Vater ist, das was du draus machst!
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Spiel

Brettspiel-Action für die ganze Familie

Gesundheit

Sofas, Sessel und Stühle sind gemütlich und fast überall verfügbar. Rund neun Stunden täglich verbringen Kinder und Jugendliche durchschnittlich sitzend – bei den Erwachsenen schaut’s nicht besser aus. Ein vom Bundesministerium für Gesundheit gefördertes Brettspiel soll spielerisch mehr Schwung in den Alltag von Kindern und Eltern bringen. Und das langfristig und kostenlos.
Neun Stunden täglich sitzen. Das entspricht mehr als einem regulären Arbeitstag. Wir sprechen aber nicht von berufstätigen Erwachsenen, sondern von Kindern und Jugendlichen. Das Institut für Sport und Sportwissenschaften der Universität Heidelberg untersuchte mit Hilfe eines Fragebogens das Sitzverhalten von Kindern und Jugendlichen zwischen fünf und zwanzig Jahren. Das Ergebnis: ein Großteil von ihnen verbringt viel zu viel Zeit des Tages sitzend. Die Gesamtdauer ist durchaus alarmierend, wenn man bedenkt, dass neun Stunden etwa 71 Prozent der Wachzeit eines Kindes entsprechen. Für Mediziner und Wissenschaftler ist klar, dass dieses Verhalten langfristig zu chronischen Krankheiten führen kann: Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes sind mögliche Folgen.

„Familienaufstand“ für die alle

Die Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld hat sich mit einem Team der Plattform Ernährung und Bewegung zusammengetan, um eine Lösung für dieses Problem zu finden. Gemeinsam suchten sie nach einer spielerischen Möglichkeit, die Sitzdauer der Kinder und Jugendlichen im Alltag durch Bewegung zu unterbrechen. So entstand die Idee zu dem Gesellschaftsspiel „Familienaufstand“. Beim „Familienaufstand“ handelt es sich weniger um eine Revolte im Kinderzimmer als um ein einfaches Brettspiel, das die ganze Familie zum Umdenken anregen soll. Täglich anfallende Aufgaben sollen nun aktiver ausgeübt und gewohntes sitzlastiges Verhalten systematisch abtrainiert werden.

Wer wird das nächste Stehaufmännchen?

Zum Spielablauf: Zunächst wird in der Beobachtungsphase für jedes Familienmitglied ermittelt, wie oft der- oder diejenige aufsteht, sich anstrengt und sich bewegt. Jede Aktivität bringt dabei (Zeit-)Punkte, die in eine Beobachtungstabelle eingetragen werden. Im nächsten Schritt soll sich jeder Teilnehmer ein Ziel setzen. Wie viele (Zeit-)Punkte kann ich am Tag, in der Woche, schaffen? Es gilt, den aktuellen Stand an Zeitpunkten möglichst weit zu übertreffen – den Teilnehmer aber nicht körperlich zu überfordern. Auf diese Weise sollen simple Alltagssituationen stehend statt sitzend ausgeübt und mehr Zeit für Bewegung eingeplant werden. Zum Beispiel im Bus einfach mal freiwillig stehen bleiben oder die Strecke mit dem Fahrrad zurücklegen. „Familienaufstand“ wird an drei Tagen in der Woche gespielt, die vorab mit der Familie abgestimmt werden. Nun heißt es: Wer sammelt die meisten Punkte und wird zum größten Stehaufmännchen gekürt? Das Spielbrett sowie alle nötigen Informationen zum Spiel können kostenlos unter folgendem Link heruntergeladen werden: www.familienaufstand.de Und jetzt? Computer aus und Action!

Talente ans Licht

Der Entwicklungshelfer

Eltern stellen sich immer mal wieder die große Begabungsfrage: Woran erkennen wir ein besonderes Talent, eine Fähigkeit und Leidenschaft in unserem Kind? Und wie können wir helfen, dass Talente sich weiterentwickeln und nicht verschüttet werden? Die richtige Förderung von Kleinkindern hat viel mit Probieren zu tun, mit Spaß und der Freiheit, auch zu scheitern.
Beeindruckend, diese Pinselführung. Schwungvoll und kontrolliert zugleich. Und wie sehr das Pferd nach Pferd ausschaut – fast nicht nach Kuh. Das können bestimmt nicht viele Vierjährige so leichthändig. Wo gibt’s hier den nächsten Malkurs? Vielleicht schlummert da ein großer Künstler in dem kleinen Mann. Andererseits, die geschmeidige Ballbehandlung gestern auf der Fußballwiese war echt nicht zu verachten. Und dann diese Freude am Fabulieren! Aus welcher Ecke seines Hirns holt er nur immer die aufregenden Geschichten her? Aber eines ist jedenfalls sicher: Ein Mathegenie wird er nicht. Mit Zahlen haben wir es in unserer Familie ja alle nicht so …

