Vater ist, das was du draus machst!
vaeter.nrw

Kita

Start des neuen Bundesprogramms "Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung"

Beim Besuch der Kita „Mosaik“ im Berliner Stadtteil Neukölln hat Bundesministerin Dr. Katarina Barley auf die Bedeutung des Besuchs einer Kita für den weiteren Bildungsweg der Kinder hingewiesen: „Der Kita-Besuch wirkt sich positiv auf die Start- und Bildungschancen von Kindern aus. Bisher profitieren allerdings längst nicht alle Familien gleichermaßen davon. Das wollen wir ändern.“
Gemeinsam mit Bezirksbürgermeisterin Dr. Franziska Giffey informierte sich die Bundesministerin über Möglichkeiten, Zugangshürden zur Frühen Bildung für alle Familien abzubauen. In der Kita und dem Familienzentrum des Trägers Lebenswelt finden bereits regelmäßige Gruppentreffen für geflüchtete Familien statt, bei denen diese Gelegenheit haben, die Kita und die Erzieherinnen und Erzieher der Einrichtung kennenzulernen.   Das neue Bundesprogramm „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) greift diesen Ansatz auf. An bis zu 300 Standorten in ganz Deutschland entstehen Angebote, die Kindern und Familien den Zugang zum Bildungssystem erleichtern. Auch die Kita Mosaik hat gemeinsam mit dem Bezirksamt Neukölln eine Interessenbekundung für das Programm eingereicht.   Die teilnehmenden Projekte erhalten bis 2020 zusätzliche Mittel für eine Koordinierungsstelle sowie Fachkräfte und Projektmittel für die Umsetzung ihrer Angebote. Das können beispielsweise Beratungsangebote, Eltern-Kind-Gruppen oder der Einsatz von Elternbegleitern sein. Insgesamt stellt der Bund für das Programm bis zu 50 Mio. Euro jährlich bereit.   Weitere Informationen zum Bundesprogramm „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“Quelle: BMFSFJ

