Vater ist, das was du draus machst!
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Beratung

Alltag des Scheidungsanwalts

Das letzte Gefecht

Im Jahr 2013 wurden bundesweit fast 170.000 Ehen geschieden. Eine Scheidung markiert den Punkt, an dem eine Ehe als endgültig gescheitert gilt. Das hat Auswirkungen auf alle Bereiche des bislang gemeinsamen Lebens. Was früher für beide Partner da war, muss jetzt aufgeteilt werden. Oft ergeben sich daraus Streitigkeiten: vom Vermögen bis zum Besuchsrecht für die Kinder.
Wolfgang Stieghorst, Fachanwalt für Familienrecht aus Halle in Westfalen, berät Frauen wie Männer. Für seine männlichen Mandanten hält er einen dringenden Rat bereit: „Lassen Sie uns die Scheidung so schnell wie möglich machen.“ Denn der Zeitpunkt der Scheidung entscheidet darüber, wie viel Geld ein Mann seiner Ex-Frau zahlen muss – direkt wie indirekt. Die in der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche von Ehepartnern werden gleich nach der Scheidung vollständig geteilt. Egal, ob gesetzliche oder private Rente, stets gilt: Halbe-halbe, und das sofort. Der sogenannte Versorgungsausgleich wird vom Familiengericht durchgeführt. „Ich hatte mal einen Mandanten, der lebte bereits elf Jahre von seiner Frau getrennt, ehe er mich aufsuchte – der ist fast vom Stuhl gefallen, als er von den Rentenansprüchen erfuhr“, sagt Stieghorst. Auch Lebensversicherungen, Sparvermögen und Immobilien tauchen in der Vermögensbilanz beim Zugewinnausgleich auf: Derjenige, der mehr hat, muss vom Mehrbetrag die Hälfte an den Expartner abgeben.

Das Kind als seelische Daumenschraube

Das Aufteilen des materiellen und geldwerten Besitzes ist das eine Thema, das andere sind die gemeinsamen Kinder. Nach der räumlichen Trennung von Vater und Mutter, passiert erst einmal nichts. In der Regel nimmt die Mutter das Kind und der Vater muss sich um den Umgang kümmern. Das Problem ist für den Vater dann häufig: Wann sehe ich mein Kind? „Die Kinder sind oft die letzte Waffe, die Frauen haben – wenn nichts mehr hilft, dann können sie mit dem Entzug von Umgang drohen“, sagt Stieghorst, „Für einige Väter schrillen dann die Alarmglocken, sie sagen sich, wenn ich jetzt nicht tätig werde, wird es noch schlimmer.“ Aber eben nur für einige. „Leider“, sagt Stieghorst, „ist es auch so, dass vielen Männern der Umgang mit den Kindern nicht ganz so wichtig ist.“

Männern mangelt es an Weitsicht

Da schmerzen die finanziellen Einbußen manchmal doch mehr als der verhinderte Umgang mit dem eigenen Kind. Oft erst mit der Unterhaltsforderung vom Anwalt der Ehefrau kommen viele Männer bei Wolfgang Stieghorst in die Kanzlei. „Wenn ein Mann mit den Worten zu mir kommt: 'Die will 1.000 Euro haben, wie geht das denn?“ – dann ist er schon mittendrin', sagt Wolfgang Stieghorst. Von Frauen, die ihn als Anwalt aufsuchen, ist er auch anderes gewohnt. Stieghorst kennt Fälle, da erkundigen sich die Ehefrauen mit folgendem Interesse bei ihm: „Ich möchte in eineinhalb Jahren geschieden werden – was muss ich tun?“ „Frauen wissen meist ziemlich genau, was sie da tun und sind in der Regel sehr gut organisiert. Männer sind da eher ein bisschen phlegmatisch“, sagt Stieghorst.

Der steinige Weg zum Einvernehmen

Stieghorst arbeitet nach folgendem Prinzip: „Ich biete zunächst ein 4er-Gespräch an: Mein Mandant und ich und die Frau mit ihrem Anwalt, damit nicht soviel geschrieben werden muss und keine Hemmnisse aufgebaut werden.“ Dass dann oft doch geschrieben wird, mühsam Einkommensnachweise und Besitzverhältnisse geklärt werden müssen, um den zu zahlenden Unterhalt realistisch zu ermitteln und die Zeiten auszuhandeln, in denen der Vater seine Kinder sehen kann – das hat nicht immer nur mit den Mandanten zu tun: „Es gibt Kollegen, mit denen man keine vernünftige Regelung hinbekommt.“ Aber auch neue Partner können dazu führen, dass eine außergerichtliche Einigung sehr schwierig werden kann. Nicht selten werden die Ehestreitigkeiten weitergetragen, neue Partner und Anwälte, Familienmitglieder und schlimmstenfalls die Kinder selbst werden instrumentalisiert. „Auch wenn Untersuchungen sagen, dass 75 Prozent der Mandate außergerichtlich geklärt werden, ich schätze es sind lediglich 30 bis 40 Prozent“, sagt Stieghorst, der auch Mediator ist. Obwohl die Mediation eine gute Alternative zu streitigen Gerichtsverfahren ist, wendet Stieghorst das Instrument zur Schlichtung in Scheidungsfällen eher selten an. „Man sagt, zwölf Stunden Mediation können zwei Jahre Rechtsstreitigkeiten beilegen. Aber in ländlichen Regionen ist Mediation in Sachen Ehescheidungen noch nicht so gefragt, in Großstädten funktioniert das besser“, sagt Stieghorst. Aber auch die akute emotionale Belastung spielt hier eine wichtige Rolle: „Wenn der Mann seine Frau jahrelang betrogen hat – oder andersherum – hat der Betrogene sicherlich kein Interesse daran, es direkt mit einer Mediation zu versuchen.“ Diese Einsicht kommt vielleicht erst später, das Einvernehmen oft auch. „Wichtig ist, dass es überhaupt kommt“, sagt Stieghorst. „Wenn der Streit zwischen den Eltern beigelegt ist, dann funktioniert es auch wieder mit den Kindern.“ (vaeter.nrw)   Text aktualisiert am: 11.06.2016