Zu viel Probieren gibt’s nicht

Wenn Eltern nach den Begabungen ihrer Kinder forschen, haben sie es nicht leicht. Zum einen sind besonders Kleinkinder sehr sprunghaft in der Auswahl ihrer aktuellen Lieblingsbeschäftigung. Das ist aber gerade in den ersten Lebensjahren durchaus ein Plus: Denn die Vielfalt von Eindrücken und Erfahrungen, die ein Kind macht, sind wertvolle Impulse bei der Entwicklung des Gehirns. Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Fühlen – je mehr Sinne angesprochen werden, desto vielfältiger werden die Vernetzungen im Kopf. Zum anderen sind Papa und Mama allzu leicht von ihren eigenen Wünschen, Erfahrungen, und Neigungen beeinflusst. Drücken sie die Entwicklung ihres Kindes zu sehr in eine Richtung, bleiben Talente außerhalb des elterlichen Horizonts leicht links liegen. Aber gleichzeitig sind Eltern wichtige Vorbilder, wenn es darum geht, Interesse für eine Sache zu entwickeln. Denn Kinder entdecken zunächst die Dinge, die in ihrem unmittelbaren Umfeld stattfinden. Ist Papa ein begeisterter Sänger, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich irgendwann auch die Kinder für Musik und Singen besonders interessieren. Und es ist gewissermaßen eine natürliche Elternrolle, dabei ein bisschen Talentscout zu sein.

Ein Gespür entwickeln

Zu einem guten Scout gehört aber ebenso, es nicht zu ignorieren, wenn dem Nachwuchs etwas vielleicht nicht so liegt – auch wenn der singende Papa seine Leidenschaft zu gerne mit dem Kind teilen möchte. Stattdessen hängt die Suche nach einer echten Begabung von ganz viel Entwicklungsfreiheit ab. Ausprobieren, verwerfen, neu probieren. Es braucht Geduld und Zeit, das eigene Terrain zu finden: In der Musikalität, Kreativität, Sportlichkeit, Sprachgewandtheit, der sozialen Kompetenz, räumlichen Vorstellungskraft, dem motorisches Geschick – oder ganz wo anders. Kinder, die sich in unterschiedlichen Bereichen frei testen dürfen, sind vielleicht nur ganz kurz vom Tanzen begeistert, um sich dann plötzlich nur noch für Technikbaukästen zu interessieren. Aber sie erhalten wertvolle Erfahrungen und ein wachsendes Gespür für sich und ihre Fähigkeiten. Sie lernen ihre Grenzen kennen und erfahren, dass ein bisschen „Scheitern“ einfach dazu gehört. Druck und Enttäuschung über die Sprunghaftigkeit sind da fehl am Platz.

Vergleiche hinken – immer

Es ist für manche Väter vielleicht eine Herausforderung, beim Blick auf das eigene Kind nicht zu viel Ehrgeiz zu entwickeln. Väter haben jedoch auch oft die gute Veranlagung, Wagnisse zuzulassen und tatsächliche oder gefühlte Niederlagen positiv umzudeuten. Setzen sie diese Rolle bei der Talentförderung aktiv ein, lässt sich als Belohnung echte kindliche Leidenschaft für ein Thema entdecken. Förderung besteht allerdings nicht nur aus der Freiheit, zu probieren und weiterzuspringen. Manchmal sollte das Kind etwas Durchhaltevermögen mitbringen, sich auf eine Sache konzentrieren, üben und lernen. Erst dann lässt sich klarer sagen, ob eine Sache dem Kind liegt oder nicht. Hier das rechte Maß zu finden, ist nicht leicht: zu viel Förderung führt zu Stress, zu wenig lässt Talente verkümmern. Die Aufgabe für Papas und Mamas lautet also, sensibel zu sein, zu erspüren, was das Kind möchte – oder nicht. Eine typische Stolperfalle sollten Eltern in jedem Fall vermeiden: den Vergleich mit anderen Kindern. Ein Kind, das permanent Erwartungen erfüllen muss, wird kaum seine eigenen Potenziale entdecken können. Fühlt es sich dagegen geliebt und angenommen, so wie es ist, hat es genügend emotionale Sicherheit, Experimente zu wagen.

