als sie selbst. Wenn sie als Hausmann die Familienaufgaben übernehmen, kommt es gar zu einer Rollenumkehr. Männer befinden sich dann plötzlich in der Position, in der bislang eher die Frauen waren. Auf einmal definiert man sich nicht mehr über den Beruf. Die Kunst besteht jetzt darin, sich nicht schlecht zu fühlen, weil man nicht der Ernährer ist. An dieser Stelle gilt es, ein neues Selbstvertrauen zu entwickeln. Das gelingt am besten, indem sich Paare auf die zuvor schon beschriebene Bedeutung ihrer Arbeit besinnen, anstatt nur deren monetären Wert zu messen.
Zur Person:

Michael Mary

Michael Mary beschäftigt sich als Paar-, Individual- und Singleberater sowie Sachbuchautor seit rund 35 Jahren mit den vielfältigen Aspekten des Beziehungslebens. 2016 erschien sein Buch „Liebes Geld – Vom letzten Tabu in Paarbeziehungen“. Im NDR und SWR hatte er jeweils eine eigene TV-Sendung als Beziehungsberater. Michael Mary lebt und arbeitet in Hamburg.