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Vater im Studium – kein Ding der Unmöglichkeit

Studentenvater

Drei kleine Kinder und das Studium miteinander zu vereinbaren – das klingt nach einer großen Herausforderung. Doch die ist gut machbar, findet Ismail Cebe; und dass, obwohl er seine 1, 2 und 4-jährigen Söhne sogar alleine großzieht. Dabei bekommt er viel Unterstützung und oft positive Reaktionen auf seine Vaterschaft.

„Im Studium konnte ich mir die Zeit relativ frei einteilen, anders als es beispielsweise bei einem festen Job der Fall gewesen wäre. Deshalb konnte ich genug Zeit für die Betreuung meiner Kinder einräumen“, erinnert sich Ismail Cebe. Doch auch wenn er einmal zu spät in die Vorlesung kam, weil er seine Kinder aus dem Kindergarten abgeholt hat, oder das Seminar eher verlassen musste, um rechtzeitig bei der Betreuung zu sein, war das kein Problem. „Viele Professoren sind darauf eingestellt, dass Studierende mit Kind besondere Lebensumstände haben. Ich habe immer mit den Dozenten gesprochen und wir haben dann gemeinsam Wege gefunden, wie ich die Anforderungen im Seminar und die Kinderbetreuung miteinander vereinbaren kann. Wenn ich die Kinder mal früher abholen musste, war das meist kein Problem. Wenn ich eine Veranstaltung mal nicht regelmäßig besuchen konnte, habe ich mich mit den Dozenten auf eine Ausnahmeregelung geeinigt. So habe ich in einem Kurs zum Beispiel mal eine schriftliche Zusatzaufgabe gemacht, weil ich nicht regelmäßig erscheinen konnte. Aber: Die Kommunikation ist wichtig. Ich wollte nicht, dass Missverständnisse entstehen und habe deshalb immer offen gelegt, dass ich Vater bin.“ Dass die Dozenten mittlerweile auf die besonderen Bedürfnisse eingestellt sind, sieht Ismail Cebe positiv. „Die Hochschulen achten sehr darauf, dass Studium und Familie vereinbar sind. Bei meiner Einschreibung habe ich angegeben, dass ich Vater bin und habe beispielsweise den Vermerk „Studieren mit Kind“ bekommen, der mir einen leichteren Zugang zu teilnehmerbeschränkten Kursen ermöglicht.“

Ohne die Hilfe seiner Eltern hätte es nicht geklappt

Ismail Cebes ältere Söhne besuchen regelmäßig einen Kindergarten. Der Jüngste wird von der Oma betreut. „Es gab immer mal Situationen, in denen ich auch nachmittags Veranstaltungen besuchen musste, wenn die Kinderbetreuung schon zu Ende war. Dann ist meine Familie eingesprungen und hat auf die Kinder aufgepasst. Anders wäre das auch nicht gegangen“, stellt Ismail Cebe fest. Ähnlich ginge es auch vielen anderen Vätern und Müttern, die studieren. „Besonders die Alleinerziehenden, die ich kennengelernt habe, waren auf die Unterstützung der eigenen Eltern angewiesen“, betont Ismail Cebe.

Finanzen: Ein Problem?

„Unsere finanzielle Absicherung war nicht immer einfach. Eine Zeitlang habe ich uns mit Wohngeld und Kindergeld über Wasser gehalten. Aber zum Glück gab es immer noch andere Möglichkeiten: Als Dolmetscher habe ich regelmäßig ein paar Stunden neben dem Studium gearbeitet. Da lagen die Arbeitszeiten so, dass ich das mit den Veranstaltungen in der Uni und der Kindererziehung vereinbaren konnte. Ich hatte auch mal einen Job als Studentische Hilfskraft. Da wurde auch sehr auf meine besondere Lebenssituation als alleinerziehender Vater geachtet. So konnte ich neben dem Studium noch etwas Geld für die Familie dazuverdienen. Dann ging das“, erinnert sich Ismail Cebe.

