Vater ist, das was du draus machst!
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Konflikt

Fronten aufweichen

Trennungskinder

„Manchmal passieren Wunder, aber meistens ringen wir lange um Lösungen.“ Michael Braun hat viele hochstrittige Auseinandersetzungen erlebt, denn er war 15 Jahre lang in einem Jugendamt beschäftigt. Seine Bilanz: „Ich habe nur wenige Konflikte begleitet, in denen nichts mehr ging – meistens haben wir Lösungen gefunden. Aber wir mussten mühsam darum ringen und diese Prozesse dauerten sehr lange.“
Von Hochstrittigkeit sprechen Michael Braun und seine Kollegen, wenn die Positionen auf beiden Seiten so verhärtet sind, dass der Vater und die Mutter des Kindes bzw. der Kinder es nicht mehr schaffen, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. „Bei uns im Jugendamt haben wir es so gemacht, dass wir erst mal getrennt mit den Eltern gesprochen haben: eine Mitarbeiterin mit der Mutter und ich mit dem Vater, manchmal zeitgleich in verschiedenen Räumen und manchmal an unterschiedlichen Tagen – hochstrittige Paare halten es oft nicht aus, sich in einem Zimmer aufzuhalten. Erst wenn beide bereit sind, sich wieder an einen Tisch zu setzen, ist auch eine Mediation möglich. Wenn das der Fall war, haben wir der Familie ein Angebot dazu gemacht. Mediation heißt ja, dass Vater und Mutter ihre Absicht erklären, bei ihren Themen Regelungen zu finden“, erzählt Michael Braun. Der Mediator oder die Mediatorin moderiert während einer bestimmten Anzahl von Terminen. Am Ende steht eine Vereinbarung, die beide unterschreiben und die dem Gericht mitgeteilt werden kann. Um eine solche außergerichtliche Regelung zu erreichen, sollten auch die Anwälte des Vaters und der Mutter einbezogen werden, damit sie in der Abstimmungsphase keine Briefe schreiben, die den Konflikt neu aufleben lassen.

Kinder einbeziehen

Michael Braun betont, wie wichtig es ist, den Kindern mitzuteilen, dass sich ihre Eltern wirklich um Lösungen bemühen. Denn ein Indiz für Hochstrittigkeit ist, dass Kinder Dinge regeln, für die eigentlich ihre Eltern Verantwortung übernehmen sollten, zum Beispiel dem Vater mitteilen, dass die Mutter einen Urlaub plant und fragen, ob sie in der Zeit bei ihm bleiben können. Sind die Kinder neun oder zehn Jahre alt, werden sie – je nach Entwicklung – einbezogen. Hier vertritt Michael Braun einen systemischen Ansatz, der das ganze Familiensystem einbezieht. Wenn nötig, auch neue Partner und die Großeltern. Hochstrittigkeit vergleicht Michael Braun mit einem Krieg: „Da muss man die Kinder schützen.“ Aber es gibt auch eine echte Chance: „Wenn Eltern trotz ihrer persönlichen Verletzungen und Kränkungen das Wohl der Kinder im Blick haben, dann können die Kinder eine notwendige Trennung oder Scheidung auch gut verarbeiten. Vor allem, wenn sie erleben, wie Vater und Mutter mit gegenseitigem Respekt, trotz unterschiedlicher Sicht, zum Beispiel die Besuchskontakte oder die Ferien regeln“, sagt der Familienberater. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, sollte alles dafür tun, dass der Kontakt zum anderen Elternteil aufrechterhalten bleibt. Gelingt das nicht, sollte er oder sie sich dringend professionelle Hilfe suchen. Zum Beispiel, wenn die Mutter einen neuen Lebensgefährten hat. „Ich hatte einen Fall, da wollte die Mutter nicht mehr, dass der leibliche Vater Kontakt zum Kind hält. Ihr neuer Partner sollte diese Rolle übernehmen. Sie sagte: Meine Tochter hat jetzt einen neuen Papa, sie braucht meinen Ex nicht. Da musste ich ihr sagen: Nein, der Vater Ihrer Tochter ist Ihr Ex-Mann, und wenn Ihre Tochter will, hat sie nun noch einen zweiten Papa“, berichtet Michael Braun. Schließlich haben sich alle an einen Tisch gesetzt: die Mutter und ihr Verlobter, der leibliche Vater und seine Lebensgefährtin. Tatsächlich haben sie einen Kompromiss gefunden, eine Umgangsregelung, mit der alle leben konnten.

