Vater ist, das was du draus machst!
vaeter.nrw

Vätergruppe

„Wir machen das für unsere Kinder“

Interkulturelle Väterarbeit in NRW

„Vater sein ist Glück, Verantwortung und Herausforderung“, sagt Balli Özgur. Für ihn und die anderen Männer in der Kölner Vätergruppe führt dies auch zur Auseinandersetzung mit den eigenen Vätern. Die waren nämlich meist wenig oder gar nicht anwesend, nämlich weit weg im fernen Deutschland als Gastarbeiter tätig.
Bayram Cen hat seinen Vater erst wiedergesehen, als er mit 18 Jahren selber nach Deutschland kam. „Und wenn man das nicht vorgelebt bekommt, hat man gar kein eigenes Vaterbild“, erklärt der 51-Jährige. „Wir sind aber engagierte Väter und wollen die Erziehungsaufgaben nicht allein den Müttern überlassen.“

Über Identität austauschen

Über ihre Kinder sind sie dann auch zur Vätergruppe gekommen: Zuerst nahmen ihre Söhne und Töchter am Lerncoaching des Vereins Couch e. V. teil, später trafen sich die Mütter dort in Gesprächsgruppen. Die Väter suchten dann auch einen Raum für ihre Fragen, beispielsweise zu Erziehungsproblemen, Schulsystem, Berufsausbildung, und wollten über Erlebtes sprechen. Darüber, wie es sich anfühlt, eine Frau zu heiraten, die einem der Onkel vorstellt und die man zuvor nur einen Tag gesehen hat. Darüber, dass die Kinder einen nicht in der Türkei begraben möchten, wie man es sich wünscht, weil sie in Deutschland heimisch sind. Seit vier Jahren treffen sich die Männer mit türkischen Wurzeln in der Vätergruppe. Inzwischen sprechen sie über ihre Erfahrungen, Ängste und Sorgen, doch das hat lange gedauert. Ein Teilnehmer hat während der ersten drei Jahre in der Gruppe nur geschwiegen und zugehört.

Ein landesweites Väter-Netzwerk

Für die Initiatoren des Projekts, Mustafa Bayram und Christian Gollmer, ist die Begleitung der Väter eine Herzensangelegenheit. „Hier denken viele Menschen, dass türkische Väter Erziehung als Frauenaufgabe abtun“, erklärt Mustafa Bayran, “aber das ist ein falsches Bild.“ Ihre Arbeit mit den Vätern im Verein fließt ein in die Landeskoordinierungsstelle für Interkulturelle Väterarbeit. Sie unterstützt und berät seit September 2012 alle Initiativen, die interkulturelle Väterprojekte begonnen haben und ausbauen oder ein neues Projekt gründen möchten.

Kooperation macht stärker

Interkulturelle Väterarbeit bedeutet immer, das Angebot sehr genau auf die jeweilige Zielgruppe abzustimmen. Einwanderer, die dem christlichen Glauben angehören und deren Familien sich schon immer auch deutsch fühlten, brauchen andere Angebote als beispielsweise Muslime aus der Türkei oder afrikanischen Staaten. Die kulturellen, religiösen und persönlichen Hintergründe der Kölner Gruppenteilnehmer hat Landeskoordinator Christian Gollmer in Interviews erfragt. „Nur über Biografiearbeit erfahren wir, welche Kenntnisse die Väter vom hiesigen Schulsystem und sonstigen gesellschaftlichen Realitäten hier haben.” Die Teilnehmer der ersten interkulturellen Vätergruppe in Köln unterstützen sich inzwischen gegenseitig bei den Herausforderungen des Alltags. „Als mein Sohn neulich Probleme in der Schule hatte, habe ich einen anderen Vater aus der Gruppe mit zur Lehrerkonferenz genommen“ erzählt Achmed Anar. Die Vätergruppe ist längst ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. „Ich bin Bäcker“, sagt Balli Özgur, „und muss sehr früh aufstehen. Aber egal wie wenig Schlaf ich bekommen habe, zur Vätergruppe gehe ich immer!“ Sie kämpfen dafür, dass ihnen gelingt, was ihre Väter nicht geschafft haben. Der fünffache Vater Achmed Anar bringt es auf den Punkt: „Vater sein, das heißt für mich: meinen Kindern bei Entscheidungen helfen, für sie da sein, den Weg gemeinsam finden!“ Kontakt: Christian Gollmer Landeskoordination für Interkulturelle Väterarbeit NRW Coach e. V. Oskar-Jäger-Str. 139 50825 Köln Tel.: 02 21 / 92 62 99 77 Mobil: 01 73 / 524 11 17gollmer [at] iva-nrw.de (gollmer[at]iva-nrw[dot]de)www.iva-nrw.de