Beratungsstellen aufsuchen: Eine gute Erfahrung

Um sich zu informieren, welche Unterstützung jungen Familien zusteht, hat Ismail Cebe die Familienberatung seiner Hochschule aufgesucht. „Die haben mir wirklich sehr geholfen und mir viele Tipps gegeben. Zum Beispiel haben die mit mir Einrichtungen besucht, die junge Väter bei der Erstausstattung für das Kind unterstützen. Aber auch allgemeine Informationen, insbesondere zur Finanzierung, habe ich dort bekommen.“ Ähnliche Erfahrungen machte der junge Vater mit der Beratungsstelle der Stadt Bielefeld, auf die er zufällig aufmerksam wurde. „Ich habe mich neben Studium und Kindererziehung als Sozialreferent beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) engagiert. Dort habe ich festgestellt, dass viele Eltern nicht wissen, dass es diese Angebote gibt und wo sie Hilfe bekommen. Bevor ich davon wusste, habe ich auch versucht, alles alleine zu regeln. Das war aber viel schwieriger und musste gar nicht sein. Denn es gibt viel Unterstützung!“

„Die größte Herausforderung war es, Studium, Kindererziehung und Finanzen unter einen Hut zu bekommen. Doch es gibt viele Wege, das zu schaffen. Und dann sind Studium und Vaterschaft gut miteinander vereinbar”, resümiert Ismail Cebe, „und sehr bereichernd!“

Ismail Cebe ist 27 Jahre alt und lebt in Bielefeld. Er ist alleinerziehender Vater von drei Kindern im Alter von 1, 2 und 4 Jahren. Er hat Soziologie und Jura studiert und arbeitet seit einem Jahr als Jugendbildungsreferent für die DGB-Jugend.



© Ismail Cebe  

Text aktualisiert am 22. Juni 2016

Veränderte Rolle – das Wechselmodell aus Vatersicht

Wechselmodell

Nicht immer muss nach einer Trennung Gerangel ums Kind stattfinden. Wenn die Kommunikation zwischen den Eltern stimmt und das Konfliktniveau niedrig ist, kann das Paritäts- oder Wechselmodell eine Form des Zusammenlebens mit dem Kind sein. Wir fragten einen Vater nach seinen Erfahrungen mit dem Modell.

Vor etwas mehr als einem Jahr hat Hans-Heinrich Töpperweins 15-jährige Tochter Charlotte beschlossen, dass sie von nun an gleich viel Zeit mit beiden Elternteilen verbringen möchte. Für den selbstständigen Arbeitsmediziner hat sich seitdem einiges verändert.

Während ihrer Ehe lebten Hans-Heinrich Töpperwein und seine Ex-Frau ein klassisches Familienmodell: Er ging arbeiten, während sie sich um die gemeinsame Tochter und den Haushalt kümmerte. Mit der Trennung vor rund drei Jahren hat sich das grundlegend geändert. „Ich habe mehr Aufgaben in Charlottes Erziehung wahrgenommen und mich stärker um sie gekümmert. Zudem haben wir mehr Zeit miteinander verbracht, nicht zuletzt während des Urlaubs. Das hat unsere Beziehung gestärkt“, erinnert er sich. In der ersten Zeit des Alleinseins sah Hans-Heinrich Töpperwein seine Tochter nur an den Wochenenden. „Ich war froh, wenn sie da war. Wir haben einen sehr kooperativen Umgang miteinander, und ich habe versucht, Charlotte in alle Fragen miteinzubeziehen. Ein Beispiel war die Einrichtung meiner neuen Wohnung. Die neuen Möbel habe ich gemeinsam mit meiner Tochter ausgesucht.“

Vom Neuen Modell profitieren alle

Seit rund einem Jahr verbringt Charlotte nun jeweils zwei Wochen bei einem Elternteil. Das durchzusetzen war gar nicht so einfach. Hans-Heinrich Töpperwein erinnert sich: „Anfangs war meine Ex-Frau nicht einverstanden mit dem Wechselmodell. Das war ziemlich schwer für meine Tochter. Aber Charlotte hat ihren eigenen Weg gefunden: In einer Gruppe eines sozialen Netzwerkes hat sie mit ihren Freundinnen diskutiert, ob ein Wechselmodell für sie richtig sei. Die haben ihr zugestimmt und gemeinsame Bekannte haben auch ihre Mutter überzeugt.“ Seitdem sich beide zu gleichen Teilen um die gemeinsame Tochter kümmern, habe sich auch das Verhältnis zu seiner Ex-Frau verbessert. „Wir können mittlerweile gut organisatorische Sachen besprechen und alle Belange rund um Charlotte klären. Zum Elternsprechtag etwa gehen wir sogar gemeinsam“, betont der Selbstständige. Mittlerweile seien die Elternteile auch in der Lage, den starren Zwei-Wochen-Rhythmus einmal aufzuheben, beispielsweise an Feiertagen oder zu besonderen Anlässen.

