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Hochstrittigkeit

Stärkeres Umgangsrecht für leibliche Väter

BGH-Beschluss vom 5. Oktober

Der Bundesgerichtshof stärkt das Recht von biologischen Vätern und ihren Kindern, sich kennenzulernen und miteinander Kontakt zu halten. Ausschlaggebend für diese Frage ist vor allem das Kindeswohl. Dieses sei höher zu bewerten, als der Wunsch der rechtlichen Eltern, die sich in dem verhandelten Fall beharrlich weigerten, einem leiblichen Vater Umgang mit seinen Kindern zu ermöglichen.
Im Jahr 2013 reformierte der deutsche Gesetzgeber das Umgangsrecht biologischer Väter und ihrer Kinder. Gegen den Willen der Mutter und des rechtlichen Vaters konnte ein leiblicher Vater zuvor nur in einem Fall den Kontakt zum Kind erzwingen: Wenn zwischen beiden bereits eine enge persönliche Beziehung bestand. Seit der Neufassung im Jahr 2013 sollen für den möglichen Umgang das Kindeswohl und das ernsthafte Interesse des leiblichen Vaters entscheidend sein.

Kindeswohl steht über Elternwille

Die Verschiebung zugunsten des Kindeswohls – und entgegen möglicher Widerstände der rechtlichen Eltern – kam in einem am 3. November veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofs (Aktenzeichen: XII ZB 280/15) erstmalig zum Tragen. Der BGH in Karlsruhe hatte darüber zu entscheiden, ob ein Vater, der vor elf Jahren mit einer verheirateten Frau Zwillinge zeugte, mit diesen Kontakt haben darf. Sowohl die Mutter als auch der Ehemann und gesetzliche Vater verweigerten dem leiblichen Vater seit der Geburt der Kinder beharrlich jeglichen Umgang. Doch auch der leibliche Vater ließ sich nicht beirren und zog bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dieser entschied im Jahr 2012, dass die deutsche Gesetzgebung das Umgangsrecht neu zu regeln habe. Der BGH hat die daraufhin überarbeitete Vorschrift nun zum ersten Mal ausgelegt und präzisiert, wie sie anzuwenden ist: Sollten die rechtlichen Eltern – wie hier geschehen – vorbringen, dass der Umgang mit dem leiblichen Vater die Kinder psychisch überfordere, müssen die Familiengerichte diese Behauptung intensiv überprüfen. Notfalls müssten die Kinder auch selbst befragt werden, soweit sie alt genug sind. Außerdem betont der BGH das Recht der Kinder, zu erfahren, von wem sie abstammen – auch wenn die rechtlichen Eltern dagegen sind.

Sorgerecht

Ein Überblick

Sorgerecht bedeutet das Recht und die Pflicht der Eltern, für das persönliche Wohl ihres Kindes und sein Vermögen zu sorgen und es gesetzlich zu vertreten. Strittig wird das Sorgerecht häufig im Zusammenhang mit einer Trennung und Scheidung der Eltern. Eine Gesetzesreform aus dem Jahre 2013 verbessert die Position von Vätern nicht ehelicher Kinder in Sorgerechtsfällen. Vaeter.nrw stellt Wissenswertes zum Thema Sorgerecht zusammen.
Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (§ 1626 Abs. 1 S.1 BGB). Die elterliche Sorge umfasst die drei Bereiche Personensorge, Vermögenssorge und die rechtliche Vertretung des Kindes:
  • Zur Personensorge gehören vor allem Pflege, Erziehung, Schulbesuch, Bestimmung des Wohnorts, Ausbildung und Berufswahl, religiöse Erziehung, Bestimmung des Umgangs mit Verwandten und Freunden sowie die Festlegung des Vor- und Nachnamens.
  • Bei der Vermögenssorge geht es darum, das Vermögen des Kindes zu verwalten, z.B.  Geldbeträge, die das Kind als Geschenk erhalten hat, anzulegen.
  • Die rechtliche Vertretung des Kindes meint zum Beispiel, für das Kind Verträge abzuschließen oder bei einer Behörde Anträge für das Kind zu stellen. Eltern müssen jedoch immer kenntlich machen, wenn sie in Vertretung ihrer Kinder handeln, wenn diese also die eigentlichen Vertragspartner bzw. Antragsteller sind.

