Vater ist, das was du draus machst!
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Paarbeziehung

Alte Muster abschütteln

Männer-Therapeut Björn Süfke im Gespräch

Björn Süfke ist Männer-Therapeut, Buchautor und Vater. Er beschäftigt sich aus diesen verschiedenen Perspektiven heraus mit den vielfältigen Facetten des Mannseins. Im Gespräch mit vaeter.nrw berichtet er von seinen Erfahrungen und Gedanken, wie Paare mit Humor und Selbstbeobachtung den Weg zu einem partnerschaftlichen Lebensmodell finden können. Wichtig ist ihm, dass es dabei kein Ausspielen der Geschlechter oder ihrer Rollen gegeneinander gibt. Sein Augenmerk liegt vielmehr auf der gemeinsamen Veränderung zum Besseren hin.

vaeter.nrw: Studien zeigen: Viele Männer wünschen sich heute mehr Zeit mit ihren Kindern, sie wollen sich Zuhause engagieren, beruflich gute Arbeit leisten und über all das mit ihrer Partnerin im guten Gespräch sein. Der Blick auf die Lebenswirklichkeit zeigt allerdings oft ein anderes Bild. Wie steht es heute um Rollenbilder und Partnerschaftlichkeit in der Familie?
Björn Süfke: Grundsätzlich besteht eine deutliche Tendenz, die zeigt, dass es einen Bewusstseinswandel bei den Männern gibt. Väter haben zunehmend das Bedürfnis, aus alten Rollenmustern auszubrechen und äußern dieses auch immer öfter. Wo es meiner Meinung nach häufig hakt, ist die Umsetzung in die Praxis. Väter wie Mütter präsentieren zwar gerne: „Ja, wir machen es gleichberechtigt, wir entscheiden zusammen“ – aber auf der unbewussten Ebene laufen ganz viele eingeschliffene Muster ab. Es geht also darum, dass wir diese Muster erkennen, dass wir uns damit auseinandersetzen und mit unserer Partnerin darüber sprechen – ganz ohne Selbstvorwürfe und Bewertung, sondern mit viel Mitgefühl und Selbsthumor. Was man erkennt, kann man auch ändern, um dann bewusst andere Wege zu gehen.
Ein Beispiel von mir persönlich: Um die alten Rollenmuster aufzulösen, teilen meine Frau und ich uns auch die Kinderbetreuungsaufgaben möglichst 50:50. Damit sich zum Beispiel beim Zu-Bett-Bringen nicht wieder einschleicht, dass das Fürsorgliche, Kuschelige ausschließlich bei der Mutter liegt, machen wir es strikt tageweise umschichtig. So haben wir eine einfache Möglichkeit gefunden, ein altes Muster zu ersetzen.

vaeter.nrw: Was kann der Mann und Vater ganz pragmatisch tun, um das Thema Partnerschaftlichkeit familiär und gesellschaftlich ein Stückchen voranzubringen?
Björn Süfke: Ganz plakativ: Ich als Mann kann mir – möglichst unvoreingenommen – klar machen: Was ist mein Bedürfnis? Unvoreingenommen bedeutet hier, nicht einfach „Kinder, Kinder, Familie“ zu rufen und den Beruf völlig außen vor zu lassen, nur um ein „moderner Typ“ zu sein. Nein, es geht darum, sich ehrlich zu fragen: Wie will ich Vatersein, Partnerschaft und Beruf gestalten? Das ist das Beste, was Männer für sich tun können, und zwar idealerweise schon vor der Geburt eines Kindes. Daraus folgt dann natürlich, das Ergebnis mit der Partnerin auf Augenhöhe zu besprechen und auszuhandeln, weil es dabei auch um eine konkrete Arbeits- und Aufgabenverteilung geht. Frauen sind im Hinblick auf ihr Rollenverständnis oft einen Schritt weiter und setzen – aus Mangel eines unabhängigen Standpunkts des Partners – ihre Vorschläge leichter durch. Wer ein guter Aushandlungspartner und Vater sein möchte, bestimmt vorab seine eigene Position. Das ist ein Stück Arbeit, aber es lohnt sich.
Für die Kinder ist es der größte Gewinn, wenn der Vater präsent ist als Mensch. Dafür ist es wichtig, die guten Zeiten genauso miteinander zu teilen wie die schwierigen. Wer  ausschließlich Quality Time mit seinen Kindern verbringt, ist vielleicht ein beliebter und gemochter Vater, aber als Rollenvorbild taugt er damit so wenig wie jemand aus dem Fernsehen, den man nur in seinen besten Momenten sieht. Wenn ein Vater auch emotional präsent ist, was für uns Männer oft die größte Herausforderung darstellt, dann ist er als männliches Rollenvorbild, besonders für die Söhne, eine unglaubliche Bereicherung.

