Vater ist, das was du draus machst!
vaeter.nrw

Vereinbarkeit

Väter zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Mehr Zeit für die Familie

Wo bleibt die Zeit? Dieser Frage geht die Zeitverwendungsstudie des Statistischen Bundesamtes 2015 auf den Grund. Die aktuellen Daten wurden im August 2015 vorgestellt und bringen neben Erwartbarem auch einige neue Erkenntnisse.
Jeder dritte Vater wünscht sich mehr Zeit für seine Kinder, jeder zweite berufstätige Vater möchte seine Arbeitszeit eigentlich reduzieren. Laut Studie gelingt das aber nach wie vor nicht: Statistisch gesehen verbringen Väter lediglich zehn Minuten mehr pro Tag mit ihrem Nachwuchs als vor zehn Jahren und kommen somit auf 51 Minuten täglich. Mütter betreuen ihre Kinder immer noch doppelt so lange wie Väter. Sie wenden eine Stunde und 45 Minuten pro Tag für diese Tätigkeit auf. Die Studie betrachtet auch den Anteil bezahlter und unbezahlter Arbeit: Frauen arbeiten durchschnittlich 70 Prozent ihrer Zeit unbezahlt und 30 Prozent im Job. Männer dagegen verbringen 62 Prozent mit bezahlter Arbeit und 38 Prozent unbezahlt. Zusammen genommen arbeiten Frauen wöchentlich eine Stunde länger als Männer. Seit der letzten Zeitverwendungsstudie 2003 arbeiten Väter heute 3,5 Stunden mehr in unbezahlter Hausarbeit und Kinderbetreuung als vor zwölf Jahren. Erwerbstätige Väter arbeiten im Schnitt 40 Stunden, sogar eine Stunde länger als Männer ohne Kind. Dr. Martin Bujard vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung erklärt dieses Phänomen mit der Übernahme finanzieller Verpflichtungen für die Familie: Viele Väter würden das fehlende Gehalt mit längerer Arbeitszeit auffangen, wenn die Mütter nach der Geburt des Kindes ihre Erwerbstätigkeit reduzieren. Diese Entwicklung widerspricht jedoch den Wünschen der meisten Väter, mehr Zeit mit der eigenen Familie zu verbringen.

Väterzeit im Haushalt und mit Kinderbetreuung

Laut den Daten des Statistischen Bundesamts verbringen Väter in Deutschland durchschnittlich drei Stunden pro Tag mit Haushaltsführung und Betreuung der Familie, Mütter noch einmal zweieinhalb Stunden mehr als ihre Partner. Im internationalen Vergleich ist die Zeit, die Väter in Deutschland mit Kinderbetreuung und Hausarbeit verbringen, in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen (Abb. 1a). Kinderbetreuung zeigte dabei einen noch deutlicheren Aufwärtstrend als Hausarbeit. Nicht nur die Zeit in Minuten, sondern auch der Anteil der Väter, die überhaupt Zeit mit ihren Kindern verbringen, nahm in den vergangenen zehn Jahren deutlich zu.  Nach einer aktuellen Umfrage des Allensbach Instituts für Demoskopie bejahen 57 Prozent der befragten Eltern die Aussage „Ich finde es für eine Familie am besten, wenn beide Eltern gleich viel arbeiten und sich die Kinderbetreuung gleichermaßen aufteilen." Doch bei der Betreuung der Kinder und bei der übrigen Familienarbeit schultern die Mütter nach wie vor den größeren Teil der Aufgaben. Väter erledigen deutlich weniger, so die Ergebnisse dieser Umfrage. Aktuell übernehmen 74 Prozent der Väter weniger als die Hälfte der Kinderbetreuung, ein Gutteil von ihnen sogar nur einen kleinen Teil oder kaum etwas. Diese Aufteilung wird den Idealvorstellungen vieler Väter und Mütter nicht gerecht, denn: 52 Prozent der Väter würden am liebsten die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen, sechs Prozent sogar mehr als die Hälfte. Fast ein Drittel der Väter gibt an, dass sie sich gern auch im Alltag mehr um ihre Kinder kümmern würden, als es ihnen im Moment möglich ist.

Familienzeit – die Qualität zählt

Immerhin 69 Prozent der aktuell befragten Väter sind davon überzeugt, sich mehr an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder zu beteiligen als ihre Väter es früher taten. Und um die Freuden und Ängste eines Kindes zu teilen, braucht man Zeit – Zeit fürs Zuhören, Kuscheln und einfach nur „da sein“. Ein Papa muss nicht Supermann sein, denn diese Rolle überfordert Männer: Jeder dritte Mann – bei den Singles sogar jeder zweite – hat das Gefühl, den an ihn gestellten Erwartungen nicht gewachsen zu sein. (vaeter.nrw)   Text aktualisiert am 10. Juni 2016

Vier Kinder und viel Verantwortung

SPITZENVATER

Was gehört alles zu einem guten Papa? Wir haben jemanden gefragt, der es wissen muss: Christoph Paas aus Köln ist „Spitzenvater des Jahres“. Mit diesem Titel würdigt die Großbäckerei Mestemacher jedes Jahr partnerschaftliche Ehe- und Familienmodelle. An diesem Wochenende hat Christoph Paas den Preis in Berlin entgegengenommen.
vaeter.nrw: Wie entstand die Idee zur Bewerbung?Christoph Paas : Ich muss gestehen, dass ich bis vor kurzem noch nie etwas von dem Preis gehört hatte... Eine sehr gute Freundin hatte dann die Idee, mich für diesen Preis vorzuschlagen.
vaeter.nrw: Was sind die Faktoren, was wurde von der Jury besonders gelobt?Christoph Paas : Es geht bei diesem Preis darum, inwieweit man(n) seine Partnerin unterstützt und besonders im Hinblick auf ihr berufliches Weiterkommen den Rücken stärkt. In meinem Fall war wohl entscheidend, dass unser Familienmodell für beide genau gleichberechtigt ist. Keiner sollte beruflich oder privat benachteiligt werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir uns gleichermaßen intensiv um die Kinder kümmern.
vaeter.nrw: Wie sieht denn die Aufgabenteilung im Detail aus?Christoph Paas : Dafür gibt es bei uns kein klares Konzept. Jeder übernimmt im Prinzip alle Aufgaben. Na ja, vielleicht kaufe ich etwas häufiger ein … Aber das liegt eher daran, dass wir kein Auto besitzen und für einen Sechs-Personen-Haushalt ganz schön große Mengen benötigen. Es gleicht sich aber an anderer Stelle gut aus. Anders ist das mit den Aufgaben, die die Kinder übernehmen. Hier ist es durchaus hilfreich, die Pflichten klar zu benennen, bis sie einen Blick dafür entwickelt haben.
vaeter.nrw: Gibt es Aufgaben, die Sie ungern übernehmen?Christoph Paas : Ja, unbedingt. Sämtliche Formulare und Korrespondenz, zum Beispiel für das Kinder- oder Elterngeld, gebe ich sehr gerne ab. Allerdings geht es meiner Lebensgefährtin genauso, und so erledigen wir solche Aufgaben am Ende doch gemeinsam.
vaeter.nrw: Und beruflich?Christoph Paas : Beruflich haben wir das Glück, dass wir durch unsere Selbstständigkeit flexibel reagieren können. Bei Bedarf halten wir uns gegenseitig den Rücken frei. Natürlich klappt das nicht immer reibungslos und manchmal gibt es auch Überschneidungen von Terminen. Da wir unseren und meinen Kindern möglichst viel Zeit einräumen, werden die Arbeitstage eben manchmal abends weitergeführt. Das ist natürlich nicht immer schön und könnte noch verbessert werden. Andererseits kenne ich keine kinderreiche Familie, bei der die Eltern allzu früh schlafen gehen.
vaeter.nrw: Warum haben Sie sich für Ihr Familienmodell entschieden?Christoph Paas : Bei uns beiden gab es den Wunsch, möglichst viel an der Entwicklung und Erziehung unserer Kinder teilzuhaben. Vier Kinder bedeuten eine große Verantwortung und Aufgabe. Dieser möchten wir so gut wie möglich gerecht werden. Dazu kommt, dass Birgit und ich Berufe ausüben, die wir sehr gerne machen. Also war unsere Entscheidung ziemlich schnell getroffen. Keiner sollte mit seinen Bedürfnissen zu kurz kommen. Weder die Kinder, noch meine Partnerin und ich natürlich auch nicht.
vaeter.nrw: So ein Preis ist auch eine Bestandsaufnahme für die Familie. Wie möchten Sie ihr Modell noch verbessern?Christoph Paas : Das lässt sich im Moment schwer prognostizieren und hängt von vielen unterschiedlichen Faktoren ab: zum Beispiel von meiner Auftragslage oder der Entwicklung der Kinder. Ich denke, das Wichtigste ist, aufmerksam und flexibel zu bleiben, um unser Familienmodell immer den jeweiligen Lebensbedingungen anzupassen.
vaeter.nrw: Was sagen die Kinder zum Preis?Christoph Paas : Na ja, meine Kleinsten haben es bisher noch nicht kommentiert. Meine 17-jährige Tochter ist zur Zeit für ein Schuljahr in den USA und erfuhr es über eine E-Mail, die sie erstmal für einen Scherz hielt ... Und mein 13-jähriger Sohn nutzt jetzt jede Gelegenheit, um mich bei meinem neuen Titel zu nennen. Ich glaube, alle Vier freuen sich für mich.
Zur Person:

Christoph Paas

Erzählen Sie kurz etwas über sich und ihre Familie. Ich bin gelernter Orgel- und Harmoniumbauer. Etwa 17 Jahre habe ich in festem Arbeitsverhältnis in den unterschiedlichsten Bereichen dieses Berufs gearbeitet. Seit Ende 2014 habe ich in Köln meine eigene Werkstatt, in der ich mich der Herstellung und Restaurierung von Handzuginstrumenten widme, genauer: von Bandoneons. Meine Lebensgefährtin Birgit arbeitet seit 10 Jahren als selbstständige Illustratorin und Grafikerin. Gemeinsam haben wir zwei Töchter, die jüngere ist gerade ein Jahr alt geworden, die ältere wird drei im April. Zwei weitere Kinder im Alter von 13 und 17 Jahren habe ich mit in die Beziehung gebracht. Zusammen leben wir in Köln. (vaeter.nrw)                                                                                                                                                                                                                                 Text aktualisiert am 31. Mai 2016

Themen Vier Kinder und viel Verantwortung

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Mehr Gleichberechtigung, mehr Flexibilität

ElterngeldPlus – was ändert sich für Väter?

Schon mit dem bisherigen Elterngeld sollten Eltern leichter – ganz oder teilweise – auf eine Erwerbstätigkeit nach der Geburt verzichten können, um mehr Zeit für ihr Kind zu haben. In der Praxis war es für die Väter aber oft noch schwierig, beim Arbeitgeber eine längere Elternzeit durchzusetzen. Und eine wirklich gleichberechtigte Aufteilung von Erwerbsarbeit und Familienaufgaben hat sich mit dem bisherigen Elterngeld nicht wirklich gel...

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Verschlungene Pfade zur Familiengründung

Kinderwunsch und Wirklichkeit

Viele alte Vorstellungen von Geschlechterrollen wurden in den letzten Jahren über Bord geworfen. Doch Veränderungen bringen auch Schwierigkeiten. Väter und Mütter müssen ihre Rollen neu definieren und ein neues Selbstverständnis finden. Mit ihrer veränderten Position konfrontiert, schrecken viele Männer vor der übergroß erscheinenden Verantwortung einer Vaterschaft zurück.

Balance und Austausch

VÄTERNETZWERK NRW

Unternehmen helfen Vätern, sich zu vernetzen – über das Väternetzwerk NRW. Dort können sie sich informieren, untereinander austauschen und ihre Rollen in Job und Familie in Einklang bringen. ista, ein Anbieter für Energiedatenmanagement, macht es vor und ist seit November 2015 Teil des Väternetzwerks. Ein Gespräch mit HR-Projekt-Managerin Aida Azadfar über die Bedürfnisse der Väter, über Chancen und Ziele.
vaeter.nrw: Weshalb ist ista dem Väternetzwerk NRW beigetreten?Aida Azadfar: Work-Life-Balance hat bei ista einen hohen Stellenwert. Wir glauben, dass Top-Leistungen nur dann möglich sind, wenn die Balance stimmt und unsere Mitarbeiter ein ausgeglichenes Leben führen können. Für Familien gibt es einige Angebote bei ista. Da Väter sehr häufig die tragende berufliche Rolle in der Familie haben und zusätzlich und zunehmend familiäre Arbeit leisten, haben sie gezielte Unterstützung nötig – und verdient.
vaeter.nrw: Wie sieht denn die Unterstützung für Familien bisher aus?Aida Azadfar: Wir haben eine Reihe von Projekten, die Mütter und Väter gleichermaßen ansprechen: Einen Familienservice, der beispielsweise zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt bei der Vermittlung von Kitaplätzen und Tagesmüttern hilft. Wir haben ein Familienzimmer im Headoffice, falls ein Elternteil sein Kind mit zur Arbeit bringt, weil die Betreuung ausgefallen ist. In dem Zimmer steht ein komplett ausgestatteter Schreibtisch – neben dem Wickeltisch und vielen Spielsachen. Wir ermöglichen außerdem flexible Arbeitszeiten und Home-Office wo es betrieblich möglich ist.
vaeter.nrw: Das sind eine ganze Menge interne Aktivitäten. Was kommt seit November 2015 durch das Väternetzwerk hinzu?Aida Azadfar: Dazu gehören Workshops, Vorträge und Webinare, etwa mit dem Thema „Selbstbewusste Töchter, starke Väter“ oder „Resilienz – gute Bindung von Anfang an. Die Bedeutung des Vaters für das Selbstvertrauen der Kinder“. Außerdem können wir über das Netzwerk Vater-Kind-Aktivitäten anbieten: von der Babymassage, übers Klettern, Floßabenteuer, Bogenschießen bis zum Geocaching. Ein großer Pluspunkt der Aktivitäten: Väter aus ganz verschiedenen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen finden zusammen, tauschen sich aus und vernetzen sich. So entstehen neue Ideen und Lösungen.
vaeter.nrw: Welches Feedback bekommen Sie bisher?Aida Azadfar: Die Resonanz ist sehr positiv. Wir merken, dass die Väter es schätzen, im Fokus zu stehen und Aufmerksamkeit für ihre Themen und Sorgen zu bekommen. Für uns war der Beitritt zum Netzwerk aber nur der Startschuss. Wir sind offen für weitere Initiativen und wollen das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig noch ausbauen.
vaeter.nrw: Familienfreundlichkeit misst sich nicht allein in Beratungsangeboten und der Förderung von Freizeitaktivitäten, oder? Aida Azadfar: Richtig, deshalb ist unsere Teilnahme am Väternetzwerk auch in erster Linie eine Initiative, mit der wir ein schrittweises Umdenken bei ista anstoßen wollen. Uns liegt viel am Wohlbefinden und der Gesundheit aller Mitarbeiter. Wenn sich eine Mutter oder ein Vater beispielsweise um die Betreuung der Kinder Sorgen macht, ist das für alle Seiten schlecht. Am Ende entscheiden aber auch unsere Möglichkeiten und Ressourcen, wie wir unsere Mitarbeiter unterstützen können. (vaeter.nrw.de)
Zur Person:

Aida Azadfar

Themen Balance und Austausch

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Wie sag ich‘s meinem Chef?

Elternzeit & Vereinbarkeit

Natürlich treffen Väter, die Elternzeit anmelden, nicht bei jedem Chef auf ungeteilte Begeisterung. Aber mit guter Vorbereitung und etwas Geschick lässt sich diese Hürde nehmen. „In der Regel werden die zwei Monate Elternzeit in den Firmen durchgewinkt“, sagt Hans-Georg Nelles, der seit über 15 Jahren für zahlreiche Projekte im Themenfeld „Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“ verantwortlich ist.