Gemeinsames Sorgerecht: der „Normalfall“

Das Sorgerecht für Kinder steht miteinander verheirateten Eltern gemeinsam zu. Sind der Vater und die Mutter nicht miteinander verheiratet, ist dafür eine so genannte Sorgeerklärung beim Jugendamt oder Notar nötig. Der Vater kann diese Erklärung erst dann abgeben, wenn seine Vaterschaft auch rechtlich feststeht - etwa weil er sie wirksam anerkannt hat oder seine Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist. Ob die juristischen Eltern des Kindes zusammen leben oder nicht, spielt für die Ausübung der gemeinsamen Sorge keine Rolle. Die elterliche Sorge kann auch dann gemeinsam übernommen werden, wenn die Eltern zum Beispiel mit neuen Partnern verheiratet sind.

Ausschluss von der Sorge: Ledige Väter können dagegen vorgehen

Bei unverheirateten Eltern hat automatisch die Mutter das Sorgerecht für das gemeinsame Kind. Eine Gesetzesänderung aus dem Jahre 2013 brachte die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Verbesserung der Stellung von Vätern nicht ehelicher Kinder. Der Vater erlangte das Sorgerecht in der Vergangenheit nur, wenn die Mutter einer gemeinsamen Sorgeerklärung zustimmte. Lehnte die Mutter das ab, hatte der Vater keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Diese Regelung erklärte das Bundesverfassungsgericht am 21. Juli 2010 (1 BvR 420/09) für verfassungswidrig. Seit der Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern aus dem Jahre 2013 besteht nun die Möglichkeit, auf Antrag des Vaters eine Entscheidung des Familiengerichts auf Erteilung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu erwirken. Das Familiengericht überträgt den Eltern die elterliche Sorge gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht (§ 1626 a BGB). Dabei geht das Gericht davon aus, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, wenn keine Gründe gegen eine gemeinsame Sorge vorgebracht werden und auch sonst keine ersichtlich sind.

Gemeinsame Sorge auch nach Trennung oder Scheidung

Das Gesetz geht davon aus, dass es dem Wohl des Kindes am meisten dient, wenn beide Eltern sorgeberechtigt sind. Deshalb besteht das gemeinsame Sorgerecht nach der Trennung auch grundsätzlich fort. Zum Beispiel hat der getrennt lebende, sorgeberechtigte Vater ein Auskunftsrecht gegenüber Behörden, Institutionen oder auch Ärzten. Väter, die im Kindergarten oder in der Schule wissen wollen, wie sich ihr Kind entwickelt, brauchen im Trennungsfall keine besondere Einverständniserklärung der Mutter.

Aberkennung des Sorgerechts

Sind die Eltern nicht in der Lage, zum Wohl des Kindes gemeinsam die elterliche Sorge auszuüben, ist unter Umständen die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil angezeigt. Das kann der Fall sein, wenn die Beziehung zwischen den Eltern zerrüttet und eine Verständigung nicht möglich ist oder wenn in ganz grundlegenden Erziehungsfragen die Meinungen so unterschiedlich sind, dass das Wohl des Kindes hierdurch bedroht ist. Auch die Ausübung von Gewalt oder die Vernachlässigung des Kindes kann zu einer Aberkennung der Sorge führen. Ein einfaches "Ich kann mit dem Vater nicht mehr reden" oder "Die Kommunikation zwischen uns ist so schwierig" reicht nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht aus, um der Mutter das Sorgerecht allein zu übertragen. Es müssen schwerwiegende Gründe vorliegen, die das Wohl des Kindes beeinträchtigen, um der Mutter oder dem Vater das Sorgerecht alleine zuzusprechen.

Wann werden Familiengerichte tätig?

Das Familiengericht am Wohnsitz des Kindes entscheidet über das Sorgerecht, wenn ein Elternteil einen Antrag stellt, zum Beispiel auf "alleinige elterliche Sorge". Dieser Antrag muss begründet werden. Zunächst wird das Jugendamt oder ein Mediator bzw. eine Mediatorin eingeschaltet, um durch Beratung eine einverständliche Lösung zu erarbeiten. Gelingt das nicht, entscheidet das Familiengericht, das auch das betroffene Kind bzw. die Kinder anhört. Stellt das Gericht fest, dass es nicht beim gemeinsamen Sorgerecht bleiben kann, dann prüft es, ob es ausreicht, einen Teil der elterlichen Sorge auf einen Elternteil zu übertragen. Denn es kann unter Umständen genügen, nur einen Teil des Sorgerechts aus den Bereichen Vermögens- und Personensorge wie zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil zu übertragen und es im Übrigen beim gemeinsamen Sorgerecht zu belassen. Ist allerdings das zerrüttete Verhältnis zwischen den Eltern die Ursache für die Sorgerechtsentscheidung, kann eine Teilübertragung das Problem in der Regel nicht lösen. Hat das Jugendamt Anhaltspunkte dafür, dass die Eltern beide nicht ausreichend in der Lage sind, ihr Kind zu fördern und zu erziehen, prüft das Gericht auch ohne Antrag eines Elternteils, ob beiden Eltern die elterliche Sorge entzogen und ein Vormund bestellt werden muss.