Für die Gesellschaft wäre es toll, wenn wir Männer all das umsetzen und auch ein bisschen davon nach außen tragen, um die gesellschaftliche Diskussion mit dem jeweils eigenen Beispiel voranzubringen. Es ist wichtig, dass wir uns äußern, wenn wir uns als Väter in der Öffentlichkeit diskriminiert fühlen. Wir sind jetzt gefordert, wie die Frauen zuvor, uns zu fragen, wie unser Verhältnis zu den gesellschaftlichen Rollenanforderungen ist: Wo widersprechen diese meinen Wünschen? Mit dieser emanzipatorischen Haltung gilt es, alles weitere zu gestalten, sowohl die partnerschaftlichen Aushandlungen als auch die Praxis.

vaeter.nrw: Welche weiteren Punkte sind für Sie bei der partnerschaftlichen Aushandlung besonders wichtig?
Björn Süfke: Ich persönlich würde gerne davon wegkommen, dass bei den Aushandlungsprozessen der Fokus auf das Problematische gelegt wird. Ich glaube, wir sollten das Thema viel positiver angehen. Verhandlung muss nichts Negatives sein, wie wir das vielleicht aus der Wirtschaft kennen. Dort gilt häufig das Prinzip: Je besser ich verhandle, desto mehr springt dabei für mich heraus und umso schlechter ist es für mein Gegenüber. Das ist kein Modell, was im Bereich Partnerschaft funktioniert. Hier geht es nicht um eine Win-Lose-Situation, sondern um eine Win-Win- oder eben Lose-Lose-Situation – wir sind ja immer beide betroffen.
Ich persönlich betrachte diese Aushandlungsprozesse mit meiner Frau rund um „Wer fährt wohin, wer macht was, heute soll das Kind zum Arzt“ durchaus als Bereicherung. Gerade wenn die Kommunikation über die kleinen Dinge im Alltag funktioniert, ist das etwas, das auf der partnerschaftlichen Ebene auch unglaublich zusammenschweißt. Paartherapeuten sagen: Paare, die eine gemeinsame Zukunft haben wollen, brauchen ein gemeinsames Projekt. Wenn man die Elternschaft als Beispiel nimmt und daran lernt, dann profitieren alle davon – Vater, Mutter und Kind bzw. Kinder. Denn wir wissen doch alle: Wir können unglaublich viel schaffen, wenn dies auf einer guten Ebene stattfindet. Deshalb bin ich für eine realistische Beschreibung: Es geht um ein Verhandeln in guter Atmosphäre und mit gegenseitiger Wertschätzung darüber, wer was macht und wie es am besten klappen kann.

vaeter.nrw: Welche Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote helfen Paaren bei der partnerschaftlichen Aushandlung?
Björn Süfke: Elterngeld und Elternzeit, Väterkongresse und Portale wie vaeter.nrw sind wichtige Schritte in eine gute Richtung. Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern oder Repressalien, die Männer erleben, wenn sie in ihren Betrieben nach Elternzeit fragen, um eine aktive Vaterschaft zu praktizieren, zeigen aber, dass wir seitens der strukturellen Rahmenbedingungen noch lange nicht so weit sind, um die eingangs geschilderte Bedürfnislage von Vätern und Paaren im Alltag auch umzusetzen.
Ich selbst erlebe in der Praxis, wie groß der Unterstützungsbedarf ist und wie wenig Hilfsangebote bestehen. Aus meiner Sicht brauchen wir ganz viele Bildungs- und Reflektionsräume für Väter und Paare, damit wir voneinander lernen können. Im Bereich der Vaterschaft werden wir Männer im Alltag oft nicht ernst genommen. Wenn wir als Gesellschaft einen Ausbruch aus den traditionellen Rollen im Sinne einer Erweiterung wollen, so dass alle Möglichkeiten für Männer und Frauen ausschöpfbar sind, dann müssen wir doch ausreichend Unterstützung anbieten – für Frauen wie Männer gleichermaßen.

