Vater ist, das was du draus machst!
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Elternzeit

DIW: Elterngeld und Elterngeld Plus: Gleichmäßige Aufteilung zwischen Müttern und Vätern nach wie vor in weiter Ferne

Immer mehr Väter beziehen Elterngeld, jedoch weiterhin deutlich weniger als Mütter - Zudem ist die Dauer ihrer Elternzeit weiterhin sehr viel kürzer als bei Müttern - Viele Väter fürchten mögliche negative Folgen im Beruf - Auch finanzielle Gründe sprechen für Väter gegen die Elternzeit - Höhere Lohnersatzrate bei niedrigen Einkommen könnte Abhilfe schaffen.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) teilt mit:

Immer mehr Väter in Deutschland pausieren vom Job und beziehen Elterngeld, allerdings sind sie nach wie vor deutlich in der Minderheit. Der Anteil der Männer, die Elternzeit nehmen, ist seit Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 von zuvor etwa drei Prozent auf 37 Prozent im Jahr 2016 – dem aktuellsten, für das entsprechende Daten vorliegen – gestiegen. Im Vergleich dazu nehmen mehr als neun von zehn Müttern Elternzeit, zudem in sehr viel höherem Umfang als die Väter. Auch die Einführung des Elterngeld Plus im Jahr 2015, das den Elterngeldbezug mit einer Teilzeiterwerbstätigkeit kombiniert, hat daran nicht grundlegend etwas geändert. Väter halten sich in Sachen Elternzeit vor allem aus finanziellen Gründen zurück, zudem befürchten viele negative berufliche Konsequenzen.

Das sind zentrale Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), für die Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin, gemeinsam mit Claire Samtleben und Clara Schäper Daten der Elterngeldstatistik und des Beziehungs- und Familienpanels pairfam ausgewertet hat. „Von einer gleichmäßigen Aufteilung der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern kann nach wie vor keine Rede sein – zwar nehmen seit 2007 mehr und mehr Väter Elternzeit, doch insgesamt geht es relativ langsam voran“, sagt Katharina Wrohlich.

Elterngeld Plus hat in erster Linie bei Müttern Bewegung in Nutzungsmuster gebracht

Nicht nur die Inanspruchnahme des Elterngeldes von Müttern und Vätern an sich ist sehr ungleich, sondern auch die Nutzungsdauer. Von den Männern, die im Jahr 2018 Elterngeld bezogen, taten dies fast 72 Prozent nur in Höhe des Minimums von zwei Partnermonaten. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 waren es gut 76 Prozent. „Der Fortschritt hin zu einer gleichmäßigeren Aufteilung der Elternzeit vollzieht sich also eher in kleinen Schritten“, sagt Studienautorin Claire Samtleben. „Es verwundert daher kaum, dass die ‚Partnermonate‘ im alltäglichen Sprachgebrauch zu ‚Vätermonaten‘ wurden, denn das typische Nutzungsmuster beim Elterngeld ist, dass der Vater zwei Monate nimmt und die Mutter die übrigen zwölf.“

Daran hat sich auch nur bedingt etwas geändert, als mit dem Elterngeld Plus ab 2015 die Möglichkeiten, Elterngeldbezug und Teilzeitjob zu kombinieren, verbessert wurden. Mit dieser Regelung stehen insgesamt bis zu 28 Monate bezahlte Elternzeit zur Verfügung. Bei den Müttern ist der Anteil derer, die mehr als ein Jahr bezahlte Elternzeit nehmen, auf gut 30 Prozent gestiegen. Bei den Vätern tat sich mit Blick auf die Nutzungsdauer des Elterngeldes hingegen kaum etwas. Auch ist der Anteil derer, die überhaupt Elterngeld beziehen, durch die Einführung des Elterngeld Plus bislang nicht nennenswert gestiegen.

„Von einer gleichmäßigen Aufteilung der Elternzeit zwischen Müttern und Vätern kann nach wie vor keine Rede sein – zwar nehmen seit 2007 mehr und mehr Väter Elternzeit, doch insgesamt geht es relativ langsam voran.“ Katharina Wrohlich

Finanzielle Gründe sind für Väter wichtigstes Motiv gegen (längere) Elternzeit

Die Mehrheit der Väter nennt – wie sich aus Befragungsdaten des pairfam-Panels ergibt – finanzielle Gründe als Motiv, nicht oder nicht länger Elternzeit zu nehmen. In Ostdeutschland trifft das unter den Vätern, die nicht länger als zwei Monate Elterngeld bezogen, auf zwei Drittel zu und damit auf deutlich mehr als in Westdeutschland (49 Prozent). Das könnte darauf hindeuten, dass nicht so sehr die ungleiche Aufteilung der Erwerbseinkommen zwischen Müttern und Vätern vor der Geburt des Kindes (die im Westen stärker ausgeprägt ist als im Osten) eine Rolle spielt, als vielmehr die absolute Höhe des Haushaltseinkommens. Dieses ist in den ostdeutschen Bundesländern im Durchschnitt deutlich geringer. „Offensichtlich sehen viele Familien in Ostdeutschland keinen Spielraum, zwei Monate oder länger auf bis zu 35 Prozent des Einkommens des Vaters zu verzichten“, so Wrohlich. „Eine Erhöhung der Lohnersatzrate könnte vor allem im unteren Einkommensbereich dafür sorgen, dass die Elternzeit für Väter attraktiver wird.“

Ein weiterer oft genannter Grund, der gegen eine Elternzeit beziehungsweise eine umfangreichere Elternzeit spricht, ist für Väter eine mögliche Benachteiligung im Beruf. Dafür gibt es bisher zwar keine wissenschaftlichen Belege, allerdings steht die Forschung zu diesem Aspekt auch noch am Anfang, da Elternzeitväter ein eher neues Phänomen sind. Wenn entsprechende Erkenntnisse vorliegen, sollten Mütter und Väter transparent über die Folgen einer Elternzeit auf Löhne und berufliche Aufstiegschancen informiert werden.

Ich wünsche mir für Väter, Kinder und Familien ...

Wunschzettel 2018

Wir alle haben Herzenswünsche, Visionen, Träume. Für uns als Kinder war es selbstverständlich, zu Weihnachten unseren Wunschzettel an den Weihnachtsmann oder das Christkind zu verfassen. Nur Kinderkram? Ganz im Gegenteil: vaeter.nrw hat viele kraftvolle Wünsche zur Väterarbeit erhalten. Starke Gemeinschaften und lebendige Netzwerke können dazu beitragen, diese Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.

Sebastian Flack, Väterprojekt und Beratung für Männer, Sozialdienst Katholischer Frauen und Männer Wattenscheid e.V.

"Ich wünsche mir, dass in NRW eine noch größere Kursvielfalt zum Thema 'Vater-(Eltern-)Kind-Bindung' angeboten wird. Denn eine gute Bindung hilft, eine positive Entwicklung des Kindes zu gewährleisten. Wir haben bereits gute Erfahrungen mit einem entsprechenden Kursangebot gemacht."

Wünsche - Zimt

Foto: © Pixabay.com

 

 Paul Krane-Naumann

Foto: © DiCV Paderborn

Stephan Buttgereit, Geschäftsführer SKM Bundesverband e.V.

„... wir wünschen uns, dass die Väter, die in diesem Jahr nicht mit ihren Kindern Weihnachten feiern können, weil sie auf der Straße leben, inhaftiert, getrennt oder psychisch erkrankt sind, dennoch die Chance bekommen, sich auch in Zukunft als bedeutsame Väter zu erleben und die Beziehung zu ihren Kindern zu gestalten."

 

 

Philipp Schaps, Büro für Chancengleichheit in der Forschungszentrum Jülich GmbH

„Nordrhein-Westfalen ist groß, bunt und äußerst vielfältig und dies gilt insbesondere auch für unsere Väter: Stadtväter, Landväter, Grenzgänger, Alleinerziehende, Väter mit Migrationsgeschichte, Regenbogenväter, späte Väter, Teil- und Vollzeitväter und all das, was die Vielfalt von Vaterschaft ausmacht. Ich wünsche mir diese Vielfalt in Nordrhein-Westfalen weiter zu fördern, für die einzelnen erlebbar und für die breite Masse sichtbar zu machen.“

 

Wünsche - Weihnachtsbaum

Foto: © Pixabay.com

 

Wünsche - Ataman Yildirim

© Mustafa Sentürk

Paul Krane-Naumann, Caritasverband für das Erzbistum Paderborn e.V.

„Ich wünsche mir, dass viel mehr Väter die Chance wahrnehmen und Elternzeit sowie andere Möglichkeiten für die Begleitung und Betreuung ihrer Kinder nutzen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und entsprechende Rahmenbedingungen wie z. B. familienfreundliche Arbeitszeitmodelle zu schaffen, bedeutet für mich auch eine Förderung von Männern, die sie darin bestärkt, gleichberechtigt Verantwortung in der Familie zu übernehmen. Dadurch entsteht eine engere Beziehung und Bindung von Vätern zu ihren Kindern. Dies wirkt sich sehr positiv für die ganze Familie und den weiteren gemeinsamen Lebensweg aus."
 