Der Vater wird zum großen Freund

„Die Kunst beim Wechselmodell ist es, die eigenen Emotionen komplett rauszulassen. Es geht schließlich nicht um die eigenen Befindlichkeiten, sondern um die des Kindes“, ist sich Hans-Heinrich Töpperwein sicher. „Ich kann das jedem nur empfehlen. Das Wechselmodell hat meine Vaterrolle positiv verändert. Ich bin jetzt näher an meiner Tochter dran und bekomme mehr von ihren Sorgen und Nöten mit.“ Mittlerweile ist Charlotte 15 Jahre alt und mitten in der Pubertät. „Ich höre ständig, dass das ein ‚schwieriges Alter‘ sei, aber bei uns ist das ganz entspannt. Und wenn wir mal aneinander geraten, tauschen wir uns danach aus. Charlotte soll schließlich auch mich kritisieren dürfen.“

Nachteile sieht Hans-Heinrich Töpperwein in dem Wechselmodell eigentlich nicht. „Es gibt nur einige Herausforderungen, etwa wenn ein Elternteil einen neuen Partner hat.“ Manchmal sei es auch eine Herausforderung, die Betreuung des Kindes zu organisieren. „Charlotte ist in einem Alter, indem sie auch mal alleine bleiben kann. Das ist bei meiner Freiberuflichkeit ein Vorurteil. Bei kleineren Kindern muss man sicherlich auf andere Betreuungsmöglichkeiten wie Horte zurückgreifen. Ein gutes soziales Umfeld ist da immer hilfreich.“

Insgesamt sieht Hans-Heinrich Töpperwein das Wechselmodell als gute Alternative zum klassischen Modell nach einer Trennung an. „Statt eines Alleinerziehenden kümmern sich beide Elternteile um das Kind. Das bringt mehr Entlastung.“ Und auch das Verhältnis zu seiner Tochter ist intensiver geworden, seitdem sie mehr Zeit miteinander verbringen. „Manchmal sagt Charlotte auch, dass ich ein ‚großer Freund‘ sei. Dann sehe ich, dass alles gut gelaufen ist.“

(vaeter.nrw)

Dr. Hans-Heinrich Töpperwein ist selbstständiger Arbeitsmediziner und lebt in Bad Rothenfelde. Die Betreuung und Erziehung der 15jährigen Tochter Charlotte teilt er sich mit seiner geschiedenen Frau im sogenannten Wechselmodell.

Text aktualisiert am 9. Juni 2016

„Viel Kraft und hilfreiche Springer an der Seite“

Unterstützung für Alleinerziehende

Väter-Coach Ansgar Röhrbein ist Autor eines Ratgebers und Mitglied im Väter-Experten-Netz Deutschland, VEND e.V. Der Diplom-Pädagoge und Therapeut ist selbst Vater von drei Kindern, lebt und arbeitet in Lüdenscheid.

vaeter.nrw: Die alleinerziehenden Väter gibt es nicht, ihre Lebensumstände unterscheiden sich stark. Was charakterisiert die verschiedenen Lebenssituationen alleinerziehender Väter Ihrer Erfahrung nach
Ansgar Röhrbein: „Sie sagen es! Die alleinerziehenden Väter gibt es nicht! Mütter übrigens auch nicht. Es macht sicherlich in der ersten Zeit der primären Verantwortungsübernahme für das eigene Kind oder seine Kinder einen großen Unterschied, ob ich mich „von jetzt auf gleich“ quasi „aus der Not geboren“ in dieser Situation befinde, oder ich mich nach einem längeren Prozess des Verarbeitens, Nachdenkens und Aushandelns dazu geplant entschieden habe. Darüber hinaus kann die eigene Verfassung auch einen erheblichen Einfluss auf die väterliche Rollenübernahme und Gestaltung haben:
• Wie stark leide ich selber noch unter dem Tod oder Verlust meiner Partnerin/meines Partners? Gibt es eine gemeinsame Kommunikation und Kooperation bezüglich der Kinder? Fühle ich mich eher als Verlierer, oder als Gestalter der Situation?
• In wie weit fühle ich mich in meiner Person und Aufgabe von meiner Umgebung gesehen?
• Wen habe ich an meiner Seite, der Teile der Verantwortung mitträgt?
Nach Trennungs-Situationen, in denen der Vater verlassen wurde, oder nach plötzlichem Verlust durch Krankheit oder Tod muss der Vater als Mann und Partner mit dem Verlust zunächst zurechtkommen. Bei abgestimmten und ausgehandelten Situationen ist der Vater eher im vollen Besitz seiner Kräfte und kann sich der Aufgabe vermutlich leichter stellen. Vollzeitarbeitende Väter haben nicht selten mit der Frage zu kämpfen, wie eine gute Betreuung und Versorgung ihrer Kinder in ihrer berufsbedingten Abwesenheit organisiert und gewährleistet werden kann. Väter, die staatliche Leistungen beziehen, machen sich vermutlich eher Gedanken um die Finanzierung notwendiger zusätzlicher Anschaffungen oder z. B. von Klassenfahrten etc.“