„Viel Kraft und hilfreiche Springer an der Seite“

Unterstützung für Alleinerziehende

Väter-Coach Ansgar Röhrbein ist Autor eines Ratgebers und Mitglied im Väter-Experten-Netz Deutschland, VEND e.V. Der Diplom-Pädagoge und Therapeut ist selbst Vater von drei Kindern, lebt und arbeitet in Lüdenscheid.
vaeter.nrw: Die alleinerziehenden Väter gibt es nicht, ihre Lebensumstände unterscheiden sich stark. Was charakterisiert die verschiedenen Lebenssituationen alleinerziehender Väter Ihrer Erfahrung nachAnsgar Röhrbein: „Sie sagen es! Die alleinerziehenden Väter gibt es nicht! Mütter übrigens auch nicht. Es macht sicherlich in der ersten Zeit der primären Verantwortungsübernahme für das eigene Kind oder seine Kinder einen großen Unterschied, ob ich mich „von jetzt auf gleich“ quasi „aus der Not geboren“ in dieser Situation befinde, oder ich mich nach einem längeren Prozess des Verarbeitens, Nachdenkens und Aushandelns dazu geplant entschieden habe. Darüber hinaus kann die eigene Verfassung auch einen erheblichen Einfluss auf die väterliche Rollenübernahme und Gestaltung haben: • Wie stark leide ich selber noch unter dem Tod oder Verlust meiner Partnerin/meines Partners? Gibt es eine gemeinsame Kommunikation und Kooperation bezüglich der Kinder? Fühle ich mich eher als Verlierer, oder als Gestalter der Situation? • In wie weit fühle ich mich in meiner Person und Aufgabe von meiner Umgebung gesehen? • Wen habe ich an meiner Seite, der Teile der Verantwortung mitträgt? Nach Trennungs-Situationen, in denen der Vater verlassen wurde, oder nach plötzlichem Verlust durch Krankheit oder Tod muss der Vater als Mann und Partner mit dem Verlust zunächst zurechtkommen. Bei abgestimmten und ausgehandelten Situationen ist der Vater eher im vollen Besitz seiner Kräfte und kann sich der Aufgabe vermutlich leichter stellen. Vollzeitarbeitende Väter haben nicht selten mit der Frage zu kämpfen, wie eine gute Betreuung und Versorgung ihrer Kinder in ihrer berufsbedingten Abwesenheit organisiert und gewährleistet werden kann. Väter, die staatliche Leistungen beziehen, machen sich vermutlich eher Gedanken um die Finanzierung notwendiger zusätzlicher Anschaffungen oder z. B. von Klassenfahrten etc.“
vaeter.nrw: Wenn ein Mann plötzlich allein die Verantwortung für seine Kinder trägt – was raten Sie ihm für die erste Zeit? Was hilft Vätern, diese zu meistern?Ansgar Röhrbein: „Mit Ratschlägen tue ich mich etwas schwer, da jede Situation einmalig ist und ihre eigenen Gesetze hat. Daher braucht jede Situation ihre ganz individuelle maßgeschneiderte Lösung! Aus meiner Erfahrung ist es allerdings für den Vater und insbesondere für die Kinder in der ersten Zeit hilfreich zu schauen, was an bisheriger Routine beibehalten werden kann und was einer Veränderung bedarf. In der Regel hilft es den Kindern, wenn bestimmte Strukturen und Rituale im Alltag bestehen bleiben, damit sie sich daran 'festhalten' können. Dann braucht die Familie einen Plan – nach dem Motto wer, was und wann? Was kann der Vater alleine leisten, was kann welches Kind übernehmen, was kann die Mutter noch tun und wer wird die Familie darüber hinaus unterstützen können? Braucht es ein ergänzendes Tagespflegeangebot, andere Zeiten in der KiTa, Unterstützung durch den Arbeitgeber, die Familie usw.? In diesem Klärungs- und Sortierungsprozess kann eine neutrale Vertrauensperson aus dem familiären Umfeld (eine (Paten-)Tante, ein Freund, etc.) oder eine Fachkraft einer Beratungsstelle/des Jugendamtes oftmals unterstützend wirken. Natürlich braucht der Vater in dieser turbulenten Zeit auch Raum für sich selbst: zum Überlegen, Planen, Verschnaufen, Erholen, Trauern, usw.. Nicht selten nimmt der Alltag den Vater aber so sehr in Beschlag, dass es wichtig ist, wenn gute Freunde einfach mal vorbeikommen und den Vater „einpacken“ oder alles für einen gemütlichen Abend mitbringen.“
vaeter.nrw: Welche Tipps haben Sie für alleinerziehende Väter, wie diese Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können?Ansgar Röhrbein: „Je nach Arbeitssituation war es für die meisten alleinerziehenden Väter, die ich kennenlernen durfte, wichtig, dass sie auf ein stabiles Betreuungssystem bauen konnten, dass auch mal in hektischen Berufszeiten flexibel reagieren kann. Sei es, dass es eine verlässliche Tagesmutter gibt, bei der die Kinder auch schon mal übernachten können; oder 'neutrale' Großeltern und Verwandte (mütterlicher/väterlicherseits), die den Rücken freihalten oder eine verbindliche Regelung zwischen den Eltern selbst. Je isolierter ein Vater sich mit den Kindern erlebt, desto größer sind häufig der gefühlte Druck und die Last der Verantwortung. Wichtig ist auch, frühzeitig mit dem eigenen Arbeitgeber über Maßnahmen für die Fälle zu sprechen, in denen ein Kind von KiTa oder Schule unvorhergesehen abgeholt werden muss oder morgens ein Kind erkrankt ist. Es ist entlastend, wenn es verbindliche Absprachen gibt, auf die ich als Vater mit ruhigem Gewissen zurückgreifen kann. Home Office, Arbeitszeitkonten mit flexibler Arbeitszeit etc. sind z. B. entlastende Varianten, die mehr Flexibilität im Sinne einer guten Balancierung der eigenen Wünsche, der Bedürfnisse der Kinder und der Erwartungen des Arbeitgebers mit sich bringen. Darüber hinaus ist es nach meiner Erfahrung hilfreich, wenn sich der Vater mal zwischendurch kinderfreie Urlaubstage gönnt, wenn dies möglich ist. Frei nach dem Motto: Geht’s dem Papa gut – geht es den Kindern gut.“
vaeter.nrw: Was sind Ihre Erfahrungen: Ist es für Männer in dieser Situation ganz wichtig, Vollzeit zu arbeiten oder welche Modelle sind dabei noch – und vielleicht besser – lebbar?Ansgar Röhrbein: „Das hängt von zahlreichen Faktoren ab und kann nur individuell überlegt werden. Zudem befinden sich auch alleinerziehende Väter nicht unbedingt in einer Welt, in der sie sich alles wunschgemäß zusammenstellen können. Oftmals existieren zahlreiche strukturelle oder versorgungstechnische Zwänge, die sich nicht einfach zur Seite schieben lassen. Zum einen muss der finanzielle Rahmen stimmen, zum anderen brauchen die jeweiligen persönlichen Bedürfnisse eines jeden Kindes und des Vaters selbst eine zumindest ausreichende Berücksichtigung. Hilfreich ist eine verständnisvolle Reaktion des Arbeitgebers, insbesondere in der ersten Zeit des Zusammenwachsens, bis sich die Dinge ein wenig eingespielt haben. Um hier erfolgreich verhandeln zu können, empfiehlt es sich im Vorfeld, genau zu überlegen, was ich meinem Arbeitgeber anbieten kann (z.B. Home Office oder Arbeit am Wochenende (wenn die Kinder durch andere versorgt sind), etc.).“
vaeter.nrw: Welche Erfahrungen machen Sie mit dem Thema alleinerziehende Väter und Haushalt, alleinerziehende Väter und Fürsorgeaufgaben? Ansgar Röhrbein: „Grundsätzlich erlebe ich die Väter hier sehr engagiert und kompetent. Dass Väter dazu gut in der Lage sind, haben ja zahlreiche Studien belegt. Der eine oder andere lässt sich auch schon mal von seiner Schwester unter die Arme greifen, aber das Gros der Väter, die ich erleben konnte, stellt sich ganz selbstverständlich sowohl den hauswirtschaftlichen als auch den fürsorglichen Aufgaben. Nach heftigeren Trennungs- und Scheidungsprozessen kann es schon mal vorkommen, dass die Mutter sich Sorgen macht und anruft, da sie ihr Kind vom Vater unterversorgt erlebt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dann aber in der Regel heraus, dass beide Eltern zwar unterschiedliche Vorstellungen haben, sich das Kind aber bei beiden gleich gut fürsorglich behandelt fühlt – nur anders“.
vaeter.nrw: Wie schafft man es als Alleinerziehender, alles unter einen Hut zu bekommen, ohne dabei selber auf der Strecke zu bleiben? Ansgar Röhrbein: Natürlich ist ein Leben mit Kindern immer von Überraschungen und Herausforderungen geprägt, die aber durch die „kuscheligen“, spaßigen und bedeutungsvollen Momente meistens ausgeglichen werden. Als alleinerziehender Vater bin ich immer mittendrin und primär alleine verantwortlich. Dies kann schon einmal darin münden, dass man sich als Einzelkämpfer erlebt und an den Rand er eigenen Kräfte gerät. Spätestens dann macht es aus meiner Sicht Sinn, auch über professionelle Hilfe nachzudenken, bevor die Situation im Kollaps endet. Eine neutrale Person, die hilft zu sortieren, zu verstehen, zu vermitteln, zu dolmetschen und hilfreiche Prioritäten zu setzen, kann dann Gold wert sein.“
vaeter.nrw: Ist es für einen alleinerziehenden Vater ein Unterschied, ob er Töchter oder Söhne hat? Ansgar Röhrbein: „Nun ja, zum einen ja – zum anderen nein. Ich denke, es gibt Situationen, da ist es für beide Eltern ein Unterschied, ob sie eine Tochter oder einen Sohn erziehen, und es gibt Situationen, in denen macht es keinen Unterschied. Wenn mein Sohn auf mich zukommt und mit mir als Vater über Probleme mit seiner Vorhaut zu sprechen, habe ich es vermutlich leichter, als wenn meine Tochter mit mir über den geeigneten Tampon diskutieren möchte. Einfach, weil ich beim ersten Thema besser mitreden kann. Hier habe ich den einen oder anderen Vater schon einmal vorrübergehend verunsichert erlebt, bis er für sich eine geeignete Position gefunden hatte. Andere Themen wie Grenzen setzen, Ausgangs- und PC-Zeiten u. ä. machen vermutlich allenfalls einen gefühlten Unterschied aus, faktisch aber eher nicht.“
vaeter.nrw: Wie gehe ich als Vater von einer Tochter damit um, dass ihr nun das weibliche Rollenvorbild fehlt?Ansgar Röhrbein: „Dass ist ja nicht unbedingt gesagt, dass das weibliche Rollenvorbild fehlt. Viele Eltern schaffen es ja recht gut, eine Einigung über eine geteilte Verantwortung zu erzielen. Wenn der Vater nun die Hauptverantwortung trägt, kann die Mutter ja dennoch im Leben der Kinder präsent bleiben. Trotzdem wird es vermutlich Situationen geben, die für Tochter und Vater herausfordernd sein können. Insbesondere dann, wenn die Tochter sich zur Frau entwickelt und echte 'Frauenthemen' anstehen. Hier erlebe ich viele Väter sehr ehrlich. Die einen sagen: 'Da muss ich mich erst mal schlau machen, aber ich weiß nicht, ob das reichen wird'. Andere sagen z. B.: „Das ist echt nicht mein Ding mit Tampons, Regelblutung, Gebärmutterhals-Krebsvorsorge und so, damit will ich mich gar nicht erst näher befassen. Ich habe meine Schwester darum gebeten, ob sie das mit meiner Tochter klären kann“. So überlegen viele Väter, welche vertrauten weiblichen Bezugspersonen sie in diesen Fragen unterstützen können und damit auch (neben der Mutter) Rollenvorbild für die Tochter sein können. Ich glaube daher, dass es im gewissen Sinne eine Typfrage ist: Was traue ich mir zu? Wo kann ich noch was lernen und will das auch? Was ist eher nicht mein Ding?“
vaeter.nrw: Wie sollten alleinerziehende Väter damit umgehen, wenn sie sich neu verlieben?Ansgar Röhrbein: „Zunächst einmal sollten sie den Kindern Zeit geben, sich langsam daran zu gewöhnen. Häufig erleben sich die Kinder in solchen Situationen in einem Chaos der gemischten Gefühle: Einerseits gönnen sie vermutlich dem Vater eine Freundin, andererseits halten sie ihrer Mutter die Treue und drittens haben sie eventuell Sorge bezüglich der möglichen Veränderungen und erneuten Schwierigkeiten. Aus der väterlichen Perspektive empfiehlt es sich daher, mit viel Fingerspitzengefühl vorzugehen, damit sich die Kinder nicht von heute auf morgen vor vollendete Tatsachen gestellt sehen. Unter solchen Vorzeichen sind eine behutsame Kontaktaufnahme und ein vorsichtiger Beziehungsaufbau angezeigt. Väter, die ihren Kindern gleich eine neue Mama präsentieren, überfordern vermutlich ihre Kinder emotional, auch wenn sie selbst damit nur ihrem Wunsch nach Unterstützung Ausdruck verleihen (wollen). Ein gestaffeltes Vorgehen, das mit ersten kleinen stundenweisen Kontakten und Unternehmungen beginnt und langsam mit dem Zutrauen der Kinder auch im gemeinsamen Umfeld anwächst, ist am ehesten geeignet, ohne dass die eigenen Wünsche nach Zweisamkeit darunter leiden müssen“.
vaeter.nrw: Welche Erfahrungen machen alleinerziehende Väter mit „der gesellschaftlichen Meinung“, mit Freunden, Verwandten?Ansgar Röhrbein: „Ich glaube, dass ist von ganz vielen Faktoren abhängig. Grundsätzlich ist aus meiner Sicht inzwischen die Akzeptanz von alleiniger väterlicher Kompetenz in vielen Köpfen angekommen. Allerdings manchmal mit einschränkenden Fragen: „Traust Du Dir das denn wirklich zu …? Bräuchte sie nicht jetzt doch mal die Mama?“ Viele der Väter, die ich erlebe, haben durch ihre Familien einen großen Rückhalt. Insbesondere dann, wenn sie verlassen wurden. Dann hat oft eher die Mutter mit heftigen Zuschreibungen zu rechnen: „Wie konnte sie das nur den Kindern antun“, etc. Wenn die Väter Kritik und Skepsis erfahren, kommt diese häufig aus Richtung des Arbeitgebers, sicher auch aus eigenem Interesse. Bei Coaching-Prozessen mit Führungskräften höre ich oft heraus, dass diese im Sinne der Personalplanung mit den engagierten Vätern nun eine weitere Gruppe haben, mit der sie schwer(er) planen können, weil sie nicht wissen, worauf sie sich für welche Zeit bei ihnen einstellen und worauf sie bauen können. Das erzeugt zeitweilig Druck, der sich nicht selten in Kritik und Unverständnis äußert.“
vaeter.nrw: Gibt es noch etwas zu dem Thema, das Sie sagen möchten?Ansgar Röhrbein: „Ja. Ich ziehe den Hut vor jedem alleinerziehenden Vater (und jeder alleinerziehenden Mutter) und zolle ihnen allen meinen vollen Respekt! Ich weiß aus eigenen Erfahrungen, wie hilfreich es oft war, wenn meine Frau und ich uns aus bestimmten anstrengenden Situationen mit den Kindern vorübergehend ausklinken konnten. Daher wünsche ich allen alleinerziehenden Vätern (und Müttern) viel Kraft, kleine Oasen im Alltag und ein paar konstante hilfreiche Springer an der Seite, denen sie vertrauen und auf die sie sich verlassen können, wenn sie mal eine Auszeit benötigen!“ Kontaktdaten: Ansgar Röhrbein Am Willigloh 14 58509 Lüdenscheid 02351-4325173www.ansgar-roehrbein.de
Zur Person:

Diskrete Hilfe – Männer und Angehörigenpflege

Pflege von Angehörigen

Wenn Familienmitglieder zu Pflegefällen werden, übernehmen oft auch Männer die Betreuung. Doch wie finden sie in diese Rolle? Und wie geht unsere rasant alternde Gesellschaft mit der Vereinbarkeit von Beruf und Angehörigenpflege um? vaeter.nrw erkundigte sich dazu bei Fachleuten.
„Die These, dass Männer anders pflegen als Frauen, haben wir nicht bestätigt bekommen“, erklärt Sigrid Leitner, Professorin für Sozialpolitik an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Köln. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Männer durchaus nicht nur dann pflegen, wenn es nicht anders geht – so eine verbreitete These – sondern sie tun es häufig aus Liebe, wollen ihren Eltern oder ihrer Ehefrau Zuwendung zurückgeben.“

Der unterschätzte Dienst

„Insgesamt“, betont auch Dr. Eckart Hammer, Professor an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, „wird die Pflegearbeit, die Männer leisten, noch stark unterschätzt. So hat sich zum Beispiel die Zahl der Söhne, die ihre Eltern pflegen, in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent erhöht.“ Rund 27 Prozent aller häuslich Pflegenden sind inzwischen Männer. Nimmt man einen erweiterten Pflegebegriff, sind es sogar bereits 37 Prozent. Sichtbar seien sie auch deshalb nicht, weil das Thema nach wie vor häufig tabuisiert wird und die Pflegenden Scham empfinden, darüber öffentlich zu sprechen. „Dabei“, erzählt Eckart Hammer, „berichten pflegende Männer sehr häufig, wie viel ihnen diese Tätigkeit gibt: Sie haben entdeckt, dass sie fürsorglich sein können, dass sie einen Haushalt führen können – eine Dimension, die gerade die ältere Generation nicht kannte. Und sie erfahren, wie beglückend es sein kann, sich, gerade wenn Sprache verloren geht, über die körperliche Ebene Zuwendung zu geben.“

Früh Hilfe suchen

Sigrid Leitner betont, dass Männer beim Pflegen seltener als Frauen bis an den Rand der Erschöpfung gehen: „Da können wir von ihnen lernen.“ Dennoch rät sie auch den pflegenden Männern, sich früh Hilfe zu holen, um ein Burnout zu vermeiden. Denn: Die große Mehrheit derjenigen, die erwerbstätig sind, reduziert ihre Arbeitszeit nicht, auch wenn das finanziell machbar wäre. Pflege im Betrieb zu thematisieren, ist noch stärker tabuisiert als das Thema Kinderbetreuung/Elternzeit. Die Männer befürchten zum einen, es könne ihnen bei der Karriere schaden, zum anderen ist der Betreuungsaufwand schwer abzuschätzen. Bei der Pflege steigert er sich über die Jahre, bei der Kinderbetreuung ist das Gegenteil der Fall.“