Malte Schulz, Diakonie Düsseldorf, Abteilung Kultursensible Hilfen, Sachgebiet Jugend, Jungen Fachstelle/Väterbüro „ALLEMANN“

„Meine Wünsche als Vater und Leiter einer Jungenpädagogischen Fachstelle / Väterbüro der Diakonie Düsseldorf für die Väterarbeit sind:

  • Mehr Möglichkeiten zur Elternzeit für Väter mit geringem Einkommen. Zum Bespiel durch Umkehr der Zahlungsidee für diese Zeit: Der Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin streckt die Summe vor und holt sich das Geld von der Elternkasse im Anschluss zurück. Dadurch wird vermieden, dass 'Mann' erst in Vorkasse treten muss, um im Anschluss bis zu zehn Wochen auf die Bearbeitung des Elterngeldantrages zu warten. Dieser Zeitraum muss aktuell mit Eigenmitteln überbrückt werden, und das ist vielen Vätern schlicht nicht möglich.
  • Sozialgerechte Patensysteme schaffen: Menschen mit hohem Einkommen fördern Väter mit niedrigem Einkommen, damit haben alle die Möglichkeit, eine wunderbare Elternzeit mit ihren Kindern zu erleben.
  • Die Elternzeit von Vätern kann gerade in den ersten Monaten mit dem Kind eine hohe Entlastung für die Mutter bedeuten, diesen Aspekt wünsche ich mir stärker zu betonen.
  • Den sozialen Status der pädagogischen Berufe erhöhen und fördern, ich wünsche mir mehr gute Männer in allen Berufsfeldern der Pädagogik.
  • Junge Väter erleben wir als meist hochmotiviert und engagiert, die Beziehung zu ihren Kindern zu stärken. Nur müssen wir ihnen auch die zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten bieten, dies auch im Alltag umzusetzen und nicht nur am Wochenende.
  • Kitas und Grundschulen mit einem Budget ausstatten, welches mehr Spielraum schafft für Väteraktionen und Väternetzwerke. Das Interesse ist meist hoch, nur der Organisationsaufwand wirkt häufig abschreckend. Als Idee: Bezahlte Stellenanteile für eine Koordination der Väterarbeit durch die Länder, damit Kitas und Schulen im Verbund Väterarbeit in den Einrichtungen leichter organisieren können.
  • Mehr Generations-Spielplätze für Kinder, Jugendliche, Väter und Mütter.
  • Männlichkeit als Multi-Perspektive stärken und fördern - es sind so viele Facetten der Männlichkeit möglich.
  • Politischen Widerstand ermöglichen und leisten, um eindimensionalem Verständnis von Männlichkeit ('Starker Mann' etc.) etwas entgegenzusetzen."
Malte Schulz
Wünsche - Hans-Georg Nelles

Hans-Georg Nelles, Vorsitzender der LAG Väterarbeit in NRW

„… ich wünsche mir, dass wir durch die Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) dazu beitragen können, Väter zu ermutigen, sich Zeit für Familie zu nehmen, Elternzeit und Partnerschaftsbonus in Anspruch zu nehmen, und dass wir Einfluss auf die Gestaltung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben, die es Vätern und Müttern ermöglichen, Entscheidungen zu treffen, die ihren Vorstellungen von gutem Leben entsprechen. Das steigert Zufriedenheit und Partnerschaftsqualität und trägt zu den Bedingungen bei, die Kinder für ein gelingendes Aufwachsen brauchen."

 

 

Jürgen Kura, 1. Vorsitzender, Väter in Köln e.V.

„Ich wünsche mir eine strukturelle und langfristige Förderung der Arbeit mit Vätern, damit viele wichtige Angebote umgesetzt werden können."

 

Wünsche - Glocken

Foto: © Pixabay.com

 

Wünsche - Ataman Yildirim

Ataman Yildirim, Vorstand Landesarbeitsgemeinschaft Väterarbeit NRW - Elternnetzwerk NRW - Integration miteinander e.V.

Liebe Väter, liebe Familien, liebe Kinder,
zum Weihnachtsfest – dem Fest der Liebe und Begegnung – sende ich euch besinnliche Grüße. Ich wünsche allen Vätern, Kindern, Familien dieser Welt, Frieden, Gesundheit, Hoffnung und Nächstenliebe.

Insbesondere wünsche ich, dass sich Väter mehr Zeit für ihre Kinder nehmen. Zeit ist sehr kostbar, sie ist vergänglich. Nutzt konstruktiv Zeit mit euren Familien!

Mit 1001 weihnachtlichen Grüßen
Euer
Ataman Yildirim

    

Weihnachtsgruß von Ataman Yildirim

"Vätern Mut machen, dass auch eine längere Elternzeit organisierbar ist"

4 Fragen an ... Lena Mevissen, Gleichstellungsreferentin, RWTH Aachen

Während männliche Karrierenetzwerke oft zu finden sind, vernetzen sich Väter untereinander eher selten. Lena Mevissen berichtet im Interview, wie sich das Thema Väterarbeit an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen entwickelt hat. Die Gleichstellungsreferentin regt Väter an, ihre Sorgen in puncto Karriereknick über Bord zu werfen und stattdessen ihre Wünsche in Sachen Vereinbarkeit im Team und mit Vorgesetzten zu kommunizieren.

vaeter.nrw: Frau Mevissen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist an der RWTH Aachen ein wichtiges Thema. So gibt es unter anderem auch einen Väterbeauftragten, Herrn Queck. Welche Aufgaben übernimmt er? Welche Themen soll er an der Hochschule voranbringen?
Lena Mevissen: Herr Queck ist seit etwa zwei Jahren als ehrenamtlicher Väterbeauftragter tätig. Er hat nach der Geburt seiner Tochter Elternzeit genommen und eine Zeit lang in Teilzeit gearbeitet. Interessierte können sich direkt an ihn wenden, nach seinen Erfahrungen fragen und sich mit ihm austauschen. Herr Queck kann beispielsweise berichten, wie er seine Elternzeit innerhalb seines Teams kommuniziert und organisiert hat und hilfreiche Tipps geben. So kann er Vätern Mut machen, seine positiven Erfahrungen aus der Elternzeit weitergeben und zeigen, dass auch eine längere Elternzeit organisierbar ist. Für eine ausführliche Beratung zu Elternzeit, Elterngeld und Kinderbetreuung können sich die Beschäftigten dann an den Familienservice der RWTH wenden.

vaeter.nrw: Im Rahmen der familiengerechten Hochschule wollen Sie Väter, die eine aktivere Rolle im Leben ihrer Kinder übernehmen möchten, unterstützen. Wie erreichen Sie die Väter, sodass eine aktive Zusammenarbeit entsteht?
Lena Mevissen: Bereits seit 2011 bieten wir jedes Semester Vater-Kind-Aktionen für RWTH-Beschäftigte an. Da ist von Waldwanderungen über Besuche in der Sternwarte oder auf dem Flugplatz bis hin zu Drachen bauen für alle etwas dabei. Die Väter erhalten nicht nur die Möglichkeit, etwas Tolles mit ihren Kindern zu unternehmen, sondern können sich auch untereinander austauschen. Darüber hinaus führen wir Workshops zum Thema Vereinbarkeit von Beruf bzw. Studium und Familie für (werdende) Väter durch, in denen sie Tipps erhalten, wie eine Elternzeit gegenüber Vorgesetzten kommuniziert und eigene Wünsche umgesetzt werden können. Auch hier können die Väter sich austauschen sowie Probleme und Möglichkeiten diskutieren. Und natürlich haben die Männer und Väter jederzeit die Möglichkeit, Vorschläge und Wünsche für Workshops oder Aktionen zu äußern.

vaeter.nrw: Welche Hürden gilt es in der Väterarbeit zu überwinden?
Lena Mevissen: Die traditionelle Rollenverteilung ist noch stark verbreitet. Die meisten Mütter arbeiten Teilzeit, die meisten Väter Vollzeit. Dabei belegen diverse Studien, dass diese Aufteilung keineswegs den Wünschen der meisten Eltern entspricht. Mütter würden gerne mehr, Väter weniger arbeiten. Zudem ist beim Thema Elternzeit der Großteil der Väter noch etwas zurückhaltend. Zwar nehmen immer mehr Männer Elternzeit, aber eben nur etwas mehr als 20 % und meistens nur zwei Monate. Mich wundert, dass Männer, die sonst im Job sehr selbstbewusst sind und hohe Forderungen stellen, beim Thema Elternzeit schon einknicken, wenn die Vorgesetzten auch nur andeuten, dass das schwierig werden könnte. Väter haben oft Angst vor einem Karriereknick, wenn sie länger Elternzeit nehmen - und diese Angst ist leider nicht immer unbegründet. Die zwei „Vätermonate“ werden weitgehend akzeptiert, eine längere Auszeit von Vätern trifft bei vielen Führungskräften oft noch auf Unverständnis. Ich persönlich kann das nicht verstehen, denn eine Elternzeit wird vorher bekanntgegeben und lässt sich daher organisieren. Wenn sich hingegen ein Kollege zum Beispiel plötzlich das Bein bricht und längere Zeit ausfällt, muss von heute auf morgen die Arbeit umverteilt werden – ohne Vorlaufzeit. Und selbst das klappt in der Regel immer. Zudem erkennen viele Vorgesetzte nicht, dass während einer Elternzeit Kompetenzen gewonnen werden, die auch im Beruf nützlich sein können.