vaeter.nrw: Wenn ein Mann plötzlich allein die Verantwortung für seine Kinder trägt – was raten Sie ihm für die erste Zeit? Was hilft Vätern, diese zu meistern?
Ansgar Röhrbein: „Mit Ratschlägen tue ich mich etwas schwer, da jede Situation einmalig ist und ihre eigenen Gesetze hat. Daher braucht jede Situation ihre ganz individuelle maßgeschneiderte Lösung! Aus meiner Erfahrung ist es allerdings für den Vater und insbesondere für die Kinder in der ersten Zeit hilfreich zu schauen, was an bisheriger Routine beibehalten werden kann und was einer Veränderung bedarf. In der Regel hilft es den Kindern, wenn bestimmte Strukturen und Rituale im Alltag bestehen bleiben, damit sie sich daran 'festhalten' können. Dann braucht die Familie einen Plan – nach dem Motto wer, was und wann? Was kann der Vater alleine leisten, was kann welches Kind übernehmen, was kann die Mutter noch tun und wer wird die Familie darüber hinaus unterstützen können? Braucht es ein ergänzendes Tagespflegeangebot, andere Zeiten in der KiTa, Unterstützung durch den Arbeitgeber, die Familie usw.? In diesem Klärungs- und Sortierungsprozess kann eine neutrale Vertrauensperson aus dem familiären Umfeld (eine (Paten-)Tante, ein Freund, etc.) oder eine Fachkraft einer Beratungsstelle/des Jugendamtes oftmals unterstützend wirken. Natürlich braucht der Vater in dieser turbulenten Zeit auch Raum für sich selbst: zum Überlegen, Planen, Verschnaufen, Erholen, Trauern, usw.. Nicht selten nimmt der Alltag den Vater aber so sehr in Beschlag, dass es wichtig ist, wenn gute Freunde einfach mal vorbeikommen und den Vater „einpacken“ oder alles für einen gemütlichen Abend mitbringen.“

vaeter.nrw: Welche Tipps haben Sie für alleinerziehende Väter, wie diese Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können?
Ansgar Röhrbein: „Je nach Arbeitssituation war es für die meisten alleinerziehenden Väter, die ich kennenlernen durfte, wichtig, dass sie auf ein stabiles Betreuungssystem bauen konnten, dass auch mal in hektischen Berufszeiten flexibel reagieren kann. Sei es, dass es eine verlässliche Tagesmutter gibt, bei der die Kinder auch schon mal übernachten können; oder 'neutrale' Großeltern und Verwandte (mütterlicher/väterlicherseits), die den Rücken freihalten oder eine verbindliche Regelung zwischen den Eltern selbst. Je isolierter ein Vater sich mit den Kindern erlebt, desto größer sind häufig der gefühlte Druck und die Last der Verantwortung. Wichtig ist auch, frühzeitig mit dem eigenen Arbeitgeber über Maßnahmen für die Fälle zu sprechen, in denen ein Kind von KiTa oder Schule unvorhergesehen abgeholt werden muss oder morgens ein Kind erkrankt ist. Es ist entlastend, wenn es verbindliche Absprachen gibt, auf die ich als Vater mit ruhigem Gewissen zurückgreifen kann. Home Office, Arbeitszeitkonten mit flexibler Arbeitszeit etc. sind z. B. entlastende Varianten, die mehr Flexibilität im Sinne einer guten Balancierung der eigenen Wünsche, der Bedürfnisse der Kinder und der Erwartungen des Arbeitgebers mit sich bringen. Darüber hinaus ist es nach meiner Erfahrung hilfreich, wenn sich der Vater mal zwischendurch kinderfreie Urlaubstage gönnt, wenn dies möglich ist. Frei nach dem Motto: Geht’s dem Papa gut – geht es den Kindern gut.“