Fronten aufweichen

Trennungskinder

„Manchmal passieren Wunder, aber meistens ringen wir lange um Lösungen.“ Michael Braun hat viele hochstrittige Auseinandersetzungen erlebt, denn er war 15 Jahre lang in einem Jugendamt beschäftigt. Seine Bilanz: „Ich habe nur wenige Konflikte begleitet, in denen nichts mehr ging – meistens haben wir Lösungen gefunden. Aber wir mussten mühsam darum ringen und diese Prozesse dauerten sehr lange.“
Von Hochstrittigkeit sprechen Michael Braun und seine Kollegen, wenn die Positionen auf beiden Seiten so verhärtet sind, dass der Vater und die Mutter des Kindes bzw. der Kinder es nicht mehr schaffen, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. „Bei uns im Jugendamt haben wir es so gemacht, dass wir erst mal getrennt mit den Eltern gesprochen haben: eine Mitarbeiterin mit der Mutter und ich mit dem Vater, manchmal zeitgleich in verschiedenen Räumen und manchmal an unterschiedlichen Tagen – hochstrittige Paare halten es oft nicht aus, sich in einem Zimmer aufzuhalten. Erst wenn beide bereit sind, sich wieder an einen Tisch zu setzen, ist auch eine Mediation möglich. Wenn das der Fall war, haben wir der Familie ein Angebot dazu gemacht. Mediation heißt ja, dass Vater und Mutter ihre Absicht erklären, bei ihren Themen Regelungen zu finden“, erzählt Michael Braun. Der Mediator oder die Mediatorin moderiert während einer bestimmten Anzahl von Terminen. Am Ende steht eine Vereinbarung, die beide unterschreiben und die dem Gericht mitgeteilt werden kann. Um eine solche außergerichtliche Regelung zu erreichen, sollten auch die Anwälte des Vaters und der Mutter einbezogen werden, damit sie in der Abstimmungsphase keine Briefe schreiben, die den Konflikt neu aufleben lassen.

Kinder einbeziehen

Michael Braun betont, wie wichtig es ist, den Kindern mitzuteilen, dass sich ihre Eltern wirklich um Lösungen bemühen. Denn ein Indiz für Hochstrittigkeit ist, dass Kinder Dinge regeln, für die eigentlich ihre Eltern Verantwortung übernehmen sollten, zum Beispiel dem Vater mitteilen, dass die Mutter einen Urlaub plant und fragen, ob sie in der Zeit bei ihm bleiben können. Sind die Kinder neun oder zehn Jahre alt, werden sie – je nach Entwicklung – einbezogen. Hier vertritt Michael Braun einen systemischen Ansatz, der das ganze Familiensystem einbezieht. Wenn nötig, auch neue Partner und die Großeltern. Hochstrittigkeit vergleicht Michael Braun mit einem Krieg: „Da muss man die Kinder schützen.“ Aber es gibt auch eine echte Chance: „Wenn Eltern trotz ihrer persönlichen Verletzungen und Kränkungen das Wohl der Kinder im Blick haben, dann können die Kinder eine notwendige Trennung oder Scheidung auch gut verarbeiten. Vor allem, wenn sie erleben, wie Vater und Mutter mit gegenseitigem Respekt, trotz unterschiedlicher Sicht, zum Beispiel die Besuchskontakte oder die Ferien regeln“, sagt der Familienberater. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, sollte alles dafür tun, dass der Kontakt zum anderen Elternteil aufrechterhalten bleibt. Gelingt das nicht, sollte er oder sie sich dringend professionelle Hilfe suchen. Zum Beispiel, wenn die Mutter einen neuen Lebensgefährten hat. „Ich hatte einen Fall, da wollte die Mutter nicht mehr, dass der leibliche Vater Kontakt zum Kind hält. Ihr neuer Partner sollte diese Rolle übernehmen. Sie sagte: Meine Tochter hat jetzt einen neuen Papa, sie braucht meinen Ex nicht. Da musste ich ihr sagen: Nein, der Vater Ihrer Tochter ist Ihr Ex-Mann, und wenn Ihre Tochter will, hat sie nun noch einen zweiten Papa“, berichtet Michael Braun. Schließlich haben sich alle an einen Tisch gesetzt: die Mutter und ihr Verlobter, der leibliche Vater und seine Lebensgefährtin. Tatsächlich haben sie einen Kompromiss gefunden, eine Umgangsregelung, mit der alle leben konnten.

