Vater ist, das was du draus machst!
vaeter.nrw

Organisation

FAQ: Familienorganisation und Vereinbarkeit

Tipps und Empfehlungen

Sich in der Familie so zu organisieren, dass die berechtigten Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden, ist nicht einfach und erfordert hohes Engagement. Was bedeutet das in der Praxis? Vaeter.nrw fasst Aussagen und Empfehlungen von Expertinnen und Experten zu Fragen rund um die Vereinbarkeit unterschiedlicher Bedürfnisse zusammen.

Die Herausforderungen in einer Paarbeziehung beginnen, wenn die erste Verliebtheit vorbei ist. Beide Partner treten einen Schritt zurück und sehen plötzlich einen Menschen mit Ecken und Kanten vor sich. Es wird deutlich, dass so manches scheinbare Einverständnis gar keines war. Miteinander Vereinbarungen zu treffen, wie es im Berufsleben oder unter Freundinnen und Freunden selbstverständlich wäre, kommt vielen Paaren für ihr Familienleben nicht in den Sinn.  Eigene Bedürfnisse beziehungsweise Kritik an der Partnerin oder dem Partner bleiben oft unausgesprochen. Halten Paare diese Taktik zu lange durch, wird schließlich statt der Themen die Person der Partnerin oder des Partners zum Problem. Kommen Kinder dazu, wird das System noch komplexer und der Bedarf an Vereinbarungen steigt. Die Herausforderung besteht darin, Situation wahrzunehmen, Vereinbarungsbedarf zu erspüren und die Themen in der Familie zu besprechen.

 

Es gibt eine ganze Reihe von Fragen, bei denen es sich anbietet, sie vor Geburt des Kindes gemeinsam zu klären. Zum Beispiel:

  • Wie möchte das Paar die Erziehungs-, Betreuungs- und Hausarbeit unter sich aufteilen?
  • Wie soll die Elternzeit gestaltet sein?
  • Was ist zu bedenken, um die beruflichen Perspektiven für den Partner bzw. die Partnerin zu sichern?
  • Welche Erziehungsgrundsätze sind dem Paar wichtig?
  • Welche Form der Kinderbetreuung soll genutzt werden?


„Je näher die Vorstellungen der Eltern zur Rollenverteilung in der Partnerschaft beieinander liegen, desto leichter lässt sich das angestrebte Modell umsetzen und umso weniger Verhandlungsbedarf gibt es“, berichtet Karin Flaake, Professorin für Soziologie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Doch auch wenn sich beide Partner zum Beispiel einig sind, nach der Geburt des Kindes Elternschaft gleichberechtigt leben zu wollen, entwickeln sich oft Dynamiken, die dem entgegen stehen. Das macht eine Studie deutlich, an der Karin Flaake im Moment arbeitet und für die sie Paare interviewte. „Obwohl in den befragten Familien beide Elternteile eine gleichberechtigte Elternschaft verwirklichen wollten, zogen sich viele der Väter nach und nach aus dem Kontakt mit dem Kind zurück. Die Männer beschrieben, dass das intensive Zusammensein mit einem Baby sie in einer neuen Weise und auf einer emotionalen Ebene forderte, die zunächst sehr verunsichernd gewesen sei.“ Die Mütter neigten gleichzeitig dazu, den Vater aus dem ersten frühen Kontakt mit dem Neugeborenen auszuschließen. Das Stillen trug zu dieser Entwicklung bei. „Um gegenzusteuern, ist es für die Väter und Mütter hilfreich, auf konkrete Vereinbarungen zurückgreifen zu können, die sie vor der Geburt getroffen haben“, sagt die Wissenschaftlerin. Der Pädagoge und Väter-Berater Christian Beuker aus Lauenau bei Hannover sagt: „Ich rate Vätern, schon vor der Geburt des Kindes mit der Partnerin zusammen zu planen, wie die Tätigkeiten sinnvoll aufgeteilt werden können und wer welche Zeitanteile einbringt.“

