Vater ist, das was du draus machst!
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Krise

Wenn die Worte fehlen

Männerberater helfen Vätern, über ihre Gefühle zu sprechen

Stress im Beruf, Überlastung im Familienalltag, Streit mit der Partnerin: Probleme kommen in den besten Familien vor. Ist in solchen Situationen Reden Silber und Schweigen Gold? In Paar-, Familien- oder Berufsbeziehungen können das Ignorieren von Gefühlen und ein fehlender Austausch Probleme verursachen. Die nordrhein-westfälischen Männerberater des Katholischen Verbandes für soziale Dienste in Deutschland (SKM) helfen Männern, ihre Gefühle zu sortieren, ins Gespräch zu kommen und neue Wege zu finden. Ihr Motto: „Echte Männer reden“.
Wenn es Vätern nicht gut geht, fällt es einigen schwer, ihre Gefühle auszudrücken, andere versuchen einfach weiter zu funktionieren. Auf Dauer führt eine Nicht-Kommunikation zu Problemen in der Partnerschaft, Familie oder im Beruf. Doch wo erhält man Rat, wenn einem die Worte fehlen?  Die Berater des Projektes „Echte Männer reden“ des SKM steuern mit ihren kostenlosen Angeboten dieser Sprachlosigkeit entgegen.

Geschützter Raum: Männer helfen Männern

Ins Gespräch darüber zu kommen, was sie in ihrem Inneren bewegt, fällt Vätern in einem geschützten Raum ohne Frauen meist leichter, so die Erfahrung von Experten. Hier setzt die Idee von „Echte Männer reden“ an. Laut des SKM zögern viele Männer noch, über ihre Gefühle zu sprechen oder sich bei Bedarf Hilfe zu suchen. Auslöser dafür sei die Angst, vermeintlich als schwacher Mann dazustehen, der auf Hilfe angewiesen ist und sein Leben nicht auf die Reihe bekommt. Die Folgen dieser Haltung seien oft dramatisch und führten dazu, dass Männer in ihrem Verhalten sich selbst oder anderen gegenüber zerstörerisch handeln.

Lernen, gut mit sich selbst umzugehen

Bei den Männerberatern handelt es sich um speziell ausgebildete Experten mit langjähriger Erfahrung. Die professionellen Berater stehen Vätern bei spezifischen Problemen zur Seite und geben ihnen die Gelegenheit, die Hintergründe ihrer derzeitigen Situation zu verstehen und Veränderungen einzuleiten. Die Experten helfen Männern das auszusprechen, was sie wirklich empfinden und nicht das, was von ihnen erwartet wird. Ziel der Beratung ist es, dass Männer lernen gut mit sich selbst und gut mit den Menschen, die sie lieben, umzugehen. Die Männerberater bieten sowohl Einzelberatungen als auch Gruppenkurse an. Angebote vor Ort sowie Ansprechpartner finden Männer auf der Webseite Echte Männer reden.  

Beratung: Väter (will)kommen

Gastbeitrag

Männer – und damit Väter – suchen sich ungern Hilfe. Sie wollen ihre Probleme selbst lösen. Das fängt beim Handbuch für den Fernseher an und hört bei Gesundheitsfragen längst nicht auf. Auch wenn es um beratende oder therapeutische Angebote geht, sind Männer häufig schwer zu begeistern. Unsere Gastautoren Andreas Eickhorst und Ansgar Röhrbein haben ein Buch herausgegeben, das sich auf die Suche nach der richtigen Ansprache für Väter macht.
Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde auf einem TV-Kanal ein kleines Experiment gezeigt: Frauen und Männer erhielten die Aufgabe, in einer begrenzten Zeit von A nach B zu fahren und möglichst pünktlich dort anzukommen. Dahinter stand die These, dass die Frauen eher geneigt waren, nach dem Weg zu fragen als die Männer. Tatsächlich bestätigte sich diese These zumindest bezogen auf die kleine Gruppe in der Sendung. Beim Zuschauen konnte man schon fast den Eindruck bekommen, dass ein Großteil der Männer eher aufgeben würde als nach dem Weg zu fragen. Riskieren Männer also lieber ein Scheitern – statt Unterstützung zu suchen? Und gilt das auch für Männer, die Väter geworden sind und in dieser Rolle eine neue Verantwortung tragen? Wir glauben, dass zumindest die Bereitschaft der Väter inzwischen größer wird, sich in Krisen oder Überforderungssituationen Hilfe zu holen. Allerdings kommt es auch auf die Art der Angebote an, ob Väter von sich aus davon Gebrauch machen oder nicht. Daher wollen wir in diesem Beitrag auf einige Aspekte eingehen, die aus unserer Sicht die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Angebot und Vater zueinander finden.

