Vater ist, das was du draus machst!
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Familienplanung

Gut informiert: Familienplanung und Partnerschaft

Web-Tipp

Rund um die Familienplanung spielt auch das Thema „Partnerschaft und Vereinbarkeit“ eine wichtige Rolle. Zahlreiche Fragen stehen dann im Raum. Wer gut informiert ist, kann viele Entscheidungen leichter treffen und aktiv die Planung und Umsetzung von Aufgaben voranbringen. Für umfassende Informationen ist das Webportal familienplanung.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) eine empfehlenswerte Anlaufstelle.
Je nach Interesse und Lebenssituation finden Eltern ein umfangreiches Angebot zu vielen wichtigen Aspekten rund um die Familienplanung und -gründung. Wissenschaftlich fundierte Informationen unterstützen Paare bei der Auseinandersetzung mit der Elternrolle, dem Familienalltag sowie bei der partnerschaftlichen Verteilung von Familien- und Berufsarbeit zwischen Frauen und Männern. Denn Familienplanung heißt auch, die Weichen für viele Bereiche neu zu stellen.

Wissenswertes für Männer

Ein besonderes Angebot: Die Rubrik „Wissenswertes für Männer“ enthält eine Vielfalt an Beiträgen, die speziell auf die Situation von Männern und (werdenden) Vätern zugeschnitten sind. Der Newsletter speziell für Väter informiert in vier Ausgaben über alles Wichtige rund um die Schwangerschaft der Partnerin, zur Geburt und zur Entwicklung des Babys. Ebenso werden Fragen zum Vaterwerden und zum neuen Leben als Familie behandelt. Checklisten wie „Organisatorisches für Väter“ oder „Die Tasche für den Mann“ runden das Väterangebot ab.

Zusätzliche Angebote und Services

Die Inhalte werden ergänzt durch ein Lexikon mit den wichtigsten Fachbegriffen und einer Zusammenstellung von Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ). Nützlich sind auch die Links zu ergänzenden Informationsquellen im Netz, ebenso wie die Möglichkeit, verschiedene kostenlose Broschüren in gedruckter Form zu bestellen. Die Beratungsstellen-Datenbank umfasst die Adressen von mehr als 1600 Familien- und Schwangerschaftsberatungsstellen in Deutschland.  

Verschlungene Pfade zur Familiengründung

Kinderwunsch und Wirklichkeit

Viele alte Vorstellungen von Geschlechterrollen wurden in den letzten Jahren über Bord geworfen. Doch Veränderungen bringen auch Schwierigkeiten. Väter und Mütter müssen ihre Rollen neu definieren und ein neues Selbstverständnis finden. Mit ihrer veränderten Position konfrontiert, schrecken viele Männer vor der übergroß erscheinenden Verantwortung einer Vaterschaft zurück.
Es gibt heute die unterschiedlichsten Familienkonzepte. Eines haben sie jedoch alle gemeinsam: Eltern teilen sich heute sämtliche familiäre Verantwortung. Kindererziehung, Familienglück, Haushalt, finanzielle Absicherung - kein Bereich ist mehr ausschließlich einem Partner vorbehalten. Für die Väter heißt das: Sie sind mehr als bisher in das Familienleben und dessen Ablauf integriert. Sie übernehmen ihren Teil der Erziehung, zeichnen für die Beziehung zum Partner genauso mitverantwortlich wie für das Einkommen. Das Terrain ist also unübersichtlicher geworden. In einer möglichen Kollision der unterschiedlichen Ansprüche sehen Väter die Elternschaft vermehrt als schwierige und komplexe Aufgabe – und das bereits vor der Geburt eines Kindes. Nach Susanne Schneider (2014)[1], „… sind Eltern heute vielfältigem Druck ausgesetzt (durch Finanzen, Organisation, Leistung im Beruf, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Partnerschaft, Erziehungs- und Bildungserfolg u.v.m.). Hierdurch werden sie stärker verunsichert und gestresst als frühere Elterngenerationen.“ Je höher aber die Ansprüche an Vaterschaft sind, desto niedriger ist der Kinderwunsch – der Wunsch nach Perfektion erschwert die Elternschaft.