Alte Muster abschütteln – Porträt Björn Süfke
Zur Person:

Björn Süfke

Björn Süfke lebt mit seiner Familie bei Bielefeld. Als Vater, Männertherapeut und Buchautor erlebt, beobachtet und beschreibt er das Mann- und Vater-Sein in all seinen Facetten. 2016 veröffentlichte er dazu das Buch „Männer. Erfindet. Euch. Neu. Was es heute heißt, ein Mann zu sein“, zuletzt erschien im März 2017 der Erzählband „Papa, Du hast ja Haare auf der Glatze! Aus dem Alltag eines Vaters“.
 

Paarbeziehung gestalten im Familienalltag

Tipps

Eltern fällt es nicht immer leicht, die Partnerschaft im Blick zu behalten. Aber: Sie können viel dafür tun, dass Ihre Beziehung im stressigen Familienalltag keinen Schaden nimmt.

Tun Sie etwas für Ihre Partnerschaft

Sorgen Sie für eine positive Grundstimmung in Ihrer Beziehung, das heißt: Lassen Sie Ärger und Stress am besten da, wo sie entstanden sind und schleppen Sie sie nicht in Ihre Beziehung hinein. Bedenken Sie auch, dass viele Eltern in der turbulenten ersten Zeit mit Kind das Gefühl haben, alles wächst ihnen über den Kopf. Und vor allem: Gehen Sie bei allem Stress liebevoll miteinander um. Geben Sie sich immer wieder gegenseitig Anerkennung und loben Sie sich für das, was Sie beide zum Gelingen des Projekts ‚Familie’ beitragen. Dabei kann es auch um scheinbar banale Alltagsdinge gehen, die längst als selbstverständlich hingenommen werden. Denn, so wurde in Untersuchungen zur Partnerschaftszufriedenheit junger Eltern herausgefunden, nicht die Menge oder die Art des Stresses ist entscheidend dafür, wie zufrieden oder unzufrieden Mütter und Väter mit ihrer Beziehung sind, sondern die Art und Weise, wie mit Stress umgegangen wird. Gegenseitige Schuldzuschreibungen zählen dabei zu den Beziehungskillern ersten Ranges und tragen wenig zur Problemlösung bei.

Zeit für die Partnerschaft

Die Zeit, die Eltern für ihre neuen Aufgaben benötigen, geht häufig zu Lasten der Zeit für die Partnerschaft und der individuellen Freizeit. Um Ihrer Liebe als Paar weiterhin Raum und Zeit zu geben, ist es hilfreich, sich feste Zeiten für die Partnerschaft einzurichten, die frei sind von anderen Verpflichtungen oder Ablenkungen. Verabreden Sie einen festen wöchentlichen Paarabend und beginnen Sie damit am besten bereits in der Schwangerschaft. Nutzen Sie ihn, um sich über die Veränderungen in ihrem Leben auszutauschen, sich gegenseitig zu erzählen, wie es Ihnen geht, was aus Ihrer Sicht gut läuft und was besser sein könnte, gehen Sie aus oder genießen Sie einfach die Zeit für Zärtlichkeit. Vielleicht haben Sie auch die Gelegenheit, die Aufsicht für Ihr Kind in dieser Zeit einer dritten Person (Verwandte, Freunde, Babysitter) zu übertragen, damit Sie nicht durch Ihr Kind gestört werden. Wenn Sie diese Möglichkeit nicht haben und durch Ihr Kind unterbrochen werden, versuchen Sie nach der Störung einen Anschluss zu finden oder vereinbaren Sie einen weiteren gemeinsamen Abend.

Achten Sie in Ihren Gesprächen und im Alltag auf eine wertschätzende, konstruktive Kommunikation.

Viele Aufgaben – wenig Zeit

Wenn Sie sich gestresst und überfordert von der Vielzahl von Aufgaben in Familie und Beruf fühlen, setzen Sie sich mit Ihrer Partnerin zusammen und überlegen Sie, welche alltäglichen und welche besonderen Aufgaben anstehen. Setzen Sie gemeinsam Prioritäten, überlegen Sie, wer welche Aufgaben übernehmen kann. Machen Sie gemeinsam kurz- (eine Woche), mittel- (ein Monat) und langfristige (ein halbes Jahr) Zeit- und Aufgabenpläne und planen Sie dabei auch Ihre Paarabende und Zeit für Ihre persönliche Erholung ein. Wenn Sie feststellen, dass es tatsächlich zu viele Aufgaben für die zur Verfügung stehende Zeit sind, überlegen Sie, welche Sie streichen können. Gleichen Sie diese Pläne regelmäßig mit Ihren Kalendern ab, damit Sie nicht in Versuchung kommen, Zeit zu verplanen, die Sie nicht haben.