Gespräche statt Gerichtsverhandlung

Zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, gelingt nur über einen Dialog. Die meisten hochstrittigen Paare aber haben nie gelernt, wirklich miteinander zu sprechen und sich zuzuhören. Und über die Trennung und den vielen Streit ist das Vertrauen verloren gegangen; wie bei einer Mutter, die mit ihrem Kind in den Norden Deutschlands gezogen ist, obwohl der Vater im Süden lebt und ein Gerichtsbeschluss besagte, sie dürfe sich mit dem Kind nicht weiter als 40 Kilometer entfernen. Der Vater klagte. Das Oberlandesgericht war bereits involviert, als Michael Braun und seine Kollegin endlich eine Einigung moderieren konnten: Der Vater erklärte sich einverstanden, dass Mutter und Kind im Norden leben, sein Sohn ihn aber regelmäßig besuchen kommt. Einen Tag vor der Verhandlung zog der Vater seine Klage zurück. „Ich sage immer zu den Streitenden: Die beste Lösung finden Sie, die liegt in Ihrer Familie verborgen. Manchmal auch in der eigenen Biografie. Die schlechteste Lösung ist das Gericht, aber wie gut, dass wir es haben, wenn nichts anderes mehr geht.“ Den Vätern rät Michael Braun, sich früh genug – bevor der Streit eskaliert – Rat und Hilfe zu suchen: Auf Internetseiten wie dem Väterportal, in Büchern und bei professionellen Beratungsstellen. Und: Väter sollten sich Gruppen suchen, in denen sie Zugang zu ihren Gefühlen finden und sich austauschen können, auch darüber, wie sie konflikt- und handlungsfähig werden. Sich selbst verstehen lernen ist die beste Prävention vor Hochstrittigkeit. Der Familienberater freut sich darüber, dass sich im Laufe seiner Berufsjahre eines geändert hat: Es gibt sie, die „neuen Väter“, die sich kümmern, wirklich für ihre Kinder interessieren und um sie kämpfen. (vaeter.nrw)Michael Braun ist seit 40 Jahren verheiratet, Vater von vier Kindern und hat fünf Enkelkinder. Text aktualisiert am 1. Juni 2016

Der kurze Weg vom Single zur Familie

Ungeplante Vaterschaft

Rund ein Fünftel aller Schwangerschaften in Deutschland gilt als ungeplant. Kommt das Kind dann zur Welt, stellt es das bisherige Leben der Eltern auf den Kopf. Mütter und Väter müssen sich umstellen, alte Pläne aufgeben und neue schmieden. Ein Vater aus Dortmund berichtet, wie tiefgreifend und bereichernd sein Leben umgekrempelt wurde.
Nichtstun, Partys feiern, treiben lassen. Ziellos mit einem Bier in der Hand im Stadtbus durch die Gegend fahren und so unbekannte Ecken der Dortmunder Heimat erkunden. So stellte sich Michael* den Winter 2002/03 vor. Er hatte gerade seine Ausbildung zum Feinmechaniker hinter – und viel freie Zeit vor sich. „Ich war 25 Jahre alt, hatte außer Musik machen und der Idee mit dem Busfahren keine Pläne, und ich genoss diese Unabhängigkeit.“ Rückblickend nennt er sein Leben ausschweifend und wild. Auf einer seiner ersten Bustouren sitzt er neben einer jungen Frau. Sie heißt Katrin. Sie und Michael kommen schnell ins Gespräch, fahren gemeinsam eine weitere Runde durch Dortmund. „Im Bus erzählte mir Katrin, dass sie gerade über den zweiten Bildungsweg das Abitur nachmacht. Sie fragte mich, ob das nicht auch etwas für mich wäre – ein paar Tage später war ich im Weiterbildungskolleg angemeldet“, sagt Michael. In der Schule treffen die beiden wieder aufeinander. Sie mögen sich, verbringen gerne Zeit miteinander. Irgendwann wird ein Liebesabenteuer daraus – an eine feste Beziehung denken sie aber nicht. Die ungebundene Zeit endet schlagartig im Frühling 2003. Katrin ist schwanger und will das Kind unbedingt behalten. „Sie hat mich vor die Wahl gestellt: Ich könne mein freies Leben wie bisher weiterleben und müsse mir um das Kind keine Gedanken machen. Aber ich wäre komplett raus. Ein bisschen Papa sein, wenn es gerade passt, sollte es nicht geben“, sagt Michael. Er wählte die Alternative: Ganz Papa sein, zusammenziehen und eine Familie gründen. „Jetzt ist es passiert, dachte ich, dann stehe ich dazu. Dann ist es meine Aufgabe, das so gut wie möglich zu machen“.

Mit Mut und Beratung

Und in Michael wächst langsam Vorfreude auf das Kind, ein Sohn, wie sie bald erfahren. Er merkt, dass es gut tut, sich über sein Leben mehr Gedanken machen zu müssen. Dass das Kind ihm die Chance bietet, sich selbst neu zu definieren: „Ich fand die schlagartige Verantwortung und das Erwachsenwerden spannend. Ich wollte wissen, wie gut ich das kann und wie gut Katrin und ich als Eltern funktionieren würden.“ Die Schule ernst nehmen, gemeinsam eine Wohnung finden, zum Geburtsvorbereitungskurs gehen – die neue Verantwortung startet unmittelbar. Auch bei der Geburt dabei zu sein, ist für Michael selbstverständlich. Lasse kommt im Oktober per Kaiserschnitt auf die Welt. Michael hält Katrins Hand, spricht ihr und sich gut zu und übernimmt später direkt das Baby zum Waschen und Kuscheln. „Und dann steht man da, mit so einem Würmchen auf dem Arm“, wundert er sich noch Jahre später. Schon während der Schwangerschaft lassen sich die werdenden Eltern umfassend beraten. Solange sie zum Weiterbildungskolleg gehen, bekommen sie zwar BAföG, aber damit allein können sie keine Familie ernähren. Bei Pro Familia bekommen sie deshalb nicht nur Zuspruch, sondern ebenso Tipps zu Mutterschaftsgeld, Wohngeld und der Kindererstausstattung. Zusammen mit den Beratern klären sie ihre Ansprüche und füllen Formulare und Anträge aus. Ihr Ansprechpartner beim Jugendamt hilft ihnen mit der Suche nach einer Tagesmutter. Michael sagt: „Wir hatten wirklich gute Berater. Und wenn man verstanden hat, wo man anfragen muss, ist das Hilfsangebot enorm groß.“