Außerdem sei es hilfreich, mit Freunden und Kollegen darüber zu sprechen, wie sie in der Familie zusammen leben. „Es ist empfehlenswert, Zeit in und mit Familien zu verbringen, die ein Modell und eine Familienqualität leben, die einem nachahmenswert erscheinen“, sagt der Fachmann. Die Eindrücke aus anderen Familie erweitern das Vaterbild und stellen alternative Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Den Kontakt zu Männern zu suchen, die bereits Kinder haben, sei auch in anderer Hinsicht ein Gewinn: „Dort bekommen werdende Väter oft auch viele ganz praktische Tipps und gewinnen Kompetenzen für das Leben mit Kind.“

 

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass fast alle Väter ihren Partnerinnen eine größere Kompetenz bei der Versorgung des gemeinsamen Kindes zusprechen als sich selbst“, berichtet Karin Flaake. Das kann dazu führen, dass sich Väter zurückziehen. Wissenschaftlich nachweisbar ist der größere Sachverstand bei der Babypflege-Kompetenz der Frauen nicht: Väter können Babys und Kleinkinder genauso gut und einfühlsam versorgen wie Mütter. Karin Flaake sagt: „Sehr viele Männer fühlen sich zunächst unsicher im Umgang mit ihrem kleinen Kind. Meine Untersuchungen zeigen aber auch, dass sie diese Unsicherheit ablegen, wenn sie sich alleine um das Kind kümmern und ihren eigenen Stil dabei entwickeln können.“ Es ist daher sinnvoll, diesen kritischen Punkt zu kennen und ihn von vorne herein mit der Partnerin zu regeln. Als günstig erwiesen hat sich, dass Mutter und Vater jeweils Zeit allein mit dem Kind verbringen. So kann jeder seine eigenen Kompetenzen in der Versorgung und Pflege des Kindes entwickeln. Gleichzeitig entlasten sich die Eltern mit diesen Absprachen  gegenseitig, so dass der andere Elternteil auch einmal Zeit für sich nutzen kann. Das ist eine wichtige Grundlage dafür, dass Väter und Mütter die Anforderungen, die eine Familie stellt, auch langfristig mit Freude und Selbstvertrauen angehen können.

Familien befinden sich im Wandel. Verabredungen oder auch Arrangements, die sich „so ergeben haben“ und mit denen alle eine gewisse Zeit lang zufrieden waren, müssen nicht auf Dauer funktionieren. Dann gilt es, neue Vereinbarungen zu treffen. „Väter sollten sich mit der Partnerin und – je nach Alter – auch mit dem Kind / den Kindern zusammensetzen und klären, was nicht mehr stimmt – je eher desto besser“, rät Professorin Karin Flaake. Wenn sich Frust und Wut über eine als ungerecht oder unbefriedigend empfundene Situation erst einmal aufgestaut haben, wird es schwierig. Denn dann gelingt es den Beteiligten kaum noch, sachlich nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Eine Familien- oder Paarberatung kann in diesen Fällen oft helfen, Missverständnisse auszuräumen und den Weg zur Verständigung wieder frei zu machen. „Wenn Partnerin beziehungsweise Kinder nicht mitkommen wollen, sollte der Vater alleine gehen. Die Beratung hilft nämlich, eigene Anteile an der Situation zu erkennen und eigenes Verhalten zum Beispiel in Konfliktsituationen zu ändern“, meint Karin Flaake.


Wer in der Familie Formen des Austauschs – wie regelmäßige Familienkonferenzen oder Paargespräche – fest vereinbart, kann vorbeugen. Feste Gesprächstermine mögen Vielen sehr förmlich erscheinen, sie haben jedoch den Vorteil, dass die Familienmitglieder gute Gesprächsgewohnheiten einüben, auf die sie dann auch in Konfliktsituationen zurückgreifen können. Außerdem stellen die regelmäßigen Termine sicher, dass sich das Familienteam an veränderte Rahmenbedingungen und persönliche Entwicklungen schneller anpassen kann.


Manche Eltern nutzen dabei Wissen aus ihrem Beruf. „Ich kenne einen Vater, der mit seinem jugendlichen Sohn Jahresgespräche über dessen Entwicklung führt, wie er es mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch tut“, berichtet Christian Beuker. Der Sohn profitiere von diesem Coaching und freue sich, den Vater bei diesen Terminen ganz für sich allein zu haben.