vaeter.nrw: Was sind Ihre Erfahrungen: Ist es für Männer in dieser Situation ganz wichtig, Vollzeit zu arbeiten oder welche Modelle sind dabei noch – und vielleicht besser – lebbar?
Ansgar Röhrbein: „Das hängt von zahlreichen Faktoren ab und kann nur individuell überlegt werden. Zudem befinden sich auch alleinerziehende Väter nicht unbedingt in einer Welt, in der sie sich alles wunschgemäß zusammenstellen können. Oftmals existieren zahlreiche strukturelle oder versorgungstechnische Zwänge, die sich nicht einfach zur Seite schieben lassen. Zum einen muss der finanzielle Rahmen stimmen, zum anderen brauchen die jeweiligen persönlichen Bedürfnisse eines jeden Kindes und des Vaters selbst eine zumindest ausreichende Berücksichtigung. Hilfreich ist eine verständnisvolle Reaktion des Arbeitgebers, insbesondere in der ersten Zeit des Zusammenwachsens, bis sich die Dinge ein wenig eingespielt haben. Um hier erfolgreich verhandeln zu können, empfiehlt es sich im Vorfeld, genau zu überlegen, was ich meinem Arbeitgeber anbieten kann (z.B. Home Office oder Arbeit am Wochenende (wenn die Kinder durch andere versorgt sind), etc.).“

vaeter.nrw: Welche Erfahrungen machen Sie mit dem Thema alleinerziehende Väter und Haushalt, alleinerziehende Väter und Fürsorgeaufgaben?
Ansgar Röhrbein: „Grundsätzlich erlebe ich die Väter hier sehr engagiert und kompetent. Dass Väter dazu gut in der Lage sind, haben ja zahlreiche Studien belegt. Der eine oder andere lässt sich auch schon mal von seiner Schwester unter die Arme greifen, aber das Gros der Väter, die ich erleben konnte, stellt sich ganz selbstverständlich sowohl den hauswirtschaftlichen als auch den fürsorglichen Aufgaben. Nach heftigeren Trennungs- und Scheidungsprozessen kann es schon mal vorkommen, dass die Mutter sich Sorgen macht und anruft, da sie ihr Kind vom Vater unterversorgt erlebt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dann aber in der Regel heraus, dass beide Eltern zwar unterschiedliche Vorstellungen haben, sich das Kind aber bei beiden gleich gut fürsorglich behandelt fühlt – nur anders“.

vaeter.nrw: Wie schafft man es als Alleinerziehender, alles unter einen Hut zu bekommen, ohne dabei selber auf der Strecke zu bleiben?
Ansgar Röhrbein: Natürlich ist ein Leben mit Kindern immer von Überraschungen und Herausforderungen geprägt, die aber durch die „kuscheligen“, spaßigen und bedeutungsvollen Momente meistens ausgeglichen werden. Als alleinerziehender Vater bin ich immer mittendrin und primär alleine verantwortlich. Dies kann schon einmal darin münden, dass man sich als Einzelkämpfer erlebt und an den Rand er eigenen Kräfte gerät. Spätestens dann macht es aus meiner Sicht Sinn, auch über professionelle Hilfe nachzudenken, bevor die Situation im Kollaps endet. Eine neutrale Person, die hilft zu sortieren, zu verstehen, zu vermitteln, zu dolmetschen und hilfreiche Prioritäten zu setzen, kann dann Gold wert sein.“

vaeter.nrw: Ist es für einen alleinerziehenden Vater ein Unterschied, ob er Töchter oder Söhne hat?
Ansgar Röhrbein: „Nun ja, zum einen ja – zum anderen nein. Ich denke, es gibt Situationen, da ist es für beide Eltern ein Unterschied, ob sie eine Tochter oder einen Sohn erziehen, und es gibt Situationen, in denen macht es keinen Unterschied. Wenn mein Sohn auf mich zukommt und mit mir als Vater über Probleme mit seiner Vorhaut zu sprechen, habe ich es vermutlich leichter, als wenn meine Tochter mit mir über den geeigneten Tampon diskutieren möchte. Einfach, weil ich beim ersten Thema besser mitreden kann. Hier habe ich den einen oder anderen Vater schon einmal vorrübergehend verunsichert erlebt, bis er für sich eine geeignete Position gefunden hatte. Andere Themen wie Grenzen setzen, Ausgangs- und PC-Zeiten u. ä. machen vermutlich allenfalls einen gefühlten Unterschied aus, faktisch aber eher nicht.“