Die Mischung macht´s

Müssen Angehörigenpflege, Kinderbetreuung und Beruf unter einen Hut gebracht werden, wählen Männer häufig sogenannte gemischte Pflegearrangements. Dabei beziehen sie ihre Partnerin, ältere Kinder und professionelle Pflegedienste mit ein. „Die eigene Familie ist für die Väter ein großer Rückhalt, auch psychisch. Gleichzeitig ist sie aber auch eine Konfliktquelle, denn die zeitliche Beanspruchung der Väter durch die Pflege führt unweigerlich zu Konflikten mit den eigenen Kindern und der Partnerin“, erklärt Sigrid Leitner. „Die Väter stehen zwischen den Ansprüchen der zu pflegenden Angehörigen und denen ihrer Kinder“. In manchen Familien werden die Aufgaben, die durch Pflege und Kinderbetreuung anfallen, partnerschaftlich aufgeteilt. Andere leben ein Modell, bei dem beispielsweise die Mutter die Kinder betreut und der Vater seine Eltern pflegt. Eckart Hammer ist tief beeindruckt, wenn ihm Pflegende berichten, wie sie versuchen, ihr Leben fortzusetzen, auch wenn sie einen dementen Angehörigen pflegen. Konkret bedeutet das: sich weiterhin mit Freunden treffen, einkaufen gehen oder Straßenbahn fahren – alles mit dem dementen Angehörigen. Die peinlichen Situationen, die dabei meist unweigerlich entstehen, halten sie aus. „Männer grenzen sich in der Regel besser ab als Frauen“, erklärt Eckart Hammer, „und das hilft ihnen auch in anderer Hinsicht: Sie gehen nicht so leicht in die Überforderung! Sie setzen sich eher realistische Ziele, beschließen beispielsweise `Ich pflege meine Frau, solange sie mich erkennt´ und setzen das dann auch um.“

Eine schwierige Entscheidung

Auszeiten zu nehmen ist gerade für pflegende Väter sehr schwierig. Deshalb rät Eckart Hammer auch, sich diese Entscheidung gut und ehrlich zu überlegen. Auch wenn er das Sprichwort richtig findet ´Kinderpflege ist Natur – Altenpflege ist Kultur´, ist sich der Wissenschaftler sicher: Es gibt keine moralische Pflicht, Angehörige in jedem Fall zu pflegen, wohl aber die moralische Pflicht, darüber nachzudenken. „Es ist ein Aushandlungsprozess, ob Kinder ihre Eltern pflegen. Auch nicht alle Eltern wollen das. Deshalb ist es sehr wichtig, das Thema früh genug offen zu thematisieren: Wie soll es gehen? Können wir das? Wollen wir das? Wer hilft uns?“ Wenn die Entscheidung gefallen ist und sich Männer entscheiden, Angehörige zu pflegen, sollten sie die Pflege von vorneherein breit anlegen und alle einbeziehen, denen das zuzumuten ist: Geschwister, Nachbarn, ältere Kinder. Und seiner Meinung nach ist es ganz wichtig, die Bereicherung zu betonen, die pflegende Angehörige erfahren, und nicht nur von der Belastung zu sprechen. Außerdem ist sich Eckart Hammer sicher: Aktive Väter haben eine größere Affinität zur Pflege als solche, die sich wenig um ihre Kinder kümmern. Und sie sind auch deutlich besser dafür gerüstet! (vaeter.nrw) Sigrid Leitner ist Professorin für Sozialpolitik an der Fachhochschule Köln und hat das Forschungsprojekt „Männer zwischen Erwerbstätigkeit und Pflege“ bearbeitet. Das Projekt analysierte anhand von Betriebsfallstudien und qualitativen Interviews typische Strukturen und Problembewältigungsstrategien erwerbstätiger pflegender Männer. Nähere Informationen finden Sie hier. Eckart Hammer ist Professor für Soziale Gerontologie an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Er befasst sich seit vielen Jahren mit den Themen „Männer und Alter“ und hat in einem Forschungsprojekt 25 pflegende Männer ausführlich befragt. Eckart Hammer ist verheiratet und hat drei Kinder.   Text aktualisiert am 29.05.2016

Wie sag ich‘s meinem Chef?

Elternzeit & Vereinbarkeit

Natürlich treffen Väter, die Elternzeit anmelden, nicht bei jedem Chef auf ungeteilte Begeisterung. Aber mit guter Vorbereitung und etwas Geschick lässt sich diese Hürde nehmen. „In der Regel werden die zwei Monate Elternzeit in den Firmen durchgewinkt“, sagt Hans-Georg Nelles, der seit über 15 Jahren für zahlreiche Projekte im Themenfeld „Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“ verantwortlich ist.

Elternzeit = Karrierestop?

Die Befürchtung vieler Männer, mit der Elternzeit der eigenen Karriere zu schaden, ist eigentlich überflüssig. Es könne wohl mal passieren, räumt Nelles ein, dass die Elternzeit die Karriere eines Vaters verzögere, aber das sei nicht die Regel. Dies wird auch bestätigt durch eine neue Studie der Hans-Böckler Stiftung, in deren Beirat Nelles sitzt. „Diese Befürchtung wiederholen insbesondere solche Väter immer wieder, die selber noch keine Elternzeit genommen haben.“ Wer jedoch sorgenfrei und ohne Reue die Zeit mit seinem Kind genießen möchte, sollte frühzeitig das Gespräch mit seinem Vorgesetzten suchen. Denn die meisten Befürchtungen des Chefs lassen sich im Vorfeld mit guter Planung ausräumen. Werdenden Vätern, die in Elternzeit gehen wollen, rät Hans-Georg Nelles, unbedingt einige Punkte zu beachten, um Ärger zu vermeiden.

Mit der Partnerin sprechen

Ein Tag mit einem Kleinkind hat eine Menge Facetten und folgt keiner festen Struktur. Ein bisschen Improvisationsmanagement sollte sich der zukünftige Vater also schon zutrauen, wenn er mit Windel, Brei und Strampler jongliert. Ist das der Fall, sollte man das Gespräch mit der Partnerin suchen und klären: Wie stellen wir uns unsere Aufgabenteilung vor? Vielleicht hat die Partnerin Bedenken bei der Vorstellung, dass ihr Mann länger zuhause bei den Kindern bleibt. „Das erlebe ich immer wieder“, erzählt Hans-Georg Nelles, „dass mir Väter berichten, sie hätten sich nicht getraut, dagegen zu halten und sich dann eben mit zwei Monaten Elternzeit und der Ernährerrolle zufrieden gegeben“. In einem solchen Gespräch müssen die werdenden Eltern ihre Vorstellungen aushandeln und nicht zuletzt die finanzielle Verantwortung klären. 

Gespräch mit den Vorgesetzten vorbereiten

Wer mit einem klaren Konzept an den Chef herantritt, wird im Gespräch auch sicher und überzeugend auftreten. „Oft zielen die Bemerkungen des Chefs darauf ab, herauszufinden, wie ernst es dem Mitarbeiter eigentlich mit seinem Plan ist“, erklärt Hans-Georg Nelles. „Da werden Spielchen gespielt. Aber wenn jemand klar macht, dass es ihm ernst ist, kommen Chef und Angestellter am Ende meist zu einem guten Ergebnis.“ Deshalb sollte ‚Mann‘ auch so früh wie möglich mit dem Vorgesetzten reden. Rein rechtlich, schränkt Nelles ein, ist dieser Tipp allerdings problematisch, denn ein werdender Vater genießt erst acht Wochen vor der Elternzeit Kündigungsschutz, muss seine Entscheidung aber spätestens sieben Wochen vor Antritt bekanntgeben. Rechtlich ist er also nur eine Woche lang abgesichert – sehr bedauerlich, findet der Organisationsberater. Deshalb rät er, sich vorher im Betrieb umzuhören, welcher Vater in der Vergangenheit welche Erfahrungen gemacht hat und wie der Chef zur Elternzeit steht.

