Vater ist, das was du draus machst!
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Vereinbarkeit

"Väter sind überrascht, was alles für sie möglich ist"

4 Fragen an ... Claudia Lazai, DATEV eG, Nürnberg

Claudia Lazai, Beauftragte für Diversity und Inklusion, berichtet über steigende Teilzeitquoten sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bei der DATEV eG.
vaeter.nrw: Frau Lazai, die DATEV eG bietet seit 2001 umfangreiche Maßnahmen zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie an. Dabei fällt auf, dass Sie dabei auch Väter und ihre Partnerinnen speziell in den Blick nehmen. Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?Claudia Lazai: Wir haben festgestellt, dass die wesentliche Herausforderung darin besteht, werdende Väter überhaupt zu identifizieren. Das ist bei Frauen offensichtlicher. Auch das Aufbrechen von tradierten Rollenbildern spielte von Beginn an eine erhebliche Rolle. Die Familienzeit für Väter war ja nicht immer so weit verbreitet wie heute. Eine direkte Ansprache war und ist deshalb wichtig. Wir versuchen hier Sensibilität im Unternehmen zu schaffen, damit sich werdende Väter frühzeitig melden und wir gemeinsam in eine partnerschaftliche Beratung einsteigen können – auch wenn die Partnerin vielleicht gar nicht bei uns arbeitet.
vaeter.nrw: Wie umfangreich werden die Angebote von Vätern genutzt und was schätzen sie besonders daran? Claudia Lazai: Zu Anfang war die Akzeptanz der Väter noch zurückhaltend, mittlerweile werden die Angebote aber zunehmend auch von ihnen in Anspruch genommen. In etwa 40 Prozent der Fälle kümmern sich beispielsweise die Väter um einen Betreuungsplatz, sei es für die regelmäßige Kinderbetreuung oder für die Ferien. Das Eltern-Kind-Rückzugsbüro, welches im Betreuungsnotfall zur Verfügung steht, wird sogar etwas häufiger von Vätern genutzt. Was mich besonders freut ist die Tatsache, dass immer mehr Väter sich schon sehr früh ihrer Verantwortung stellen. Sie nutzen beispielsweise die Elternzeit mit Teilzeit, um sich mit ihrer Partnerin die Erwerbs- und Erziehungsarbeit zu teilen und die Familie zu unterstützen. 2017 haben bisher 154 Väter Elternzeit genommen, und das bei ca. 200 Geburten pro Jahr. Dieses Phänomen macht auch in den Führungsebenen nicht Halt. Aktuell sind 22 männliche Führungskräfte in Elternzeit und 14 arbeiten als Führungskraft in Teilzeit. Auch bei der Entwicklung der allgemeinen Teilzeitquote, die bei DATEV aktuell bei 23 Prozent liegt, sind immer mehr Männer (22 Prozent) zu verzeichnen. Vor fünf Jahren lag die Teilzeitquote allgemein bei 20 Prozent und bei 16 Prozent unter den Männern. Das ist eine tolle Entwicklung und zeigt, dass wir uns auch kulturell gut weiterentwickelt haben. Kinder, aber auch Pflege sind schon lange keine reinen Frauenthemen mehr. Es ist viel selbstverständlicher geworden, dass sich alle Zeit für die Familie in unterschiedlichsten Arbeitszeitmodellen nehmen.
vaeter.nrw: Sie ermutigen Väter, neben der Elternzeit auch ihre anderen vielfältigen familienfreundlichen Angebote in Anspruch zu nehmen. Wie hat sich dieses Engagement auf die Kultur im Unternehmen ausgewirkt?Claudia Lazai: Ein Kindergarten auf dem Betriebsgelände, Eltern-Kind-Rückzugsbüros, intensivere Nutzung von Teilzeitmodellen – auch in Führung –, das geht natürlich nicht spurlos an der Kultur des Unternehmens vorüber. Kolleginnen und Kollegen, Führungskräfte und Teams erleben dies positiv, müssen aber auch lernen damit zurechtzukommen, dass Eltern vielleicht anders flexibel sind und neben dem Beruf weitere Verpflichtungen haben. Letztlich lernen sie dabei auch, mit Vielfalt im Unternehmen umzugehen.
vaeter.nrw: Wo sehen Sie die größten Erfolge der DATEV eG in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und speziell in der Väterarbeit?Claudia Lazai: Seit zehn Jahren ermutigen wir mit unserem Väterbrief die werdenden Papas dazu, sich gemeinsam mit der Partnerin frühzeitig über die Möglichkeiten zu den Themen Elternzeit/Teilzeit und Kinderbetreuung beraten zu lassen. Die Beratung bietet unser Mitarbeiterservice an. Dies trägt dazu bei, dass beide die gleichen Informationen haben und leichter entscheiden können, welches Familienmodell favorisiert wird. Speziell Väter sind häufig überrascht, was alles auch für sie möglich ist und sind dann auch eher bereit den nächsten Schritt zu wagen. Es hilft natürlich auch, wenn kollegial von anderen Vätern Mut gemacht wird und ein Austausch stattfindet. Wir sprechen mittlerweile nicht mehr über Vereinbarkeit von Beruf und Familie sondern eher über die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Wir haben viele Angebote, die wir ursprünglich speziell für Beschäftigte in ihrer Elternrolle geschaffen haben, für alle geöffnet. Teilzeit war zum Beispiel ursprünglich in der Regel der Kinderbetreuung geschuldet, heute kann ich problemlos auch aus anderen Gründen meine Arbeitszeiten reduzieren. Die Väterarbeit war und ist hier wichtig, weil darüber solche Themen in ein breiteres Bewusstsein getragen werden.
Zur Person:

Claudia Lazai

Claudia Lazai ist Beauftragte für Diversity und Inklusion bei der DATEV eG in Nürnberg. Die DATEV ist Softwarehaus und IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren zumeist mittelständische Mandanten. Mit 40.500 Mitgliedern, rund 7.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 928 Millionen Euro im Jahr 2016 belegt die 1966 gegründete DATEV Platz 3 im Ranking der Anbieter von Business-Software in Deutschland. Der Anteil männlicher Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigtenzahl liegt bei 58,3 Prozent.   © Foto: Hendrik Schmahl/DATEV eG

Chef trifft Dino

Videoclip zur Arbeitswelt von gestern und heute

Wie es einem Vater gelingt, Beruf und Familienaufgaben so zu vereinbaren, dass selbst der konservative Chef beeindruckt ist, zeigt ein unterhaltsamer Spot des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Der Videoclip entstand im Rahmen des Dialogprozesses „Arbeiten 4.0“, den das BMAS 2015 gestartet hatte, um die Arbeitswelt von morgen zu erforschen und vorausschauend die Bedingungen der künftigen Arbeitsgesellschaft zu thematisieren und mitzugestalten.
„Bing“ – die Fahrstuhltür öffnet sich und der überraschte Chef steht einem mannsgroßen Dinosaurier gegenüber. Dahinter taucht Mitarbeiter Grissemann auf, der seinem offensichtlich verdutzten Vorgesetzten in aller Kürze erklärt, was es damit auf sich hat. Es bleibt wenig Zeit, schließlich ist Grissemann in wichtiger Mission unterwegs –  zum Kindergeburtstag. Den Einwand seines Chefs, was denn dann mit ihrem Meeting um 17 Uhr sei, kontert der Vater gelassen: „Ich schalt‘ mich rein.“

„Der Wink mit dem Dino“

Die Vereinbarkeitslösung von Grissemann hätte sein Chef auch gern selbst erlebt. Was vor 30 Jahren allerdings noch undenkbar war, wird heute für viele Beschäftigte gelebter Berufsalltag. Dank zeitgemäßer Arbeitsmodelle und der fortschreitenden Digitalisierung ist es ihnen möglich, bei Bedarf beispielsweise zeitlich und räumlich flexibel zu arbeiten. Dies verbessert die Voraussetzungen für gute Vereinbarkeitslösungen in immer mehr Unternehmen. Wie wichtig es dabei ist, alle Beteiligten ins Boot zu holen und von den positiven Auswirkungen der sich verändernden Arbeitswelt zu überzeugen, zeigt das Beispiel Grissemann – manchmal genügt ein „kleiner Wink mit dem Dino“. Interessierte finden auf der Dialogplattform „Arbeiten 4.0 – Arbeit weiter denken“ des BMAS umfassende Informationen und zahlreiche Möglichkeiten zur Mitgestaltung der Arbeitswelt von morgen.Hinweis: Der Videspot wurde kurzfristig von der BMAS-Website entfernt und ist online nicht mehr verfügbar. (Stand: 25. Januar 2018)
 

"Die Herausforderungen des Familienlebens sind allgegenwärtig"

