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Selbstständigkeit

Mit dem Trotz kommt die Selbstständigkeit

Entwicklungsphase

Manchmal reagieren Kinder in ganz alltäglichen Situationen mit einem heftigen Wutanfall. Als „Trotzphase“ wurde das lange Zeit bezeichnet. Experten sprechen heute lieber von der „Autonomiephase“. Und die ist wichtig. Denn Kinder bilden auf diese Weise ihre Selbstständigkeit aus. Mit ein paar Kniffen können Väter solche Situationen gut meistern.
„Kinder haben kein Trotzalter“, sagt der dänische Familientherapeut Jesper Juul. Und mit dieser Einschätzung ist er längst nicht mehr allein. Denn Trotz ist ein negativ besetztes Wort. Dabei sind die nach wie vor häufig so bezeichneten „Trotzphasen“ zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr wichtig in der Entwicklung eines Kindes. In dieser Zeit bildet es seine Selbstständigkeit heraus und grenzt sich von seinen Bezugspersonen stärker ab. Fachleute sprechen daher inzwischen vermehrt von einer „Autonomiephase“ – wie sie auch in der Pubertät wieder auftaucht.

Die rechte Gehirnhälfte gibt den Ton an

Kleinkinder nehmen sich in dieser Zeit zunehmend als eigenständige Wesen mit eigenem Willen wahr. Sie wollen sich erproben und stoßen dabei an die Grenzen, die ihnen das eigene Können, äußere Rahmenbedingungen und das Handeln anderer Personen setzen. Das macht sie nicht selten so wütend, dass sie kaum mehr ansprechbar sind. Der US-amerikanische Kinderarzt Harvey Neil Karp erklärt das damit, dass bei Kleinkindern anders als bei Erwachsenen die rechte Hirnhälfte dominant ist. Dieser Bereich im Gehirn ist zuständig für die gefühlvolle, spontane und kreative Seite des Menschen. Sie führt aber auch dazu, dass Kleinkinder manchmal regelrecht von ihren Emotionen überrollt werden.

Ruhig bleiben und Emotionen spiegeln

Väter beschreiben immer wieder, dass schon Kleinigkeiten genügen, um ihr Kind völlig aus der Fassung zu bringen. Zum Beispiel dann, wenn der Vater dem Kind gerade die Schnürsenkel bindet und plötzlich vor einem tobenden Sohn oder einer brüllenden Tochter steht. Hätte das Kind vielleicht gerne selbst die Schuhe geschnürt? Darüber zu reden, gelingt in dieser Situation jedoch kaum. Für den Vater gibt es bei solchen Wutanfällen nur eine richtige Reaktion: ruhig bleiben und sich nicht in die kindliche Emotion hineinziehen lassen. Das gelingt besser, wenn der Vater die Wut nicht persönlich nimmt und versteht, dass sich auch sein Kind in dieser Situation überfordert fühlt. Er kann dann die Äußerungen von Tochter oder Sohn in abgeschwächter Form wiederholen, sie spiegeln. Er kann zum Beispiel sagen: „Ich verstehe, dass du jetzt wütend bist. Richtig wütend.“ Dazu gehören auch ein entsprechend wütender Gesichtsausdruck und eine passende Gestik. Ansonsten kommt die Aussage nicht an. Denn die sachliche linke Gehirnhälfte des Kindes, die für das logische Denken zuständig ist, ist in dieser Situation quasi ausgeschaltet. Wichtig dabei: Väter sollten darauf achten, die Gefühle des Kindes nicht ins Lächerliche zu ziehen. Es geht darum, dem Kind zu vermitteln, dass dessen Emotionen beim Vater ankommen und er versteht, wie es sich fühlt. Jesper Juul: „In der ‚Trotzphase’ wie in der Pubertät sollte die Botschaft der Eltern sein: ‚Du bist okay, so wie du bist, und wir lieben dich’."

Kinder nicht alleine lassen

Früher lautete ein Ratschlag häufig, Kinder alleine zu lassen und zu warten, bis die Wut abgeklungen ist. Das empfehlen Expertinnen und Experten heute nicht mehr, weil Kinder sich in einer solchen Situation selber hilflos fühlen und Aufmerksamkeit und Nähe benötigten. Da der Ausbruch aber auch ein Zeichen dafür ist, dass Kinder Unabhängigkeit und Distanz suchen, ist es am besten, zwar anwesend zu sein, aber eher passiv zu bleiben, um zu erkennen, was das Kind braucht – so die Fachleute. Ist der Wutanfall vorüber, kann der Vater sich mit dem Kind über den Vorfall austauschen. So können beide gemeinsam eine Lösung für die Zukunft finden. Konkret könnte das bedeuten: Das Kind bindet sich die Schnürsenkel alleine und meldet sich, wenn es dabei Unterstützung braucht. Falls ein Ausbruch einmal auf einem Verbot des Vaters gründet, kann er seine Entscheidung gegenüber dem Kind begründen.

Sich Zeit nehmen und selber lernen

Wer genügend Zeit für besonders kniffelige Situationen – wie zum Beispiel das Anziehen – einplant, schafft Rahmenbedingungen, die es erleichtern, einfühlsam mit einem Wutausbruch umzugehen. Denn besonders wenn Eltern unter Zeitdruck sind, verlieren sie leicht die Nerven und rufen ihr Kind lautstark zur Ordnung. Für unangemessene Reaktionen sollten sie sich bei ihm entschuldigen, den Vorfall dann aber auch nicht mehr mit sich herumtragen, rät Jesper Juul. Eine nächste Chance, es besser zu machen, kommt sicherlich schon bald. Text aktualisiert am 22. Juni 2016