Hereinspaziert: Mehr Väter in Kitas

Bildung

In der Kita lernen die Kinder grundlegende soziale Fähigkeiten und auch ihre Persönlichkeit macht große Entwicklungsschritte. Aber Kitas sind – anders als Schule, Ausbildung oder Studium – fast männerfreie Räume. Meist fehlen dort männliche Rollenvorbilder, die kindliche Entwicklung prägen. Weshalb sich das ändern sollte und wie sich besonders Väter mehr einbringen können, fragten wir den Familien- und Sozialtherapeuten Torger Bünemann.
vaeter.nrw: Herr Bünemann, die meisten Kitas sind stark durch Frauen geprägt. Es fehlen die Erzieher, die auch männliche Elemente einbringen könnten. Wie schaut es denn mit den Vätern aus? Wie präsent sie im Kindergarten?Torger Bünemann: Es stimmt, dass die Männer in den Kindergärten allgemein unterrepräsentiert sind. Der Anteil der Erzieher lässt sich aber nicht beliebig erhöhen – wenn auf dem Arbeitsmarkt keine Erzieher bereitstehen, können die Kitas auch keine einstellen. Also gibt es für viele kleine Kinder eine Art Männlichkeitslücke. Hier kommen die Väter der Kindergartenkinder ins Spiel – wobei ich jetzt unter „Väter“ genauso die Stiefväter, Großväter, Onkels oder andere nahe männliche Bezugspersonen verstehe. Wenn die sich in den Kita-Alltag einbringen, können sie den Mangel an Erziehern zumindest teilweise ausgleichen. Und tatsächlich werden die Väter im Kindergarten langsam aktiver – aber wie man an Elternabenden sieht: Es sind immer noch zu wenige.
vaeter.nrw: Weshalb sind die Väter so zurückhaltend?Torger Bünemann: Zunächst ist es wie in anderen familiären Bereichen auch: Die klassische Rollenverteilung ist noch sehr weit verbreitet und gerade in den ersten Lebensjahren der Kinder halten sich viele Väter zurück. Wenn der Vater der Hauptverdiener ist, dann hat er durch seine Arbeit natürlich auch weniger Gelegenheit, sich in die Kita einzubringen. Aber zugleich erleben viele Väter den Kindergarten als extrem weiblichen Raum und fühlen sich etwas fehl am Platz. Sobald es aber in der Kita einen männlichen Erzieher gibt, passieren zwei Dinge: Zum einen wird eine solche Kita attraktiver für andere Erzieher. Zum anderen haben die Väter dann einen männlichen Ansprechpartner – und das gefällt ihnen.
vaeter.nrw: Aber wenn sich nun kein männlicher Erzieher findet, wie motiviert man die Väter für den Kindergarten?Torger Bünemann: Entscheidend ist, sie direkt anzusprechen. Auf vielen Anschreiben oder Aushängen heißt es: „Liebe Eltern …“. Warum steht da nicht zum Beispiel „Liebe Väter und Mütter …“? Das wäre ein Signal an beide, sich angesprochen zu fühlen und die Aufgabenverteilung mal zu überdenken. Aber auch die Väter untereinander sollten sich zusammentun und sich für Elternabende oder gemeinsame Projekte verabreden. Es geht dabei ja auch darum, sich in dem Umfeld Kindergarten wohl zu fühlen. Wenn man morgens beim Bringen der Kinder auf andere Väter trifft, bisschen Smalltalk zu Fußball oder Wochenendaktionen machen kann, hilft das schon, sich etwas weiter zu integrieren.
vaeter.nrw: Und außer dem Bringen und Abholen? Wie können gerade Väter den Alltag der Kita mitgestalten?Torger Bünemann: Das Bringen und Holen ist ja schon ein guter Anfang, wenn man sich einen Moment Zeit nimmt, mit anderen Eltern spricht oder den Erzieher/-innen ein paar Fragen stellt. Das Minimalziel sollte heißen: Da sein, wo alle sind. Also bei den Kitafesten, Elternabenden oder Gartentagen. Aber warum nicht selber etwas außerhalb der Reihe auf die Beine stellen? Beispielsweise ein Väterfrühstück, Vater-Kind-Backen, ein Fußballturnier oder Väter-Übernachten im Kindergarten – wenn die Kita bereit ist, bei so einer vielleicht etwas chaotischen Veranstaltung mitzumachen. Nach meiner Erfahrung sind die Kinder von solchen Vateraktionen immer völlig begeistert. Das bereichert ihre Erfahrungen mit Männern enorm.
vaeter.nrw: Sind solche Aktionen mit vollzeitbeschäftigten Vätern machbar?Torger Bünemann: Warum nicht? So etwas kann ja schließlich auch am Wochenende stattfinden. Und noch etwas: Die Arbeit der Papas kann auch selbst zum Gegenstand werden. Ich habe eine Aktion miterlebt, bei der Väter die Kinder im Kindergarten mit der Kamera interviewt haben. Frage: „Was macht dein Papa bei der Arbeit?“ Da kamen teilweise die wildesten Antworten. Aber auch ganz viel Begeisterung, wenn jemand zum Beispiel einen Feuerwehrmann als Vater hatte. Die Antworten wurden zu einem Film geschnitten und im Anschluss haben ein paar Väter im Kindergarten ihren Beruf vorgestellt.
vaeter.nrw: Welche besonderen Kompetenzen können denn die Väter in die Kita einbringen?Torger Bünemann: Ich weiß nicht, ob es dabei vor allem um Kompetenzen geht. Es ist schon sehr hilfreich, wenn die Kinder in diesem wichtigen Lebensabschnitt möglichst viele und unterschiedliche männliche Rollenvorbilder erleben. Sonst hängen sie schnell an Stereotypen fest. Was tun Kinder, denen die Vorbilder fehlen? Sie fantasieren sie sich zusammen: Väter aus den Kindergeschichten oder Actionhelden füllen dann die Leerstelle. Aber nur echte Väter können ihnen männliche Vielfalt vorleben. Dabei kommt es darauf an, dass die Väter das tun, was ihnen Freude macht. Wenn sie Lust haben, mit den Kindern zu kochen, sollten sie kochen. Wenn sie authentisch sind, auch überraschend oder irritierend, dann können sie Stereotypen durchbrechen. Das alleine ist schon sehr wertvoll.
Zur Person:

Torger Bünemann

Torger Bünemann ist Theologe und Systemischer Familien- und Sozialtherapeut in Lübeck. Er ist Mitinitiator des Projekts „Mehr Männer in Kitas“.