Gespräche statt Gerichtsverhandlung

Zu gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, gelingt nur über einen Dialog. Die meisten hochstrittigen Paare aber haben nie gelernt, wirklich miteinander zu sprechen und sich zuzuhören. Und über die Trennung und den vielen Streit ist das Vertrauen verloren gegangen; wie bei einer Mutter, die mit ihrem Kind in den Norden Deutschlands gezogen ist, obwohl der Vater im Süden lebt und ein Gerichtsbeschluss besagte, sie dürfe sich mit dem Kind nicht weiter als 40 Kilometer entfernen. Der Vater klagte. Das Oberlandesgericht war bereits involviert, als Michael Braun und seine Kollegin endlich eine Einigung moderieren konnten: Der Vater erklärte sich einverstanden, dass Mutter und Kind im Norden leben, sein Sohn ihn aber regelmäßig besuchen kommt. Einen Tag vor der Verhandlung zog der Vater seine Klage zurück. „Ich sage immer zu den Streitenden: Die beste Lösung finden Sie, die liegt in Ihrer Familie verborgen. Manchmal auch in der eigenen Biografie. Die schlechteste Lösung ist das Gericht, aber wie gut, dass wir es haben, wenn nichts anderes mehr geht.“ Den Vätern rät Michael Braun, sich früh genug – bevor der Streit eskaliert – Rat und Hilfe zu suchen: Auf Internetseiten wie dem Väterportal, in Büchern und bei professionellen Beratungsstellen. Und: Väter sollten sich Gruppen suchen, in denen sie Zugang zu ihren Gefühlen finden und sich austauschen können, auch darüber, wie sie konflikt- und handlungsfähig werden. Sich selbst verstehen lernen ist die beste Prävention vor Hochstrittigkeit. Der Familienberater freut sich darüber, dass sich im Laufe seiner Berufsjahre eines geändert hat: Es gibt sie, die „neuen Väter“, die sich kümmern, wirklich für ihre Kinder interessieren und um sie kämpfen. (vaeter.nrw)Michael Braun ist seit 40 Jahren verheiratet, Vater von vier Kindern und hat fünf Enkelkinder. Text aktualisiert am 1. Juni 2016

Das ewige Zeitproblem

Work-Family-Conflict: Wenn Beruf und Familie aufeinanderprallen.

Aktive Väter müssen den Spagat zwischen Beruf und Familie meistern und den teils widersprüchlichen Erwartungen an die Rollen "Arbeitnehmer" und "Familienvater" gerecht werden. Eine Studie an der Universität Bielefeld untersuchte den sogenannten Work-Family-Conflict.
Für die Untersuchung hat das Forscherteam in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 6.454 Beschäftigte deutscher Großunternehmen zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben befragt. Es stellte sich heraus, dass auch Home Office und flexible Arbeitszeiten kein Allheilmittel sind.