Sehen, dass man es kann

Das Paar ist sich einig, dass beide wie geplant Abitur machen. Mit einem Säugling ist das nicht so einfach. Aber die Schule zeigt sich flexibel und nachdem Lasse in den ersten Wochen auch mal mit im Unterricht sitzt, finden sie eine Tagesmutter, die das Kind stundenweise übernimmt. „Als wir das Abi in der Tasche hatten und ein Studium beginnen wollten, wurde es mit der Betreuung allerdings schwieriger“, sagt Michael. Katrin plante in Essen zu studieren, aber Michael wollte weiter in Dortmund wohnen und dort sein Maschinenbaustudium beginnen. Also pendelte Katrin jeden Tag 50 Kilometer – und Michael wurde zum Ansprechpartner für alle Kinderfragen vor Ort. Während Michael inzwischen auf Partys und Ausschlafen verzichtete, ging das alte Leben für seine Freunde weiter. Sie studierten meist und waren frei von allen Familienpflichten. Trotzdem die Freundschaften aufrechtzuhalten klappte nicht gut: „In deren Alltag hat sich nichts geändert und sie hatten keine wirkliche Vorstellung von meinem neuen Leben. Sie beobachteten nur, dass ich mich veränderte,“ sagt Michael. Er und Katrin merkten schnell, dass der Kontakt zu den Freunden loser wurde und zu vielen schließlich abbrach. Aber auf der anderen Seite haben sie auch neue Leute kennengelernt: Eltern, die ganz ähnliche Themen und Probleme hatten. Außerdem spürte Michael einen wachsenden Stolz auf sich und die gemeinsame Leistung: „Es fühlte sich richtig an, einen entscheidenden Schritt im Leben weiter zu sein, Verantwortung für das Kind zu haben und zu sehen, dass man es tatsächlich kann.“

Aus eins mach drei

Mit der Erfahrung, dass sie ihr Familienleben und das Studium – wenn auch mit einigem Aufwand – unter einen Hut bringen konnten, dachten Michael und Katrin ihre Familie weiter: „Ich hätte vorher nie geglaubt, dass es mit uns und Lasse so gut laufen würde. Und wir beide mochten die Vorstellung von mehreren Kindern in unserem Leben, also entschlossen wir uns zu einem weiteren – diesmal richtig geplant.“ Noch während des Studiums kam der zweite Sohn, Lennart. Damit war die Familienplanung aber noch nicht abgeschlossen. Zwei Jahre später schon wurde Niklas geboren. „Keine Frage, ich musste vom Schicksal ein bisschen zu meinem Glück gezwungen werden“, sagt Michael heute. Inzwischen arbeitet er bei einem Automobilzulieferer und wohnt mit seiner Familie in einem Häuschen am Stadtrand. „Ich hatte das Glück, jung Vater zu werden und im richtigen Moment anfangen zu müssen, über mich und mein Leben nachzudenken. Durch die Kinder kann ich mich selbst jetzt ganz anders wahrnehmen. Ich habe meinen Weg gefunden und eine Rolle, die mich ausfüllt.“ *Alle Namen geändert.  (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 31. Mai 2016

Wenn die Mutter ausfällt

Ungeplante Vaterschaft

Jedes Vatersein entwickelt und verändert sich in den Jahren nach der Geburt. Wenn aber die Mutter als Partnerin und Mama ausfällt, verändert sich das Vatersein ganz grundsätzlich. Eine Familie aus Wattenscheid hat genau das erlebt. Vater und Tochter mussten zu zweit eine neue Familienform für sich finden.
Wenn Werner Roth* über seine Tochter nachdenkt, spürt er die Verantwortung, die er hat: „Seitdem ich mich um Alina kümmere, habe ich mein Leben im Griff“, sagt er. „Und das muss auch so sein, sonst kann ich mich für die Kleine nicht stark machen.“ Alina ist acht Jahre alt und geht in Wattenscheid in eine offene Ganztagsschule. In der gibt es – wie in jeder Schule – auch mal Ärger und dann steht der 52-jährige Frührentner Roth an der Seite seiner Tochter im Lehrerzimmer. „Eigentlich klappt es mit der Schule und den Hausaufgaben ziemlich gut. Aber wenn meine Tochter ungerecht oder respektlos behandelt wird, soll sie sehen, dass ich da bin. Dann werde ich deutlich gegenüber den Lehrern.“ Mit seiner eigenen schulischen Ausbildung lief es nicht so gut. Und auch danach bekam der ehemalige Hilfsarbeiter nicht so recht einen Fuß auf den Boden: „Ich komme selbst aus einem sozialen Brennpunkt und habe den Absprung in eine richtige Berufsausbildung nie geschafft“, sagt Werner Roth.