Kinder entdecken ihre Möglichkeiten

Spiel in der Natur

In einer nicht vom Menschen gestalteten, sich selbst entwickelnden, lebendigen Umgebung sind Kinder in ihrem Element. Naturerleben, so sagen Experten, ist für ein gesundes Aufwachsen unverzichtbar. Väter sind gefragt, ihren Kindern den Zugang zur Natur zu eröffnen.
„In der Natur begegne ich mir als Naturwesen selber. Was ich dort erfahre, bin ich in anderer Gestalt“, sagt der Naturphilosoph und Buchautor Dr. Andreas Weber aus Berlin. „Das klingt paradox, doch in der Natur kann der Mensch Aspekte von sich selbst erleben, die er noch nicht kennt. Sie vermittelt ihm ein Gefühl dafür, was es heißt, am Leben zu sein.“ Daher, so Andreas Weber, sei Natur ein unersetzlicher Lern- und Erfahrungsraum für Kinder. „Die Natur urteilt nicht und sagt nicht ‚nein’. Gleichzeitig zeigt sie Kindern ihre Grenzen und lässt sie spüren, was ihnen guttut und was nicht.“ Sein Naturbegriff ist weit und völlig unromantisch. Damit ein Areal diesem Begriff entspricht und „Schauplatz von Freiheit“ sein kann, sollte es drei Voraussetzungen erfüllen: „Es ist nicht geplant und gestaltet, sondern entstanden und entwickelt sich natürlich weiter. Es gibt keine Erwachsenenherrschaft, die sagt, was getan werden muss, oder kontrolliert wird. Und es ist erlaubt, die Umgebung zu verändern und so Spuren zu hinterlassen“, erklärt der Philosoph. „Ein verlassenes Grundstück erfüllt die Kriterien zum Beispiel ebenso, wie ein Buschgelände oder Waldstück. Die Großelterngeneration von heute berichtet zum Beispiel, dass überwucherte Ruinen ihre Lieblingsspielplätze waren.“

Spielorte, die Fantasie und Kreativität anregen

„Solche Areale haben für Kinder einen Aufforderungscharakter, an den kein noch so durchdacht gestalteter Spielplatz heranreicht. Das konnten wir – wenig überraschend – auch in einem Forschungsprojekt belegen“, sagt Dr. Hans-Joachim Schemel, der in München ein Büro für Umweltforschung und Stadtentwicklung betreibt und Sprecher des Arbeitskreises Städtische Naturerfahrungsräume ist. „Spielplätze mit ihren Geräten zum Schaukeln, Klettern, Balancieren oder Rutschen geben Kindern Bewegungsabläufe vor. Das engt ein. Der Natur überlassene Areale dagegen regen durch ihre Vielfalt an Eindrücken und Möglichkeiten sowie durch ihre Gestaltbarkeit Fantasie und Kreativität an“, berichtet der Landschaftsarchitekt und Stadtplaner. Auch in Städten gibt es vielfach noch Plätze, an denen Kinder solche Naturerfahrungen machen könnten. Doch diese Räume seien oft nicht zugänglich. Außerdem nehme ihre Anzahl ab, denn bei Gartenbau- und Stadtplanungsämtern herrsche in den meisten Fällen die Auffassung: Freiflächen müssen gestaltet sein. „In München gab es zum Beispiel einen großen Erdhaufen, der durch den Aushub für einen U-Bahn-Bau entstanden und nach einiger Zeit mit Vegetation überzogen war. Die Kinder liebten den Hügel, den sie als Matschberg bezeichneten. Doch trotz massiver Elternproteste ließ die Stadt den unordentlichen Berg abtragen“, erzählt der Fachmann, der sich bundesweit als Planer und Berater dafür einsetzt, Naturräume zu erhalten bzw. zu schaffen. Andreas Weber erläutert: „Der Reiz dieser Spielräume für Kinder ist für Erwachsene zumeist unsichtbar.“

Ist Spielen in der Natur gefährlich?