Belastung durch Arbeitszeiten und Erreichbarkeit

Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der befragten Angestellten lag bei 43,8 Stunden, obwohl die vereinbarte Wochenarbeitszeit im Durchschnitt eigentlich nur 38,3 Stunden betrug. 72 Prozent der Befragten gaben an, dass es in ihrem Unternehmen wichtig sei, zu Mehrarbeit bereit zu sein. Es zeigte sich, dass die bloße Bereitschaft dazu schon mit einem höheren Work-Family-Conflict einhergeht – unabhängig davon, wie lange letztendlich wirklich gearbeitet wird. "Die Bereitschaft zur Mehrarbeit ist vor allem auf eine Präsenzkultur zurückzuführen", sagt Stephanie Pausch vom Forscherteam. "Von den Beschäftigten werde eine ständige körperliche Anwesenheit gefordert. Nur wenn diese auch über das vereinbarte Pensum hinaus geleistet wird, ist es möglich, Karriere zu machen." Der Konflikt zwischen Berufs- und Familienleben wird zusätzlich verschärft, wenn von Vätern verlangt wird, dass sie auch außerhalb der Arbeitszeiten per E-Mail oder telefonisch erreichbar sein sollen. 33 Prozent geben an, dass sie auch nach Feierabend täglich oder wöchentlich E-Mails oder Anrufe von Kollegen und Vorgesetzten erhalten. Das Berufsleben verlagert sich dadurch auch in die Zeit, die eigentlich der Familie vorbehalten sein sollte.

Flexible Zeiten und Heimarbeit nur bedingt hilfreich

In vielen Betrieben sollen Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten, Gleitzeit oder Home Office die Balance zwischen Berufs- und Privatleben erleichtern. In der Studie zeigte sich jedoch, dass diese Angebote nicht gerade dazu beitragen, den Work-Family-Conflict zu verringern. Flexible Arbeitszeiten sind nur dann sinnvoll, wenn die Beschäftigten ihre Arbeitszeit selber wählen können und sich nicht den Anforderungen des Unternehmens anpassen müssen. Von zu Hause aus zu arbeiten, kann den Konflikt zwischen Berufs- und Familienleben sogar verstärken. "Ein möglicher Grund hierfür ist die präsentere Arbeitsbelastung im Privatleben. Beide Bereiche sind zeitlich und räumlich schwerer zu trennen", sagt Stephanie Pausch. Familienfreundliche Maßnahmen tragen laut den Machern der Studie nur dann zu einer Verringerung des Work-Family-Conflicts bei, wenn Väter selbstständig entscheiden können, wann und wie sie arbeiten wollen.

Zuspruch von Kollegen und Vorgesetzten

Während für Frauen vor allem die Unterstützung der Kollegen wichtig ist, spielt für Männer der direkte Zuspruch ihres Vorgesetzten eine wichtigere Rolle. "Den Vorgesetzten kommt die Rolle eines Gate-Keepers zu. Erst wenn er oder sie signalisiert, dass es in Ordnung ist, sich vermehrt um die Familie zu kümmern, nutzen Väter familienfreundliche Maßnahmen", berichtet Stephanie Pausch. Tatsächlich weisen auch Beschäftigte, die sich von ihren Vorgesetzten unterstützt fühlen, einen deutlich geringeren Work-Family-Conflict auf. Viele Väter belastet auch das Gefühl, als weniger engagiert zu gelten, wenn sie Angebote zur besseren Vereinbarkeit beanspruchen. Diese Auffassung kann bewirken, dass unterstützende Maßnahmen erst gar nicht wahrgenommen werden. Die Forscher plädieren dafür, Vorgesetzte speziell zu schulen, damit sie ihre Mitarbeiter beim Finden einer geeigneten Lösung zu unterstützen. Stephanie Pausch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Sonderforschungsbereichs "Von Heterogenitäten zu Ungleichheiten" an der Universität Bielefeld, der sich unter anderem mit Wechselwirkungen zwischen Verwirklichungschancen im Berufs- und Privatleben beschäftigt. Zusammen mit ihren Kollegen Mareike Reimann, Dr. Anja-Kristin Abendroth, Prof. Dr. Martin Diewald und Dr. Peter Jacobebbinghaus forscht sie zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Väter. (vaeter.nrw)   Text aktualisiert am 25. Mai 2016