Themen Hereinspaziert: Mehr Väter in Kitas

Inhaltsseite

Bildungschancen sind auch Vätersache

Gastbeitrag von Professor Dr. Wassilios E. Fthenakis

Die Bildung eines Kindes wird aus drei wesentlichen Richtungen beeinflusst: Familie, Kita und Schule. Dabei ist Bildung nicht als bloße Wissensvermittlung zu verstehen. Vielmehr spielen hier auch die Erziehung, die persönliche Entwicklung und soziale Fähigkeiten eine zentrale Rolle. Väter sollten das Thema nicht öffentlichen Einrichtungen überlassen, sondern ihre Möglichkeiten entdecken, die Bildungschancen der Kinder zu verbessern.

Bildungschancen sind auch Vätersache

Gastbeitrag von Professor Dr. Wassilios E. Fthenakis

Die Bildung eines Kindes wird aus drei wesentlichen Richtungen beeinflusst: Familie, Kita und Schule. Dabei ist Bildung nicht als bloße Wissensvermittlung zu verstehen. Vielmehr spielen hier auch die Erziehung, die persönliche Entwicklung und soziale Fähigkeiten eine zentrale Rolle. Väter sollten das Thema nicht öffentlichen Einrichtungen überlassen, sondern ihre Möglichkeiten entdecken, die Bildungschancen der Kinder zu verbessern.
Haben die Eltern einen hohen Bildungsabschluss, ist es nach einer Untersuchung des Statistischen Bundesamts wahrscheinlich, dass auch ihre Kinder zum Gymnasium gehen (61 Prozent). Mit nur 3 Prozent kommt die Hauptschule in diesen Familien fast nicht vor. Die im September veröffentlichten Zahlen zeigen auch die andere Seite: Bei Kindern niedrig gebildeter Eltern liegt die Hauptschule mit 22 Prozent deutlich vor dem Gymnasium (14 Prozent). Diese Zahlen legen die Vermutung nahe, dass allein das elterliche Bildungsniveau für den Bildungserfolg der Kinder alleinverantwortlich sei. Für den Familienforscher Professor Wassilios Fthenakis greift der Schluss aber zu kurz: „Es gibt eine große Ungleichheit – aber die Grenze zwischen guten und schlechten Bildungschancen verläuft etwas anders: Schon seit Jahren zeigen Studien, dass gerade die Kombination von sozialer und ökonomischer Herkunft für eine erfolgreiche Schullaufbahn wesentlich ist.“ So führt die Herkunft aus einem Akademikerhaushalt zwar dazu, dass die Kinder häufig auf dem Gymnasium landen. Aber erst in Verbindung mit einem relativ hohen Einkommen steigt die Wahrscheinlichkeit auf eine erfolgreiche Schullaufbahn überdurchschnittlich an.

Bildung ist mehr Wissensvermittlung

Ist damit die Entwicklung der Kinder schon durch ihre Herkunft festgeschrieben? „Alle Eltern können etwas tun. Auch wenn viele eine klare Trennung im Kopf haben: Die Schule kümmert sich um die Bildung, die Familie und die Erziehung. Aber die beiden Bereiche sind nicht einfach so zu trennen. Beides ist miteinander verwoben und beeinflusst sich wechselseitig. Die Erziehung von Kindern findet ebenso in den Schulen statt und die Bildung in den Familien“, sagt Professor Fthenakis, „In den Familien gibt es viele Faktoren, die den Bildungserfolg der Kinder beeinflussen und bei denen die Väter eine sehr wichtige Rolle spielen.“ So haben besonders in Familien mit klassischer Rollenverteilung – der Vater ist für den Broterwerb zuständig, die Mutter für die Erziehungsfragen im Alltag – die Väter einen leistungsbetonenden Vorbildcharakter. Ihre eigene Bildungsgeschichte und ihre Einstellung zu Arbeit und Erfolg prägen die Einstellung und der Kinder. Dafür beeinflussen die Mütter das soziale Netz zu Freunden oder Verwandten stärker als der arbeitende Vater. In Familien mit ausgewogener Aufgabenverteilung verschwimmen die Unterschiede dagegen. „Es kommt also weniger auf typisch männliche oder weibliche Eigenschaften an, als auf die Rollen und Funktionen im Familiengefüge“, sagt der Familienforscher. Aber der Begriff Bildung ist ohnehin weiter zu fassen: Neben der Entwicklung von kognitiven Fähigkeiten oder dem Ansammeln von Wissen sind auch soziale und moralische Fertigkeiten oder das Selbstwertgefühl zentrale Entwicklungsziele. Gerade bei Kleinkindern ist Bildung ein sozialer Prozess, in dem die Kinder viel in realen Situationen, im Umgang mit anderen Kindern, mit Eltern oder Erzieherinnen und Erziehern lernen. „Väter halten sich da immer noch zu sehr im Hintergrund. Aber sie sollten sich bewusst machen, dass sie dafür genauso kompetent sind wie die Mütter – auch schon bei Kleinkindern.“ Allerdings sieht Wassilios Fthenakis eine Einschränkung: „Frauen – und damit auch Mütter – haben häufig eine besondere soziale Kompetenz, die mit ihrer eigenen Sozialisation zusammenhängt: Sie sind gut darin, das Denken und Fühlen des Gegenübers zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren. Diese Fähigkeiten geben sie an ihre Kinder und insbesondere die Töchter weiter.“