Der Weg in die Kinderlosigkeit

Auch wenn die Mehrheit der jungen Männer (und Frauen) gerne Kinder möchte, klaffen Wunsch und Wirklichkeit deutlich auseinander. Männer bleiben häufiger kinderlos als Frauen, wie verschiedene Studien zeigen.[2] So ist z. B. bei kinderlosen Männern ab 45 Jahren die Wahrscheinlichkeit, noch Vater zu werden, sehr gering. Insgesamt bleibt mehr als jeder fünfte Mann dauerhaft kinderlos. Die größte Gruppe besteht aus Männern, die die Familienplanung immer weiter verschleppen – bis zu einem Zeitpunkt, an dem Kinder nicht mehr gewünscht sind oder nicht mehr geboren werden können. Auch ist nicht immer eine geeignete Partnerin in Sicht, die berufliche Karriere wird der Vaterschaft vorgezogen oder die wirtschaftliche Situation als zu risikoreich eingestuft.[3] Die zweite Gruppe bilden die Paare, die Kinder bekommen könnten, aber zu Beginn ihrer Liebesbeziehung unentschlossen sind, sich nicht auf einen Zeitpunkt verständigen oder sich generell dem Thema nicht nähern. Die dritte Gruppe sind diejenigen, die sich relativ früh im Leben gegen Kinder entscheiden.[4]

Vaterrolle in Perfektion contra Kinderwunsch

Viele Männer haben den Wunsch, nach der Familiengründung ein neuer, moderner Vater zu sein. Sie möchten viel Zeit mit den Kindern verbringen, möchten am Alltag beteiligt sein und Verantwortung in der Erziehung übernehmen. (vgl. Vorwerk, 2013, Familienstudie). 44 Prozent der Männer wollen Elternzeit nehmen. Ein Drittel der Männer kann sich vorstellen, nur halbtags zu arbeiten. Etwa 17 Prozent der Männer würden sogar ganz zu Hause bleiben und sich um das Kind kümmern, damit die Partnerin im Beruf bleiben kann. Nach einer Studie des Bundesinstitutes für Bevölkerungsforschung (2015)[5] glauben Männer heute oft, beides sein zu müssen: Der klassische Vater, der das Familieneinkommen bestreitet, und der aktive Vater, der sich gleichberechtigt in die Betreuung und Erziehung der Kinder einschaltet. Unter den Männern, die sich für Nachwuchs entscheiden, gibt es einen wachsenden Trend zu engagierter Vaterschaft. Kindererziehung und Haushalt werden in das Männerbild integriert. Die enge Beziehung zu ihrem Kind und die vielfältigen Erlebnisse rund um die Versorgung und Erziehung bedeuten für diese Väter persönliches Glück. Zugleich können Väter und Mütter heute mehr denn je kompetente Hilfe in Anspruch nehmen: Eine große Zahl von Beratungs- und Unterstützungsangeboten steht zur Verfügung (z. B.: Familienberatungsstellen, Ratgeber, Apps, Internet etc.).

