Vater ist, das was du draus machst!
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Teilhabe

Mit intensiver Beziehungsarbeit das Interesse der Väter gewinnen

Gespräch mit Ahmet Sinoplu, Geschäftsführer „Coach e.V.“, Köln

Seit 14 Jahren setzt sich „Coach e.V.“ erfolgreich für Chancengerechtigkeit, Bildung, Teilhabe und Integration junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ein. Die Väter- und Elternarbeit ist wichtiger Schwerpunkt des Angebots. Geschäftsführer Ahmet Sinoplu beschreibt im Gespräch mit vaeter.nrw den fachlichen Rahmen der Väterprojekte.

vaeter.nrw: Herr Sinoplu, worauf fußt der Erfolg Ihrer Arbeit? Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei, welche Erfahrungen machen Sie?
Ahmet Sinoplu: Coach e.V. bietet neben den verschiedenen Angeboten für Jugendliche und Mütter auch Projekte für Väter an, die sich für ihre Kinder engagieren, weiterbilden und weiterentwickeln wollen. Ihnen allen ist das Wohl ihrer Kinder eine Motivation, an den verschiedenen Angeboten zu partizipieren. So unterschiedlich ihre Kinder sind, so divers sind auch die Väter mit ihren vielfältigen Erfahrungen und Ressourcen. Doch es gibt oft eine besondere und verbindende Gemeinsamkeit: die (eigene) Erfahrung mit Migration und deren Auswirkungen. Dazu gehört unter anderem auch der Umgang mit Rassismus und Diskriminierung. Eine wichtige Voraussetzung für die Beratungs- und Einzelarbeit mit den Vätern ist der wertschätzende Umgang, wodurch auch eine intensive Beziehung aufgebaut werden kann, um die Väter für die Gruppenangebote zu gewinnen. Die Gruppenarbeit bietet Raum für einen intensiven Austausch über sensible Themen sowie eine gegenseitige Stärkung.
Um den Familien und insbesondere den Kindern helfen zu können, ist es erforderlich, auch die Väter intensiv zu unterstützen, ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern, so dass es ihnen gelingt, Erziehungsaufgaben besser wahrzunehmen, ihre Kinder in der Kindertagesstätte, in der Schule bzw. beim Übergang in Beruf/ Studium und somit in ein eigenverantwortliches Leben zu begleiten. Für eine nachhaltige und ressourcenorientierte Väterarbeit ist es hilfreich, vorhandene Erziehungsmuster, Sozialisationswege und Schwierigkeiten der Väter zu erfragen. An diesem Ausgangspunkt setzten wir mit unseren Väterprojekten an. Wir bemühen uns durch flexible Angebotsstrukturen auch Väter für unsere Arbeit zu gewinnen, die aufgrund von beruflichen und familiären Verpflichtungen nur wenig Zeit haben, um regelmäßig und verbindlich an Aktionen teilzunehmen. Darüber hinaus bieten wir unsere Angebote mehrsprachig an.

vaeter.nrw: In welchen Projekten und in welchem Kontext binden Sie Väter konkret in Ihre Arbeit ein?
Ahmet Sinoplu: Unsere Angebote sind vielfältig, interaktiv und bieten Vätern eine abwechslungsreiche Alternative zum beruflichen und familiären Alltag. Die Väterarbeit bietet einen besonderen, mehrsprachigen Raum für Väter, die neben ihrer Rolle als Väter auch andere Themen und Rollen reflektieren und (er)leben können. Neben themenorientierten Projekten und Diskussionen finden auch freizeitpädagogische Aktivitäten, Reisen zur politischen Bildung, aber auch Seminare zu Themen wie z. B. der eigenen Gesundheit, dem Umgang mit Demenz oder Tod in der Familie etc. statt.
Die Arbeit in der Vätergruppe bietet einen niedrigschwelligen Raum, um gemeinsame Erfahrungen auszutauschen und abzugleichen. Auf dieser Grundlage bauen sich Schwellen- und Berührungsängste ab, da die eigenen Fragen und Unsicherheiten geteilt werden und nicht als lose Einzelschicksale wahrgenommen werden. Auf diese Weise erwächst Solidarität, gegenseitige Anteilnahme und das Gefühl von Selbstwirksamkeit. Gleichzeitig können festgefahrene Handlungs- und Verhaltensmuster im Austausch mit Betroffenen in ähnlichen Situationen dahingehend hinterfragt werden, dass Alternativen angeboten werden können. Der wohl wichtigste Effekt der Gruppentreffen besteht darin, dass sich die angesprochenen Väter als eigenverantwortliche und mit Handlungskompetenzen ausgestattete Personen verstanden fühlen. Die Gruppe ist ihr geschützter Raum, in welchem sie die gruppenbezogenen Interaktionen bewirken und bedingen.

vaeter.nrw: Was verbindet Väter über die Kulturen, Religionen, Herkunftsländer hinweg?
Ahmet Sinoplu: Bei allen Vätern ist gleich, dass sie das Beste für ihre Kinder wollen und in der Regel auch versuchen, das Beste für ihre Kinder zu tun. Das ist eine Gemeinsamkeit, die ermöglicht, verschiedene Väter mit diversen Biographien zusammenzubringen. Auch können unterschiedliche Herausforderungen des familiären und beruflichen Alltags verbindende Elemente sein. Das können aus unseren Erfahrungen heraus z. B. auch folgende Themen sein:

  • die Auseinandersetzung mit eigenen Erziehungserfahrungen und -vorstellungen im Vergleich zu der eigenen Sozialisation mit Vorbildern der Elterngeneration sowie die Auseinandersetzung mit alternativen Erziehungsvorstellungen,
  • Kommunikationsschwierigkeiten im familiären Alltag oder auch in der Ehe/ Partnerschaft,
  • der Umgang mit den eigenen Kindern mit Blick auf die eigenen Bildungserfahrungen und Bildungswege im Vergleich zu den Möglichkeiten und Anforderungen der aktuellen Bildungsmöglichkeiten,
  • die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Auch Vater-Kind-Aktionen können hilfreich sein, Väter für verschiedene Aktivitäten zu gewinnen und mit ihnen einen besonderen Raum für einen nachhaltigen Austausch zu kreieren.

vaeter.nrw: Aus Ihrer langjährigen Erfahrung betrachtet: Was ist der wichtigste Ansatzpunkt, damit Väter miteinander ins Gespräch kommen?
Ahmet Sinoplu: In vielen pädagogischen Konzepten und Zielen werden Respekt, Wertschätzung und Anerkennung als Grundlagen beschrieben. Jedoch bleiben diese Ziele nur Lippenbekenntnisse, wenn diese Haltung nicht gelebt und auch in pädagogischen und politischen Strukturen umgesetzt werden kann. Eine selbstreflexive Auseinandersetzung mit Themen wie Diversität, Diskriminierung und gesellschaftlichen Machtverhältnissen kann die Anerkennung von Diversität sowie das Engagement gegen Ausgrenzungs- und Diskriminierungsmechanismen fördern.
Dies wäre in allen (Väter-)Projekten wünschenswert, insbesondere auch bei denen, wo es zunächst keine Verbindung zu diesen Themen zu geben scheint. Dann wird es auch leichter möglich, verschiedene Väter mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Biographien zusammenzubringen.

In unserer Arbeit stellen darüber hinaus Einzelberatungen und Beziehungsarbeit ein unverzichtbares Element dar. Einerseits treten immer wieder Bedürfnislagen und Fallkonstellationen auf, die von den Vätern als zu intim erachtet werden, um diese im Gruppenkontext zur Sprache zu bringen. Andererseits kann im Zusammenspiel aus Einzelberatung und Gruppenarbeit gewährleistet werden, dass ein erweiterter Beratungsbedarf, der sich innerhalb der Gruppenarbeit abzeichnet, aufgegriffen wird, oder dass im umgekehrten Fall eine Einzelberatungssituation zur Akquise neuer Väter führen kann.

Insbesondere die intensive Beziehungsarbeit – auch durch zahlreiche Tür- und Angel-Gespräche – ermöglicht uns, Väter für diverse Gruppenprojekte zu gewinnen.

vaeter.nrw: Was wünschen Sie sich für die interkulturelle Väterarbeit in NRW?
Ahmet Sinoplu: Interkulturelle Väterarbeit in NRW sollte sich zum Ziel setzten, Akteure im Bereich der Väterarbeit bei der Mitgestaltung, beim Ausbau und bei der Umsetzung von neuen Projektideen zu begleiten und zu unterstützen, um so die Ausgestaltung von Väterarbeit im nordrhein-westfälischen Raum voranzutreiben. Dabei können und sollen bereits begonnene Projekte als Grundlagen dienen. Für Initiatoren von Väterarbeit besteht hier ein nicht zu unterschätzender Gestaltungsspielraum für neue Konzepte und zur Erweiterung der eigenen Handlungsmöglichkeiten. Weiterhin sollen nachhaltig Kommunikationsprozesse in Gang gesetzt und stabile Netzwerke geschaffen werden.
Für zukünftige Projektvorhaben stehen wir sehr gerne zur Verfügung und bringen uns mit all unseren Expertisen ein.

Zur Person:

Ahmet Sinoplu

Ahmet Sinoplu ist Geschäftsführer von Coach e.V., der Kölner Initiative für Bildung und Integration junger Migranten. Als ausgebildeter Diplom-Sozialarbeiter sowie Trainer und Coach für rassismuskritische und diversitätsbewusste (internationale) Bildungsarbeit ist er gemeinsam mit den Vorständen Mustafa Bayram und Christian Gollmer verantwortlich für die Väterarbeit im Verein.
 

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Väter auf der Flucht

Gastbeitrag

„Neue Zeiten bringen neue Ideen und machen neue Kräfte mobil.“ Dieser Satz stammt von Marie Juchacz, der Begründerin der AWO. Die unzähligen Kriegsversehrten, Witwen, Waisenkinder, Arbeitslosen und Flüchtlinge des Ersten Weltkrieges ließen sie aktiv werden und eine Gemeinschaft organisieren, in der Bedürftige sich gegenseitig solidarisch helfen. – Ein Gastbeitrag von Ataman Yildirim, Interkulturelle Väterarbeit NRW