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Umgang

Wechselmodell auch gegen den Willen des anderen Elternteils möglich

Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 01.02.2017

Auf Antrag eines Elternteils kann das Familiengericht auch gegen den Willen des anderen Elternteils nach einer Trennung das „paritätische Wechselmodell“, also die etwa hälftige Betreuung des Kindes durch beide Eltern, als Umgangsregelung anordnen. Das Gericht muss im jeweiligen Einzelfall prüfen, ob die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich zu anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Beschluss vom 01.02.2017 entschieden (Az.: XII ZB 601/15).
Nach § 1684 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) hat das Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil und ist jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln (§ 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB). Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, unter welchen Voraussetzungen das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils ein Wechselmodell anordnen darf.

Rechtsbeschwerde – Vater strebt Wechselmodell an

In dem entschiedenen Verfahren hat der Vater die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells angestrebt. Die geschiedenen Eltern eines im April 2003 geborenen Sohnes sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Sohn hielt sich überwiegend bei der Mutter auf, der Sohn hat den Vater alle 14 Tage am Wochenende besucht. Ziel des Vaters war es nun, dass sein Sohn jede zweite Woche von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn bei ihm lebt. Das Amtsgericht hat den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Seine Beschwerde ist auch vor dem Oberlandesgericht (OLG) ohne Erfolg geblieben. Der Vater legte hiergegen eine weitere Rechtsbeschwerde ein, über die nun vom BGH entschieden wurde.

Kindeswohl als Maßstab

„Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht ebenso wie eine gleichlautende Elternvereinbarung mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang …, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als eine dementsprechende Sorgerechtsausübung zweifellos im vorgegebenen Kompetenzrahmen hält“, heißt es im Beschluss des BGH. Entscheidender Maßstab der Anordnung eines Umgangsrechts ist neben den beiderseitigen Elternrechten allerdings das Kindeswohl, das vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist. Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls nennt der Beschluss in Sorgerechtsfragen sowie auch für Regelungen zum Umgangsrecht und damit für die Anordnung des paritätischen Wechselmodells folgende Kriterien: Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens. Dass zwischen den Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell Einigkeit besteht, ist hingegen keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung. „Würde der entgegengesetzte Wille eines Elternteils gleichsam als Vetorecht stets ausschlaggebend sein, so würde der Elternwille ohne Rücksicht auf die zugrundeliegende jeweilige Motivation des Elternteils in sachwidriger Weise über das Kindeswohl gestellt“, so der Beschluss. Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht. Das Familiengericht ist im Umgangsrechtsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet.

Wechselmodell stellt höhere Anforderungen an Eltern und Kind

Das Wechselmodell stellt gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat. Das paritätische Wechselmodell setzt zudem eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es daher regelmäßig nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so ist ein paritätisches Wechselmodell in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.

„Mein Papa kommt“ – Besuchsprogramm für Kinder mit zwei Elternhäusern

Getrennt lebend

Für Väter, die getrennt und weit entfernt von ihren Kindern leben, gibt es jetzt eine neue Möglichkeit, kostenlos zu übernachten, wenn sie ihre Kinder besuchen wollen. Die bundesweite Initiative "Mein Papa kommt!" vermittelt die Väter an Gastgeberinnen und Gastgeber.
Nicht immer wohnen getrennt lebende Eltern in der gleichen Stadt. Manchmal zieht ein Elternteil um – sei es aus beruflichen Gründen oder für eine neue Beziehung. Dann stellt sich – vor allem wenn die Kinder noch nicht alleine reisen können – die Frage, wo Vater und Kind sich treffen können. Für alle, denen das Geld für Hotels oder Mietwohnungen fehlt, hält die Initiative "Mein Papa kommt" eine Lösung parat. Das Besuchsprogramm für getrennt lebende Eltern der Flechtwerk2+1 gGmbh unterstützt bundesweit bei der Suche nach kostenfreien Übernachtungsmöglichkeiten und bietet Beratungen für Eltern an. Interessierte können sich über die Homepage der Initiative anmelden. Auch in Nordrhein-Westfalen werden aktuell Gastgeber oder Gastgeberinnen gesucht. (vaeter.nrw)   Text aktualisiert am 29.05.2016

Nicht nur Besuchsvater sein

Nach einer Trennung hat das Wechselmodell einige Vorteile – gleichtzeitig gibt es Verschiedenes zu beachten

Viele Väter möchten auch nach Trennung und Scheidung den Kontakt zu ihren Kindern aufrechthalten und sich weiter an der Betreuung und Erziehung beteiligen. Umgekehrt möchten viele Mütter, nach einer Trennung (weiter) berufstätig sein. Deswegen entscheiden sich immer mehr Eltern, ihre Kinder im Wechselmodell zu betreuen und damit die elterliche Erziehungsverantwortung aufzuteilen.
Selbstverständnis und Rollenverteilung haben sich verändert: Früher war der Vater überwiegend Ernährer der Familie und zahlte nach einer Trennung zwar Unterhalt, hatte zu seinen Kindern aber meist nur am Wochenende Kontakt. In den vergangenen Jahren ist es Vätern wichtiger geworden, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und sie mit zu erziehen. Sie wollen nicht mehr nur „Besuchsvater“ sein, sondern den Alltag mit ihren Kindern teilen – auch nach einer Trennung. Das Engagement des Vaters liegt gleichermaßen im Interesse der Mutter, die dadurch entlastet wird. Dennoch müssen sich Väter die neue Rolle nicht selten gegen den Widerstand der Mütter erkämpfen.

Was genau ist das Wechselmodell?