Akteure der Landeskoordinierungsstelle für Interkulturelle Väterarbeit NRW

AWO Düsseldorf Die AWO Integrationsagentur Düsseldorf führt Vater-Kind-Aktionen durch, wie VaterKind-Fußballtage, VaterKind-Basteltage, VaterKind-Ausflugstage, VaterKind-Gartentage, das VaterKind-Zelten und den VaterKind-Kürbistag (Halloween). Das Ziel: Väter sollen bei der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder aktiver werden Kontakt: E-Mail: ataman.yildirim [at] awo-duesseldorf.de (ataman[dot]yildirim[at]awo-duesseldorf[dot]de) Tel. 0211/60025-181 - Ataman Yildirim   BIFF – Bildung, Integration, Frauen, Familie e. V. Der Verein BIFF steht für Gleichberechtigung, Chancengleichheit, Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Er bietet Räume der Begegnung, Bildung und Information, sowie Beratung und Austausch. Ein Arbeitsschwerpunkt ist die Väterarbeit, die Unterstützung und Stärkung von Familien Kontakt: E-Mail: biff-do-09 [at] gmx.de (biff-do-09[at]gmx[dot]de) Tel: 0178 7701793 - Antonio Diáz, Ansprechpartner Dortmund   Coach e. V. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, den Vätern einen Raum für ihre Fragen zu geben und will ihnen helfen, ihre eigene Lebens- und Migrationsgeschichte zu reflektieren, um ihr Leben besser bewältigen zu können. Coach e.V. möchte die Kompetenzen der Väter stärken und sie dabei unterstützen, Verantwortung für sich, ihre Familie und die Gesellschaft zu übernehmen. Kontakt: E-Mail: gollmer [at] coach-koeln.de (gollmer[at]coach-koeln[dot]de) Tel. 0221-5 46 56 25 - Christian Gollmer, Landeskoordinator   Elternnetzwerk NRW. Integration miteinander e. V. Im Elternnetzwerk NRW. Integration miteinander e. V. sind Elternvereine und Institutionen von Eltern mit Migrationshintergrund zusammengeschlossen, die sich für die Verbesserung der Bildungssituation ihrer Kinder engagieren. Das Elternnetzwerk unterstützt und fördert die Väter als aktive Partner in der Familie. Kontakt: E-Mail: info [at] elternnetzwerk-nrw.de (info[at]elternnetzwerk-nrw[dot]de) Tel: 0211 - 63 55 32 61 - Erol Celik, Vorsitzender   Kommunales Integrationszentrum Herne Im Kommunalen Integrationszentrum Herne will das Projekt „echte Väter“ die Väter in ihrer Rolle und als positives Vorbild stärken. Hier sind inzwischen vier Vätergruppen für türkische Väter aktiv. Kontakt: E-Mail: guerkan.ucan [at] herne.de (guerkan[dot]ucan[at]herne[dot]de) Telefon: 0 23 25 / 65 89 - 3 13 - Gürkan Uçan, Diplom-Sozialarbeiter   Kommunales Integrationszentrum Kreis Unna Das Kommunale Integrationszentrum (KI) Kreis Unna bietet Beratungen und Fortbildungen für Multiplikatoren zu interkulturellen Fragestellungen, Sprachförderprogrammen und kommunalen Integrationskonzepten an. Es stellt Konzepte vor, mit deren Hilfe Väter erreicht werden können. Kontakt: E-Mail: goekhan.kabaca [at] kreis-unna.de (goekhan[dot]kabaca[at]kreis-unna[dot]de) Tel: 0 23 07 / 9 24 88-77 - Gökhan Kabaca, Elementarbereich und Migrantenorganisation   Kommunales Integrationszentrum Städteregion Aachen Das Kommunale Integrationszentrum der StädteRegion Aachen setzt Maßnahmen zur Förderung von Elternkompetenz um, wie beispielsweise die Projekte „Griffbereit“ und „Rucksack“. Das Ziel: die Zahl der erziehenden Väter soll erhöht werden. In seiner Zusammenarbeit mit den Vätern legt das Integrationsbüro der StädteRegion Aachen wert auf ein Miteinander von deutschen Vätern und Vätern mit Migrationshintergrund. Kontakt: E-Mail: timur-bozkir [at] staedteregion-aachen.de (timur-bozkir[at]staedteregion-aachen[dot]de) Tel.: 0241 51984600 - Timur Bozkir   Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung Zu den Aufgaben des ZfTI gehören die deutsche, türkische und europäische Migrations- und Integrationsforschung, die Anregung und Vernetzung wissenschaftlicher Forschung mit der Türkei und die Förderung des Wissenschaftleraustauschs zwischen der Türkei und Deutschland. Das Institut ist eine Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen. Kontakt: E-Mail: zfti [at] zfti.de (zfti[at]zfti[dot]de) Tel.: 0201 31980 - Michael Tunç, Cem Sentürk   Text aktualisiert am 10. Juni 2016