Oft kann sich so schon das Gefühl der Überforderung abschwächen und Sie entdecken Zeitlücken oder überflüssige Zeiträuber, die Sie für Ihre Partnerschaft, Ihr Kind und natürlich auch für sich selbst nutzen können.

Sexualität nach der Geburt

Viele Paare haben nach der Geburt eines Kindes unterschiedliche sexuelle Bedürfnisse. Ein typischer Lustkiller ist vor allem Schlafmangel. Wer nachts stark von seinem Kind gefordert wird und permanent müde ist, wird auch wenig Lust auf Sex haben. Häufig sind es die Frauen, die den Tag- und Nachtdienst übernehmen. Wird die Nachtschicht geteilt, steigen auch die Chancen auf ein wenig mehr gemeinsame Lust. Doch auch die kann hin und wieder durch ein aufwachendes Kind gestört werden.

Auch eine traumatische Geburt, eine nur langsam heilende Damm- oder Kaiserschnittnaht oder sonstige Eingriffe bei der Geburt hinterlassen körperliche und seelische Narben, die sich auf die Sexualität auswirken. Gerade unter psychischen Gesichtspunkten können auch Männer die Geburt ihres Kindes als traumatisch erleben, wenn sie unvorbereitet mit zur Geburt gehen, ihre eigenen Grenzen überschreiten oder ein schlechtes Gewissen haben, für die Schmerzen ihrer Partnerin mit verantwortlich zu sein, ihr die Geburtsarbeit aber nicht abnehmen zu können. So brauchen auch viele Männer oft Zeit, bis sie das Erlebte verarbeitet haben. Professionelle Unterstützung, wie sie selbst für Frauen bisher kaum vorhanden ist, ist für diese Väter selten in Sicht.

Wenn es Ihnen ähnlich geht, suchen Sie das Gespräch mit Ihrer Partnerin, einem guten Freund, der Hebamme, die Ihre Partnerin, Ihr Kind und Sie im Wochenbett betreut oder wenden Sie sich an eine der Beratungsstellen, die Sie unter dem unten stehenden Link finden.

Text aktualisiert am 22.06.2016

Zweisam in der Dreisamkeit

Paarbeziehung adé?

Ein Kind zu bekommen, ist ein wunderbares Geschenk – und es verändert eine Partnerschaft grundsätzlich. Scheinbar unvermittelt stehen einige junge Eltern dann vor Problemen in ihrer Paarbeziehung. Welche Wege es gibt, sich auf das Leben zu dritt vorzubereiten, wie Probleme erkannt und miteinander gelöst werden können, beschreibt der Paartherapeut Winfried Fuchs.

vaeter.nrw: Eigentlich ist die Geburt des ersten Kindes ein großer Glücksmoment für Vater und Mutter. Was führt in der Zeit danach dazu, dass sich Beziehungsprobleme einschleichen?
Winfried Fuchs: Ganz allgemein haben wir Menschen des Öfteren Probleme mit einschneidenden Veränderungen. Und ein Kind ist eine neue Situation, die manchmal krisenhaft erlebt wird. Der Umgang miteinander, Hobbys, Beruf, der gesamte Alltag muss neu vereinbart und gestaltet werden. Das fällt manchen schwerer als anderen. In der Folge machen sich manchmal Überforderung und Frustration breit.