Partnerschaft der Eltern enorm wichtig

Bei den Vätern wiederum findet der Familienforscher die ausgeprägte Fähigkeit, ihre Kinder positiv zu stimulieren, Reize zu setzen und ihren Wissensdurst und Forscherdrang anzustacheln. „Besonders, wenn wir unter Bildung im vorschulischen Alter nicht Wissensvermittlung verstehen, sondern zu lernen, wie man lernt, hilft die väterliche Motivation enorm“, sagt Fthenakis. Dabei hat er in den letzten Jahren bei den jungen Vätern festgestellt, dass auch gegensätzliche Erfahrungen mit dem eigenen Vater letztlich zu ein und derselben Erkenntnis führen: War der eigene Vater nah und verständnisvoll, so bestätigt das den heutigen Vater darin, auch auf positive Stimulation bei den Kindern zu setzen. War der eigene Vater fern und dominant oder autoritär, möchte es der heutige Vater besser machen und wählt ebenfalls positive Stimulation als Weg für sich. Aber die väterlichen oder mütterlichen Besonderheiten möchte Professor Fthenakis ungern überbewerten: „Für den Schulerfolg der Kinder und ihre sozialen und moralischen Fähigkeiten sind beide Eltern gleichermaßen wichtig und fähig. Vor allem kommt es darauf an, dass beide Eltern präsent sind und eine funktionierende Partnerschaft leben.“ Diese Qualität ist – natürlich eingeschränkt – auch nach einer Trennung möglich, wenn beide Eltern im Hinblick auf die Entwicklung ihrer Kinder an einem Strang ziehen.     Professor Dr. Wassilios E. Fthenakis, geb. 1937, ist Familienforscher und Präsident des Didacta Verbands der Bildungswirtschaft e. V.  