Die Präsenz des Vaters ist ein Gewinn

Bevor wir zu diesen hilfreichen Faktoren kommen, zunächst ein kleiner Einblick in die Bedeutung heutiger Vaterschaft. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass Väter (im Vergleich zu Müttern) anders sind, aber im Umgang mit ihren Kindern gleichermaßen kompetent. Väter sind für die Entwicklung des Kindes von entscheidender (Mit-)Bedeutung und in vielen Bereichen ein gutes Pendant zur Mutter. Wassilios E. Fthenakis (2009), Väterforscher der ersten Stunde, fasst den Stand der Forschung, wie folgt zusammen: „Der Vater ist (…) insbesondere für die soziale Entwicklung des Kindes wichtig, fördert dessen kognitive Entwicklung und die Empathie und trägt wesentlich zur Identitätsentwicklung des Kindes bei“. Gerade ihr Spielverhalten wird bereits von kleinen Kindern sehr geschätzt, denn Väter bevorzugen bewegungsstarke, körperlich stimulierende Spielformen mit abrupteren Wechseln zwischen aktiven und passiven Phasen, was Kinder aufregend finden.   Zugleich wollen immer mehr Männer als Vater in der Familie präsent sein und eine aktive Rolle im Leben ihrer Kinder spielen. Die Trendstudie „Moderne Väter” der Väter gGmbH (2012) zeigt, dass es für Väter – neben dem Geldverdienen – zusehends darum geht, ihrem Kind liebevoller Ansprechpartner und Vertrauensperson zu sein. Die reine Fixierung auf die Ernährer-Rolle hat ausgedient, auch wenn der Wunsch nach guter Absicherung bleibt. Väter sind als Elternteil und Bindungsperson grundsätzlich genauso verantwortlich und fähig im Umgang mit ihren Kindern wie Mütter, und ihre Präsenz ist für alle Familienmitglieder ein Gewinn! Das ist seit Jahren unsere Grundhaltung in der Arbeit und Motivation, Vätern einen möglichst leichten und einladenden Zugang in Beratungsangebote zu verschaffen.

Wann fühlen sich Väter eingeladen?

Bereits 1989 hat Hermann Bullinger auf die Notwendigkeit von positiv ausgerichteten Angeboten für Väter hingewiesen, in denen sie nicht (nur) als Anhängsel der Mütter, sondern als persönlich motivierte und interessierte Teilnehmer gesehen werden. Seiner Forderung lag die Annahme zugrunde, dass bereits durch die Ausschreibung, Kursgestaltung und „Eintrittskarte“ oftmals eine gewisse väterbezogene ablehnende Grund-Haltung signalisiert wird. Natürlich stellt es in der Begrüßung einen Unterschied dar, ob ich sage „Schön, dass Sie mitgekommen sind“, oder „Schön, dass Sie da sind“. Mit allen (für die Familie und den Prozess) wichtigen Stärken und Fähigkeiten! Daher ist es uns immer wichtig, Väter wirklich zu beteiligen und nicht nur mit einzubeziehen. Bei den zahlreichen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen, die wir gestalten durften, ist uns immer wieder die Aussage begegnet: „Ach, eigentlich bin ich ganz froh, dass der Vater sich raus hält. Mit der Mutter alleine fühle ich mich sicherer“. Hier gilt es, in allen familienorientierten Bereichen und den „Frühen Hilfen“ nach geeigneten Wegen einer Väterbeteiligung zu suchen und zu forschen. Aber auch, die entsprechenden Fachkräfte zu schulen, damit sie der Zielgruppe der Väter noch selbstverständlicher begegnen können. Erste Ideen sind in diesem Zusammenhang bereits formuliert, brauchen aber noch eine größere Verbreitung. Uns als Autoren ist es ein großes Anliegen, Väter in ihren Wünschen, ihrer Haltung und ihrem Auftreten ernst zu nehmen und den sinnhaften guten Gründen ihres Handelns nachzugehen. Aufgrund unserer jeweiligen Arbeitskontexte schlägt dabei unser Herz besonders auch für die Väter, die sich nicht unmittelbar zu 100 Prozent motiviert in den Beratungs- und Therapieprozess stürzen, sondern häufig zunächst verhalten abwartend und überprüfend in den Kontakt gehen. Manchmal braucht es aufgrund von Sozialisationseinflüssen und männlicher Skepsis tatsächlich etwas mehr Zeit, Väter für einen Prozess zu gewinnen. Hier werben wir, aufgrund eigener Erfahrungen, für eine wohlwollend hartnäckige Einladungskultur und im wahrsten Sinne für einen „roten Teppich“ der das herzliche Willkommen zum Ausdruck bringt und das Eintreten erleichtert. Gerade wir Systemiker haben ja mit unserer Annahme der guten Gründe eine echte Chance, Menschen zu erreichen, die sich zunächst „unmotiviert“ zeigen. Wie kommen wir also in Schwung? Zunächst einmal, in dem wir unseren Klienten unvoreingenommen menschlich begegnen und ihnen konstruktive Schritte zutrauen. „Wenn wir das Gute im Menschen sehen, bewirken wir das Gute im Menschen“. Damit hat Jean Paul einen ausgesprochen hilfreichen „Leitsatz“ formuliert, der in erster Linie ein Ausdruck unserer Haltung ist, mit der wir auf die Väter zugehen. Aus unserer Sicht werden Väter oftmals verkannt und immer noch vorschnell in bestimmte Schubladen gesteckt, was ihren Motiven und Absichten häufig nicht gerecht wird. Wir werben daher für eine geduldige, zugewandte und interessierte Haltung Vätern gegenüber, damit sie eine Chance haben, langsam anzukommen. Und wir werben für eine gleichberechtigte Würdigung, die in dem Titel unseres Buches „Wir freuen uns, dass Sie da sind“ explizit zum Ausdruck kommt. Die Zeiten, in der Väter mit den Worten begrüßt wurden, „Schön, dass Sie mitgekommen sind“, sollten nach unserer Einschätzung endgültig der Vergangenheit angehören. Wir haben in unseren Kontexten die Erfahrung gemacht, dass Väter, die sich in der jeweiligen Institution willkommen und ernstgenommen fühlen, wertvoll einbringen und auch über ihren eigenen Schatten springen können.