4 Fragen an ... Thomas Lemken, Dr. Guntermann GmbH, Köln

Thomas Lemken, Geschäftsführer der Dr. Guntermann GmbH mit Sitz in Köln, berichtet zum Auftakt der Interviewreihe "4 Fragen an …" über die Verbindung von Arbeits- und Lebenszeit im Agentur-Alltag.
vaeter.nrw: Herr Lemken, als Vater und Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur gilt es, Familie und Beruf gut auszubalancieren. Wie gelingt Ihnen diese Aufgabe? Thomas Lemken: Manchmal besser und manchmal schlechter: Rein formal arbeite ich im klassischen Modell Vollzeit, während meine Frau nach der Elternzeit wieder in Teilzeit in ihren Job einsteigt. In unserer kleinen Firma lösen wir das Thema Vereinbarkeit ziemlich pragmatisch mit einer ‚durchlöcherten Vollzeit', wie einer mein Kollegen immer sagt. Das bedeutet: Einen spontanen Kinderarztbesuch um 10 Uhr morgens wahrzunehmen, ist immer möglich. Dafür meckert aber auch keiner, wenn er abends im Zweifel noch mal ran muss. Diese Flexibilität und Freiheit sind ein großes Glück, das ich sehr zu schätzen weiß.
vaeter.nrw: Sie beschäftigen überwiegend männliche Mitarbeiter. Welche Vorbildfunktion übernehmen Sie als Führungskraft dadurch, dass Sie Vaterschaft aktiv leben? Thomas Lemken: Da wir in unserer Agentur ohne Hierarchien auskommen, bin ich nicht mehr oder weniger Vorbild als jeder andere Kollege. Bei uns arbeiten gleich vier Väter, die Herausforderungen des Familienlebens sind also allgegenwärtig. Wenn einer von uns ein krankes Kind zuhause hat oder nachmittags zum Laternenbasteln in die Kita geht, kann er auf das Verständnis aller Kollegen zählen. Dass es keine dummen Sprüche hagelt, wenn man sich Familienzeit nehmen möchte oder muss, macht es einem natürlich einfacher. Das sollte in meinen Augen heutzutage aber auch eine Selbstverständlichkeit sein.
vaeter.nrw: Väter entwickeln neue Kompetenzen. Wie kommt das Ihrer Zusammenarbeit im Unternehmen zugute?Thomas Lemken: Ob ich durch die Vaterrolle neue Kompetenzen gelernt habe, die sich auch direkt im Berufsalltag nutzen lassen, weiß ich nicht. Verändert haben die Kinder aber trotzdem etwas. Wir arbeiten in einer Branche, in der es nicht unüblich ist, abends bis in die Puppen im Büro zu hocken und äußerst wichtige Dinge zu tun. Jahrelang musste meine Frau sich anhören, dass es „heute etwas später wird“, weil dieser Text oder jene Mail unaufschiebbar seien. Erst seit ich Vater bin, schaffe ich es erstaunlicherweise fast immer, pünktlich das Büro zu verlassen. Sind Eltern also fauler als Kinderlose? Ich glaube, das Gegenteil trifft zu. Subjektiv habe ich das Gefühl, in kürzerer Zeit als zuvor ein vergleichbares Gesamtpensum wegzuschaffen. Meine Kinder haben mich dazu gebracht, effizienter und disziplinierter zu arbeiten.
vaeter.nrw: Sie betreiben mit Ihrer Agentur den Väter-Blog IchBinDeinVater.de und zeigen deutlich, dass beides geht: Vater sein und Beruf leben. Welche Reaktionen erhalten Sie darauf?Thomas Lemken: Die Reaktionen sind grundsätzlich positiv. Unser Blog erhält auch regelmäßig mediale Aufmerksamkeit und dass sich Männer überhaupt mit ihrer Elternrolle beschäftigen, wird fast immer positiv honoriert. Das ist einerseits toll, zeigt andererseits aber auch, dass es als Vater immer noch sehr leicht ist, Lob oder Anerkennung für Gedanken oder Taten einzuheimsen, die von Frauen als Selbstverständlichkeit erwartet werden.
Zur Person:

Thomas Lemken

Thomas Lemken ist Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Dr. Guntermann GmbH mit Sitz in Köln. Zusammen mit Gründer und Co-Geschäftsführer Dr. Thomas Guntermann arbeitet er im Team mit drei Kollegen und einer Kollegin. Im gemeinsamen Agenturblog „IchbindeinVater.de“ dreht sich alles um das Vatersein der Autoren Thomas Lemken, Thomas Guntermann und Janni Orfanidis. © Foto: Dr. Guntermann GmbH