Auf sich allein gestellt

Auch Alinas Mutter stammt aus armen Verhältnissen, lebte zeitweilig auf der Straße und als sie und Werner sich ineinander verliebten, standen Kinder nicht auf dem Plan. Aber irgendwann kündigte sich die Tochter an und die beiden zogen zusammen. Recht bald nach der Geburt merkte Werner Roth, dass seine Partnerin zunehmend psychische Probleme hatte und oft nicht fähig war, vernünftig für das Kind zu sorgen. Nach ungefähr eineinhalb Jahren wurde es so schlimm, dass er das Jugendamt einschaltete: „Leider wollte Alinas Mutter keine Hilfe von außen annehmen, nicht von Psychologen, Ärzten oder vom Jugendamt. Und sie hat sich auch nicht um sich selbst gekümmert. Mitverdienen wollte sie genauso wenig, hat alle Angebote des Jobcenters ausgeschlagen – bis die ihr das Arbeitslosengeld gestrichen haben.“ Zu dem Zeitpunkt hatte Alinas Mutter noch das alleinige Sorgerecht. Mit Unterstützung der Familienhilfe erstritt Werner Roth aber ein Mitsorgerecht und hoffte auf Besserung der Situation: „Ich dachte, dass sich vielleicht was bewegt, wenn ich auch rechtlich Verantwortung für Alina habe. Für das Kind war es ohnehin besser so“, sagt er. Aber die Situation wurde nicht besser. Die Mutter war einerseits mit den einfachsten Aufgaben überfordert, wollte ihre Tochter aber zugleich mehr und mehr von der Außenwelt isolieren. Für Werner Roth eine schlimme Zeit: „Natürlich wünscht man sich ein anderes Familienleben. Aber spätestens als Alina vier Jahre alt wurde, war klar, dass ich das alleinige Sorgerecht brauchte. Ich musste sozusagen nochmal Vater werden: alleinerziehend und alleinverantwortlich.“ Wieder findet er in der Familienhilfe Fürsprecher, die ihn vor dem Familiengericht unterstützen. Mit dem alleinigen Sorgerecht in der Hand suchen er und Alina eine neue Wohnung. Gerade in der ersten Zeit leidet Alina unter der Trennung von ihrer Mutter. Aber die bekommt weder ihr Leben noch ihre Beziehung zur Tochter in den Griff und so werden die Besuche immer seltener.

Ein eingespieltes Team

Längst sind Alina und Werner Roth ein funktionierendes Zweierteam. Wenn sie Hilfe brauchen, wissen sie, wo sie fragen müssen: „Als unsere Waschmaschine kaputt gegangen ist, haben wir zunächst alles mit der Hand gewaschen. Aber dann habe ich mich ein bisschen umgehört: beim Väterprojekt vom SKFM in Wattenscheid, der Caritas und beim Jugendamt“, erinnert sich Werner Roth. So hat er schließlich die Aktion Lichtblicke kennengelernt und dort zusammen mit der Caritas einen Förderantrag gestellt – jetzt wäscht wieder eine Maschine. „Weil wir wenig Geld haben, können wir keine großen Sprünge machen. Aber wir brauchen auch keine tollen Möbel oder einen riesigen Plasmafernseher. Stattdessen haben wir immer frisches und gutes Essen im Haus“, sagt Werner Roth und erzählt, wie sie abends gemeinsam kochen, spielen oder auf dem kleinen Fernseher noch was schauen. Das fehlende Geld macht sich oft bemerkbar: „Alina versteht, dass wir sparen müssen. Wenn wir zur Kirmes gehen, gibt es nicht überall was Süßes, und Achterbahn fahren wir auch nur einmal. Aber ich lege immer ein bisschen Geld zur Seite – damit sie vielleicht doch nochmal alleine fahren kann …“ In den Ferien oder am Wochenende nutzen Vater und Tochter viele städtische Freizeitangebote. Sie erkundigen sich nach Beihilfen und Zuschüssen. So kam Alina schon zu einem Wochenende auf dem Reiterhof. Wenn es nach ihrem Papa geht, nicht zum letzten Mal: „Ich halte immer die Augen offen, wo es tolle Aktionen für Kinder gibt. Und wenn gerade nichts passiert, organisieren wir zwei unsere eigenen Kurzausflüge“, sagt er. Dann fahren Vater und Tochter mit der Bahn ins Sauerland zum Wandern, nach Köln oder mal nach Holland. „Aber das geht nur, wenn es nichts für die Schule zu tun gibt. Ich will, dass sie lernt, damit sie später einen vernünftigen Beruf hat! Ansonsten wünsche ich mir einfach, dass sie gesund ist und es ihr gut geht – dann freue ich mich.“ (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 11.06.2016

Reibung erzeugt Wärme, oder?

Die partnerschaftliche Aufgabenteilung auszuhandeln, ist nicht immer leicht – aber ohne geht es nicht.

Wird ein Mann zum Vater, ein Paar zu Eltern, ändert sich vieles. Große Fragen stehen im Raum: Wer kümmert sich in den ersten Lebensjahren um das Kind und wie wird der Haushalt fair aufgeteilt? Über Herausforderungen, Frust und Lösungen hat sich vaeter.nrw mit Familiencoach Aimée Bastian unterhalten.

Welche Probleme können auftauchen, wenn sich Männer und Frauen in ihrer neuen Elternrolle zurechtfinden müssen?

Es gibt einige Stolpersteine für frisch gebackene Väter und Mütter. Oft bestehen sie aus unterschiedlichen Familienwerte-Vorstellungen: Was brauchen unsere Kinder? Wie definiere ich mich als Mann und Vater? Wie als Frau und Mutter? Was brauchen wir als Paar? Problematisch kann auch das Thema Geld werden. Gibt es eine Familienkasse? Wer bestimmt, wie viel wofür ausgegeben wird? Hier fürchten frischgebackene Väter oft um ihre Unabhängigkeit. Hinzu kommt, die Aufgaben im Haushalt neu aufzuteilen. Und natürlich die Frage, wer das Kind wann betreut. Darüber sollte sich auch der Mann frühzeitig Gedanken machen und sich mit seiner Partnerin noch vor der Geburt des Kindes abstimmen.

Welche Probleme betreffen in erster Linie Väter?