Den Vorgesetzten etwas anbieten

Den Vorgesetzten geht es ja in erster Linie darum, ihr Unternehmen am Laufen zu halten. Wenn ‚Mann‘ ihnen also das Gefühl gibt, nicht einfach zu verschwinden, sondern Verantwortung zu übernehmen, ist schon viel gewonnen. Konkret heißt das: Der werdende Vater sollte Vorschläge äußern, wie die Arbeit, die er macht, fortgeführt werden kann, vor allem in den Bereichen der eigenen Kernkompetenz. Und: Wenn er eine längere Elternzeit plant, könnte er mithilfe des ElterngeldPlus weiterhin einen Anteil Stunden übernehmen. „Dem Chef diese Sorgen zu nehmen, ist wichtig – auch für einen selbst“, erklärt Hans-Georg Nelles, „denn man selbst verliert dann auch nicht den Anschluss und bleibt am Ball.“

Und wenn´s doch Ärger gibt

Wenn der Chef trotzdem Ärger macht, sollte man ihm Zeit lassen, sich auf die neue Situation einzustellen, rät Nelles. Das ist natürlich nur möglich, wenn der werdende Vater frühzeitig das Gespräch gesucht hat. Nur dann kann er sagen: „Okay, wir reden später nochmal drüber“, sobald sich die Wogen geglättet haben. Und wenn nichts hilft, sollte der werdende Vater die dummen Sprüche überhören und versuchen, sich auf das bevorstehende Abenteuer Elternzeit konzentrieren. (vaeter.nrw)Hans-Georg Nelles ist Sozialwissenschaftler, Erwachsenenbildner und Organisationsberater. Er führt seit mehr als 15 Jahren Projekte zu „Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“ durch – vor allem mit Vätern. Seine Themenschwerpunkte: die Gestaltung der Elternzeit, familienbewusste Arbeitszeiten und eine familienfreundliche Unternehmenskultur. Hans-Georg Nelles ist Vater von drei erwachsenen Kindern. Kontaktdaten: Hans-Georg Nellesnelles [at] vaeter-und-karriere.de (nelles[at]vaeter-und-karriere[dot]de)www.vaeterblog.de

 

  Text aktualisiert am 29.05.2016  

Studieren mit Kind – Betreuung, Auszeit, Finanzierung

Studentenväter

Den Nachwuchs und ein Studium in Einklang zu bringen, ist nicht ganz einfach. Für rund fünf Prozent aller Studierenden in NRW ist das jedoch Alltag. Wir geben Tipps, wie Studentenväter Zeit für ihr Kind und die Bücher finden – und wie sie sich finanzieren.

Kinderbetreuung an den Hochschulen

In zahlreichen Studiengängen stellen die Studierenden ihre Stundenpläne selbst zusammen. Das erlaubt es Vätern, Zeit für die Familie freizuhalten. Genügen wird das in den meisten Fällen aber nicht, eine Kinderbetreuung muss zusätzlich organisiert werden. Gut also, dass es an vielen Hochschulstandorten Angebote gibt, die Studierenden die Vereinbarkeit von Familie und Studium bzw. Beruf erleichtern. So werden in NRW in 72 hochschuleigenen Kindertagesstätten, Kindertagespflegeeinrichtungen und hochschulnahen Betreuungseinrichtungen Kinder von Studierenden aufgenommen. Konzepte und Kosten variieren: In manchen Einrichtungen müssen Eltern Eigenleistungen erbringen, etwa Wäsche waschen oder den Garten pflegen. In anderen Fällen sind die Angebote flexibel und finden zum Teil auch im häuslichen Umfeld der Kinder statt. Manche Hochschulen – so etwa die Universität Siegen – haben sogar eine Kinderbetreuung für samstags eingerichtet. Für Eltern von schulpflichtigen Kindern bieten mittlerweile 17 Hochschulen auch eine Betreuung während der Schulferien an. Und in Paderborn kümmert sich das Projekt Känguru um Kinderbetreuungshilfe für alleinerziehende Studierende.

Treffpunkt Eltern-Kind-Raum

Auch spezielle Eltern-Kind-Räume sind an vielen Hochschulen zu finden, beispielsweise an der Fachhochschule Münster. Die Räume, die jederzeit offen sind und damit frei und kostenlos genutzt werden können, sind mit einer Kuschelecke, Büchern und Spielsachen ausgestattet. Den Kindern dienen sie damit als Spiel-, den Vätern als Arbeitszimmer. Und sie sind ein Treffpunkt für studierende Eltern aller Fachbereiche, in denen Lerngruppen zum gemeinsamen Arbeiten zusammenkommen. Auch eine gegenseitige Betreuung der Kinder während des Seminars ist dank der Eltern-Kind-Räume leichter möglich.

Beratung durch den Familienservice

An 24 Hochschulen in NRW gibt es Familienbüros, in denen Väter Antworten auf ihre Fragen zu Studium und Kindererziehung erhalten. Dort können sie sich auch über die Angebote der Hochschule informieren. Häufig vermitteln die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Betreuungspersonen für Kinder oder suchen gemeinsam mit den Eltern nach individuellen Lösungen. Väter sollten diese – in der Regel kostenfreie – Beratung möglichst früh in Anspruch nehmen, um beispielsweise lange Wartezeiten auf einen KiTa-Platz zu vermeiden.

Auszeit dank Urlaubssemester

Studierende können ein Urlaubssemester nehmen, allerdings müssen sie für die Beurlaubung einen Grund angeben – und Kindererziehung ist selbstverständlich einer! Väter, die sich im Urlaubssemester befinden, besuchen keine Veranstaltungen und können normalerweise auch keine Studienleistungen erbringen. Bei der Kindererziehung oder bei der Pflege von Angehörigen macht das Hochschulzukunftsgesetz NRW 2014 jedoch eine Ausnahme. Die Hochschulen regeln den Umgang mit Urlaubssemestern in diesen Fällen intern. Ein Urlaubssemester zu nehmen bedeutet in jedem Fall, dass der Studierendenstatus für diese Zeit wegfällt. Und damit auch – nach drei Monaten Beurlaubung – der Anspruch auf BaFöG! Einige Hochschulen bieten zusätzlich auch Teilzeitstudiengänge an. Ob das Urlaubssemester oder das Teilzeitstudium eine Option ist, können Väter mit den Beraterinnen und Beratern der Familienbüros oder Studierendensekretariate besprechen.

Wissenswertes rund um Prüfungen

Prüfungen gehören zum Studium – auch für Väter. Neben Kindererziehung und Haushalt sind diese eine besondere Herausforderung. Deshalb haben die Hochschulen verschiedene Regelungen getroffen, um der speziellen Situation von Studierenden mit Kindern gerecht zu werden. Ist es Vätern nicht möglich, an einer Prüfung teilzunehmen, eine Hausarbeit rechtzeitig abzugeben oder eine andere Studienleistung zu erbringen, können sie sich auf den sogenannten Nachteilsausgleich beziehen. Dieser ist in der Prüfungsordnung der Hochschule geregelt. Dort finden sich auch die Bedingungen, unter denen ein Nachteilsausgleich bewilligt wird. Väter können so etwa einen alternativen Prüfungstermin erhalten. Ihre Abgabefrist kann verlängert werden oder ihnen wird eine äquivalente Prüfungsform angeboten. Wird das Kind krank, wenn eine Prüfung ansteht, kann der Vater die Krankmeldung des Kindes rechtzeitig beim Prüfungsamt einreichen und ist dann entschuldigt.

Finanzierung für studierende Väter

Seit einigen Jahren gibt es für Väter, die BAföG erhalten, einen Kinderzuschlag. Zudem besteht für sie in den meisten Fällen die Möglichkeit, die Dauer der Förderung zu verlängern. Besonders zu beachten ist allerdings, dass diejenigen, die länger als drei Monate Pause machen – was den BAföG-Ämtern mitgeteilt werden muss – ihren Anspruch auf die Zahlungen verlieren. Eine finanzielle Unterstützung gemäß der Hartz-IV-Gesetzgebung steht Studierenden normalerweise nicht zu, da sie über BAFöG oder Ausbildungsfinanzierungen abgesichert sind. In besonderen Härtefällen kann aber dennoch ein Anspruch geltend gemacht werden. Liegt das Einkommen unterhalb des ALGII-Regelsatzes, besteht zudem die Möglichkeit, eine einmalige Zahlung für Schwangerschafts- und Erstausstattung zu erhalten. In einigen Fällen kann auch ein Stipendium hilfreich sein, um Familie und Studium zu finanzieren. Für Väter ist es daher sinnvoll, sich über die Fördermöglichkeiten der unterschiedlichen Stiftungen zu informieren. Und schließlich bieten auch einige ASten Sozialdarlehen an, die Väter beantragen können. (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 29.05.2016

Vertrauen gegen Vertrauen

So kann Familienfreundlichkeit im Unternehmen funktionieren

Kind krank? KiTa geschlossen? Oftmals sind es die Mütter, die dann kurzfristig zu Hause bleiben. Auch Väter können flexibel auf solche Situationen reagieren, vor allem wenn sie mit dem Verständnis ihres Arbeitgebers und ihrer Kollegen rechnen dürfen.
Die Peditec GmbH ist ein Positivbeispiel. 2007 wurde sie mit dem Innovationspreis für das „Familienfreundlichste Unternehmen“ ausgezeichnet. Warum? „Weil hier Familienfreundlichkeit wortwörtlich gelebt und bedarfsorientiert gestaltet wird“, erklärt einer der beiden Geschäftsführer, Gerald Ram. Er beschreibt sich und seinen Geschäftspartner, der gleichzeitig sein bester Freund ist, „als eine neue Generation Männer, in der das klassische Rollenbild von Mann und Frau keinen Platz mehr hat.“ Beide haben zwei Kinder, für die sie beide Elternzeit in Anspruch genommen haben.