Was vor Gericht zählt

Für seine Sorgerechtsentscheidung versucht das Familiengericht herauszufinden, was dem Kindeswohl am ehesten dient. Folgende Überlegungen spielen dabei eine Rolle:
  • Nach dem sogenannten Förderungsprinzip soll derjenige Elternteil das Sorgerecht erhalten, von dem das Kind für den Aufbau seiner Persönlichkeit die meiste Unterstützung erwarten kann, der also für das Kind voraussichtlich die verlässlichere und stabilere Bezugsperson sein wird.
  • Ist ein Elternteil nicht bereit oder fähig, den Kontakt des Kindes zu dem anderen Elternteil zu unterstützen (Bindungstoleranz), spricht das gegen seine Förderungsfähigkeit bzw. seinen Förderungswillen.
  • Durch die Sorgerechtsübertragung soll das Kind nicht aus seinen gewohnten Beziehungen gerissen werden (Kontinuitätsgrundsatz). Haben sich die Lebensverhältnisse des Kindes gefestigt, muss ein triftiger Grund vorliegen, um sie z.B. durch einen Aufenthaltswechsel zu ändern.
  • Die Beziehungen des Kindes zu seinen Eltern, zu seinen Geschwistern und zu anderen Bezugspersonen müssen berücksichtigt werden.
  • Der Kindeswille ist zu berücksichtigen. Dabei muss aber auch geprüft werden, warum das Kind sich so und nicht anders entschieden hat - insbesondere auch, ob es durch seine Umgebung beeinflusst worden ist.
Alle diese Kriterien sind zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Eine Sorgerechtsentscheidung ist keine mathematische Gleichung, bei der jedes Gericht bei gleichem Sachverhalt zum gleichen Ergebnis kommen muss. Das sieht das Gesetz auch so vor, denn das Gericht braucht diesen Spielraum, damit es jedem Einzelfall gerecht werden kann.

Fronten aufweichen

Trennungskinder

„Manchmal passieren Wunder, aber meistens ringen wir lange um Lösungen.“ Michael Braun hat viele hochstrittige Auseinandersetzungen erlebt, denn er war 15 Jahre lang in einem Jugendamt beschäftigt. Seine Bilanz: „Ich habe nur wenige Konflikte begleitet, in denen nichts mehr ging – meistens haben wir Lösungen gefunden. Aber wir mussten mühsam darum ringen und diese Prozesse dauerten sehr lange.“
Von Hochstrittigkeit sprechen Michael Braun und seine Kollegen, wenn die Positionen auf beiden Seiten so verhärtet sind, dass der Vater und die Mutter des Kindes bzw. der Kinder es nicht mehr schaffen, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. „Bei uns im Jugendamt haben wir es so gemacht, dass wir erst mal getrennt mit den Eltern gesprochen haben: eine Mitarbeiterin mit der Mutter und ich mit dem Vater, manchmal zeitgleich in verschiedenen Räumen und manchmal an unterschiedlichen Tagen – hochstrittige Paare halten es oft nicht aus, sich in einem Zimmer aufzuhalten. Erst wenn beide bereit sind, sich wieder an einen Tisch zu setzen, ist auch eine Mediation möglich. Wenn das der Fall war, haben wir der Familie ein Angebot dazu gemacht. Mediation heißt ja, dass Vater und Mutter ihre Absicht erklären, bei ihren Themen Regelungen zu finden“, erzählt Michael Braun. Der Mediator oder die Mediatorin moderiert während einer bestimmten Anzahl von Terminen. Am Ende steht eine Vereinbarung, die beide unterschreiben und die dem Gericht mitgeteilt werden kann. Um eine solche außergerichtliche Regelung zu erreichen, sollten auch die Anwälte des Vaters und der Mutter einbezogen werden, damit sie in der Abstimmungsphase keine Briefe schreiben, die den Konflikt neu aufleben lassen.