Um das Wechselmodell zu verstehen, ist es hilfreich, ihm das klassische „Residenzmodell“ (§ 1687 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) gegenüber zu stellen. Beim Residenzmodell lebt das Kind bei einem Elternteil, der sich um die Betreuung und Erziehung des Kindes kümmert, während es den anderen Elternteil in der Regel nur am Wochenende oder in den Ferien besucht. Beim Wechselmodell verbringt das Kind – im Idealfall – annähernd gleich viel Zeit mit Vater und Mutter. Jedoch kann - je nach Ausgestaltung - schon bei einem Betreuungsverhältnis von 30 zu 70 Prozent von einem Wechselmodell gesprochen werden. Entscheidender als eine feste Prozent-Grenze ist, dass im Wechselmodell beide Elternteile den Alltag mit ihrem Kind leben und nicht eine/r nur für die Freizeit und die/der andere nur für den Alltag zuständig ist. Damit ist verbunden, dass Vater und Mutter über die Belange des Kindes entscheiden und praktische und erzieherische Aspekte gemeinsam verantworten. Das Wechselmodell hat zwei Varianten: Beim „Doppelresidenzmodell“ hat das Kind je einen Wohnsitz bei beiden Elternteilen. Beim „Nestmodell“ hingegen lebt es immer in derselben Wohnung, in der sich Vater und Mutter im Wechsel aufhalten.

Welche Rahmenbedingungen sollten vorliegen?

Damit das Wechselmodell als geeignete Betreuungsform tauglich ist, sollten folgende Rahmenbedingungen stimmen:
  • Für die Eltern sollte das Kindeswohl an oberster Stelle stehen.
  • Die Wohnungen der Eltern sollten nicht allzu weit voneinander entfernt liegen.
  • Schule und/oder Kindergarten sollten von beiden Wohnungen aus gut zu erreichen sein.
  • Der Wechsel des Kindes von einem Elternteil zum anderen sollte konfliktfrei erfolgen.
Obwohl sich immer mehr Eltern für das Wechselmodell als Betreuungskonzept entscheiden, hegen viele Väter und Mütter Vorurteile und Bedenken – auch wenn sie sich darin einig sind, dass es für das Kind wichtig ist, den Alltag mit beiden Elternteilen gleichermaßen zu verbringen. Eine Befürchtung lautet, nur gut kooperierenden, konfliktfreien Eltern gelänge ein erfolgreiches Wechselmodell. Inzwischen belegen jedoch mehrere Studien, dass auch Väter und Mütter, die anfänglich skeptisch waren und das Wechselmodell ablehnten, gute Erfahrungen damit gemacht haben, denn:
  • Kinder in Wechselmodellfamilien sind psychisch anpassungsfähiger.
  • Die Kommunikation zwischen den Eltern verbessert sich, ihr Konflikt wird entschärft.
  • Die Bindung beider zum Kind verstärkt sich.
  • Kinder können gut mit zwei Lebensmittelpunkten leben, denn Stabilität ist weniger eine Frage des Ortes, vielmehr ist die emotionale Stärke entscheidend.

Rechtliche Auswirkungen

Wird das Wechselmodell als geeignete Betreuungsform gewählt, sind damit rechtliche Auswirkungen in unterschiedlichen Bereichen verbunden:1. Unterhalt des Kindes Wenn Vater und Mutter sich die Betreuung ihres Kindes annähernd teilen, sind auch beide gleichermaßen verpflichtet, einen so genannten Barunterhalt zu zahlen (monatliches Geld für die Bedürfnisse des Kindes). Bei einem nicht paritätischen Wechselmodell – einer Betreuung zum Beispiel zu 30/70 Prozent – können dem Elternteil, bei dem das Kind seltener lebt, Teile der monatlichen Geldzahlungen erlassen werden, weil er/sie ja anteilig schon Unterhalt in Form von Wohnraum, Kleidung und Nahrung aufbringt. Dazu wird dieser Elternteil in den Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle herabgestuft (BGH, Beschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13, BGH, 21.12.2005 - XII ZR 126/03). Die Düsseldorfer Tabelle dient Gerichten als Leitlinie, wenn sie den Unterhaltsbedarf festlegen.2. Unterhaltsanspruch eines Elternteils Wenn ein Elternteil vom anderen Unterhalt fordert, sich aber Vater und Mutter beide bei der Betreuung des Kindes engagieren, wird dies auch unterhaltsrechtlich berücksichtigt. Auch dann können dem Unterhaltspflichtigen Teile seiner monatlichen Geldzahlungen erlassen werden.3. Weitere Vorschriften Die Betreuung im Wechselmodell hat auch bei weiteren rechtlichen Fragen Konsequenzen, etwa wenn es um Jugendhilfe, Schule, Steuern oder die Anmeldung des Wohnsitzes geht. Im Melderecht zum Beispiel ist geregelt, dass nur ein Hauptwohnsitz zulässig ist, auch wenn das Kind bei Vater und Mutter gleichviel Zeit verbringt. Auch den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bekommt nur ein Elternteil.  Die unterschiedlichen Gesetze, in denen Unterstützungsleistungen für Familien geregelt sind, sind größenteils noch nicht an die Anforderungen des Wechselmodells angepasst. Stattdessen muss mitunter ein wenig improvisiert werden, um praktikable Lösungen zu finden. Mehrbedarfe, die durch dieses Betreuungsmodell anfallen, sind oft noch nicht vorgesehen. Daher gilt: Wer wieviel bekommt und wer was entscheiden darf, sollte im Einzelfall gemeinsam mit der zuständigen Behörde geklärt werden. Bei finanziellen Angelegenheiten sollte, wenn immer möglich, eine einvernehmliche Lösung in Form eines finanziellen Ausgleichs zwischen den Eltern erfolgen, um z.B. Streitigkeiten zu der Frage, an welchen Elternteil bestimmte Leistungen ausgezahlt werden sollen, zu entschärfen. (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 27.06.2019