Die Tür steht offen

Eine selbstverständliche und frühzeitige Beteiligung der Väter kommt aus unserer Sicht (in den meisten Fällen) allen Beteiligten im Familiensystem zu Gute und erleichtert den Austausch sowie die Entwicklung von Lösungsideen. In diesem Sinne hoffen wir, dass wir mit unserem Buch einen kleinen Teil zu einer Geschlechterdemokratie im „Kleinen“ beitragen können und dass der Dialog zwischen den Geschlechtern moderiert gelingen kann. Wir sind davon überzeugt, dass in diesem Zusammenhang nach wie vor das schöne Konzept der „bezogenen Individuation“ von Helm Stierlin hilfreich ist. Es geht davon aus, dass Partnerschaft von der Verbundenheit und der Autonomie der Individuen und ihrem Dialog darüber lebt. Das ist ein Prozess. Mal klappt er alleine, mal braucht er Unterstützung von außen, mal führt er wieder zusammen, mal endet er in der Trennung. In jedem Falle laden wir ein zum Gespräch. Der Austausch über die Wünsche der einzelnen Familienmitglieder hat aus unserer Sicht einen großen Charme und er hilft dabei, in einen Abwägungsprozess einzusteigen, der neben den strukturellen Faktoren auch die persönlichen Möglichkeiten einbezieht und zu wertvollen Vereinbarungen führen kann. Die Kunst der Balanceakte liegt ja gerade in der Anerkennung des „Einerseits und Andererseits“ und in dem verantwortungsvollen Umgang mit dieser nachvollziehbaren Ambivalenz. Dies bedeutet auch, dass wir einladen zu einem spielerischen und respektvollen Umgang mit Gleichheit und Unterschiedlichkeit, denn Geschlechterrollen sind nicht einfach, sie entwickeln sich weiter als Teil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens. In der Beratung können solche Prozesse (falls gewünscht) moderiert und begleitet werden. Die Tür steht offen! Für Väter, genauso wie für Mütter. Machen Sie sich ein Bild von den Angeboten in Ihrer Region und überlegen Sie, was Sie benötigen, um sich gut aufgehoben zu fühlen. Dann laden wir Sie ein zum Praxistest. Die Kapitel unseres Buches „Wir freuen uns, dass Sie da sind“, die sehr unterschiedliche Kontexte von Vaterschaft und psychosozialer Arbeit mit Vätern abbilden (so etwa unter vielem anderem die Kontexte Strafvollzug, Suchtproblematik, Trennung, Behinderung oder „Regenbogenfamilie“), versuchen, diese Balanceakte der Geschlechterdemokratie aufzuzeigen und auch deutlich zu machen, wo noch Lücken und Spielräume bestehen. In diesem Sinne möchten wir auch unser Buch gern als Beitrag zum Dialog zwischen den Geschlechtern sehen. Feedback für den Inhalt von LeserInnen beiderlei Geschlechts ist sehr erwünscht!Ansgar Röhrbein & Andreas Eickhorst   Der Diplom-Psychologe Dr. Andreas Eickhorst promovierte über das Vatererleben. Am Universitätsklinikum Heidelberg koordinierte er das Frühe-Hilfen-Projekt „Keiner fällt durchs Netz“. Er ist wissenschaftlicher Referent beim Nationalen Zentrum Frühe Hilfen am Deutschen Jugendinstitut in München. Zudem ist er Mitglied im Väter-Experten-Netz Deutschland und im Münchner Informationszentrum für Männer sowie Vorsitzender im Augsburger Väterverein Papagen. Der Diplom-Pädagoge Ansgar Röhrbein leitet das Märkische Kinderschutz-Zentrum in Lüdenscheid. Nebenberuflich arbeitet er als Lehrtherapeut für das Helm-Stierlin-Institut (hsi) in Heidelberg und das Institut für systemische Forschung, Therapie und Beratung (ISFT) in Magdeburg, wo er gleichzeitig zweiter Vorsitzender ist. Als Supervisor begleitet er Teams und Unternehmen auf dem Weg zu einer fürsorglichen Mitarbeiterkultur und väterfreundlichen Rahmenbedingungen. Er ist Mitglied im Väterexperten-Netz Deutschland (VEND e.V.) und gestaltet die Väterarbeit in NRW aktiv mit.  