Kinder einbeziehen

Michael Braun betont, wie wichtig es ist, den Kindern mitzuteilen, dass sich ihre Eltern wirklich um Lösungen bemühen. Denn ein Indiz für Hochstrittigkeit ist, dass Kinder Dinge regeln, für die eigentlich ihre Eltern Verantwortung übernehmen sollten, zum Beispiel dem Vater mitteilen, dass die Mutter einen Urlaub plant und fragen, ob sie in der Zeit bei ihm bleiben können. Sind die Kinder neun oder zehn Jahre alt, werden sie – je nach Entwicklung – einbezogen. Hier vertritt Michael Braun einen systemischen Ansatz, der das ganze Familiensystem einbezieht. Wenn nötig, auch neue Partner und die Großeltern. Hochstrittigkeit vergleicht Michael Braun mit einem Krieg: „Da muss man die Kinder schützen.“ Aber es gibt auch eine echte Chance: „Wenn Eltern trotz ihrer persönlichen Verletzungen und Kränkungen das Wohl der Kinder im Blick haben, dann können die Kinder eine notwendige Trennung oder Scheidung auch gut verarbeiten. Vor allem, wenn sie erleben, wie Vater und Mutter mit gegenseitigem Respekt, trotz unterschiedlicher Sicht, zum Beispiel die Besuchskontakte oder die Ferien regeln“, sagt der Familienberater. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, sollte alles dafür tun, dass der Kontakt zum anderen Elternteil aufrechterhalten bleibt. Gelingt das nicht, sollte er oder sie sich dringend professionelle Hilfe suchen. Zum Beispiel, wenn die Mutter einen neuen Lebensgefährten hat. „Ich hatte einen Fall, da wollte die Mutter nicht mehr, dass der leibliche Vater Kontakt zum Kind hält. Ihr neuer Partner sollte diese Rolle übernehmen. Sie sagte: Meine Tochter hat jetzt einen neuen Papa, sie braucht meinen Ex nicht. Da musste ich ihr sagen: Nein, der Vater Ihrer Tochter ist Ihr Ex-Mann, und wenn Ihre Tochter will, hat sie nun noch einen zweiten Papa“, berichtet Michael Braun. Schließlich haben sich alle an einen Tisch gesetzt: die Mutter und ihr Verlobter, der leibliche Vater und seine Lebensgefährtin. Tatsächlich haben sie einen Kompromiss gefunden, eine Umgangsregelung, mit der alle leben konnten.

Gespräche statt Gerichtsverhandlung

Zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, gelingt nur über einen Dialog. Die meisten hochstrittigen Paare aber haben nie gelernt, wirklich miteinander zu sprechen und sich zuzuhören. Und über die Trennung und den vielen Streit ist das Vertrauen verloren gegangen; wie bei einer Mutter, die mit ihrem Kind in den Norden Deutschlands gezogen ist, obwohl der Vater im Süden lebt und ein Gerichtsbeschluss besagte, sie dürfe sich mit dem Kind nicht weiter als 40 Kilometer entfernen. Der Vater klagte. Das Oberlandesgericht war bereits involviert, als Michael Braun und seine Kollegin endlich eine Einigung moderieren konnten: Der Vater erklärte sich einverstanden, dass Mutter und Kind im Norden leben, sein Sohn ihn aber regelmäßig besuchen kommt. Einen Tag vor der Verhandlung zog der Vater seine Klage zurück. „Ich sage immer zu den Streitenden: Die beste Lösung finden Sie, die liegt in Ihrer Familie verborgen. Manchmal auch in der eigenen Biografie. Die schlechteste Lösung ist das Gericht, aber wie gut, dass wir es haben, wenn nichts anderes mehr geht.“ Den Vätern rät Michael Braun, sich früh genug – bevor der Streit eskaliert – Rat und Hilfe zu suchen: Auf Internetseiten wie dem Väterportal, in Büchern und bei professionellen Beratungsstellen. Und: Väter sollten sich Gruppen suchen, in denen sie Zugang zu ihren Gefühlen finden und sich austauschen können, auch darüber, wie sie konflikt- und handlungsfähig werden. Sich selbst verstehen lernen ist die beste Prävention vor Hochstrittigkeit. Der Familienberater freut sich darüber, dass sich im Laufe seiner Berufsjahre eines geändert hat: Es gibt sie, die „neuen Väter“, die sich kümmern, wirklich für ihre Kinder interessieren und um sie kämpfen. (vaeter.nrw)Michael Braun ist seit 40 Jahren verheiratet, Vater von vier Kindern und hat fünf Enkelkinder. Text aktualisiert am 1. Juni 2016