Bei den Vätern habe ich zwei Typen beobachtet: Die einen orientieren sich eher an einem konservativen Familienmodell, das sie aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Die anderen verstehen sich als „moderner Mann“. Sie möchten sich zu Hause einbringen und gerne auch in Elternzeit gehen. Oft driften aber die Erwartungen von Mann und Frau auseinander. Viele Männer haben das Gefühl, sich bereits gut in Haushalt und Kinderbetreuung einzubringen – das Ausmaß entspricht aber noch lange nicht dem, was die Frau als partnerschaftlich betrachtet. Schwierig ist für viele Männer auch, wenn die Paarbeziehung unter dem Kind leidet, wenn sie sich von der Frau nicht mehr als Mann, sondern nur noch als Vater wahrgenommen und sexuell nicht mehr bestätigt fühlen.

Wie kann man sich bereits vor der Geburt vorbereiten und versuchen, künftige Konflikte zu verhindern?

Es ist wichtig, sich bereits früh darüber klar zu werden, wie man als Familie sein will und was einem wichtig ist. Als Eltern, aber auch als Mann und Frau. Falls gewünscht, rate ich, zusammen mit einem Coach oder Therapeuten, zu erarbeiten, wie die eigene Familie funktionieren soll, sodass man sich auch weiter als Paar wahrnimmt. Die Ergebnisse würde ich notieren und immer wieder rausnehmen, wenn es doch zu Streit kommt.

Ein großes Problem ist immer wieder die Frage: Wer betreut das Kind in den ersten Jahren?

Es ist heute nicht mehr so, dass Frauen automatisch nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleiben wollen. Sie sind gut ausgebildet und möchten auch in ihrem Beruf arbeiten. Väter müssen deshalb mit ihren Partnerinnen einen Kompromiss finden, der Zug um Zug verhandelt wird. Am besten sollte dies von einer unbeteiligten Person moderiert werden. Beide Partner müssen darüber nachdenken, was sie unbedingt brauchen und worauf sie verzichten können. Beide werden Zugeständnisse machen müssen.

Oft bleibt die Frau zu Hause und kümmert sich um Kinder und Haushalt. Das kann zu Frust auf beiden Seiten führen. Was raten Sie Eltern, die sich eine partnerschaftliche Aufgabenteilung wünschen?

Zunächst rate ich jedem Vater, eine Zeit lang Elternzeit zu nehmen und sich um Kind und Haushalt zu kümmern. Zum einen bekommt er dadurch engen Kontakt zum Kind. Außerdem erleben so auch Männer, was es bedeutet, einen Haushalt in Schwung zu halten und welchen Frust es mit sich bringen kann, keine Bestätigung mehr von außerhalb – beispielsweise der Arbeitsstelle – zu erfahren. So kann sich der Mann besser in seine Partnerin hineinversetzen. Das ist eine gute Grundlage für eine partnerschaftliche Aufteilung. Die typischen zwei Vätermonate sind besser als nichts, aber je länger ein Vater Elternzeit nimmt, desto besser. Gegen Frust hilft, dass beide mal raus kommen und sich in Rollen außerhalb der Familie als kompetent erleben – „Mann“ und „Frau“ bleiben, statt nur noch „Vater“ und „Mutter“ zu sein.

Was ist bei den Aushandlungsprozessen zu beachten? Vor allem, wenn sie unter Stress (durchwachte Nächte etc.) stattfinden?

In konkreten Stresssituationen entsteht besonders schnell ein schlimmer Streit. Man sagt Dinge, die man später bereut, die aber lange nachwirken. Bevor es dazu kommt, sollte man die Situation verlassen, tief durchatmen und vielleicht auch eine Nacht darüber schlafen, bis der akute Ärger abgeklungen ist. Anschließend sollte man gemeinsam über die Situation reden und überlegen, wie man die Dinge künftig organisieren kann. 

Oft stehen Männer unter dem Druck, die Versorgerrolle auszufüllen. Wie können Väter ihren Wunsch klar machen, dass sie gerne zu Hause bleiben und die Kinder betreuen wollen?

Je nachdem wie weit sich ein Mann beruflich für seine Frau und die Kinder zurücknimmt, kann es passieren, dass er von Bekannten oder Kollegen das Feedback bekommt, er sei ein „Weichei“. Das kratzt bei einigen Männern am Selbstwertgefühl. Es ist dann wichtig, sich selbst zu fragen: Wie will ich als Vater sein? Ist es wichtiger, was ich will, oder was andere von mir denken? Wer sich darüber klar wird, kann andere Meinungen leichter an sich abprallen zu lassen.

Ab welchem Punkt sollte ein Paar Hilfe suchen? An wen können sich Eltern wenden, wenn konkrete Schwierigkeiten bei einer gerechten Aufgabenverteilung auftauchen?

Kritisch wird es, wenn ein Paar sich immer wieder um dieselben Punkte streitet oder auch, wenn es in der gemeinsamen Zeit nur noch darüber reden kann. Dann empfehle ich jedem, sich professionelle Hilfe zu suchen. Das kann ein Familientherapeut sein, aber auch Kirchenverbände oder städtische Einrichtungen haben in fast jeder Stadt gute und oft kostenlose Angebote. Es hilft bereits, die Aushandlungsprozesse von einer unbeteiligten Person moderieren zu lassen. Dann können beide in einem geschützten Rahmen zu Wort kommen und ihre Wünsche äußern. (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 25. Mai 2016

Das Leben ist noch nicht vorbei

Ungeplante Vaterschaft

Für junge Männer gerät mit der Nachricht von der bevorstehenden Vaterschaft das Leben meist völlig durcheinander. Aber die neue Situation bietet auch Möglichkeiten, Verantwortung zu übernehmen, dem Leben einen anderen Sinn zu geben und es neu auszurichten. Damit der Neustart gelingt, hilft das Projekt juPa.pa! aus Köln jungen Vätern bis zum 21. Lebensjahr.