Ein weiteres Thema ist die Vernetzung. Während männliche Karrierenetzwerke sehr oft zu finden sind, vernetzen sich Väter untereinander eher selten. Bei Frauen ist das eher umgekehrt: Mütter lernen sich in Spielgruppen und auf Spielplätzen kennen, treffen sich, tauschen sich aus; beim Netzwerken für die eigene Karriere müssen Frauen jedoch noch mehr tun, um verstärkt in Führungspositionen zu gelangen.

vaeter.nrw: Was möchten Sie in den nächsten Jahren für Väter und mit Vätern erreichen?
Lena Mevissen: Zum einen wünschen wir uns mehr Verständnis und Unterstützung von Seiten der Führungskräfte, zum anderen mehr Mut von Seiten der Väter, die eigenen Wünsche durchzusetzen. Es wäre schön, wenn insbesondere unter den Führungskräften mehr Männer Elternzeit nehmen würden. Letztendlich sollte die Entwicklung hin zu einer gleichberechtigten Aufteilung der Elternzeit zwischen Frauen und Männern führen und familiäre Auszeiten sollten selbstverständlich sein – unabhängig vom Geschlecht.

Porträtfoto von Lena Mevissen RWTH
Zur Person:

Lena Mevissen

Lena Mevissen ist Referentin im Gleichstellungsbüro der RWTH Aachen.  
Die RWTH Aachen gehört mit ihren 260 Instituten in neun Fakultäten zu den führenden europäischen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Über 45.500 Studierende sind in 152 Studiengängen eingeschrieben, davon rund 8.500 internationale Studierende aus 128 Ländern. Die RWTH Aachen ist die größte Arbeits- und Ausbildungsstätte der Region, 9.264 Menschen arbeiten an der Hochschule (Stand 31.12.2016). Von den Beschäftigten sind rund 67 Prozent männlich.
Die RWTH Aachen ist seit 2009 als familiengerechte Hochschule zertifiziert.
 

Wenn Väter beruflich kürzer treten

Gastbeitrag - Dr. Mareike Bünning

Viele Väter wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Sie sehen ihre Rolle in der Familie nicht mehr darauf beschränkt, den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern wollen sich auch aktiv ins Familienleben einbringen. Doch oft gelingt es ihnen nicht, diesen Wunsch umzusetzen. Im Jahr 2012 verbrachten Väter durchschnittlich 1 Stunde 22 Minuten pro Tag mit ihren Kindern im Vorschulalter, weniger als halb so viel wie Mütter – bei diesen waren es 2 Stunden 59. Ein Drittel der Väter gab an, nicht ausreichend Zeit für ihre Kinder zu haben.

Einem stärkeren väterlichen Engagement in der Familie wirken insbesondere lange Arbeitszeiten entgegen. Eine Option, die Vätern mehr Zeit mit ihren Kindern ermöglicht, ist die Inanspruchnahme von Elternzeit. Während der Elternzeit können sich Väter intensiv um ihr Neugeborenes und gegebenenfalls auch dessen ältere Geschwister kümmern; so können sie eine enge Bindung zu ihren Kindern aufbauen. Eine weitere, bisher weniger diskutierte Option ist die Teilzeiterwerbstätigkeit. Gegenüber einer Elternzeit hat Teilzeiterwerbstätigkeit den Vorteil, dass sie nicht auf die ersten Lebensmonate des Kindes beschränkt ist. Allerdings haben teilzeiterwerbstätige Väter immer noch weniger Zeit für ihre Kinder als Väter, die während einer Elternzeit ganz zu Hause sind.
 
In meiner Doktorarbeit habe ich mir diese beiden Optionen genauer angeschaut und untersucht, ob Väter, die Elternzeit nehmen oder eine Zeit lang in Teilzeit erwerbstätig sind, tatsächlich mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Eine zweite Frage war, welche Auswirkungen Elternzeit und Teilzeiterwerbstätigkeit auf die Löhne von Vätern haben. Um diese Fragen zu beantworten, habe ich Daten des sozio-ökonomischen Panels ausgewertet: Jedes Jahr werden im Rahmen dieser Umfrage die gleichen Personen befragt. Sie machen monatsgenaue Angaben zu ihrem Erwerbsstatus (darunter Teilzeiterwerbstätig und Elternzeit) und berichten für jedes Jahr, wie viel sie verdienen und wie viel Zeit sie mit ihren Kindern verbringen. Anhand dieser Daten lässt sich nachzeichnen, ob sich Löhne und Beteiligung an der Kinderbetreuung verändern, nachdem Väter Elternzeit genommen haben, oder wenn sie von einer Vollzeit- auf eine Teilzeitstelle und anschließend wieder zurück in Vollzeit wechseln.

Elternzeit bei Vätern

Seit der Einführung der Partnermonate bei der Elternzeit im Jahr 2007 steigt die Inanspruchnahme von Elternzeit durch Väter stetig an. Während vor 2007 ein Vater in Elternzeit noch die absolute Ausnahme war, geht mittlerweile etwa jeder dritte Vater in Elternzeit. Zwei Drittel der Väter entscheiden sich allerdings nach wie vor gegen die Inanspruchnahme einer Elternzeit und von denjenigen, die Elternzeit nehmen, beschränken sich die allermeisten auf die beiden Partnermonate. Als Gründe gegen eine (längere) Elternzeit nennen sie vor allem die Angst vor Karriereeinbußen, finanziellen Nachteilen und negativen Reaktionen seitens ihrer Vorgesetzten und Kollegen.
 
Meinen Analysen zufolge ist diese Sorge jedoch in der Regel unbegründet. Denn unabhängig von der Länge der Elternzeit lassen sich keine Hinweise darauf finden, dass eine Elternzeit systematisch mit Lohneinbußen verbunden ist – weder im öffentlichen Dienst, noch in der Privatwirtschaft und unabhängig vom Qualifikationsniveau der Väter.
 
Zudem zeigt sich, dass sich die Elternzeit auch langfristig positiv auf die Vater-Kind-Beziehung auswirkt: Auch wenn die Väter nach dem Ende der Elternzeit ins Berufsleben zurückkehren, engagieren sie sich stärker in der Familie und verbringen im Durchschnitt eine Stunde mehr pro Tag mit ihren Kindern als vor der Elternzeit.

Teilzeiterwerbstätigkeit bei Vätern

Auch eine Teilzeiterwerbstätigkeit wird gesetzlich unterstützt. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz von 2001 räumt allen Arbeitnehmern in Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern ein Recht auf Teilzeitarbeit ein. Anders als Mütter machen Väter von diesem Recht bisher jedoch kaum Gebrauch. So waren im Jahr 2012 zwar 70 Prozent der Mütter aber nur 5 Prozent der Väter in Teilzeit erwerbstätig. Ein weiterer Unterschied zwischen Müttern und Vätern zeigt sich bezüglich der Dauer der Teilzeiterwerbstätigkeit. Während Mütter, die einmal in Teilzeit wechseln, oft dauerhaft auf einer Teilzeitstelle verbleiben, ist eine Teilzeiterwerbstätigkeit bei Vätern in der Regel von kurzer Dauer. Meinen Daten zu folge kehrte die Hälfte der Väter innerhalb eines Jahres nach Beginn der Teilzeittätigkeit auf eine Vollzeitstelle zurück. Warum eine Teilzeiterwerbstätigkeit bei Vätern meist nur eine kurze Phase ist, lässt sich auf Basis meiner Daten nicht feststellen. Eine mögliche Erklärung ist jedoch, dass viele Väter bereits zu Beginn der Teilzeiterwerbstätigkeit eine Rückkehr in Vollzeit mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren. Trotz der kurzen Dauer ist laut Statistik eine Teilzeiterwerbstätigkeit bei Vätern mit Lohneinbußen verbunden. Mit jedem Monat, den Väter Teilzeit statt Vollzeit arbeiten, verringert sich ihr Stundenlohn um 0,2 Prozent.
 