Eltern, Kitas, Schulen – gemeinsam zum Wohl der Kinder

Interview

Wenn Eltern mit Kitas oder Schulen zusammenarbeiten, nennen Fachleute das „Erziehungspartnerschaft“. Der Pädagoge und Fachautor Dr. Martin Textor erklärt im Gespräch mit vaeter.nrw, weshalb die Zusammenarbeit wichtig ist, wie und warum Väter sich einbringen sollten und wie die Kinder davon profitieren.
vaeter.nrw: Wenn es um die Beziehung zwischen Eltern und Fachkräften in Kindertageseinrichtungen oder Schulen geht, ist heute vielfach von „Erziehungspartnerschaft“ die Rede. Was ist damit gemeint?Dr. Martin Textor: Unter einer „Erziehungspartnerschaft“ verstehen Fachleute einen Austausch zwischen Müttern und Vätern mit Erzieherinnen und Erziehern beziehungsweise Lehrkräften in Schulen, der gepflegt wird, auf Augenhöhe stattfindet und idealerweise von gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist. Das ist keinesfalls selbstverständlich. Lange Zeit galt eine enge Zusammenarbeit zwischen den Menschen, die das häusliche Umfeld eines Kindes prägen, und den Fachleuten in Bildungseinrichtungen als weitgehend entbehrlich. Lediglich, wenn es Probleme gab, wurden die Eltern „einbestellt“. Bei Elternabenden sahen die Erziehungs- und Lehrkräfte ihre Rolle vor allem darin, die anwesenden Mütter und Väter zu belehren. Diese Haltung hat sich sehr gewandelt. Inzwischen werden Eltern als Expertinnen und Experten für ihre Kinder wahrgenommen. In vielen Kindertageseinrichtungen und Grundschulen sind die Mütter und Väter ein- bis zweimal im Jahr zu Gesprächen über ihr Kind eingeladen, in denen es um seine Entwicklung, seine Stärken und Potenziale ebenso geht wie um eventuelle Probleme und Herausforderungen. In vielen Konzeptionen von Kitas und Grundschulen ist es inzwischen auch ausdrücklich vorgesehen, dass Eltern hospitieren und für einige Stunden am Kita- und Schulalltag teilnehmen können. So können sich Väter und Mütter besser vorstellen, wie die Tage ihrer Kinder in der Bildungseinrichtung ablaufen.
vaeter.nrw: Welche Anforderungen stellt eine solche Zusammenarbeit mit Kita bzw. Schule an die Eltern und speziell an die Väter?Dr. Martin Textor: Die Anforderungen sind überschaubar. Es ist mehr eine Haltung, die von Eltern gefragt ist. Ebenso wie die Fachkräfte in Kitas und Schulen Eltern als ebenbürtige Gesprächspartnerinnen und -partner ernst nehmen sollten, sollten Mütter und Väter gewillt sein, die Kompetenz der Fachkräfte sowie deren Bestreben, zum Wohle ihres Kindes zu handeln, anzuerkennen. Idealerwiese bringen sich beide Elternteile gleichermaßen in die Erziehungspartnerschaft ein. Väter und Mütter haben einen unterschiedlichen Blick auf ihr Kind. Im Gespräch mit den Erziehungs- und Bildungsfachkräften benennen sie verschiedene Ursachen für kindliches Verhalten und bringen andere Antworten und Lösungsmöglichkeiten für Fragestellungen ein. Wie hilfreich das Engagement von Vätern für die Kinder sein kann, zeigen Praxiserfahrungen. So fällt vielen unter dreijährigen Kindern die Eingewöhnung in eine Krippe oder Kita leichter, wenn nicht ihre Mutter, sondern ihr Vater sie in diesem Prozess begleitet. Das Ergebnis wird darauf zurückgeführt, dass es Müttern schwerer fällt, sich von ihren Kindern zu „trennen“. Sie sind sich oft – auch aufgrund gesellschaftlicher Erwartungshaltungen an Mütter junger Kinder – unsicher, ob der Krippenbesuch für ihr Kind das Richtige ist. Väter, die diese Befürchtungen zumeist nicht hegen, können ihren Kindern daher in dieser Übergangssituation mehr Sicherheit vermitteln.
vaeter.nrw: Wo liegen aus Ihrer Sicht die Hürden für Väter, sich zu beteiligen und den Dialog mit den Bildungseinrichtungen, die ihre Kinder besuchen, mitzugestalten?Dr. Martin Textor: Es ist vor allem die weit verbreitete Sicht auf Kitas und Grundschulen als gleichsam weibliches Territorium, die es den Vätern erschwert, sich dort einzubringen. Sie übersehen dabei, dass sich viel verändert hat und ihr Beitrag in der Mehrzahl der Einrichtungen willkommen und gefragt ist. Besonders Kitas sprechen Väter inzwischen häufig gezielt an und machen teilweise spezielle Angebote für Väter und Kinder. Dadurch, dass Männer bei solchen Aktionen sowie beim Bringen bzw. Abholen oder bei Elternabenden andere Väter treffen, verstärkt sich der Effekt und immer mehr Männer machen mit. Besondere Hürden gibt es für Menschen, die aus anderen Kulturen stammen bzw. die deutsche Sprache nicht gut beherrschen. Es gibt einzelne Schulen, die gute Erfahrungen damit gemacht haben, dass ein Lehrer bzw. eine Lehrerin die Familien vor der Einschulung der Kinder besuchte und die Schule sowie die Beteiligungsmöglichkeiten, die sich dort für Eltern bieten, vorstellte. In Kitas gibt es, um Sprachbarrieren abzubauen, bei Elternabenden zum Teil sogenannte Murmelgruppen. Jemand, der beide Sprachen beherrscht – idealerweise ein Elternteil aus der Gruppe – übersetzt dann während des Elternabends leise, was gesagt wird.