„Es droht Gefahr“, mit diesem Argument verhindern nicht nur Verantwortliche in Kommunen, sondern vielfach auch Eltern kindliches Naturerlebnis. Dass Spielen in einem natürlichen Umfeld gefährlicher ist als auf einem angelegten Spielplatz, sei aber ein Trugschluss, sagt Hans-Joachim Schemel. „Kinder haben eine hohe Risikokompetenz und ein eigenes Sicherheitsgefühl. In der Natur gibt es erkennbare Gefahren, die sie wahrnehmen und mit denen sie daher umgehen können. Sie wissen, dass Äste eventuell morsch sind oder dass ein unebener Untergrund, auf dem spitze Steine oder Scherben liegen, ein Verletzungsrisiko birgt und verhalten sich entsprechend aufmerksam. Auf Spielplätzen sind Risiken, wie eine rostige Schraube an der Schaukel oder ein Vertiefung auf sonst ebenem Gelände, dagegen oft verborgen, so dass sich die Kinder nicht darauf einstellen können.“ Kinder seien selbst wild, für sie sei ein wildes Gelände sozusagen der natürliche Lebensraum, meint Andreas Weber und fordert Väter auf, Kindern Bewegungsfreiheit zurückzugeben.

Väter machen Naturerfahrungsräume zugänglich

Vor allem Kinder in Städten, in denen das Leben in und mit der Natur nicht mehr zum Alltag gehört, entwickeln jedoch nicht automatisch einen Bezug dazu. Hans-Joachim Schemel sagt: „Wenn Naturerlebnisse in den ersten Jahren weitgehend fehlten, müssen Kinder später manchmal erst ihre Scheu überwinden, bevor sie deren Reiz erfahren können.“ Mädchen und Jungen, die zusammen mit ihren Vätern von klein auf regelmäßig draußen buddeln und matschen, Ameisen und Schnecken beobachten und Spiele spielen, entwickeln diese Distanz gar nicht erst und ekeln oder fürchten sich in der Regel auch nicht vor den Tieren und Pflanzen. Für Väter und Kinder sind dies Zeiten intensiven Zusammenseins echte Qualitätszeit. „Für solche Erlebnisse mit kleinen Kindern reicht der eigene Garten, wildere Stellen im Park oder auf anderen Grünflächen“, sagt Hans-Joachim Schemel. Auch größere Kinder, die einer natürlichen, ungestalteten Umgebung mit skeptisch gegenübertreten, können die Ermutigung ihrer Väter brauchen, diesen Raum für sich zu erobern. Wenn sie größer sind, sollten die Jungen und Mädchen in der Kindergruppe – von Erwachsenen unbeaufsichtigt – in der Natur spielen dürfen, denn erst dann entfaltet sich dessen Reiz als Selbsterfahrungserlebnis in Freiheit.

Und wenn Kinder lieber drinnen bleiben?

Andreas Weber, selbst Vater, sagt: „Das Spielen draußen gehört heute nicht mehr so selbstverständlich zum Kinderleben wie früher. Elektronische Unterhaltungsmedien ziehen die Kinder an wie bunte Lutschbonbons und sie haben einfach ‚keinen Bock‘, raus zu gehen.“ Er rät Vätern und Müttern, den Konflikt nicht zu scheuen und die Kinder notfalls einfach „rauszuschmeißen“. „Kaum stehen sie vor der Tür, haben sie ihren Widerwillen zumeist vergessen, denn sie spüren sehr genau, dass es ihnen gut tut, draußen zu sein. Das berichten zumindest meine Kinder“, erzählt er. Idealerweise verabreden mehrere Eltern ein solches Vorgehen, so dass die Jungen und Mädchen draußen wieder Spielkameradinnen und -kameraden finden.

Wilde Flächen in der Stadt

Ideal wäre es, sagen die Experten, wenn die Kinder im Wohnumfeld nicht nur für Autos optimierte Gelände, sondern umfangreiche unverbaute Areale vorfänden. Väter, sagen sie, könnten sich in ihren Kommunen dafür einsetzen, dass entsprechende Flächen erhalten bleiben oder eingerichtet werden. Andreas Weber stellt sich eine neue Kultur der Aneignung vor, die er – in Anlehnung an die Protestbewegung „Occupy Wall Street“ – „Occupy Stadtpark“ (Besetzt den Stadtpark) nennt. Um den Natur- und Gestaltungsnotstand von Kindern in Städten deutlich zu machen, plant er in Berlin gerade ein Projekt, bei dem Kinder eine ganze Straße in Wildnis verwandeln werden. (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 8. Juni 2016