Betrachten wir hingegen den Zusammenhang zwischen einer Teilzeiterwerbstätigkeit und der Zeit, die Väter mit ihren Kindern verbringen, so zeigt sich, dass Väter, während sie in Teilzeit erwerbstätig sind, etwa eine Stunde mehr mit ihren Kindern verbringen als vor der Teilzeiterwerbstätigkeit. Sobald sie auf eine Vollzeitstelle zurückkehren, reduziert sich die Zeit, die Väter unter der Woche mit ihren Kindern verbringen, jedoch wieder deutlich. Lediglich Väter mit einer in Vollzeit erwerbstätigen Partnerin behalten auch über das Ende der Teilzeitphase hinaus ein erhöhtes Engagement in der Kinderbetreuung bei: Nach der Rückkehr auf eine Vollzeitstelle kümmern sie sich immerhin noch eine halbe Stunde mehr pro Tag um ihre Kindern als vor dem Wechsel in Teilzeit.

Schlussfolgerungen

Insgesamt legen die Analysen nahe, dass sich eine Elternzeit positiver auswirkt als eine Teilzeiterwerbstätigkeit, sowohl was die Vater-Kind-Beziehung betrifft als auch in Hinblick auf die Lohnentwicklung. Wie lässt sich erklären, dass eine Teilzeiterwerbstätigkeit oft nur vorübergehend mit mehr Zeit für die Kinder verbunden ist, eine Elternzeit hingegen dauerhaft? Ein Grund könnte sein, dass sich die Motivation für eine Elternzeit und die für eine Teilzeiterwerbstätigkeit unterscheiden. Während die meisten Väter Elternzeit explizit nehmen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, beginnen sie eine Teilzeiterwerbstätigkeit oft aus anderen Gründen. Eine weitere Erklärung könnte sein, dass sich Väter während einer Vollzeit-Elternzeit intensiver um ihre Kinder kümmern als dies bei einer Teilzeiterwerbstätigkeit möglich ist. Väter bauen somit während der Elternzeit möglicherweise ein engeres Verhältnis zu ihren Kindern auf und entwickeln mehr Betreuungskompetenzen als während einer Teilzeiterwerbstätigkeit, was ein langfristiges Engagement bei der Kinderbetreuung stärker fördert.
 
Bezüglich der Konsequenzen einer Elternzeit oder Teilzeiterwerbstätigkeit für das weitere Berufsleben zeigt sich, dass die Einführung der beiden Partnermonate die Inanspruchnahme von ein bis zwei Monaten Elternzeit durch Väter gegenüber ihren Arbeitgebern legitimiert. Aber auch bei längeren Elternzeiten wird die Lohnentwicklung nicht beeinträchtigt. Wie qualitative Studien zeigen, werten Arbeitgeber die Elternzeit nicht als Zeichen geringer beruflicher Ambitionen, sondern gehen davon aus, dass sich die Väter nach einer intensiven Familienphase wieder voll ihrer Karriere widmen. Wichtige Voraussetzungen für eine positive Bewertung der Elternzeit durch den Arbeitgeber sind zudem eine frühzeitige Ankündigung der Elternzeitpläne und die Bereitschaft, während der Elternzeit in Notfällen für den Betrieb erreichbar zu sein.
 
Teilzeiterwerbstätige Väter unterliegen im Vergleich dazu einem starken Rechtfertigungsdruck; ihrem Teilzeitwunsch wird seitens ihrer Vorgesetzten und Kollegen oft mit Irritationen und Unverständnis begegnet. Die Lohneinbußen bei Teilzeitarbeit lassen sich also möglicherweise darauf zurückführen, dass der Wunsch nach Teilzeitarbeit als Signal für mangelndes berufliches Engagement verstanden und durch eine geringere Entlohnung sanktioniert wird. Dies deutet darauf hin, dass das Teilzeit- und Befristungsgesetz, das eine geringere Entlohnung von Teilzeitkräften verbietet, nicht ausreicht, um Teilzeit arbeitende Väter vor einer finanziellen Schlechterstellung zu schützen.
 
Die Rahmenbedingungen für Teilzeiterwerbstätigkeit sind jedoch gerade stark im Wandel. Das bereits eingeführte Elterngeld Plus, sowie die diskutierten Vorhaben eines Rückkehrrechts auf Vollzeit und einer Familienarbeitszeit haben zum Ziel, Teilzeiterwerbstätigkeit für Väter attraktiver zu machen. Diese Maßnahmen stärken die Rechte von teilzeiterwerbstätigen Vätern und liefern den Vätern – ähnlich wie die Partnermonate bei der Elternzeit – handfeste Argumente, um ihre Vorgesetzten von einer Teilzeiterwerbstätigkeit zu überzeugen. Auch wenn diese Maßnahmen nicht direkt auch die Entlohnung abzielen, könnten sie somit möglicherweise dazu beitragen, die Nachteile, die mit einer Teilzeiterwerbstätigkeit einhergehen, abzumildern. 
 

Dr. Mareike Bünning

© Foto: Hannelore Schild-Vogel

Dr. Mareike Bünning ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und forscht dort zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über die Auswirkungen einer Elternzeit auf das Berufs- und Familienleben von Vätern.
 

 

"Es gibt bei uns keinen Vater, der die Elternzeit nicht nutzt"

4 Fragen an ... Miriam Schilling, VAUDE Sport GmbH & Co. KG, Tettnang

Miriam Schilling unterstützt bei VAUDE individuelle Vereinbarkeitsmodelle für alle Beschäftigten. Ein wichtiger Bestandteil von guten Vereinbarkeitslösungen für die Beschäftigten ist das Kinderhaus auf dem Betriebsgelände.

vaeter.nrw: Frau Schilling, die VAUDE Sport GmbH und Co. KG ist vielfach ausgezeichnet – unter anderem erhielt Ihr Unternehmen Preise für seine herausragende Familienfreundlichkeit sowie das besonders gute Betriebsklima. Woran machen Ihre Beschäftigten dies fest?
Miriam Schilling: Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es ein wichtiges Thema, dass unsere Geschäftsführerin Antje von Dewitz, Mutter von vier Kindern, mit ihrer Art, wie sie Beruf und Familie vereinbart, ein großes Vorbild ist. So hält sie sich beispielsweise den Freitagnachmittag für ihre Familie frei, außerdem achtet sie auf möglichst regelmäßige Arbeitszeiten. Damit lebt sie allen Vätern und Müttern vor, dass es machbar ist, neben der Arbeit eine Familie zu haben und sich ausreichend Zeit für sie zu nehmen.
Als weiterer Pluspunkt kommt unser Kinderhaus hinzu, das wir – gemeinsam mit der Stadt Tettnang – für die Kinder unserer Mitarbeiter, aber auch für Familien in der Umgebung zur Verfügung stellen. Dies ist für unseren verhältnismäßig kleinen Standort mit 500 Beschäftigten eine Besonderheit. Die dort betreuten Kinder nehmen zu vielen Gelegenheiten an unserem Firmenleben teil. So ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie zum Beispiel zur Weihnachtsfeier oder zum Sommerfest mit eingebunden sind.

vaeter.nrw: Betriebseigenes Kinderhaus, flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitangebote, Home-Office- und Job-Sharing-Möglichkeiten: VAUDE bietet umfangreiche Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Wie weit hat es sich etabliert, dass auch Väter diese Angebote selbstverständlich in Anspruch nehmen?
Miriam Schilling: Das ist spannend für mich zu beobachten. Ich bin nun seit zwei Jahren bei VAUDE und stelle fest, dass alle neuen Ideen und Ansätze zum Thema „New Work“ im Unternehmen geradezu aufgesogen und umgesetzt werden. Ein Beispiel: Wir haben 40 Führungskräfte, wovon drei gerade Väter geworden sind und deshalb ihre Arbeitszeit reduzieren und jetzt in Teilzeit arbeiten. Es gibt bei uns keinen Vater, der die Elternzeit nicht nutzt.

vaeter.nrw: Aktive Vaterschaft setzt sich langsam durch. Wenn man als Vater Beruf und Familie vereinbart, besteht bei vielen Männern dennoch Angst vor Karriereeinbrüchen. Wie ermutigen Sie in Ihrem Unternehmen Väter, Vereinbarkeitsmodelle in Anspruch zu nehmen?
Miriam Schilling: Tatsächlich sind wir in der glücklichen Lage, unsere Beschäftigten nicht ermutigen zu müssen – die Väter kommen von selbst auf uns zu, und das ganz ohne Scheu. Das ist sicherlich zurückzuführen auf unsere familiär geprägte Unternehmenskultur und den hohen Frauenanteil der Branche. Hier übernehmen die Mütter eine klare Vorbildfunktion! Seit Väter nach der Geburt ihrer Kinder zunehmend ebenfalls mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten, ermöglichen wir ihnen dies genauso wie den Müttern.
Die Flexibilität, die dadurch vom Unternehmen abverlangt wird, hat aber auch Grenzen, in deren Rahmen wir dann eine Lösung suchen. So standen wir gerade vor der Situation, dass im nächsten Jahr gleich vier Mitarbeiter einer Abteilung gleichzeitig zum zweiten Mal Vater werden. Im gemeinsamen Gespräch mit der Geschäftsführung und den Angestellten haben wir dann vereinbart, dass die Elternzeit zu möglichst verschiedenen Zeiträumen genommen wird. Gerade für die kurzen Elternzeitphasen von zwei oder drei Monaten können wir keine Vertretung einstellen, sodass das Mehr an Arbeit vorübergehend von den Kolleginnen und Kollegen geschultert werden muss. Das ist keine Selbstverständlichkeit und bedarf einer guten Vorausschau und Begleitung. Deswegen hat es sich bei uns etabliert, dass wir dem jeweiligen Team vor und nach einer Elternzeitphase persönlich unseren Dank aussprechen für die zusätzliche Arbeit. So stellen wir sicher, dass sich die bleibenden Kolleginnen und Kollegen gesehen und wertgeschätzt fühlen.