vaeter.nrw: Gilt das für Vater und Mutter gleichermaßen?
Winfried Fuchs: Im Grunde: ja. Beide sind mehr oder minder unsicher im Umgang mit dem Kind. Aber es betrifft denjenigen mehr, der zu Hause bleibt und nicht im bisherigen Arbeitsumfeld die gewohnte Bestätigung erhält. Das sind bei uns meist noch die Mütter. Wer daheim bleibt, neigt dazu, die eigenen Erwartungen und solche, die vielleicht andere an sie stellen, übererfüllen zu wollen: Aus dem Bedürfnis nach Bestätigung entsteht das Streben nach einer perfekten Kombination aus Erziehung, Haushalt und Sozialkontakten. Aber auch ohne Perfektionismus fühlen sich viele „Familienmanager/innen“ – oft zu Recht – zu wenig unterstützt. Wer in seinem gewohnten Arbeitsumfeld bleibt, hat manchmal keinen Blick für das, was Zuhause geschieht. Er registriert nicht, was es erfordert, ein kleines Kind zu beaufsichtigen und zugleich den häuslichen Alltag zu bewältigen. Dann fehlt die Wertschätzung. Und auf die Sorgen ihrer Frau reagieren manche Männer mit Flucht. Statt ihr zuzuhören und sie zu unterstützen, wenden sie sich ab und verbringen ihre Freizeit lieber mit Hobbys und Freunden.

vaeter.nrw: Immer wieder hört man, dass die Männer frustriert sind, weil die Sexualität einschläft.
Winfried Fuchs: Ja, zumindest in der ersten Zeit nach der Geburt kommt das vor. Bevor das Kind da war, konzentrierten sich Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit auf den einen geliebten Menschen. Jetzt ist da ein drittes Wesen, das viel Zuwendung und Liebe braucht. Außerdem ist der Hormonhaushalt der Mutter in den ersten Monaten ein anderer, wodurch ihr Gefühlsleben und ihre Bedürfnisse andere sind als vor der Geburt. Generell sind Frustration und Enttäuschung junger Eltern aber meist auf andere Mängel zurückzuführen: Man fühlt sich nicht genügend gesehen, angenommen, wertgeschätzt und geliebt. Werden diese Grundbedürfnisse gedeckt, stehen die Chancen gut, auch sexuell wieder zueinander zu finden.

vaeter.nrw: Ist dann vielleicht schon im Vorfeld etwas schiefgelaufen?
Winfried Fuchs: Ja. In der Realität findet es zwar kaum statt, aber eigentlich sollten alle Paare vor dem ersten Kind ein Beziehungskonzept formulieren. Dazu gehört auch die Kunst, die beiden Bedürfnisse „Eigenständigkeit und Zweisamkeit“ in Balance zu bringen. Manch freiheitsliebender Mann muss dazu erst lernen, dass Zweisamkeit nicht „Verzicht“ sondern „Gewinn“ bedeutet: Das Leben wird reicher an Sinnhaftigkeit, Freude, Inspiration, Zusammenhalt, menschlicher Wärme, Bestätigung …

Außerdem hilft es, die Einstellung des anderen zur Kindererziehung zu kennen. Und Werteerfahrungen aus der Kindheit zu erfragen: Wie gingen Vater und Mutter mit dir um? Wurdest du von deinen Eltern bedingungslos geliebt? Wie wurde dir bei einem Problem von ihnen geholfen? Genauso gilt es die jetzigen Wertevorstellungen abzugleichen: Was sind deine Werte? Wie möchtest du diese unseren Kindern vermitteln?

Und schließlich rate ich allen werdenden Eltern, die Schwangerschaft gemeinsam zu erleben. Wenn sich da der Vater raushält und die Mutter das Kinderkriegen eher als ihr Thema begreift, wird es nach der Geburt schwierig, das Baby in die Beziehung zu integrieren. Also: Geburtsvorbereitungskurse, Frauenarzttermine, Klinikwahl und Nestbau sind eine tolle Chance, sich auf die neue Situation gemeinsam einzuschwingen.

vaeter.nrw: Und wenn sich das Paar nicht so akribisch auf das Familienleben vorbereitet hat?
Winfried Fuchs: Wenn beide es ernsthaft wollen, lässt sich das nachholen. Entscheidend dafür ist aber, dass sie sich Zeit nehmen, miteinander zu reden. Es geht nicht nur darum, Alltagsfragen und das Familienmanagement zu klären. Sondern vielmehr darum, sich einander zuzuwenden und einen vorwurfsfreien Dialog zu führen. Viele haben es nicht gelernt, über ihre Vorstellungen und Wünsche so zu sprechen, dass der andere diese emotional nachvollziehen kann. Aber ein konsensorientierter Dialog ist für beide wichtig, um Freude und Zufriedenheit zu gewinnen und die Partnerschaft stabil zu halten. Stattdessen enden Beziehungsgespräche oft in Vorwürfen und Streit, weil man nur dann über Beziehungsthemen spricht, wenn es ein größeres emotionales Problem gibt.