Arbeit auf Vertrauensbasis

Für die beiden Unternehmer ist bei ihrem Weg in die Selbständigkeit immer klar gewesen, dass diese auch mit der Familie vereinbar sein muss. „Familiäre Verpflichtungen gehen vor“, betont Ram, „aber gleichzeitig muss natürlich auch die Arbeit erledigt werden.“ Für die sieben Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin – von denen fast alle Kinder haben – bedeutet das: Ein Kollege springt im Notfall für den anderen ein. „Genau das verstehe ich unter Solidargemeinschaft, anders würde es auch nicht funktionieren.“ Sicherlich bedeute dies dann für die Kollegen Mehrarbeit und Stress. Jeder wisse aber, dass man sich selbst in einer ähnlichen Situation auch immer auf die Kollegen verlassen könne, erklärt Gerald Ram. Zudem haben die Mitarbeiter die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten und fehlende Arbeitszeit abends nachzuholen, wenn die Kinder im Bett sind. Eine Kontrolle der Arbeitszeit gibt es nicht. Die Beschäftigten arbeiten auf Vertrauensbasis – ein weiterer Aspekt, mit dem das Unternehmen die Jury damals überzeugte. Die Kombination aus gegenseitigem Vertrauen und Flexibilität bei der Reaktion auf betriebliche Anforderungen macht das Unternehmen erfolgreich. Von Vorteil sei dabei sicherlich, dass fast alle Beschäftigten zu den Familien der beiden Geschäftsführer gehören, sagt Gerald Ram. In größeren Unternehmen sei es schwieriger, ein Arbeitszeitmodell umzusetzen, das die Bedürfnisse der einzelnen Familien berücksichtigt. Aber Gerald Ram glaubt auch, dass es Lösungen gibt, damit Mitarbeiter flexibler in der Kinderbetreuung sind.

Freier Nachmittag für alle

Aktiv Vater sein bedeutet aber nicht nur Flexibilität im Arbeitsalltag zu haben – auch Freizeit mit den Kindern verbringen, ist dem Geschäftsführer ein wichtiges Anliegen. So haben die Chefs vor zwei Jahren beschlossen, dass ab Freitagnachmittag alle frei haben. Gerald Ram selbst nutzt den freien Nachmittag, um mit seiner Tochter Reiten zu gehen. Gemeinsam etwas mit den Kindern zu unternehmen, ist dem Familienvater sehr wichtig. So nimmt er sich auch frei, um zum Beispiel seine Tochter zum Singnachmittag zu begleiten. Und im Alltag? Auch der ist sehr modern im Hause Ram. Ein Elternteil zieht den Sohn an, der andere bereitet das Frühstück für die Familie vor und macht die Pausenbrote. Wer den Sohn dann in die Kita bringt, geht auch eine Runde mit dem Hund. „Das klappt gut – spannend wird es nur, wenn eines der Kinder krank ist oder einer von uns“, erzählt Gerald Ram. Für ihn sei es aber selbstverständlich, dass in so einem Fall auch er anstelle seiner Frau zu Hause bleibt. Wenn Termine in der Firma anstehen und die Großeltern nicht spontan einspringen können, nimmt er seinen Sohn kurzerhand mit ins Büro. Dann kann es vorkommen, dass sein Sohn bei einem Geschäftstermin dabei ist. Das ist selten und war bisher kein Problem für den Gesprächspartner – dieses Verständnis erwartet der Familienvater von seinem Gegenüber.

Momente des Ausgleichs

Auch während eines Kita-Streiks haben sich Ram und seine Frau mit der Betreuung abgewechselt. „Ich genieße die freie Zeit dann, die ich mit meinem Sohn habe und versuche, abzuschalten“, erzählt der Familienvater. Immerhin arbeitet er ja häufig länger oder ist beruflich mehrere Tage unterwegs, so dass solche Momente mit den Kindern ein schöner Ausgleich sind. Sein Wunsch, für die Familie da zu sein und gleichzeitig den beruflichen Verpflichtungen nachzukommen, bedeutet für ihn als Geschäftsführer schon Stress – aber Stress, der sich auszahlt: „Ich sehe eher die positiven Dinge, ich nehme am Leben meiner Kinder teil und erlebe etwas mit ihnen. Das ist für mich Lebensqualität, auf die ich nicht verzichten möchte.“ (vaeter.nrw) Gerald Ram, ist Diplom-Ingenieur, Geschäftsführer der Peditec GmbH und Vater von zwei Kindern, acht und zwei Jahre alt.   Text aktualisiert am 25. Mai 2016    

Rolle im Wandel

Commerzbank-Väter-Studie 2015: Beruf und Familie sind Vätern gleichermaßen wichtig.

Seit 1995 beschäftigt sich die Commerzbank mit der Familienorientierung von Männern. Die Entscheider dort haben erkannt, wie wichtig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Arbeitgeberattraktivität ist.
Die neueste innerbetriebliche Befragung der Commerzbank macht deutlich, welchen hohen Stellenwert die Familienorientierung inzwischen hat. Den meisten interviewten Vätern (93 Prozent) sind ihre beruflichen und die familiären Rollen gleich wichtig. 97 Prozent betonten zudem, dass sie möglichst viel Zeit mit ihrem Kind verbringen und die Beziehung zum Kind stärken möchten (84 Prozent). Ein weiteres Ergebnis: Wenn Väter Elternzeit nehmen, spielt das nicht nur bei der Beziehung zum Kind eine Rolle, sondern beeinflusst auch das Verhältnis zwischen den Eltern positiv. 86 Prozent der Väter erklärten, die Elternzeit habe ihrer Partnerschaft gut getan. Auch die Motivation vieler Väter, Elternzeit zu nehmen, zielt auf ihre Beziehung mit der Partnerin ab: Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, dass sie mit ihrer Elternzeit den beruflichen Wiedereinstieg beziehungsweise den nächsten Karrieresprung der Partnerin erleichtern wollen.

Ein langer Weg

In der Commerzbank hatte man bereits Mitte der 1990er Jahre – also lange bevor das Elterngeld eine Elternzeit auch für Väter populär machte – erkannt, dass Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Thema war, das genauso die Väter betraf und richtete familienfreundliche Maßnahmen entsprechend aus. Bei einer internen Tagung hatte die Bank einen Väterworkshop angeboten, der sofort ausgebucht war. Die Erkenntnis aus dem Workshop: Durch Angebote, die sich an beide Elternteile richteten, fühlten sich Väter kaum angesprochen. Daraufhin veränderte das Unternehmen seine Kommunikation, sprach Väter direkt an und beachtete ihre Bedürfnisse und Sichtweisen bei der Gestaltung neuer Angebote. Dennoch blieb die Nachfrage der Väter zum Beispiel nach Eltern- und Teilzeit zunächst überschaubar. Tendenziell steigt die Zahl der Bankmitarbeiter, die in Elternzeit gehen: Waren es im Jahr 2003 lediglich 0,1 Prozent, betrug der Anteil 2014 bereits 16,1 Prozent. Im ersten Halbjahr 2015 waren es schon 14,6 Prozent. Die meisten Väter bei der Commerzbank (knapp 70 Prozent) nehmen „nur“ zwei Monate Elternzeit, geben aber gleichzeitig an, dass sie gern länger Elternzeit genommen hätten (ebenfalls 70 Prozent). Das favorisierte Arbeitszeitmodell nach der Elternzeit ist nach wie vor Vollzeit. Vor der Elternzeit arbeiten lediglich 1,7 Prozent der Befragten in Teilzeit, wobei die Anzahl während der Elternzeit auf 12 Prozent ansteigt. Nach der Rückkehr ins Unternehmen sind die meisten Väter wieder in Vollzeit tätig, nur 7,1 Prozent entscheiden sich für das Teilzeitmodell. Bei Frauen fallen diese Zahlen anders aus – fast alle Mütter arbeiteten nach der Elternzeit in Teilzeit, im Schnitt 22 Stunden pro Woche.

Die Furcht vor dem Karriereknick

Die Studie zeigt, dass Väter von längerer Elternzeit sowie Teilzeit Abstand nehmen, weil sie sich diese aufgrund des Einkommensausfalls nicht leisten können. Zugleich befürchten Väter immer wieder, dass ihnen durch die Abwesenheit berufliche Nachteile entstehen könnten. Doch hier gehen Erwartungen und Realität auseinander. Die meisten der befragten Väter (90,8 Prozent) geben an, dass die eigene Elternzeit keinen negativen Einfluss auf ihr berufliches Fortkommen hatte. Dennoch schätzten 26 Prozent der Befragten die Aufstiegschancen für Väter mit Eltern- und Teilzeit als schlechter ein. Vor allem Väter, die länger als zwei Monate Elternzeit genommen haben, berichteten, dass sie mit Nachteilen konfrontiert waren. Die Tendenz, dass immer mehr Väter Partnermonate nutzen, hat innerhalb des Unternehmens zu einem größeren Verständnis für das familiäre Engagement von Männern geführt. Die meisten Väter sind mit der Unterstützung, die sie von ihren Kollegen und Führungskräften erhalten haben, zufrieden. 84 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Kollegen die Elternzeit befürworteten, obwohl dies Zugeständnisse bedeutete. Knapp drei Viertel der Väter sagten zudem, dass die Gespräche, die sie mit ihrem Vorgesetzten zur Elternzeit führten, gut und verständnisvoll verliefen.