vaeter.nrw: Die Vernetzung mit anderen Vätern und Müttern zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Eltern eine gute Unterstützung. Wie fördert VAUDE den Erfahrungsaustausch der Beschäftigten untereinander?
Miriam Schilling: Wir haben Elternzeit-Treffen eingerichtet, bei denen sich Väter und Mütter über Neuigkeiten im Unternehmen allgemein und in ihrer Abteilung speziell austauschen. Gerade für Beschäftigte, die eine längere Elternzeit in Anspruch nehmen, ist das von großem Wert. Begleitend dazu suchen wir das Gespräch mit den „Elternzeitlern“ und ihren jeweiligen Führungskräften und machen ein Briefing zum Thema „Rückkehr nach der Elternzeit an den Arbeitsplatz“. Das hat sich bewährt, um gegenseitige Erwartungshaltungen abzufragen und miteinander in Einklang zu bringen.
Aufgrund der positiven Unternehmenskultur hat es sich etabliert, dass der Austausch unter den Vätern und Müttern auch über die Elternzeit hinaus fortgesetzt wird. So bedarf es für den Austausch keines eigenen Netzwerkes, sondern bleibt auf informellem Weg unkompliziert in Gange.

Miriam Schilling Vaude
Zur Person:

Miriam Schilling

Miriam Schilling ist „Head of Human Resources” bei der VAUDE Sport GmbH & Co. KG in Tettnang. Der Outdoor-Ausrüster VAUDE wird als modernes Familien-Unternehmen in zweiter Generation geführt und hat derzeit rund 500 Beschäftigte, etwa 40 Prozent davon sind Männer. Neben Umweltschutz und Nachhaltigkeit prägen Werte wie soziale Verantwortung und Familienfreundlichkeit die Unternehmenskultur. Hierfür wurde VAUDE in den vergangenen Jahren vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem 361° Family Award der Unternehmensberatung A.T. Kearney als einer der familienfreundlichsten Arbeitgeber Deutschlands.

© Foto: vaude.com

Elternzeit partnerschaftlich gestalten – ein Vater berichtet

10 Jahre Elterngeld

Seit 10 Jahren haben Väter und Mütter Anspruch auf Elterngeld. Heute nutzen in Nordrhein-Westfalen rund 27 Prozent der Väter und knapp 96 Prozent der Mütter dieses Angebot. Noch nehmen die meisten Väter zwei Monate Elterngeld in Anspruch. Mit dem neuen Partnerschaftsbonus und dem Elterngeld Plus bieten sich seit Juli 2015 mehr Möglichkeiten für Flexibilität, Partnerschaftlichkeit und Familienzeit. Daniel Bever war 2013 das erste Mal in Elternzeit. Im Interview mit vaeter.nrw berichtet er über alte und neue Erfahrungen mit dem Elterngeld.

vaeter.nrw: Was war Ihre Motivation, Elternzeit und Elterngeld in Anspruch zu nehmen?
Daniel Bever: Ich wollte Zeit mit meinem Kind verbringen. Die rechtlichen Grundlagen aus dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz haben mich ermutigt, meinen Wunsch in die Tat umzusetzen. Der Anspruch auf Elterngeld schafft die finanziellen Voraussetzungen. Für mich wäre es nicht möglich gewesen, ohne Einkommensausgleich eine Familienphase zu gestalten. Der Rechtsanspruch auf Elternzeit gegenüber meinem Arbeitgeber ist eine weitere wichtige Voraussetzung.

vaeter.nrw: Mit welchem Modell haben Sie Ihre erste Elternzeit in der Praxis umgesetzt?
Daniel Bever: Unser erstes Kind kam im September 2013 zur Welt. Elterngeld Plus gab es damals noch nicht. Meine Frau ist Freiberuflerin. Für sie kam es nicht in Frage, ihre Erwerbstätigkeit für eine längere Zeit zu unterbrechen. Sie ist direkt nach dem Mutterschutz in den Job zurückgekehrt, um schnell wieder präsent zu sein und den Anschluss an ihre Auftraggeber nicht zu verlieren. Oft nehmen Väter nur zwei Monate Elternzeit in Anspruch. Bei uns ist es umgekehrt gewesen. Ich war zwölf Monate in Elternzeit und meine Frau zwei. Wir haben ein partnerschaftliches Modell gefunden, das unserer Vorstellung von einer guten Versorgung und Betreuung für das Kind sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht wurde.

vaeter.nrw: Was waren die Highlights in Ihrer Elternzeit und warum würden Sie das anderen Vätern empfehlen?
Daniel Bever: Es ist etwas anderes, ob man seinem Kind abends nach der Arbeit Geschichten vorliest oder ob man den ganzen Tag Zeit miteinander verbringt. Wir haben es von Anfang an gemocht, viel draußen zu sein. So haben wir nach und nach die Umgebung erkundet und tolle Ausflüge zum Beispiel in den Tierpark oder ins Schwimmbad gemacht. Aber wir haben genauso den Alltag geteilt, Routine erlebt. Dazu gehört zum Beispiel auch der Arztbesuch etc. Ich würde es sehr vermissen, wenn ich all das nicht auch mit meinem zweiten Kind erleben könnte.

Ich habe in dieser Zeit gelernt, was es bedeutet, ein Kind groß zu ziehen, und was Mütter und Väter da leisten. Denn Elternzeit ist nicht unbedingt Urlaub. Man ist gebunden und in gewisser Weise fremdbestimmt. Gleichzeitig darf man diese tolle Zeit mit dem Kind erleben.

Durch meine Elternzeit konnte ich eine enge Beziehung zu meinem Sohn aufbauen und er zu mir. Das sehe an dem Verhältnis, was wir heute haben. Wir haben da so ein „Jungsding“ laufen und kommen super miteinander zurecht. Ich habe von seiner Entwicklung sehr viel mitbekommen, seinen Charakter kennengelernt und konnte ihm viel mitgeben.

Auch wenn es für meine Frau am Anfang nicht einfach war, das Kind so früh loszulassen, bin ich als Vater und Betreuer die bestmögliche Alternative, eben keine „Fremdbetreuung“. Dass sie sich auf mich verlassen konnte, hat ihr ein gutes Gefühl gegeben. Denn immer mal wieder meldete sich bei ihr das Gewissen. Da konnte ich sie entlasten.

vaeter.nrw: Wie können Sie Ihr Modell jetzt beim zweiten Kind mit dem neuen Elterngeld Plus und dem Partnerschaftsbonus anpassen, wo sind Verbesserungen entstanden?
Daniel Bever: Im Ergebnis werden wir es ähnlich wie beim letzten Mal machen. Das heißt, ich bin 17 Monate in Elternzeit. In den ersten drei Lebensmonaten unseres Kindes bekomme ich das Basiselterngeld und arbeite dann bis zum ersten Geburtstag in Teilzeit mit Elterngeld Plus-Bezug, in den weiteren vier Monaten mit Partnerschaftsbonus und schließe dann mit einem Elterngeld Plus Monat ab. Auch diesmal wird meine Frau direkt nach dem Mutterschutz wieder berufstätig sein. Dank der neuen Regelungen ist es jetzt für sie möglich, in einzelnen Monaten Elterngeld Plus und zeitgleich mit mir den Partnerschaftsbonus beziehen.

Wir haben das Gefühl, dass das Elterngeld Plus gerade in der Konstellation angestellt/freiberuflich eine sehr gute Sache ist. Die neuen Regelungen sind deutlich komplizierter als die vorherigen. Aber im Ergebnis ist es für uns die komfortablere Lösung. Die Vorteile: Dadurch, dass ich aus einem Basiselterngeldmonat zwei Elterngeld Plus Monate machen kann, funktioniert die Teilzeitphase besser und die finanziellen Abzüge sind bei Elterngeld Plus wesentlich geringer. Die gesamte Teilzeitphase ist ausfinanziert und es bleiben auch noch Monate für meine Frau übrig. Das rechnet sich viel besser für unsere Familie.

vaeter.nrw: Würden Sie sagen, dass Elterngeld Plus dazu beiträgt, die Partnerschaftlichkeit innerhalb einer Familie zu fördern?
Daniel Bever: In jedem Fall. Wir können als Familie so viel besser zusammen agieren. Ich kann allen Vätern nur empfehlen: Macht es! Ich weiß, dass es manchmal in den Unternehmen Diskussionen gibt, wenn Väter bei den Führungskräften das Thema Elternzeit ansprechen. Aber Väter haben einen Rechtsanspruch darauf, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Und wie es mit allen Rechten ist, man muss sie nutzen, damit sie Alltag werden. Wenn immer mehr Väter den Rechtsanspruch für sich geltend machen, wird es in der Praxis irgendwann eine Selbstverständlichkeit.