Väter auf der Flucht

Gastbeitrag

„Neue Zeiten bringen neue Ideen und machen neue Kräfte mobil.“ Dieser Satz stammt von Marie Juchacz, der Begründerin der AWO. Die unzähligen Kriegsversehrten, Witwen, Waisenkinder, Arbeitslosen und Flüchtlinge des Ersten Weltkrieges ließen sie aktiv werden und eine Gemeinschaft organisieren, in der Bedürftige sich gegenseitig solidarisch helfen. – Ein Gastbeitrag von Ataman Yildirim, Interkulturelle Väterarbeit NRW

Angebote für Väter aus Kriegs- und Krisengebieten

Seit einiger Zeit hat das Thema „Flucht aus Kriegs- und Krisengebieten“ auch die Väterarbeit erreicht. Unter den Flüchtlingen, die Schutz in Deutschland suchen, befinden sich viele Familien mit Kindern und auch viele Männer, die ihre Familien in Flüchtlingslagern nahe der Heimat zurücklassen mussten. In den Vätergruppen der AWO Düsseldorf entwickelte sich das Bedürfnis nach kontinuierlichem Austausch. Das Bedürfnis der „geflüchteten“ Väter wurde aufgegriffen, indem wöchentliche Gesprächsrunden eingerichtet wurden. So treffen sich seit Sommer 2015 wöchentlich rund 20-30 Väter, die meisten aus Syrien und dem Irak. Sie schätzen diese Begegnungen, bei denen sie über alles berichten können, was ihnen am Herzen liegt und was sie belastet. Ein Mann, kurdischer Jeside aus dem Nord-Irak, zeigt beispielsweise Fotos seiner Familienangehörigen und berichtet, dass ein Großteil von ihnen von Terrorgruppen entführt wurde. Unter ihnen auch kleine Kinder, er weiß nicht, was mit ihnen passiert ist.