Noch mehr Angebote

Die Studie hat außerdem ergeben, dass Väter sich mehr väterspezifische Informationen wünschen: 45 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Angebote noch zu stark auf Mitarbeiterinnen fokussieren. Zudem ist der Informationsstand bei Vätern noch ausbaufähig: Bisher kennt nur etwas mehr als die Hälfte der Väter die Vereinbarkeitsangebote ihres Arbeitgebers. Das Unternehmen will auf diese Ergebnisse mit Verbesserung der Informationsangebote reagieren, die speziell auf Väter abzielen. In Zukunft soll es beispielsweise mehr Informations- und Austauschformate für Führungskräfte geben. Dabei gilt die Bank durchaus schon als Beispiel guter Praxis in puncto väterfreundlicher Arbeitgeber. So fördert sie unter anderem Väter, die Teilzeit arbeiten wollen und hat ein spezielles Väter-Projekt durchgeführt: Mit Kids & Co. hat die Bank eine firmeneigene Notfallbetreuung eingerichtet. Wenn Väter beispielsweise unvorhergesehen auf Dienstreise gehen müssen, können sie ihren Nachwuchs kostenlos in der betriebseigenen Einrichtung abgeben ‑ sogar am Wochenende. Bei schwerer Erkrankung eines Kindes haben Väter wie Mütter das Recht, sich bis zu sechs Monate lang freistellen lassen. Ein Monat wird normal entlohnt, erst danach folgt eine unbezahlte Auszeit. (vaeter.nrw)   Text akutalisiert am 25. Mai 2016

Reibung erzeugt Wärme, oder?

Die partnerschaftliche Aufgabenteilung auszuhandeln, ist nicht immer leicht – aber ohne geht es nicht.

Wird ein Mann zum Vater, ein Paar zu Eltern, ändert sich vieles. Große Fragen stehen im Raum: Wer kümmert sich in den ersten Lebensjahren um das Kind und wie wird der Haushalt fair aufgeteilt? Über Herausforderungen, Frust und Lösungen hat sich vaeter.nrw mit Familiencoach Aimée Bastian unterhalten.

Welche Probleme können auftauchen, wenn sich Männer und Frauen in ihrer neuen Elternrolle zurechtfinden müssen?

Es gibt einige Stolpersteine für frisch gebackene Väter und Mütter. Oft bestehen sie aus unterschiedlichen Familienwerte-Vorstellungen: Was brauchen unsere Kinder? Wie definiere ich mich als Mann und Vater? Wie als Frau und Mutter? Was brauchen wir als Paar? Problematisch kann auch das Thema Geld werden. Gibt es eine Familienkasse? Wer bestimmt, wie viel wofür ausgegeben wird? Hier fürchten frischgebackene Väter oft um ihre Unabhängigkeit. Hinzu kommt, die Aufgaben im Haushalt neu aufzuteilen. Und natürlich die Frage, wer das Kind wann betreut. Darüber sollte sich auch der Mann frühzeitig Gedanken machen und sich mit seiner Partnerin noch vor der Geburt des Kindes abstimmen.

Welche Probleme betreffen in erster Linie Väter?

Bei den Vätern habe ich zwei Typen beobachtet: Die einen orientieren sich eher an einem konservativen Familienmodell, das sie aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Die anderen verstehen sich als „moderner Mann“. Sie möchten sich zu Hause einbringen und gerne auch in Elternzeit gehen. Oft driften aber die Erwartungen von Mann und Frau auseinander. Viele Männer haben das Gefühl, sich bereits gut in Haushalt und Kinderbetreuung einzubringen – das Ausmaß entspricht aber noch lange nicht dem, was die Frau als partnerschaftlich betrachtet. Schwierig ist für viele Männer auch, wenn die Paarbeziehung unter dem Kind leidet, wenn sie sich von der Frau nicht mehr als Mann, sondern nur noch als Vater wahrgenommen und sexuell nicht mehr bestätigt fühlen.

Wie kann man sich bereits vor der Geburt vorbereiten und versuchen, künftige Konflikte zu verhindern?

Es ist wichtig, sich bereits früh darüber klar zu werden, wie man als Familie sein will und was einem wichtig ist. Als Eltern, aber auch als Mann und Frau. Falls gewünscht, rate ich, zusammen mit einem Coach oder Therapeuten, zu erarbeiten, wie die eigene Familie funktionieren soll, sodass man sich auch weiter als Paar wahrnimmt. Die Ergebnisse würde ich notieren und immer wieder rausnehmen, wenn es doch zu Streit kommt.

Ein großes Problem ist immer wieder die Frage: Wer betreut das Kind in den ersten Jahren?

Es ist heute nicht mehr so, dass Frauen automatisch nach der Geburt eines Kindes zu Hause bleiben wollen. Sie sind gut ausgebildet und möchten auch in ihrem Beruf arbeiten. Väter müssen deshalb mit ihren Partnerinnen einen Kompromiss finden, der Zug um Zug verhandelt wird. Am besten sollte dies von einer unbeteiligten Person moderiert werden. Beide Partner müssen darüber nachdenken, was sie unbedingt brauchen und worauf sie verzichten können. Beide werden Zugeständnisse machen müssen.

Oft bleibt die Frau zu Hause und kümmert sich um Kinder und Haushalt. Das kann zu Frust auf beiden Seiten führen. Was raten Sie Eltern, die sich eine partnerschaftliche Aufgabenteilung wünschen?

Zunächst rate ich jedem Vater, eine Zeit lang Elternzeit zu nehmen und sich um Kind und Haushalt zu kümmern. Zum einen bekommt er dadurch engen Kontakt zum Kind. Außerdem erleben so auch Männer, was es bedeutet, einen Haushalt in Schwung zu halten und welchen Frust es mit sich bringen kann, keine Bestätigung mehr von außerhalb – beispielsweise der Arbeitsstelle – zu erfahren. So kann sich der Mann besser in seine Partnerin hineinversetzen. Das ist eine gute Grundlage für eine partnerschaftliche Aufteilung. Die typischen zwei Vätermonate sind besser als nichts, aber je länger ein Vater Elternzeit nimmt, desto besser. Gegen Frust hilft, dass beide mal raus kommen und sich in Rollen außerhalb der Familie als kompetent erleben – „Mann“ und „Frau“ bleiben, statt nur noch „Vater“ und „Mutter“ zu sein.

Was ist bei den Aushandlungsprozessen zu beachten? Vor allem, wenn sie unter Stress (durchwachte Nächte etc.) stattfinden?

In konkreten Stresssituationen entsteht besonders schnell ein schlimmer Streit. Man sagt Dinge, die man später bereut, die aber lange nachwirken. Bevor es dazu kommt, sollte man die Situation verlassen, tief durchatmen und vielleicht auch eine Nacht darüber schlafen, bis der akute Ärger abgeklungen ist. Anschließend sollte man gemeinsam über die Situation reden und überlegen, wie man die Dinge künftig organisieren kann. 

Oft stehen Männer unter dem Druck, die Versorgerrolle auszufüllen. Wie können Väter ihren Wunsch klar machen, dass sie gerne zu Hause bleiben und die Kinder betreuen wollen?

Je nachdem wie weit sich ein Mann beruflich für seine Frau und die Kinder zurücknimmt, kann es passieren, dass er von Bekannten oder Kollegen das Feedback bekommt, er sei ein „Weichei“. Das kratzt bei einigen Männern am Selbstwertgefühl. Es ist dann wichtig, sich selbst zu fragen: Wie will ich als Vater sein? Ist es wichtiger, was ich will, oder was andere von mir denken? Wer sich darüber klar wird, kann andere Meinungen leichter an sich abprallen zu lassen.

Ab welchem Punkt sollte ein Paar Hilfe suchen? An wen können sich Eltern wenden, wenn konkrete Schwierigkeiten bei einer gerechten Aufgabenverteilung auftauchen?

Kritisch wird es, wenn ein Paar sich immer wieder um dieselben Punkte streitet oder auch, wenn es in der gemeinsamen Zeit nur noch darüber reden kann. Dann empfehle ich jedem, sich professionelle Hilfe zu suchen. Das kann ein Familientherapeut sein, aber auch Kirchenverbände oder städtische Einrichtungen haben in fast jeder Stadt gute und oft kostenlose Angebote. Es hilft bereits, die Aushandlungsprozesse von einer unbeteiligten Person moderieren zu lassen. Dann können beide in einem geschützten Rahmen zu Wort kommen und ihre Wünsche äußern. (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 25. Mai 2016