Zur Person:

Themen Elternzeit partnerschaftlich gestalten – ein Vater berichtet

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Mehr Gleichberechtigung, mehr Flexibilität

ElterngeldPlus – was ändert sich für Väter?

Schon mit dem bisherigen Elterngeld sollten Eltern leichter – ganz oder teilweise – auf eine Erwerbstätigkeit nach der Geburt verzichten können, um mehr Zeit für ihr Kind zu haben. In der Praxis war es für die Väter aber oft noch schwierig, beim Arbeitgeber eine längere Elternzeit durchzusetzen. Und eine wirklich gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbsarbeit und Familienaufgaben hat sich mit dem bisherigen Elterngeld nicht wirklich gel...

Papas im Doppelpass

Väter-Angebote in Münster

Speziell auf Väter zugeschnittene Angebote sind eher selten. Dabei zeigt sich oft, dass die Papas durchaus motiviert sind, andere Väter zu treffen und sich über Erfahrungen, Wünsche und Probleme auszutauschen. Auch beim Thema Beratung profitieren Anbieter, wenn sie die Väter gezielter in den Blick nehmen. Der Caritasverband Münster e. V. hat vor ein paar Monaten zwei konkrete Väterprojekte gestartet.

In Münster ist es wie in vielen anderen Städten: Babymassage, PEKiP, Elternkurse, Schlafberatung … die meisten Angebote sind eigentlich auf Mütter ausgerichtet. Das beginnt bei der Ansprache in Flyern oder im Internet, die sich häufig direkt an die Mütter wendet und setzt sich bei den gebotenen Themen fort. Auch die Uhrzeiten für Kurse und Veranstaltungen machen es – zumindest den mehrheitlich voll berufstätigen Vätern – nicht immer leicht, teilzunehmen. Daran störten sich auch der Familientherapeut Rüdiger Dreier vom Caritasverband Münster und zwei seiner Kollegen: „Als wir selber Kinder bekamen, wurde uns diese Orientierung auf die Mütter erst so richtig bewusst. Und im Frühling 2016 beschlossen wir, zumindest bei uns in der Caritas daran etwas zu ändern.“

Spieletreff für Väter

Die Berater und Therapeuten überlegten, welche Väter-Angebote interessant sein könnten und kamen zu dem Schluss, dass Väter eher zu männlichen Beratern kommen. Außerdem entwickelten sie einen Fragebogen um den Bedarf zu klären: „Beispielsweise wollten wissen, welche Uhrzeiten gefragt sind. Oder welche Themen sich Väter wünschen. Und ob ein Online-Chat oder ein Väterstammtisch attraktiv sind“, sagt Rüdiger Dreier. Die Väter-Befragung läuft aktuell noch. Aber die Caritas startete schon im Juli mit dem ersten Angebot für Väter in Elternzeit: Jeden Mittwoch Morgen treffen sich Väter mit ihren Kindern von null bis drei Jahren zur PAPAZEIT in der Caritas-Beratungsstelle in Münster-Hiltrup.

Offiziell läuft das Projekt als Spieletreff und in es wird auch reichlich gespielt und getobt „aber für uns steht der Austausch der Papas untereinander im Zentrum und nicht das Bildungsangebot für Kleinkinder“ sagt der Familientherapeut. Die Väter nutzen die Gelegenheit, miteinander zu besprechen, wie man am besten Grenzen setzt oder bis zu welchem Alter die Kinder im Elternbett schlafen dürfen. Auch ganz praktische Fragen werden geklärt: Was sind gute Spielsachen für Zweijährige? Wo steht der Wickeltisch? Kann man trotz Krabbelkindern einen Tannenbaum aufstellen? Rüdiger Dreier freut sich über die Resonanz: „Wir hatten für das erste halbe Jahr mit zwei bis drei Vätern pro Termin gerechnet. Tatsächlich kommen aber doppelt so viele – oder aber auch mal neun. Und die Mischung stimmt: Ehemänner und Alleinerziehende, Lehrer, Polizisten, Hausmeister. Hier treffen sie alle zusammen“

Gestärkte Teamplayer

Während in der PAPAZEIT mehrere Väter und Kinder gemeinsam Zeit verbringen, ist die zweite Neuerung der Caritas Münster eine reine Face-to-Face-Beratung. Beim DOPPELPASS haben Väter immer einen männlichen Erziehungsberater, Psychologen oder Sozialpädagogen als Gegenüber. „Das ist für viele Väter ein Grund mehr, zu uns zu kommen“, sagt Rüdiger Dreier. „Biologische Väter, soziale Väter, Trennungsväter – alle haben ihre persönliche Lebenslage mit mehr oder weniger speziellen Sorgen und Problemen. Im DOPPELPASS wollen wir die Väter unterstützen, ihr Zusammenspiel mit der Familie besser hinzubekommen.“

In den Gesprächen geht oft darum, den Alltag besser zu gestalten und Konflikte zu lösen. Beispielsweise, wenn die Mutter andere Erziehungsvorstellungen hat, Arbeit und Beruf nicht unter einen Hut passen oder ein Vater nicht weiß, wie trotz Trennung intensiven Kontakt zu seinem Kind behält. Viele Väter suchen auch noch nach einem konkreten Bild von ihrem Vatersein: Wie baue ich Nähe und eine Bindung zu meinem Kind auf? Wie begeistere ich es, wie spiele ich mit ihm am besten? Wie kann ich zeigen, dass ich ein fähiger Vater bin? Für den Familientherapeuten Dreier ist Stärkung ein zentrales Ziel: „Gerade bei jungen Vätern ist es wichtig, ihnen Sicherheit zu geben. Sie sollen ihren Standpunkten und Vorstellungen, ihrer Art, mit dem Kind umzugehen, vertrauen. Das stärkt auch ihre Position gegenüber der Mutter, die sich nach Schwangerschaft und Geburt manchmal erst daran gewöhnen muss, dass da jetzt ein Vater mitspricht.“

  Info
Die PAPAZEIT findet immer mittwochs von 9.30 bis 11.00 Uhr in der kleinen Turnhalle in der Caritas-Beratungsstelle, Westfalenstraße 197 in Hiltrup statt. Das Angebot ist kostenfrei und eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Die Väterberatung DOPPELPASS ist ebenfalls kostenfrei und wird in vier verschiedenen Stadtteilen Münsters angeboten. Interessierte Väter können einen persönlichen Termin vereinbaren. Die Berater sind an die Schweigepflicht gebunden.
 
 

Diplom-Sozialpädagoge Rüdiger Dreier ist Koordinator für Väterarbeit im Caritasverband Münster. Der gelernte Schlosser ist selbst Vater von zwei Kindern.  

Die familienfreundliche Chefetage

Vereinbarkeit

Immer mehr Unternehmen möchten die Flexibilität ihrer Führungskräfte fördern – und so auch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Aber es hapert noch bei der Umsetzung. Nina Bessing von der EAF Berlin (Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e. V.) hat sich im Rahmen des Projektes „FleXship“ mit der Frage beschäftigt, wie Vereinbarkeit in Führung verwirklicht werden kann.

vaeter.nrw: Frau Bessing, eigentlich sind sich alle einig: Angestellte Eltern, politische Akteure und Unternehmen wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade in den Führungsebenen scheint die Umsetzung aber nicht recht zu klappen.
Nina Bessing: Das bislang Erreichte ist sicherlich noch ein zartes Pflänzchen – aber die Richtung stimmt. Dabei ist es interessant, sich die verschiedenen Führungsebenen und Modelle genauer anzuschauen: Maßnahmen wie Home-Office und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten existieren auf der mittleren Führungsebene heute bereits in fast jedem Unternehmen. Modelle wie reduzierte Vollzeit oder Jobsharing sind vereinzelt vorhanden. Zusätzlich existiert eine Dunkelziffer an Fällen, bei denen Maßnahmen „unter der Hand“ vereinbart wurden. Doch in Top-Führungspositionen sind flexible Modelle sehr selten.