vaeter.nrw: Bleibt denn für das Reden – zwischen Familie, Haushalt, Arbeit und den persönlichen Freiräumen – noch Zeit?
Winfried Fuchs: Ganz klar: Es muss dafür Zeit sein – für Zweisamkeit generell! Zeit für Zweisamkeit sollte wie ein Ausflug auf eine Insel im Alltag geplant werden. Wenn man sie sich nicht bewusst vornimmt, geht sie im Alltagsgeschehen unter. Dabei ist diese Zeit nicht als Verzicht oder Konkurrenz zu anderen Aktivitäten zu sehen, sondern als Qualitätszeit, die die Freude am Miteinander erhöht.

vaeter.nrw: Wenn das nicht wie gewünscht funktioniert, wann sollten sich Eltern Hilfe von außen holen?
Winfried Fuchs: Ein deutliches Warnsignal ist, dass ein und dasselbe Problem immer wieder auftaucht und man keine dauerhafte Lösung findet. Dann sollte professionelle Hilfe – beispielsweise in einer Paarberatung – gesucht werden. Manchmal hilft es aber auch, jemanden mit einzubinden, dem beide vertrauen und der ihre Interessen in Einklang bringt. Das könnten beispielsweise gemeinsame Freunde oder die Trauzeugen sein.

Zur Person:

Winfried Fuchs ist systemisch-integrativer Paartherapeut, Psychologischer Berater und Partnerschule-Trainer aus Bottrop.

 

 

Themen Zweisam in der Dreisamkeit

Reibung erzeugt Wärme, oder?

Die partnerschaftliche Aufgabenteilung auszuhandeln, ist nicht immer leicht – aber ohne geht es nicht.

Wird ein Mann zum Vater, ein Paar zu Eltern, ändert sich vieles. Große Fragen stehen im Raum: Wer kümmert sich in den ersten Lebensjahren um das Kind und wie wird der Haushalt fair aufgeteilt? Über Herausforderungen, Frust und Lösungen hat sich vaeter.nrw mit Familiencoach Aimée Bastian unterhalten.

Welche Probleme können auftauchen, wenn sich Männer und Frauen in ihrer neuen Elternrolle zurechtfinden müssen?

Es gibt einige Stolpersteine für frisch gebackene Väter und Mütter. Oft bestehen sie aus unterschiedlichen Familienwerte-Vorstellungen: Was brauchen unsere Kinder? Wie definiere ich mich als Mann und Vater? Wie als Frau und Mutter? Was brauchen wir als Paar? Problematisch kann auch das Thema Geld werden. Gibt es eine Familienkasse? Wer bestimmt, wie viel wofür ausgegeben wird? Hier fürchten frischgebackene Väter oft um ihre Unabhängigkeit.

Hinzu kommt, die Aufgaben im Haushalt neu aufzuteilen. Und natürlich die Frage, wer das Kind wann betreut. Darüber sollte sich auch der Mann frühzeitig Gedanken machen und sich mit seiner Partnerin noch vor der Geburt des Kindes abstimmen.

Welche Probleme betreffen in erster Linie Väter?

Bei den Vätern habe ich zwei Typen beobachtet: Die einen orientieren sich eher an einem konservativen Familienmodell, das sie aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Die anderen verstehen sich als „moderner Mann“. Sie möchten sich zu Hause einbringen und gerne auch in Elternzeit gehen. Oft driften aber die Erwartungen von Mann und Frau auseinander. Viele Männer haben das Gefühl, sich bereits gut in Haushalt und Kinderbetreuung einzubringen – das Ausmaß entspricht aber noch lange nicht dem, was die Frau als partnerschaftlich betrachtet.

Schwierig ist für viele Männer auch, wenn die Paarbeziehung unter dem Kind leidet, wenn sie sich von der Frau nicht mehr als Mann, sondern nur noch als Vater wahrgenommen und sexuell nicht mehr bestätigt fühlen.

Wie kann man sich bereits vor der Geburt vorbereiten und versuchen, künftige Konflikte zu verhindern?