vaeter.nrw: Wie gehe ich als Vater von einer Tochter damit um, dass ihr nun das weibliche Rollenvorbild fehlt?
Ansgar Röhrbein: „Dass ist ja nicht unbedingt gesagt, dass das weibliche Rollenvorbild fehlt. Viele Eltern schaffen es ja recht gut, eine Einigung über eine geteilte Verantwortung zu erzielen. Wenn der Vater nun die Hauptverantwortung trägt, kann die Mutter ja dennoch im Leben der Kinder präsent bleiben. Trotzdem wird es vermutlich Situationen geben, die für Tochter und Vater herausfordernd sein können. Insbesondere dann, wenn die Tochter sich zur Frau entwickelt und echte 'Frauenthemen' anstehen. Hier erlebe ich viele Väter sehr ehrlich. Die einen sagen: 'Da muss ich mich erst mal schlau machen, aber ich weiß nicht, ob das reichen wird'. Andere sagen z. B.: „Das ist echt nicht mein Ding mit Tampons, Regelblutung, Gebärmutterhals-Krebsvorsorge und so, damit will ich mich gar nicht erst näher befassen. Ich habe meine Schwester darum gebeten, ob sie das mit meiner Tochter klären kann“. So überlegen viele Väter, welche vertrauten weiblichen Bezugspersonen sie in diesen Fragen unterstützen können und damit auch (neben der Mutter) Rollenvorbild für die Tochter sein können. Ich glaube daher, dass es im gewissen Sinne eine Typfrage ist: Was traue ich mir zu? Wo kann ich noch was lernen und will das auch? Was ist eher nicht mein Ding?“

vaeter.nrw: Wie sollten alleinerziehende Väter damit umgehen, wenn sie sich neu verlieben?
Ansgar Röhrbein: „Zunächst einmal sollten sie den Kindern Zeit geben, sich langsam daran zu gewöhnen. Häufig erleben sich die Kinder in solchen Situationen in einem Chaos der gemischten Gefühle: Einerseits gönnen sie vermutlich dem Vater eine Freundin, andererseits halten sie ihrer Mutter die Treue und drittens haben sie eventuell Sorge bezüglich der möglichen Veränderungen und erneuten Schwierigkeiten. Aus der väterlichen Perspektive empfiehlt es sich daher, mit viel Fingerspitzengefühl vorzugehen, damit sich die Kinder nicht von heute auf morgen vor vollendete Tatsachen gestellt sehen. Unter solchen Vorzeichen sind eine behutsame Kontaktaufnahme und ein vorsichtiger Beziehungsaufbau angezeigt. Väter, die ihren Kindern gleich eine neue Mama präsentieren, überfordern vermutlich ihre Kinder emotional, auch wenn sie selbst damit nur ihrem Wunsch nach Unterstützung Ausdruck verleihen (wollen). Ein gestaffeltes Vorgehen, das mit ersten kleinen stundenweisen Kontakten und Unternehmungen beginnt und langsam mit dem Zutrauen der Kinder auch im gemeinsamen Umfeld anwächst, ist am ehesten geeignet, ohne dass die eigenen Wünsche nach Zweisamkeit darunter leiden müssen“.

vaeter.nrw: Welche Erfahrungen machen alleinerziehende Väter mit „der gesellschaftlichen Meinung“, mit Freunden, Verwandten?
Ansgar Röhrbein: „Ich glaube, dass ist von ganz vielen Faktoren abhängig. Grundsätzlich ist aus meiner Sicht inzwischen die Akzeptanz von alleiniger väterlicher Kompetenz in vielen Köpfen angekommen. Allerdings manchmal mit einschränkenden Fragen: „Traust Du Dir das denn wirklich zu …? Bräuchte sie nicht jetzt doch mal die Mama?“ Viele der Väter, die ich erlebe, haben durch ihre Familien einen großen Rückhalt. Insbesondere dann, wenn sie verlassen wurden. Dann hat oft eher die Mutter mit heftigen Zuschreibungen zu rechnen: „Wie konnte sie das nur den Kindern antun“, etc. Wenn die Väter Kritik und Skepsis erfahren, kommt diese häufig aus Richtung des Arbeitgebers, sicher auch aus eigenem Interesse. Bei Coaching-Prozessen mit Führungskräften höre ich oft heraus, dass diese im Sinne der Personalplanung mit den engagierten Vätern nun eine weitere Gruppe haben, mit der sie schwer(er) planen können, weil sie nicht wissen, worauf sie sich für welche Zeit bei ihnen einstellen und worauf sie bauen können. Das erzeugt zeitweilig Druck, der sich nicht selten in Kritik und Unverständnis äußert.“