vaeter.nrw: Wie hat man sich das vorzustellen?
Nina Bessing: Wenn beispielsweise ein Vater aus der mittleren Führungsebene seine Arbeitszeit reduzieren oder von zu Hause arbeiten will, schwingt oft die Sorge mit, dass dieser Schritt die Karriere ausbremsen könnte. Außerdem ist die Befürchtung weit verbreitet, dass Begehrlichkeiten bei den Kollegen entstehen, wenn mit dem Thema zu offen umgegangen wird. Das Problem dabei ist eine bestimmte Vorstellung von Leistung – besonders im Top Management. Dort demonstriert man seinen Arbeitsethos häufig durch auffallend lange Arbeitszeiten und die Präsenz im Betrieb. Andererseits ist klar, dass Homeoffice oder flexible Arbeitszeiten bei 60 Wochenstunden auch kein großer Gewinn für die Familie sind. Beides führt zu verschwimmenden Grenzen und Übergriffen von der Arbeit in das Privatleben. Gerade in Führungspositionen ist Selbstkontrolle dann eine wichtige Eigenschaft, um nicht daheim mit der halben Aufmerksamkeit in Jobthemen zu hängen. Für viele Führungskräfte ist diese Vermischung allerdings Alltag.

vaeter.nrw: Fehlt denn im Topmanagement vielleicht der Wille, Vereinbarkeit in der Unternehmenskultur fest zu verankern?
Nina Bessing: Nein. Der Wille ist fast überall zu erkennen. Es geht in den Unternehmen aber oft um ernstzunehmende Schwierigkeiten, das Gewünschte im Arbeitsprozess auch umzusetzen: Umfassende Flexibilisierung oder Reduzierung der Arbeitszeit brauchen eine neue Organisation und eine andere Art des Führens. Wenn im Team flexibler gearbeitet wird, steigt für die Führungskräfte insbesondere zu Beginn der Einführung neuer Modelle erst einmal der Managementaufwand: Wer übernimmt welche Aufgaben? Wie lassen sich die Arbeitsergebnisse von Kollegen und Kolleginnen mit Vertrauensarbeitszeit kontrollieren? Wie verteilt man die Arbeitslast ausgewogen auf das Team, sodass die Kundschaft weiterhin zufrieden ist? Wie berücksichtigt man die individuelle Lebenssituation einer Mitarbeiterin, die beispielsweise keine Familie hat … Da wird es verständlich, dass jemand der ohnehin einen vollen Schreibtisch hat, etwas zurückschreckt.

vaeter.nrw: Und in dem Fall, dass ein Vater in Führungsposition für sich selbst mehr Familien-Raum schaffen möchte?
Nina Bessing: Wenn das bislang nicht gelebt wurde, setzt es einige Umgewöhnung voraus: Solche Väter müssen dann lernen, Kompetenzen und Verantwortung abzugeben und Aufgaben klug zu delegieren. Wer seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht in die Lage versetzt, von ihnen vertreten zu werden, zementiert den eigenen Unersetzbarkeitsstatus. Führungskräfte, die weniger oder flexibler arbeiten möchten, sollten das also frühzeitig vorbereiten. Wichtig ist dabei auch, sich die Zusammensetzung des Teams genau anzuschauen: Wer eignet sich wofür? Wem entspricht es vielleicht eher, mit mehr Verantwortung und Autonomie zu arbeiten – und wem weniger?

vaeter.nrw: Wenn der Weg dahin also schwierig ist, wie schaffen es Führungskräfte, dass ihr Vorhaben im Unternehmen mitgetragen wird?
Nina Bessing: Zunächst gilt für Führungskräfte und Angestellte das Gleiche: Wichtig ist immer, sich zusammenzutun. Es gibt wahrscheinlich in allen Betrieben genug Väter, die ähnliche Wünsche und Pläne haben. Wenn man sich austauscht, organisiert und seine Vorstellungen gemeinsam kommuniziert, bekommen sie mehr Gewicht. Väter sollten Netzwerke bilden und sich in anderen Betrieben umhören, wie es dort gemacht wird.

vaeter.nrw: Wie haben denn Unternehmen, die erfolgreich Vereinbarkeitsmodelle einsetzen, ihre Probleme gelöst?
Nina Bessing: Der Wunsch nach mehr Vereinbarkeit muss quer durch das Unternehmen Unterstützer finden. Von der Spitze bis zu den Angestellten. Beispielsweise hat die Telekom verschiedene Pilot-Programme gestartet, die für alle Teilnehmer eine Art Schutzraum bilden. Hier sollen die Leute Arbeitsmodelle ausprobieren, ohne Angst um die Karriere zu haben. Dazu gehören zum Beispiel Vertrauensarbeitszeit, und dass die festen Arbeitsplätze aufgehoben wurden – wer ständig neben anderen Kollegen sitzt, muss eigenverantwortlicher arbeiten und die Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten wissen nicht unbedingt, wann man arbeitet oder nicht. Dadurch werden die Strukturen auf verschiedenen Ebenen verändert und für die Führungskräfte ist es wichtiger, Arbeits- und Projektergebnisse zu bewerten als Präsenzzeiten.

vaeter.nrw: Gab es keine Sorge, dass die Produktivität sinkt, wenn Kontrolle durch mehr Eigenverantwortung ersetzt wird?
Nina Bessing: Tatsächlich reduzieren sich vor allem unproduktive Arbeitsstunden. Wenn man seine Arbeitszeit „absitzt“ um Präsenz zu zeigen, vertut man automatisch viel Zeit mit sinnlosen Dingen. In diesen Programmen zeigt sich aber, wie Flexibilität zu mehr Konzentration und Motivation führt. Interessant sind auch die Erkenntnisse aus Jobsharing-Modellen: Weil sich mehrere Menschen einen Aufgabenbereich teilen, gibt es zwangsweise mehr Zusammenarbeit in Kleinstteams. Das wiederum bedeutet einen stärkeren Austausch im Team und darauf folgt eine merkliche Qualitätssteigerung. Auch die Innovationsfreude wächst im Unternehmen. Schließlich können sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht mehr einfach auf das Urteil ihrer jeweiligen Vorgesetzten verlassen, sondern müssen selbst kreativ werden, um Probleme zu lösen. Diese Erfahrungen sind gute Argumente für Unternehmen, etwas mutiger zu werden und neue Ansätze zu probieren.

Nina Bessing EAF Berlin
Zur Person:

Nina Bessing, EAF Berlin

Nina Bessing ist Director in den Themenfeldern HR-Management und Training in der EAF Berlin und strategische Leiterin des Projektes „FleXship“.

Die EAF Berlin begleitet Organisationen in Veränderungsprozessen für mehr Vielfalt in Führung. Als unabhängiges Institut arbeitet sie an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Sie berät zu den Themen Vielfalt und Chancengleichheit, Karriere und Führung, Vereinbarkeit und Resilienz sowie Politik und Partizipation. Sie konzipiert und realisiert innovative Programme und Trainings zur Personal- und Organisationsentwicklung. Eigene Studien und Forschungsprojekte runden die Expertise der EAF Berlin ab.

Der Leitfaden „Flexibles Arbeiten in Führung“ der EAF als Download
 

Themen Die familienfreundliche Chefetage

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Elternzeit im Job völlig akzeptiert?

Gastbeitrag

Immer mehr Väter unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit für die Kinderbetreuung. Das sind gute Neuigkeiten: Natürlich zunächst für die Kinder, die mehr von ihrem Papa haben als der Nachwuchs in den Generationen zuvor. Aber auch für Eltern ist die Entwicklung positiv. Denn sie unterstützt die partnerschaftliche Arbeitsteilung und den Wunsch vieler Paare nach mehr Gleichheit in der Partnerschaft. – Ein Gastbeitrag von Dr. Yvonne Lott, Hans-Bö...

Vorbilder gesucht

Vereinbarkeit

Wie steht es in deutschen Unternehmen um die Familienfreundlichkeit? Und welche Maßnahmen werden dort getroffen, um ein besseres Miteinander von Arbeit und Beruf zu ermöglichen? Diesen Fragen geht seit zehn Jahren der Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit nach. Ende Juni stellte das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) die aktuellen Ergebnisse vor.

Im Auftrag des Bundesfamilienministeriums befragte das IW insgesamt 1.399 Personalverantwortliche, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie 2.500 Beschäftigte nach der Familienfreundlichkeit in ihrem Betrieb. Dabei wurde deutlich, dass eine klare Mehrheit der Unternehmen (77 Prozent) Familienfreundlichkeit generell bedeutend findet. Insbesondere für Beschäftigte mit Kindern nennen Unternehmen (92 Prozent) familienfreundliche Maßnahmen als wichtige Aufgabe. Als betriebswirtschaftlichen Grund für den ausgeprägten Unternehmenswillen nennt das Gutachten die Beschäftigungssituation: Familienfreundlichkeit gilt als ein zunehmend wichtiges Merkmal, um auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu sein. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen und an sich zu binden, fällt den Betrieben leichter, die eine gute Vereinbarkeit versprechen.