Vom Familienernährer zum Basisversorger

Obwohl Männer die Berufstätigkeit von Frauen mehrheitlich positiv sehen, bedeutet das nicht automatisch, dass sich das Leitbild von Männlichkeit und Vaterschaft gleichermaßen gewandelt hat.[6] Im Kern basiert das Selbstbild des Mannes/Vaters weiterhin auf Merkmalen, die einen Schwerpunkt auf Beruf und die Rolle des Familienernährers legen. In einer Väterbefragung (Kastner, 2015) erhielten folgende Aussagen: „Die Familie gut versorgen“ (76 Prozent), „berufliche Kompetenz/Fachmann sein“ (60 Prozent) und „Leistungsorientierung/Ehrgeiz“ (57 Prozent) nach wie vor hohe Zustimmung.[7] Das Leitbild von Männlichkeit und Vaterschaft wird komplexer, ohne dass es sich bisher jedoch grundlegend verändert hat. Neu eingeführte Familienleistungen wie das ElterngeldPlus setzen demgegenüber Anreize für eine stärkere Beteiligung der Väter an der Familienarbeit. In die gleiche Richtung weist die Entwicklung eines neuen Leitbilds, das zunehmend an Bedeutung gewinnt: der Mann als moderner Basisversorger (BMFSFJ, 2013)[8]. Dieses Leitbild ist dadurch charakterisiert, dass es weiterhin auf Existenzsicherung und Erwirtschaftung des Familieneinkommens bezogen bleibt, die Verantwortung dafür aber nicht mehr allein dem Mann beziehungsweise Vater zuweist. Zudem enthält es verstärkt gleichheitsorientierte Auffassungen von Partnerschaft und Persönlichkeitsmerkmale. Beide Leitbilder, Familienernährer und moderner Basisversorger, stehen heute parallel nebeneinander. 45 Prozent der Mütter und 41 Prozent der Väter präferieren das Leitbild des Basisversorgers: Sie sehen beide Partner in der Verantwortung, zu etwa gleichen Teilen zum Familieneinkommen beizutragen. (vaeter.nrw)   [1]     Susanne Schneider (2014), Die Bedeutung der Medien vor der Geburt, Springer Verlag[2]     Karsten Kassner, 2014,  Väter heute: Leitbilder, Lebensrealitäten und Wünsche http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/familienpolitik/185323/vaeter-heute [3]     BIB 02/2015,  Gewollt oder ungewollt? Der Forschungsstand zu Kinderlosigkeit Jürgen Dorbritz, Ralina Panova und Jasmin Passet-Wittig[4]     BIB 02/2015, ebenda, S. 35[5]     BIB 02/2015, ebenda, S. 36[6]     Karsten Kassner, 2014, Väter heute: Leitbilder, Lebensrealitäten und Wünsche http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/           familienpolitik/185323/vaeter-heute[7]     BIB 02/2015,  Gewollt oder ungewollt? Der Forschungsstand zu Kinderlosigkeit Jürgen Dorbritz, Ralina Panova und Jasmin Passet-Wittig[8]     BIB 02/2015, ebenda, S. 35[9]     BIB 03/2015, LEIDbild Elternschaft, PM[10]   Karsten Kassner, 2015, Väter heute: Leitbilder, Lebensrealitäten und Wünsche http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/           familienpolitik/185323/vaeter-heute[11]   Karsten Kassner, 2015, ebenda[12]   MFSFJ (Hg.) (2013): Jungen und Männer im Spagat: Zwischen Rollenbildern und Alltagspraxis. Eine sozialwissen       schaftliche Untersuchung zu Einstellungen und Verhalten, S. 13 ff, Berlin    Text aktualisiert am 9. Juni 2016

Zweisam in der Dreisamkeit

Paarbeziehung adé?