Ungeplante Vaterschaft

Für junge Männer gerät mit der Nachricht von der bevorstehenden Vaterschaft das Leben meist völlig durcheinander. Aber die neue Situation bietet auch Möglichkeiten, Verantwortung zu übernehmen, dem Leben einen anderen Sinn zu geben und es neu auszurichten. Damit der Neustart gelingt, hilft das Projekt juPa.pa! aus Köln jungen Vätern bis zum 21. Lebensjahr.

Beratung

Wenn Theodor Brocks in Kölner Schulen und Berufskollegs das Projekt juPa.pa! – Junge Papas packen es! vorstellt, melden sich immer wieder Jugendliche, die selbst schon Eltern geworden sind. „Vor allem die Väter sind oft überrascht, dass es überhaupt eine Initiative gibt, die sich speziell mit ihrer Situation befasst“, sagt der Sozialarbeiter und Sexualpädagoge Brocks. Eigentlich gibt es viele Eltern-Angebote: von der Schwangerschaftsberatung über finanzielle Unterstützung bis zu PEKiP-Kursen. Aber ein Großteil davon ist – wenn auch nicht ausdrücklich – auf Mütter zugeschnitten. Dass dagegen gerade noch ganz junge Väter in den Blick genommen werden, ist eher selten. Genau diese Lücke will das vom Verein Väter in Köln 2014 gestartete Projekt juPa.pa! schließen. Und die jugendlichen Väter nehmen das Angebot gerne an: „Wichtig ist, dass wir uns ihnen zuwenden und die richtigen Fragen stellen: wie ihr Leben jetzt ausschaut, wo sie beratende oder praktische Unterstützung brauchen“, sagt Theo Brocks. Oft geht es dabei um die Bewältigung des Alltags. Probleme mit den Eltern, der Schule, der Bürokratie, der Wohnungssuche. Wenn gewünscht, begleitet juPa.pa! die jungen Männer auch bei der Suche nach einem Kitaplatz oder zum Jobcenter. Außerdem will die Initiative dabei helfen, eine positive Einstellung zum Vatersein zu entwickeln. Das ist für Theo Brocks ganz wichtig: „Für viele junge Väter ist die Vaterschaft zunächst schlicht uncool. Ein Baby ist kein Statusobjekt, für das sie bei ihren Freunden Applaus bekämen, und schon gar nicht bei ihren Eltern. Wir wollen sie aus dieser Position herausholen, zeigen, dass sie keine Versager sind, die hätten besser aufpassen sollen.“

Papa sein und cool sein?

Eine Schwierigkeit auf diesem Weg ist, dass vielen Jugendlichen ein gutes Vatervorbild fehlt. Um die neue Rolle als männlich und attraktiv zu erleben, braucht es oft neue Vorbilder. Manchmal hilft da schon die Begegnung mit anderen jungen Vätern bei juPa.pa!. „Das ist für viele eine ganz spannende Erfahrung. Dann sind sie mal nicht diejenigen, die mit der Lebenswirklichkeit ihrer Freunde nichts mehr zu tun haben, sondern sprechen auf Augenhöhe über Vaterthemen – und über alles, was Jugendliche sonst interessiert“, sagt der Theo Brocks. Ihm geht es aber auch um die Beziehung zum Kind und zur Partnerin: „Viele Mütter scheinen nach der Schwangerschaft direkt eine stärkere Bindung zum Kind zu haben. Aber wir wollen, dass die Väter sich genauso interessieren, dass sie aufmerksam sind für seine Bedürfnisse.“ Dazu reicht manchmal schon jemand, der zeigt, wie man mit einem Baby rumalbern kann oder seine Neugierde weckt.Veranstaltungshinweis Um Jugendhilfe und Jugendarbeit stärker für junge Väter zu sensibilisieren, führte der Verein Väter in Köln am 7. Oktober 2016 in Köln die Fachtagung „Frühe Väter: Herausforderungen meistern“ durch. Hier standen die Bedürfnisse, Probleme und Chancen der sogenannten frühen Väter im Mittelpunkt. Neben Fachleuten diskutierten auch junge Männer, die bereits Vater sind, auf dem Podium mit. (vaeter.nrw)  