vaeter.nrw: Gibt es noch etwas zu dem Thema, das Sie sagen möchten?
Ansgar Röhrbein: „Ja. Ich ziehe den Hut vor jedem alleinerziehenden Vater (und jeder alleinerziehenden Mutter) und zolle ihnen allen meinen vollen Respekt! Ich weiß aus eigenen Erfahrungen, wie hilfreich es oft war, wenn meine Frau und ich uns aus bestimmten anstrengenden Situationen mit den Kindern vorübergehend ausklinken konnten. Daher wünsche ich allen alleinerziehenden Vätern (und Müttern) viel Kraft, kleine Oasen im Alltag und ein paar konstante hilfreiche Springer an der Seite, denen sie vertrauen und auf die sie sich verlassen können, wenn sie mal eine Auszeit benötigen!“

Kontaktdaten:

Ansgar Röhrbein

Am Willigloh 14

58509 Lüdenscheid

02351-4325173

www.ansgar-roehrbein.de

Zur Person:

„Mein Papa kommt“ – Besuchsprogramm für Kinder mit zwei Elternhäusern

Getrennt lebend

Für Väter, die getrennt und weit entfernt von ihren Kindern leben, gibt es jetzt eine neue Möglichkeit, kostenlos zu übernachten, wenn sie ihre Kinder besuchen wollen. Die bundesweite Initiative "Mein Papa kommt!" vermittelt die Väter an Gastgeberinnen und Gastgeber.

Nicht immer wohnen getrennt lebende Eltern in der gleichen Stadt. Manchmal zieht ein Elternteil um – sei es aus beruflichen Gründen oder für eine neue Beziehung. Dann stellt sich – vor allem wenn die Kinder noch nicht alleine reisen können – die Frage, wo Vater und Kind sich treffen können. Für alle, denen das Geld für Hotels oder Mietwohnungen fehlt, hält die Initiative "Mein Papa kommt" eine Lösung parat.

Das Besuchsprogramm für getrennt lebende Eltern der Flechtwerk2+1 gGmbh unterstützt bundesweit bei der Suche nach kostenfreien Übernachtungsmöglichkeiten und bietet Beratungen für Eltern an. Interessierte können sich über die Homepage der Initiative anmelden. Auch in Nordrhein-Westfalen werden aktuell Gastgeber oder Gastgeberinnen gesucht.

(vaeter.nrw)

 

Text aktualisiert am 29.05.2016

Wenn die Mutter ausfällt

Ungeplante Vaterschaft

Jedes Vatersein entwickelt und verändert sich in den Jahren nach der Geburt. Wenn aber die Mutter als Partnerin und Mama ausfällt, verändert sich das Vatersein ganz grundsätzlich. Eine Familie aus Wattenscheid hat genau das erlebt. Vater und Tochter mussten zu zweit eine neue Familienform für sich finden.

Wenn Werner Roth* über seine Tochter nachdenkt, spürt er die Verantwortung, die er hat: „Seitdem ich mich um Alina kümmere, habe ich mein Leben im Griff“, sagt er. „Und das muss auch so sein, sonst kann ich mich für die Kleine nicht stark machen.“ Alina ist acht Jahre alt und geht in Wattenscheid in eine offene Ganztagsschule. In der gibt es – wie in jeder Schule – auch mal Ärger und dann steht der 52-jährige Frührentner Roth an der Seite seiner Tochter im Lehrerzimmer. „Eigentlich klappt es mit der Schule und den Hausaufgaben ziemlich gut. Aber wenn meine Tochter ungerecht oder respektlos behandelt wird, soll sie sehen, dass ich da bin. Dann werde ich deutlich gegenüber den Lehrern.“ Mit seiner eigenen schulischen Ausbildung lief es nicht so gut. Und auch danach bekam der ehemalige Hilfsarbeiter nicht so recht einen Fuß auf den Boden: „Ich komme selbst aus einem sozialen Brennpunkt und habe den Absprung in eine richtige Berufsausbildung nie geschafft“, sagt Werner Roth.