Ein Kind zu bekommen, ist ein wunderbares Geschenk – und es verändert eine Partnerschaft grundsätzlich. Scheinbar unvermittelt stehen einige junge Eltern dann vor Problemen in ihrer Paarbeziehung. Welche Wege es gibt, sich auf das Leben zu dritt vorzubereiten, wie Probleme erkannt und miteinander gelöst werden können, beschreibt der Paartherapeut Winfried Fuchs.
vaeter.nrw: Eigentlich ist die Geburt des ersten Kindes ein großer Glücksmoment für Vater und Mutter. Was führt in der Zeit danach dazu, dass sich Beziehungsprobleme einschleichen?Winfried Fuchs: Ganz allgemein haben wir Menschen des Öfteren Probleme mit einschneidenden Veränderungen. Und ein Kind ist eine neue Situation, die manchmal krisenhaft erlebt wird. Der Umgang miteinander, Hobbys, Beruf, der gesamte Alltag muss neu vereinbart und gestaltet werden. Das fällt manchen schwerer als anderen. In der Folge machen sich manchmal Überforderung und Frustration breit.
vaeter.nrw: Gilt das für Vater und Mutter gleichermaßen?Winfried Fuchs: Im Grunde: ja. Beide sind mehr oder minder unsicher im Umgang mit dem Kind. Aber es betrifft denjenigen mehr, der zu Hause bleibt und nicht im bisherigen Arbeitsumfeld die gewohnte Bestätigung erhält. Das sind bei uns meist noch die Mütter. Wer daheim bleibt, neigt dazu, die eigenen Erwartungen und solche, die vielleicht andere an sie stellen, übererfüllen zu wollen: Aus dem Bedürfnis nach Bestätigung entsteht das Streben nach einer perfekten Kombination aus Erziehung, Haushalt und Sozialkontakten. Aber auch ohne Perfektionismus fühlen sich viele „Familienmanager/innen“ – oft zu Recht – zu wenig unterstützt. Wer in seinem gewohnten Arbeitsumfeld bleibt, hat manchmal keinen Blick für das, was Zuhause geschieht. Er registriert nicht, was es erfordert, ein kleines Kind zu beaufsichtigen und zugleich den häuslichen Alltag zu bewältigen. Dann fehlt die Wertschätzung. Und auf die Sorgen ihrer Frau reagieren manche Männer mit Flucht. Statt ihr zuzuhören und sie zu unterstützen, wenden sie sich ab und verbringen ihre Freizeit lieber mit Hobbys und Freunden.
vaeter.nrw: Immer wieder hört man, dass die Männer frustriert sind, weil die Sexualität einschläft.Winfried Fuchs: Ja, zumindest in der ersten Zeit nach der Geburt kommt das vor. Bevor das Kind da war, konzentrierten sich Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit auf den einen geliebten Menschen. Jetzt ist da ein drittes Wesen, das viel Zuwendung und Liebe braucht. Außerdem ist der Hormonhaushalt der Mutter in den ersten Monaten ein anderer, wodurch ihr Gefühlsleben und ihre Bedürfnisse andere sind als vor der Geburt. Generell sind Frustration und Enttäuschung junger Eltern aber meist auf andere Mängel zurückzuführen: Man fühlt sich nicht genügend gesehen, angenommen, wertgeschätzt und geliebt. Werden diese Grundbedürfnisse gedeckt, stehen die Chancen gut, auch sexuell wieder zueinander zu finden.
vaeter.nrw: Ist dann vielleicht schon im Vorfeld etwas schiefgelaufen?Winfried Fuchs: Ja. In der Realität findet es zwar kaum statt, aber eigentlich sollten alle Paare vor dem ersten Kind ein Beziehungskonzept formulieren. Dazu gehört auch die Kunst, die beiden Bedürfnisse „Eigenständigkeit und Zweisamkeit“ in Balance zu bringen. Manch freiheitsliebender Mann muss dazu erst lernen, dass Zweisamkeit nicht „Verzicht“ sondern „Gewinn“ bedeutet: Das Leben wird reicher an Sinnhaftigkeit, Freude, Inspiration, Zusammenhalt, menschlicher Wärme, Bestätigung … Außerdem hilft es, die Einstellung des anderen zur Kindererziehung zu kennen. Und Werteerfahrungen aus der Kindheit zu erfragen: Wie gingen Vater und Mutter mit dir um? Wurdest du von deinen Eltern bedingungslos geliebt? Wie wurde dir bei einem Problem von ihnen geholfen? Genauso gilt es die jetzigen Wertevorstellungen abzugleichen: Was sind deine Werte? Wie möchtest du diese unseren Kindern vermitteln? Und schließlich rate ich allen werdenden Eltern, die Schwangerschaft gemeinsam zu erleben. Wenn sich da der Vater raushält und die Mutter das Kinderkriegen eher als ihr Thema begreift, wird es nach der Geburt schwierig, das Baby in die Beziehung zu integrieren. Also: Geburtsvorbereitungskurse, Frauenarzttermine, Klinikwahl und Nestbau sind eine tolle Chance, sich auf die neue Situation gemeinsam einzuschwingen.
vaeter.nrw: Und wenn sich das Paar nicht so akribisch auf das Familienleben vorbereitet hat?Winfried Fuchs: Wenn beide es ernsthaft wollen, lässt sich das nachholen. Entscheidend dafür ist aber, dass sie sich Zeit nehmen, miteinander zu reden. Es geht nicht nur darum, Alltagsfragen und das Familienmanagement zu klären. Sondern vielmehr darum, sich einander zuzuwenden und einen vorwurfsfreien Dialog zu führen. Viele haben es nicht gelernt, über ihre Vorstellungen und Wünsche so zu sprechen, dass der andere diese emotional nachvollziehen kann. Aber ein konsensorientierter Dialog ist für beide wichtig, um Freude und Zufriedenheit zu gewinnen und die Partnerschaft stabil zu halten. Stattdessen enden Beziehungsgespräche oft in Vorwürfen und Streit, weil man nur dann über Beziehungsthemen spricht, wenn es ein größeres emotionales Problem gibt.
vaeter.nrw: Bleibt denn für das Reden – zwischen Familie, Haushalt, Arbeit und den persönlichen Freiräumen – noch Zeit?Winfried Fuchs: Ganz klar: Es muss dafür Zeit sein – für Zweisamkeit generell! Zeit für Zweisamkeit sollte wie ein Ausflug auf eine Insel im Alltag geplant werden. Wenn man sie sich nicht bewusst vornimmt, geht sie im Alltagsgeschehen unter. Dabei ist diese Zeit nicht als Verzicht oder Konkurrenz zu anderen Aktivitäten zu sehen, sondern als Qualitätszeit, die die Freude am Miteinander erhöht.
vaeter.nrw: Wenn das nicht wie gewünscht funktioniert, wann sollten sich Eltern Hilfe von außen holen?Winfried Fuchs: Ein deutliches Warnsignal ist, dass ein und dasselbe Problem immer wieder auftaucht und man keine dauerhafte Lösung findet. Dann sollte professionelle Hilfe – beispielsweise in einer Paarberatung – gesucht werden. Manchmal hilft es aber auch, jemanden mit einzubinden, dem beide vertrauen und der ihre Interessen in Einklang bringt. Das könnten beispielsweise gemeinsame Freunde oder die Trauzeugen sein.
Zur Person:

Winfried Fuchs ist systemisch-integrativer Paartherapeut, Psychologischer Berater und Partnerschule-Trainer aus Bottrop.    

Themen Zweisam in der Dreisamkeit

Papa über Umwege

Ungeplante Vaterschaft

Eigentlich führt das Wort Familienplanung in die Irre: Bestenfalls das Nicht-Kinderkriegen lässt sich halbwegs planen. Tatsächlich leiden viele Paare unter ihrem unerfüllten Kinderwunsch. Ein Paar aus Duisburg hatte die Hoffnung längst aufgegeben und sich in einem kinderlosen Leben eingerichtet, als dann doch der Nachwuchs kam.
Wie bei der Ziehung einer Lotterie kam Jan* sich vor, als ihm seine Frau im Sommer 2010 sagte, dass die Periode lange überfällig sei und sie jetzt mal einen Schwangerschaftstest machen sollten. „Wir waren unheimlich aufgeregt. Mussten nochmal nachlesen, ob der zweite Strich auf dem Tester wirklich heißt, dass Daniela schwanger ist.“ Spätestens die Untersuchung beim Frauenarzt ließ keinen Zweifel mehr: Lange nachdem sie das Kinderthema aus ihrem Leben gestrichen hatten, war es plötzlich passiert. Vorausgegangen waren sechs verzweifelte Jahre.