Vom Paar zur Familie – Beziehungen neu definieren

Tipps

Die Geburt des ersten Kindes markiert im Leben einen Wendepunkt. Zeit für eine Standortbestimmung – für die Partnerschaft und die neuen Rollen als Vater oder Mutter. Um eine angemessene Balance in der Arbeitsteilung zu finden, helfen beim Aushandeln auch Gesprächsrituale, den Bedürfnissen beider Partner gerecht zu werden.
Was passiert in einer Beziehung, wenn ein Kind geboren wird? „Ein Kind öffne die auf sich selbst bezogene Zweierbeziehung des Paares nach außen, zur Welt“, so sah es die deutsche Philosophin Hannah Arendt (1906-1975). Die frisch gebackenen Eltern stehen vor einer großen Herausforderungen: „Sie müssen ihre Beziehung zueinander und zu ihrer Umgebung, zu Verwandten und Freunden neu definieren“, erklärt Hans Bertram, Professor für Mikrosoziologie an der Humboldt-Universität in Berlin. „Zweimal in der Woche abends pünktlich als Trainer im Sportverein zu erscheinen, ist eventuell nicht mehr drin. Es gilt dann, Lösungen zu suchen und mit den Betroffenen zu verhandeln.“ Durch das neue Kind bekommt jede Person im Familienkontext eine zusätzliche Rolle, die zu neuen Facetten in den Beziehungen führt. Zentral für den weiteren Verlauf der Paarbeziehung ist auch die Verteilung der neuen Aufgaben zur Versorgung und Pflege des Babys. Es könne ein bis zwei Jahre dauern, bis eine neue Konstellation ausgehandelt und eingespielt sei, sagt der Soziologe. „Wer dafür ausreichend Zeit einplant, umgeht einen zentralen Stressfaktor.“

Mann und Frau als "Architekten der Familie"

„Biografisch bedeutet ein eigenes Kind den Austritt aus der Kinder- in die Elternrolle", sagt der Lüdenscheider Diplom-Pädagoge, Heilpraktiker für Psychotherapie und Buchautor Ansgar Röhrbein. Die große Aufgabe sei, nicht von der Partner- bzw. Partnerinnen- in die Vater- oder Mutterrolle zu wechseln, sondern beide Rollen beizubehalten und mit Leben zu füllen. Die amerikanische Familientherapeutin Virginia Satir (1916-1988) bezeichnete Paare als „Architekten der Familie“, die ihre Beziehung untereinander und ihre jeweilige Beziehung zum Kind gestalteten. Väter hätten dabei von Anfang an eine wichtige Rolle, meint Ansgar Röhrbein. „Männer wissen heute, dass sie auch in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder das Feld nicht allein den Frauen überlassen wollen“, sagt Hans Bertram. „Das war nicht immer so: Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, zum Beispiel sah den Vater zunächst allein als den Konkurrenten des Kindes. Erst mit zunehmendem Alter des Nachwuchses kam dem Vater eine wichtige Rolle zu. Das würde inzwischen kein Psychologe und auch kein Vater mehr so akzeptieren.“