Auf sich allein gestellt

Auch Alinas Mutter stammt aus armen Verhältnissen, lebte zeitweilig auf der Straße und als sie und Werner sich ineinander verliebten, standen Kinder nicht auf dem Plan. Aber irgendwann kündigte sich die Tochter an und die beiden zogen zusammen. Recht bald nach der Geburt merkte Werner Roth, dass seine Partnerin zunehmend psychische Probleme hatte und oft nicht fähig war, vernünftig für das Kind zu sorgen. Nach ungefähr eineinhalb Jahren wurde es so schlimm, dass er das Jugendamt einschaltete: „Leider wollte Alinas Mutter keine Hilfe von außen annehmen, nicht von Psychologen, Ärzten oder vom Jugendamt. Und sie hat sich auch nicht um sich selbst gekümmert. Mitverdienen wollte sie genauso wenig, hat alle Angebote des Jobcenters ausgeschlagen – bis die ihr das Arbeitslosengeld gestrichen haben.“ Zu dem Zeitpunkt hatte Alinas Mutter noch das alleinige Sorgerecht. Mit Unterstützung der Familienhilfe erstritt Werner Roth aber ein Mitsorgerecht und hoffte auf Besserung der Situation: „Ich dachte, dass sich vielleicht was bewegt, wenn ich auch rechtlich Verantwortung für Alina habe. Für das Kind war es ohnehin besser so“, sagt er.

Aber die Situation wurde nicht besser. Die Mutter war einerseits mit den einfachsten Aufgaben überfordert, wollte ihre Tochter aber zugleich mehr und mehr von der Außenwelt isolieren. Für Werner Roth eine schlimme Zeit: „Natürlich wünscht man sich ein anderes Familienleben. Aber spätestens als Alina vier Jahre alt wurde, war klar, dass ich das alleinige Sorgerecht brauchte. Ich musste sozusagen nochmal Vater werden: alleinerziehend und alleinverantwortlich.“ Wieder findet er in der Familienhilfe Fürsprecher, die ihn vor dem Familiengericht unterstützen. Mit dem alleinigen Sorgerecht in der Hand suchen er und Alina eine neue Wohnung. Gerade in der ersten Zeit leidet Alina unter der Trennung von ihrer Mutter. Aber die bekommt weder ihr Leben noch ihre Beziehung zur Tochter in den Griff und so werden die Besuche immer seltener.

Ein eingespieltes Team

Längst sind Alina und Werner Roth ein funktionierendes Zweierteam. Wenn sie Hilfe brauchen, wissen sie, wo sie fragen müssen: „Als unsere Waschmaschine kaputt gegangen ist, haben wir zunächst alles mit der Hand gewaschen. Aber dann habe ich mich ein bisschen umgehört: beim Väterprojekt vom SKFM in Wattenscheid, der Caritas und beim Jugendamt“, erinnert sich Werner Roth. So hat er schließlich die Aktion Lichtblicke kennengelernt und dort zusammen mit der Caritas einen Förderantrag gestellt – jetzt wäscht wieder eine Maschine. „Weil wir wenig Geld haben, können wir keine großen Sprünge machen. Aber wir brauchen auch keine tollen Möbel oder einen riesigen Plasmafernseher. Stattdessen haben wir immer frisches und gutes Essen im Haus“, sagt Werner Roth und erzählt, wie sie abends gemeinsam kochen, spielen oder auf dem kleinen Fernseher noch was schauen. Das fehlende Geld macht sich oft bemerkbar: „Alina versteht, dass wir sparen müssen. Wenn wir zur Kirmes gehen, gibt es nicht überall was Süßes, und Achterbahn fahren wir auch nur einmal. Aber ich lege immer ein bisschen Geld zur Seite – damit sie vielleicht doch nochmal alleine fahren kann …“

In den Ferien oder am Wochenende nutzen Vater und Tochter viele städtische Freizeitangebote. Sie erkundigen sich nach Beihilfen und Zuschüssen. So kam Alina schon zu einem Wochenende auf dem Reiterhof. Wenn es nach ihrem Papa geht, nicht zum letzten Mal: „Ich halte immer die Augen offen, wo es tolle Aktionen für Kinder gibt. Und wenn gerade nichts passiert, organisieren wir zwei unsere eigenen Kurzausflüge“, sagt er. Dann fahren Vater und Tochter mit der Bahn ins Sauerland zum Wandern, nach Köln oder mal nach Holland. „Aber das geht nur, wenn es nichts für die Schule zu tun gibt. Ich will, dass sie lernt, damit sie später einen vernünftigen Beruf hat! Ansonsten wünsche ich mir einfach, dass sie gesund ist und es ihr gut geht – dann freue ich mich.“

(vaeter.nrw)

Text aktualisiert am 11.06.2016