vaeter.nrw: Für Väter, die nach einer Trennung von der Partnerin auch von ihren Kindern getrennt leben, ist eine Erziehungspartnerschaft besonders herausfordernd. Was kann helfen, eine solche Erziehungspartnerschaft dennoch zu realisieren?Dr. Martin Textor: Das ist ein Feld, in dem es noch viel Handlungsbedarf gibt. Haben getrennt lebende Eltern beide das Sorgerecht für ihre Kinder, was ja heute eher die Regel ist, hat auch ein Vater, der nicht mit seinen Kindern im gleichen Haushalt lebt, das Recht, in die Erziehungspartnerschaft eingebunden zu sein. Oft liegen den Einrichtungen aber noch nicht einmal seine Kontaktdaten vor. Dabei wäre es auch im Sinne der Kinder schön, wenn die Väter zum Beispiel zu Vater-Kind-Aktionen eingeladen werden könnten. Ich sehe hier das Problem, dass die Einrichtungen unter Umständen in die Beziehungskonflikte getrennt lebender Eltern einbezogen werden und damit überfordert sind. Für den Umgang mit solchen Themen sind sie nicht ausgebildet und daher wird kaum jemand aktiv, um – eventuell gegen den Willen der Mutter – einen getrennt von den Kindern lebenden Vater einzubeziehen.
vaeter.nrw: Wir haben bislang über eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Fachkräften in Kitas und Schulen gesprochen. Werden auch die Kinder an diesem Prozess beteiligt?Dr. Martin Textor: Ja, viele Einrichtungen machen damit gute Erfahrungen und es funktioniert auch schon bei sehr jungen Kindern. In manchen Kitas gibt es sogenannte Portfolios, in denen Bilder der Kinder, Beobachtungen der Fachkräfte und Fotos gesammelt werden, die die Entwicklungs- und Bildungsfortschritte der Kinder dokumentieren. Im ersten Teil eines Elterngesprächs präsentieren die Kinder ihren Eltern dort vielfach ihr Portfolio. Sie sehen dann selbst noch einmal, was sie geleistet und wie sie sich entwickelt haben und freuen sich über den Stolz der Eltern. In den Schulen ist es weniger üblich, Kinder einzubinden. Ausnahmen sind private Grundschulen, die ebenfalls mit Portfolios arbeiten. In anderen Schulen werden Verträge zwischen Lehrkraft, Eltern und Kindern geschlossen, die jeweils Zuständigkeiten festlegen. Die Kinder unterschreiben dort zum Beispiel, dass sie Hausaufgaben machen, die Eltern, dass sie für Fragen und zur Unterstützung zur Verfügung stehen.
vaeter.nrw: Wie wirkt sich die Art der Ausgestaltung einer Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrkräften bzw. Erzieherinnen und Erziehern auf die Kinder aus?Dr. Martin Textor: Auch junge Kinder nehmen sehr genau wahr, wie die Stimmung zum Beispiel in Gesprächen zwischen Fachkraft und Elternteile beim Bringen in die Kita oder beim Abholen ist. Erlebt das Kind, dass seine Eltern die pädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen wertschätzen, gelingt es ihm viel leichter, diesen Personen ebenfalls zu vertrauen. Für das Selbstbewusstsein des Kindes ist es wichtig, dass die Fachkraft umgekehrt auch seine Mutter und seinen Vater ernst nimmt. Meinungsverschiedenheiten zwischen den Erwachsenen sollten daher nicht im Beisein der Kinder diskutiert werden. Das Interesse der Eltern an der Institution Kita bzw. Schule und dem Alltag dort motiviert Kinder zum Lernen. Mütter und Väter können ihre Interessenbekundungen jedoch auch zu weit treiben. Was sie oft nicht wissen: Es ist ganz normal, dass Kinder – auch bereits im Kindergartenalter – wenig von ihrem Alltag in den Einrichtungen erzählen. Das signalisiert, dass sie diesen Bereich gerne für sich haben und im Moment nicht teilen wollen. Dann weiter zu fragen, ist nicht sinnvoll. Väter tendieren vielfach dazu, sich regelmäßig vor allem nach den Schulnoten und Leistungen im Unterricht zu erkundigen. Auch das wird von den Kindern in der Regel nicht als unterstützend erfahren. Wichtiger als detailliert über das Geschehen in Kita und Schule unterrichtet zu sein, ist, regelmäßig Zeit für Gespräche zu haben. Das kann auch beim gemeinsamen Essen, Kücheaufräumen oder Einkaufen sein – es funktioniert aber nur, wenn Väter und Mütter in diesen Situationen auch wirklich „da“ sind und auf „Empfang“ geschaltet haben. So erhalten Kinder das Gefühl, mit ihren Themen auf Interesse zu stoßen.
Zur Person:

Dr. Martin Textor

Dr. Martin Textor ist Pädagoge und Fachautor Text aktualisiert am 22. Juni 2016