Maßnahmen für Väter

Das IW fragte auch, welche konkreten Möglichkeiten für familienfreundliches Arbeiten den Eltern aktuell schon angeboten wird. Dazu gaben 84 Prozent der Betriebe an, dass bei ihnen auf Eltern besondere Rücksicht genommen wird – beispielsweise bei der Urlaubsplanung. 64 Prozent bieten ihnen Teilzeitmodelle an oder eine phasenweise Beschäftigung während der Elternzeit. Eine zusätzliche finanzielle Leistung über dem gesetzlichen Niveau kommt dagegen nur bei sechs Prozent vor.

Maßnahmen, die sich speziell an Väter richten, sind in deutlich weniger Unternehmen vorgesehen. So motivieren 14 Prozent der befragten Betriebe ihre männlichen Mitarbeiter ausdrücklich, Elterzeit zu nehmen und knapp 9 Prozent ermuntern sie, in Teilzeit zu arbeiten. Entscheiden sich Väter – ob durch den Arbeitgeber motiviert oder nicht – Elternzeit oder Teilzeit in Anspruch zu nehmen, unterstützen aber viele Unternehmen dieses Vorhaben. Modelle wie vollzeitnahe Teilzeit (22 Prozent), eine probeweise Teilzeitarbeit (zwölf Prozent) oder ergebnisorientiertes Führen (20 Prozent) sind verbreitet und werden den Vätern auch in Kombination angeboten.

Familienfreundliches Führen

Schwieriger wird es bei der Frage, inwiefern die familienfreundliche Firmenkultur auch von den Führungskräften vorgelebt wird. Nur in 17 Prozent der befragten Unternehmen entscheiden sich Führungskräfte selbst für Elternzeit. Das hat Auswirkungen auf das Verhalten der übrigen Mitarbeiter. Denn Führungskräfte sind nicht nur Verstärker oder Blockierer bei der persönlichen Arbeitseinstellung und beim Erreichen von Leistungszielen. Als Vorbilder motivieren oder bremsen sie genauso bei der Frage, ob Väter in einem Unternehmen in Teilzeit arbeiten oder Elternzeit nehmen. Wenn nur fünf Prozent der männlichen Führungskräfte eines Unternehmens selber in Teilzeit arbeitet, stellt das für die übrigen Väter ein ernstes Hemmnis dar: Die Befragung des IW zeigt, dass der Anteil der Männer, die in Elternzeit gehen um das Fünffache steigt (15 Prozent), wenn die eigenen Führungskräfte zuvor ebenfalls Elternzeit genommen haben.

Der Unternehmensmonitor des IW als Download-PDF Der Unternehmensmonitor des IW als PDF zum Download

Elternzeit im Job völlig akzeptiert?

Gastbeitrag

Immer mehr Väter unterbrechen ihre Erwerbstätigkeit für die Kinderbetreuung. Das sind gute Neuigkeiten: Natürlich zunächst für die Kinder, die mehr von ihrem Papa haben als der Nachwuchs in den Generationen zuvor. Aber auch für Eltern ist die Entwicklung positiv. Denn sie unterstützt die partnerschaftliche Arbeitsteilung und den Wunsch vieler Paare nach mehr Gleichheit in der Partnerschaft. – Ein Gastbeitrag von Dr. Yvonne Lott, Hans-Böckler-Stiftung

Aus Ländern, die Erwerbsunterbrechungen von frisch gebackenen Vätern schon sehr viel länger fördern als Deutschland – etwa Schweden – wissen wir: In Paarbeziehungen, in denen Väter eine Auszeit für die Kinder nehmen, wird Hausarbeit und Kinderbetreuung längerfristig gleicher aufgeteilt. Auch steigen Frauen wieder schneller in den Job ein, wenn ihre Partner Elternzeit nehmen.

Elternzeit von Vätern – Normalität im Job

Der Trend zum väterlichen Engagement in der Kinderbetreuung ist auch im Joballtag angekommen. Vor der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 war die Zahl der Väter, die ihre Erwerbsarbeit aus familiären Gründen unterbrachen, verschwindend gering. Im Job galt der Vater als ein guter Vater, wenn er für die Familie sorgte – nicht etwa durch seine Präsenz daheim, sondern finanziell. Diese gesellschaftliche Vorstellung wandelt sich gerade. Heute wollen Väter Zeit für die Familie. Das haben auch die Unternehmen erkannt, die nicht nur mit dem Bild des sorgenden Vaters werben, sondern sich auch auf die veränderten Ansprüche ihrer zukünftigen Arbeitskräfte einstellen müssen, um auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Elternzeit von Vätern ist im Job selbstverständlich geworden. Mussten sich Männer, die in den Betrieben erstmals Elternzeit nutzten, noch Kommentare von den Kollegen anhören, ist die Elternzeit von Vätern mittlerweile weitgehend akzeptiert. Diese Entwicklung sollte uns rundweg positiv stimmen. Oder?

Elternzeit? Ja, aber nur 2 Monate!

Betrachten wir die Statistiken genauer und fragen nach der Länge des Elterngeldbezugs, stellen wir fest: Mehr als zwei Drittel der Väter (78 Prozent) nimmt Elternzeit bis zu zwei Monate in Anspruch und nicht länger (Statistisches Bundesamt 2014). Obwohl Vätern bis zu 12 Monaten Elternzeit rechtlich zusteht, entscheidet sich der Großteil für eine relativ kurze Erwerbsunterbrechung. Im Gegensatz dazu nimmt der überwiegende Teil der Mütter (93 Prozent) 10 bis 12 Monate Elternzeit. Die Arbeitsteilung von Paaren ist also nicht so gleich und das Engagement der Väter nicht so hoch, wie die 34 Prozent von Vätern, die Elterngeld beziehen, zunächst versprechen.

Elternzeit – Karriereknick?

Ein Grund für die kurze Elternzeitdauer bei Vätern sind Barrieren im Job. Dies zeigt das Forschungsprojekt „Arbeitszeit im Lebensverlauf“ des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler Stiftung. Vorgesetzte erwarten von Männern oftmals, dass sie die betrieblichen Belange bei der Inanspruchnahme von Elternzeit berücksichtigen. Vätern wird beispielsweise nahegelegt, ihre Elternzeit nicht in der Urlaubszeit zu nehmen, wo alle Kolleginnen und Kollegen weg sind, sondern dann, wenn ihre Elternzeit am wenigsten „stört“. Darüber hinaus wird von ihnen erwartet, dass sie ihre Arbeit nur für kurze Zeit unterbrechen, um ihren Arbeitsausfall so gering wie möglich zu halten. Gelten Beschäftigte als unersetzbar und jederzeit verfügbar wie etwa Fach- und Führungskräfte, ist die Nutzung von Elternzeit generell nicht gern gesehen. Für die Hochqualifizierten hängt die Inanspruchnahme von Elternzeit vom guten Willen der Vorgesetzten ab und ist damit reine Glückssache.

Männer verzichten daher häufig auf eine längere Elternzeit um ihrer beruflichen Karriere nicht zu schaden. Väter, die Elternzeit mit mindestens drei Monaten genommen haben, schätzen ihre Aufstiegschancen häufiger als schlechter ein als Männer, die maximal zwei Monate in Elternzeit gehen. Väter mit einer längeren Elternzeit berichten von Ansehensverlust, schlechten Leistungsbewertungen, minderwertigen Arbeitsinhalten und Einkommenseinbußen. Männer verzichten auch dann häufig auf (eine längere) Elternzeit, wenn die Personaldecke im Unternehmen dünn ist und sie die Kolleginnen und Kollegen durch ihren Arbeitsausfall nicht belasten wollen.

Es ist noch Luft nach oben!

Damit die Elternzeit tatsächlich zu einem höheren familiären Engagement von Vätern und zu mehr Gleichheit in der Partnerschaft beiträgt, müssen sich Unternehmen – aber auch die Gesellschaft – noch mehr bewegen. Es bedarf neuer Leistungs-, Verfügbarkeits- und Präsenzvorstellungen und einer ausreichenden Personalausstattung in den Betrieben. Nur so können Väter mit ruhigem Gewissen auch für längere Zeit in Elternzeit gehen. Aber auch die Väter selbst sind gefordert. Anstatt auf die Elternzeit zu verzichten um den Unmut des Vorgesetzen und der Kollegen zu vermeiden, müssen sich Väter ein dickes Fell zu legen. Dies haben die Elternzeit-Pioniere gemacht, die dazu beigetragen haben, dass die zweimonatige Elternzeit von Vätern im Joballtag heute selbstverständlich ist.

Dr. Yvonne Lott ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Referat „Erwerbsarbeit im Wandel“ der Hans-Böckler-Stiftung. Bis Juni 2016 arbeitete sie im Projekt Arbeitszeitoptionen im Lebensverlauf (AZOLA) des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). AZOLA untersuchte die betrieblichen Bedingungen und die praktische Umsetzung von Arbeitszeitoptionen (wie Teilzeitarbeit, Elternzeit und Pflegezeit und Arbeitszeitkonten).