Gesprächsbedarf ist groß

Diese Erfahrungen teilen viele dieser Männer. Krieg und Flucht haben Wunden hinterlassen, physisch und psychisch. Gewalterfahrungen, Verlust von Familienangehörigen durch Tod oder Entführung, zerstörte Häuser und Existenzen, auseinandergerissene Familien – die persönlichen Schicksale sind vielfältig. Die Flucht nach Deutschland war lang und gefährlich. Der Gesprächsbedarf ist groß und es tut den Männern gut, von ihren Erlebnissen zu berichten. In der Gruppe haben sie Menschen um sich, die ihnen zuhören und sie verstehen. Sie werden in der Gruppe angenommen und ernst genommen. Hilfreich ist, dass es muttersprachliche Unterstützung von pädagogischen Fachkräften gibt. Zu den Fluchterfahrungen kommen noch die neuen Alltagserfahrungen hinzu, die das Leben in Deutschland mit sich bringt. Plötzlich sehen sich die Männer einer anderen Kultur gegenüber, einer fremden Sprache, einer anderen Religion und westlichen Wertvorstellungen. Sie befinden sich zwar in Sicherheit, doch ist die Unsicherheit über ihre eigene Zukunft und die ihrer Kinder groß. In ihrer Heimat waren die Männer mündige Bürger: Sie hatten sich eine Existenz aufgebaut und konnten ihre Familien versorgen. Sie fühlten sich sicher in ihrer Rolle als Ernährer und Vorbild der Familie. In Deutschland leben die meisten von ihnen jetzt in Gemeinschaftsunterkünften auf engstem Raum mit anderen und sind abhängig von der Hilfe anderer. Sie fühlen Scham, Hilflosigkeit und sind desillusioniert. Ihre Lebensumstände können sie plötzlich nicht mehr beeinflussen, das nimmt ihnen und ihren Familien den Halt. Viele der Geflüchteten sehen ihren Aufenthalt nur als vorübergehend an und hoffen auf eine Rückkehr in ihr Heimatland. Dies erscheint häufig aussichtslos. Auch die Kinder dieser Männer sind häufig Zeugen oder sogar selbst Opfer von Gewalt geworden. Auch sie mussten alles zurücklassen und können mit ihrem neuen Leben überfordert sein. Das alles kann ihre Entwicklung beeinträchtigen. Gerade jetzt benötigen sie die emotionale Zuwendung ihrer Eltern, die diese aber oftmals gar nicht geben können, weil sie ihre eigenen traumatischen Erlebnisse noch nicht verarbeitet haben.

Vätergruppen können keine Traumatherapie ersetzen

Die Vätergruppen ersetzen keine Traumatherapie. Sie können aber bei der Stabilisierung der Familien und einer schnelleren Integration sehr hilfreich sein, denn sie geben Raum zum Informations- und Erfahrungsaustausch. Wenn Themen wie Erziehung, das deutsche Bildungssystem, die Arbeit von Behörden und Institutionen sowie andere relevante Fragen besprochen werden, erleichtert dies den Männern, die ersten Schritte zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Deutschland zu gehen. Den Männern wird in der Vätergruppe auch vermittelt, dass Kinder beide Elternteile brauchen, die ihnen Geborgenheit geben, Interesse an ihrer Entwicklung zeigen, bei Konflikten helfen und ihnen Hoffnung und eine Perspektive geben. Die Väter lernen mehr darüber, wie wichtig ihre Rolle im Entwicklungsprozess der Kinder ist, und dass sie ihre Beziehung aktiv durch ihre Zuwendung, Anerkennung und Achtsamkeit gestalten können. Kinder sehen den Vater als Vorbild und lernen gerne von ihm. Gemeinsame Unternehmungen und Aktivitäten helfen beim Beziehungsaufbau. Der Vater lebt den Kindern auch vor, wie man mit negativen Gefühlen und Konflikten umgehen kann. Dass es auf die Fähigkeit ankommt Situationen zu reflektieren, über Gefühle zu kommunizieren und sie zu besprechen. Eine wirkliche Willkommenskultur ebnet den Weg für eine erfolgreiche Arbeit mit geflüchteten Vätern in Deutschland. Eine Willkommenskultur, die geschützte Orte bietet, frei von Anfeindungen und Ablehnung. Das Gefühl, gewollt zu sein und auf Menschen zu treffen, die Empathie und Menschlichkeit entgegenbringen, macht es den Geflüchteten emotional möglich, sich der Aufnahmegesellschaft zu öffnen. Gesprächsgruppen für geflüchtete Väter sind ein wichtiger und unterschätzter Baustein im Prozess der Integration. Die Bedürfnisse von Männern und hier im Besonderen von Vätern werden häufig übersehen. Damit sie aber ihrer Verantwortung in der Familie und in der Gesellschaft gerecht werden können, ist die Arbeit wegweisend für eine funktionierende multikulturelle Gesellschaft.Die Integrationsagentur der AWO Düsseldorf ist Mitglied im Facharbeitskreis für Interkulturelle Väterarbeit in NRW. Bereits seit 2008 organisiert sie unter Federführung von Ataman Yildirim Vätergruppen. Vätern mit Migrationshintergrund werden besondere Angebote gemacht, um sie zu unterstützen, aktiv und engagiert ihre Kinder besser auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Er selbst machte die Erfahrung, dass Bildung und Integration von Kindern besser gelingen, wenn man das Engagement von Vätern mit Migrationshintergrund in der Erziehung stärkt.   Text aktualisiert am 25. Mai 2016