Tradition wirkt nach - ein klarer Vater-Standpunkt hilft

Trotzdem wirke die Tradition nach. Ansgar Röhrbein sieht bei manchen Vätern eine Art „Fluchtreflex“. Sie überließen zum Teil der Partnerin das Feld, weil es ihnen nicht gelänge, in den nötigen Aushandlungsprozessen eine eigene Position zu formulieren. Statt dessen kämen oft alte Muster aus der eigenen Kindheit zum Tragen. „Damit das nicht passiert, ist es wichtig, sich vorher über die eigenen Wünsche und Möglichkeiten Gedanken zu machen und auch über gewisse Dinge – zum Beispiel die heftigen Gefühlsschwankungen, unter denen viele Frauen nach der Geburt leiden – Bescheid zu wissen“, sagt der Experte und empfiehlt den Vätern, Geburtsvorbereitungskurse zu besuchen oder sich in Büchern oder im Internet zu informieren. Wenn das Kind auf der Welt ist, rät er Vätern, früh eigene kleine Rituale mit dem Baby einzuführen. „Wenn zum Beispiel stillende Mütter Milch abpumpen, können auch Väter ihre Kinder regelmäßig füttern. Die anderen Bereiche, wie die Pflege, das Wickeln und Spielen stehen ihnen ja in jedem Fall offen.“ Es tue der Paarbeziehung gut, wenn Eltern sich als Team begriffen, das die Aufgaben rund um die Betreuung und Versorgung des Babys gemeinsam angehe. „Paare sind da erstaunlich kreativ“, sagt er. „Manche teilen sich zum Beispiel die ‚Nachtschichten’: Einer bis ein Uhr, der andere von eins bis sechs.“ Grundsätzlich sei es hilfreich, sich auch über die Fragen „Was brauche ich als Mann?“ beziehungsweise „Was brauche ich als Frau?“ und natürlich „Was brauchen wir als Paar?“ immer wieder auszutauschen.

Verbindliche Paar-Zeit als feste Institution

Damit dieser Austausch nicht im Alltag auf der Strecke bleibt, rät der Therapeut zu regelmäßigen Terminen: „Statt seltener nervenaufreibender Beziehungsgespräche, die immer dann anberaumt werden, wenn Druck im Kessel ist, schlage ich turnusmäßige eine ritualisierte Paar-Zeit vor, in der nicht nur ausgetauscht wird, was alles nicht klappt oder welche Wünsche offen sind, sondern gerade über das geredet wird, was gut läuft und was der Partner oder die Partnerin toll macht. Komplimente und kleine Überraschungen sind dabei herzlich willkommen.“ Auf diese Weise könnten Paare ernsthaften Krisen vorbeugen. Häufig sei es eine kommentarlos beibehaltene Gestaltung des Alltags in der Familie, die den Grund für Unstimmigkeiten liefere. Der Experte meint: „Es muss nicht immer alles bis ins Kleinste ausgeklügelt und genau gleich verteilt werden. Es funktioniert auch, wenn vorübergehend einer eine größere Last trägt oder auf mehr verzichtet. Es ist dann aber wichtig, dies auch wertzuschätzen und eine klare zeitliche Begrenzung – zum Beispiel für eine Auszeit aus dem Beruf – zu verabreden.“

In Krisen auf die Basis der Beziehung besinnen und Wünsche formulieren

Auch Paaren, die in einer akuten Krise stecken, hilft nur eins: Reden. Allen, denen dabei Trauer und Wut über das Verhalten der Partnerin oder des Partners den Blick trüben, rät Ansgar Röhrbein zu überlegen, welche Qualitäten es waren, die zunächst die Liebe entfachten und wie sich diese Eigenschaften auch in der Familie positiv auswirken könnten. „Hinter jedem Vorwurf steckt ein Wunsch“, lautet ein weiterer Hinweis. „Wer den Wunsch formuliert und nicht den Vorwurf, hat größere Chancen, gehört zu werden.“ Und: „Tempo rausnehmen: Zunächst zuhören beziehungsweise den anderen ausreden lassen, dann zusammenfassen, was man von dem, was der andere gesagt hat, meint verstanden zu haben. Gesagtes und Gehörtes sind nämlich – gerade, wenn Gefühle im Spiel sind – nicht immer deckungsgleich. Auf dieser Grundlage lassen sich die eigenen Anliegen dann besser formulieren.“ Außerdem warnt Röhrbein vor übertriebenen Erwartungen: „Ich kann nicht vom anderen verlangen, dass er mich glücklich macht. Das muss ich schon selber tun!“ Text aktualisiert am 22. Juni 2016