Kleiner Schrecken, große Freude

Ungeplante Vaterschaft

Eine unerwartete Schwangerschaft wirft viele Fragen auf. Besonders für junge Eltern kommen oft auch finanzielle und existenzielle Probleme hinzu: Sie haben keine fertige Ausbildung, fühlen sich noch nicht reif genug oder sind nicht unabhängig von ihren eigenen Eltern. Sascha (21) und Kerstin (23) aus Köln finden gerade Wege, ihr neues Leben zu meistern.
Seit zwei Monaten ist Euer Sohn auf der Welt. Habt Ihr Euch schon aneinander gewöhnt?Sascha: Das ging schnell. Leon-Joel macht es uns einfach. Er schläft nachts ruhig – außer wenn er trinken will oder die Windel voll hat – und er futtert ordentlich. Vor allem ist es super, wenn er anfängt zu lächeln und dabei seine Augen strahlen.Mit einem Säugling gibt es viel zu tun. Wie teilt Ihr Euch die Aufgaben?Sascha: Weil ich mich im Moment beruflich neu orientiere und um eine zweite Ausbildung bewerbe, bin ich viel zu Hause. Also teilen Kerstin und ich uns alle Aufgaben. Stillen natürlich nicht, aber wickeln, waschen und spielen mit dem Kleinen. Er liegt gerne auf seiner Spieldecke wo über ihm lauter Sachen hängen, die rasseln oder blinken und wir machen dann Quatsch mit ihm.Und im Haushalt?Sascha: Einkaufen gehen wir ohnehin meistens zu dritt. Fürs Putzen und Aufräumen haben wir einen Plan gemacht, damit ist immer klar, wer gerade welche Aufgaben hat. Kerstin konnte ihre Ausbildung als Hauswirtschaftshelferin noch vor der Geburt von Leon-Joel abschließen und jetzt verrät sie mir ihre Tricks.Warst Du selbst noch in der Ausbildung, als Kerstin schwanger wurde?Sascha: Nein, ich habe nach meiner Ausbildung als Disponent für einen Logistiker in Dortmund gearbeitet. Aber fast zeitgleich mit der Nachricht, dass ich ein Kind bekomme, wurde mir aus betrieblichen Gründen gekündigt. Das macht den Start als Familie natürlich nicht leichter.Wie hast Du denn von der Schwangerschaft erfahren?Sascha: Eigentlich habe ich es schon vor Kerstin geahnt. Nach einer Party im Mai 2015 haben wir nicht groß über Verhütung nachgedacht und da war es passiert. In den Wochen danach fand ich, dass Kerstin irgendwie anders war und ich habe – halb im Spaß – gesagt, dass sie bestimmt schwanger ist. Als bei ihr die Periode ausblieb, wurde sie misstrauisch und ging zum Frauenarzt.Und, großer Schrecken oder große Freude?Sascha: Ich habe mich sofort gefreut. Aber einen kurzen Schrecken gab´s auch. Wir waren ja erst seit Jahresanfang zusammen, Kerstin steckte noch in der Ausbildung und wir hatten keine gemeinsame Wohnung. Außerdem habe ich damals sehr schlecht verdient und war etwas ratlos, wie das mit einem Kind laufen sollte. Aber wir haben auch immer selbstbewusst gesagt, dass wir das schaffen. Wir wollten das Kind dann auch wirklich bekommen und haben nicht über Abtreibung oder Adoption nachgedacht.Wie haben Eure Familien reagiert?Sascha: Das Verhältnis zu meiner Familie war einige Zeit echt schwierig. Deshalb haben die auch erst sehr spät davon erfahren. Kerstins Mutter musste kurz durchschnaufen und hat sich dann gefreut, dass sie Oma wird. Mit ihr haben wir auch gleich angefangen, Pläne zu schmieden. Sie wohnt in Köln und Kerstin und ich wollten mit dem Kind einen Neustart außerhalb Dortmunds. Da kam die Idee, zunächst zu ihr zu ziehen und von dort nach einer gemeinsamen Wohnung zu suchen.So ein Neuanfang ist ja schon mit Job nicht leicht, wer hat Euch unterstützt?Sascha: Noch während der Schwangerschaft sind wir zu jusch [Anm. d. Red.: jung und schwanger] im Kölner Gesundheitsamt gegangen. Die haben uns bei Anträgen zu Schwangerschaftsbekleidung, Erstausstattung für das Kind, Wohngeld, der Suche nach einer Hebamme und später auch der Wohnungssuche geholfen. Gut war aber auch, dass man mit denen über allgemeinere Sachen reden konnte: wie wir unser Leben gestalten wollen zum Beispiel. Außerdem hat die Unterstützung von Freunden uns sehr geholfen. Mit meinem besten Freund beispielsweise kann ich alles besprechen und er hat gleich gesagt, dass er beim Umzug dabei ist und beim Renovieren hilft.   Seit wann seid Ihr in Eurer eigenen Wohnung?Sascha: Ungefähr zwei Wochen nach Leon-Joels Geburt sind wir hier eingezogen. Bei jusch haben sie uns den Verein Väter in Köln empfohlen und deren Projekt für junge Papas (juPa.pa!). Die haben unheimlich viel beim Tapezieren, bei der Küche oder mit neuen Möbeln geholfen. Und auch wenn es an ein paar Stellen noch was tun gibt, wir fühlen uns hier schon sehr zuhause.Gibt es noch mehr Beratungsstellen, die Du empfehlen kannst?Sascha: Wir hatten ein sehr gutes Gespräch mit einer Frau von der Diakonie. Hoffentlich kann die uns helfen, in der Nähe gute Mutter-Kind-Angebote zu finden und später einen Kitaplatz. Wir wollen uns in unserem Stadtteil gerne mehr integrieren und andere Eltern kennenlernen. Aber im Moment stehen wir für eine dauerhafte Betreuung auf einer Warteliste der Diakonie. Vielleicht klappt es ja in den nächsten Wochen.Wie stellst Du Dir die Zukunft vor?Sascha: Erst einmal wollen wir hier richtig ankommen, die Wohnung ganz fertig machen, Freunde finden. Wichtig ist aber auch, dass wir im Moment noch nicht für uns selber sorgen können. Das soll anders werden und wir wollen beide wieder arbeiten. Während Kerstin in ihrem Beruf bestimmt etwas finden wird, will ich noch eine neue Ausbildung zum Kanalbauer machen. Ich will mit dem neuen Beruf meine Familie selbstständig ernähren können und das wird auch klappen. Aber im Moment genießen wir es, dass wir uns haben und eine richtige Familie sind. Und wer weiß, vielleicht kommt eines Tage dann auch ein zweites Kind. (vaeter.nrw)