„Über grundsätzliche Fragestellungen sollten sich die Eltern einigen und gemeinsam festhalten, welche Werte und Regeln ihnen in der Familie wichtig sind“, sagt Christian Beuker. Wenn die Einigung schwierig wird, können Fachinformationen zum Beispiel über gesunde Ernährung, Taschengeld oder einen vertretbaren Medienkonsum bei Kindern helfen, in einzelnen Fragen Kompromisse zu finden. Der Austausch mit anderen Eltern kann ebenfalls Orientierung bieten, meint Christian Beuker und empfiehlt Väter-Kind- oder Elternseminare.


Dass Väter und Mütter im Alltag bei der Erziehung unterschiedliche Schwerpunkte setzen und Sachen anders machen, ist dabei ganz normal und für die Kinder eher eine Bereicherung als ein Problem. Sie lernen dadurch frühzeitig, dass man Dinge durchaus unterschiedlich einschätzen kann und es verschiedene Arten gibt, mit dem Leben umzugehen.

Mit dem Eintritt des Kindes in die Schule geben der Stundenplan und die Ferienzeiten den zeitlichen Rahmen vor –  und der ändert sich von Schuljahr zu Schuljahr. Die Familie steht vor der Aufgabe, sich diesem neuen Rhythmus anzupassen. Zumindest bei jüngeren Kindern müssen die Eltern sicherstellen, dass jemand zu Hause ist, wenn das Kind kommt oder eine Anschlussbetreuung organisieren. Wilfried Bos, Professor für Bildungs- und Schulentwicklungsforschung an der Technischen Universität Dortmund, spricht sich für die gemeinsame Erstellung eines Wochenplans aus. Der Plan zeigt, welche Zeiten der Kinder für schulische Verpflichtungen verbucht sind, wann wie viel Zeit für Hausaufgaben und Lernen benötigt wird und welche Zeitfenster für Freizeitaktivitäten (z.B. Sportvereine) verplant sind. Eltern und Kinder sollten klären, ob genügend Familienzeiten und Freizeit zur Verfügung stehen. Bei der Planung der Hausaufgaben- und Lernzeiten gelte es zu bedenken, dass jemand da sein sollte, der dabei helfen kann. Die Eltern sollten sich ebenfalls darüber verständigen, wie sie den Besuch von Elternabenden, Elternsprechtagen und Schulveranstaltungen aufteilen wollen und welche Termine sie gemeinsam wahrnehmen möchten.

Bei der Schulwahl rät der Fachmann zu bedenken, dass in den meisten Halbtagsschulen Eltern am Nachmittag mit eingeplant sind und hält für berufstätige Eltern vor diesem Hintergrund Ganztagsschulen für geeigneter: „Wer die Möglichkeit hat, seine Kinder in eine Schule zu schicken, aus der sie nachmittags kommen, ohne zu Hause noch Hausaufgaben machen zu müssen, sollte das nutzen. Damit fällt in der Familie ein bedeutsamer Stressfaktor weg.“

 

Besonders wenn die Kinder klein sind, finden Eltern es zumeist schwer, ihr Bedürfnis nach ungestörten Zeiten für sich zu realisieren. Das erzeugt oft Unzufriedenheit, wird der Familie angelastet und sollte daher besprochen werde. „Sicherlich ist es beiden Elternteilen wichtig, Freiräume für  Freundschaften und Hobbys zu haben“, sagt Professorin Karin Flaake. „Gemeinsam lässt sich planen, wie man sich gegenseitig bei der Kinderbetreuung entlasten kann, so dass beide Eltern Zeiten für eigene Freizeitaktivitäten gewinnen.“ Christian Beuker sagt: „Da die Zeit für sich selbst mit Kindern notwendigerweise knapper ist, rate ich Vätern dazu zu überlegen, welche Freizeitaktivität ihnen immer besonders gut getan hat, diese beizubehalten und zu genießen. Mehr Zeit dafür kommt wieder, wenn die Kinder größer werden.“

 Text aktualisiert am 23. Juni 2016