Es ist wichtig, sich bereits früh darüber klar zu werden, wie man als Familie sein will und was einem wichtig ist. Als Eltern, aber auch als Mann und Frau. Falls gewünscht, rate ich, zusammen mit einem Coach oder Therapeuten, zu erarbeiten, wie die eigene Familie funktionieren soll, sodass man sich auch weiter als Paar wahrnimmt. Die Ergebnisse würde ich notieren und immer wieder rausnehmen, wenn es doch zu Streit kommt.

Ein großes Problem ist immer wieder die Frage: Wer betreut das Kind in den ersten Jahren?

Es ist heute nicht mehr so, dass Frauen automatisch nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleiben wollen. Sie sind gut ausgebildet und möchten auch in ihrem Beruf arbeiten. Väter müssen deshalb mit ihren Partnerinnen einen Kompromiss finden, der Zug um Zug verhandelt wird. Am besten sollte dies von einer unbeteiligten Person moderiert werden. Beide Partner müssen darüber nachdenken, was sie unbedingt brauchen und worauf sie verzichten können. Beide werden Zugeständnisse machen müssen.

Oft bleibt die Frau zu Hause und kümmert sich um Kinder und Haushalt. Das kann zu Frust auf beiden Seiten führen. Was raten Sie Eltern, die sich eine partnerschaftliche Aufgabenteilung wünschen?

Zunächst rate ich jedem Vater, eine Zeit lang Elternzeit zu nehmen und sich um Kind und Haushalt zu kümmern. Zum einen bekommt er dadurch engen Kontakt zum Kind. Außerdem erleben so auch Männer, was es bedeutet, einen Haushalt in Schwung zu halten und welchen Frust es mit sich bringen kann, keine Bestätigung mehr von außerhalb – beispielsweise der Arbeitsstelle – zu erfahren. So kann sich der Mann besser in seine Partnerin hineinversetzen. Das ist eine gute Grundlage für eine partnerschaftliche Aufteilung. Die typischen zwei Vätermonate sind besser als nichts, aber je länger ein Vater Elternzeit nimmt, desto besser.

Gegen Frust hilft, dass beide mal raus kommen und sich in Rollen außerhalb der Familie als kompetent erleben – „Mann“ und „Frau“ bleiben, statt nur noch „Vater“ und „Mutter“ zu sein.

Was ist bei den Aushandlungsprozessen zu beachten? Vor allem, wenn sie unter Stress (durchwachte Nächte etc.) stattfinden?

In konkreten Stresssituationen entsteht besonders schnell ein schlimmer Streit. Man sagt Dinge, die man später bereut, die aber lange nachwirken. Bevor es dazu kommt, sollte man die Situation verlassen, tief durchatmen und vielleicht auch eine Nacht darüber schlafen, bis der akute Ärger abgeklungen ist. Anschließend sollte man gemeinsam über die Situation reden und überlegen, wie man die Dinge künftig organisieren kann. 

Oft stehen Männer unter dem Druck, die Versorgerrolle auszufüllen. Wie können Väter ihren Wunsch klar machen, dass sie gerne zu Hause bleiben und die Kinder betreuen wollen?

Je nachdem wie weit sich ein Mann beruflich für seine Frau und die Kinder zurücknimmt, kann es passieren, dass er von Bekannten oder Kollegen das Feedback bekommt, er sei ein „Weichei“. Das kratzt bei einigen Männern am Selbstwertgefühl. Es ist dann wichtig, sich selbst zu fragen: Wie will ich als Vater sein? Ist es wichtiger, was ich will, oder was andere von mir denken? Wer sich darüber klar wird, kann andere Meinungen leichter an sich abprallen zu lassen.

Ab welchem Punkt sollte ein Paar Hilfe suchen? An wen können sich Eltern wenden, wenn konkrete Schwierigkeiten bei einer gerechten Aufgabenverteilung auftauchen?

Kritisch wird es, wenn ein Paar sich immer wieder um dieselben Punkte streitet oder auch, wenn es in der gemeinsamen Zeit nur noch darüber reden kann. Dann empfehle ich jedem, sich professionelle Hilfe zu suchen. Das kann ein Familientherapeut sein, aber auch Kirchenverbände oder städtische Einrichtungen haben in fast jeder Stadt gute und oft kostenlose Angebote. Es hilft bereits, die Aushandlungsprozesse von einer unbeteiligten Person moderieren zu lassen. Dann können beide in einem geschützten Rahmen zu Wort kommen und ihre Wünsche äußern.

(vaeter.nrw)

Text aktualisiert am 25. Mai 2016