Alles passt – fast

Angefangen hatte es im Jahr 2000 wie bei vielen Paaren: Während des Studiums in Duisburg hatten sie sich in kennengelernt, verliebt und waren zusammengezogen. Sie genossen ihr freies Leben, die Abende im Kino, in Restaurants oder bei Konzerten. Sie heirateten 2005. Jan bekam eine Stelle als Lehrer in Geldern, Daniela arbeitete als Sozialpädagogin in Duisburg. Weil er aber jeden Tag fast eine Stunde zur Schule fahren musste, schauten sie sich nach einer Wohnung auf dem Land zwischen Duisburg und Geldern um. Nicht so schön wie ihre Altbauwohnung in Duisburg, aber größer – und kindgerecht. Denn mittlerweile war der Wunsch nach einer Familie gewachsen. „Alles lief bei uns so glatt, dass wir dachten, mit dem Kinderkriegen würde es genauso weitergehen“, sagt Jan. „Aber das war nicht so. Am Anfang haben wir noch Witze darüber gemacht, nach rund einem halben Jahr kamen allerdings die Zweifel.“ War einer von beiden unfruchtbar, wie die Frauenärztin vermutete? Sie ließen sich untersuchen. Kein Befund, alles ok. Als nächstes empfahl die Frauenärztin eine Hormontherapie – und das Kinderkriegen wurde zum Projekt. Mit der Hormonbehandlung stieg für beide die psychische Belastung. Jan litt darunter etwas weniger als Daniela, aber auch er spürte den Druck: „Wir haben angefangen, unseren Sex genau zu planen. Alle Faktoren sollten optimal sein. Nur Romantik und Freude hatten da wenig Platz.“ Inzwischen drehten sich ihre Gespräche kaum noch um ein anderes Thema. Während Jan und Daniela auf die nächsten fruchtbaren Tage warteten, bekamen ihre Freunde der Reihe nach Kinder. „Wir haben uns das Leben schwer gemacht“, erinnert sich Jan, „Strichlisten und Statistiken geführt, wer noch ohne Kind war. Es wurden immer weniger und unsere Sozialkontakte genauso.“ Schließlich bekommen sie von einer Ärztin den Rat, es mit künstlicher Befruchtung zu versuchen. „Da haben wir gesagt: Halt, stopp! Wir begriffen, dass es Zeit wird, den Fuß vom Gas zu nehmen und etwas an unserer Einstellung zu ändern.“ Sie besuchten ein paar Mal eine Selbsthilfegruppe. Dort allerdings überbot man sich mit Tipps, welche Medikamente auszuprobieren seien, welche Ärzte bestimmte Therapien anbieten und wie man Leihmütter findet. „Es wird bessere Gruppen geben, aber in der wären wir keinen Schritt weiter gekommen.“

Umschwenken im Kopf

Stattdessen wandten sie sich an eine Psychotherapeutin. Sie gab ihnen die Aufgabe, zu lernen, dass sie auch ohne Kind ein glückliches und erfülltes Leben führen können. Dass sie die Vorteile entdecken und genießen sollten und in sich nach anderen Wünschen und Aufgaben forschen. Tatsächlich erwies sich die Frage nach anderen Lebenswünschen als entscheidend: Ein Leben auf dem Land wäre für Kinder bestimmt schön gewesen, ihr Ding war es aber nicht. Also zogen sie wieder in eine Duisburger Altbauwohnung. „Wir waren DINKs wie aus dem Bilderbuch [Anm. d. Red.: Double Income No Kids; engl. Abkürzung für kinderlose Paare mit doppeltem Einkommen], finanziell und familiär unabhängig. Wir haben einfach die Sau raus gelassen: Partys, Reisen und gutes Essen. Zunächst, um uns abzulenken und zu trösten. Aber wir merkten, welche Wünsche uns wirklich umtrieben“, sagt Jan. Daniela hatte vor Jahren die Idee, als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zu arbeiten, dies aber hinten angestellt – die Familienplanung ging vor. Jetzt begann sie mit der Ausbildung. Auch Jan half ein Blick in seine Vergangenheit: Er spielte schon als Schüler E-Gitarre und nutzte jetzt die Gelegenheit, seine eigene Band zu gründen, Songs zu schreiben und möglichst viel aufzutreten. „Wir fühlten uns richtig gut, nachdem wir verstanden, dass das Leben andere Dinge bereithält und wir nicht weitere Jahre einem Idealbild hinterher rennen müssen.“

Weniger Plan als Glück

Nach einem dreiviertel Jahr hatten sie sich mit der Kinderlosigkeit völlig arrangiert. Und genau in dieser Phase passierte es dann doch: Bruno war unterwegs und die Geburt wurde für den Februar 2012 ausgerechnet. „Wie ein Wunder. Völlig überraschend platzte die Nachricht in unser neues Leben. Soweit man das sagen kann, hatten wir damit wirklich abgeschlossen. Und doch fühlte es sich zu diesem Zeitpunkt unglaublich richtig an“, sagt Jan. Natürlich hätten sie gerne schon Jahre früher ein Kind bekommen. Aber für beide war es wichtig, ihre anderen Träume ausgelebt zu haben und sich ohne jeden Druck auf das Kind freuen zu können: „Wir sind in der Zeit reifer, reflektierter und entspannter geworden. Wir konnten begeisterte Eltern werden und das Kind als Geschenk sehen, nicht als selbstverständliches Ergebnis eines Projektplans.“  *Alle Namen von der Redaktion geändert. (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 11.06.2016