Caritasverband Münster befragt Väter zur Verbesserung von Beratungsangeboten

Ergebnisse der „Väter-in-Beratung“-Studie (VIBS) in Werkstattgespräch vorgestellt

Vor welchen Herausforderungen stehen Väter mit Kindern im Vorschulalter? Auf welche Hilfen greifen sie bei Erziehungs- und Familienthemen zurück und welche Erwartungen stellen sie an Erziehungsberatung? Diesen Fragen ging der Caritasverband für die Stadt Münster e.V. gemeinsam mit Studierenden der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen im Rahmen einer Befragung von Vätern nach.
Ziel des Forschungsprojektes war es, väterspezifische Beratungsangebote noch besser auf die konkreten Bedürfnisse und Wünsche der Männer abstimmen zu können. Dazu wurde das alltägliche Vatersein von Münsteraner Vätern mit Kindern im Vorschulalter untersucht. Über die 21 Familienzentren bzw. die Kindertagesstätten in Münster, mit denen die Caritas kooperiert wurde der Kontakt zu den Vätern hergestellt. Circa 200 Väter beteiligten sich an der schriftlichen Umfrage. Die Befragungsergebnisse wurden Fachleuten aus der Region im Juni 2017 vorgestellt. Eingeladen hatten hierzu der Caritasverband für die Stadt Münster e.V. sowie die Fachstelle Väterarbeit in NRW. Laut Umfrage beteiligen sich viele Männer aktiv am Alltag ihrer Kinder. Ein Großteil von ihnen fühlt sich der Vaterrolle sowie den damit verbundenen Aufgaben gewachsen. 81 Prozent fällt das Vatersein insgesamt leicht. Unsicherheiten bestehen bei einzelnen Themen wie dem Umgang mit Regelbrüchen, bei der Mediennutzung sowie beim Beruhigen des Kindes. In Erziehungsfragen scheinen sich die meisten Paare (93 Prozent) einig zu sein.

Partnerschaftliche Aufgabenteilung schafft Zufriedenheit

Knapp die Hälfte der Väter gibt an, dass sie und ihre jeweilige Partnerin die Erziehung und Betreuung der Kinder zu gleichen Teilen übernehmen. Rund 90 Prozent der Befragten, die dieses partnerschaftliche Modell leben, bezeichnen sich und ihre Partnerin als zufrieden mit der gewählten Aufgabenteilung. Liegen die Betreuung und Erziehung der Kinder überwiegend in der Hand der Frau, so sinkt die Zufriedenheit auf gut 60 Prozent. Unabhängig des jeweils gewählten Modells haben fast 70 Prozent der Väter das Gefühl, dass sich Familie und Beruf für sie gut oder sehr gut miteinander vereinbaren lassen.

Väter sind offen für (professionelle) Beratung

Unterstützung bei Erziehungsfragen suchen sich 73 Prozent der befragten Väter bevorzugt im unmittelbaren sozialen Umfeld, wie zum Beispiel bei der Partnerin (61 Prozent). Fachleute aus vertrauten Anlaufstellen wie der Kinderbetreuungseinrichtung oder der Kinderarztpraxis werden jeweils von ca. 23 Prozent der Väter um Rat gefragt. Die Angebote einer professionellen Erziehungsberatungsstelle haben rund 8 Prozent der Väter bereits in Anspruch genommen. Knapp die Hälfte aller Befragten kann sich vorstellen, dies in Zukunft einmal zu tun. Besonders attraktiv für die Väter seien laut Umfrage Angebote, die vorwiegend abends oder samstags im Rahmen einer persönlichen Beratung stattfinden. Bevorzugt würden dabei eher Einzel- oder Familiengespräche als Gruppenangebote. Außerdem wünschten sich die Väter vor allem örtliche Nähe und zeitnahe Termine. Inhaltlich erwarten die Männer von einer Erziehungsberatung schnelle, praktische Lösungen sowie ganz allgemein die Möglichkeit zum Sprechen.

Wünsche und Erwartungen an Erziehungsberatung

Diese Anregungen möchte der Caritasverband Münster aufgreifen, um die väterspezifischen Angebote in der Erziehungsberatung noch besser auf die konkreten Bedarfe abstimmen und weiterentwickeln zu können. Das Werkstattgespräch der Fachstelle Väterarbeit in NRW bot den anwesenden regionalen Akteuren eine Plattform, um sich hierfür anbieterübergreifend auszutauschen und zu vernetzen. Dabei zeigte sich: Ein vertrauter Ort, bekannte Ansprechpersonen sowie der richtige Zeitpunkt der Ansprache erleichtern Vätern den Einstieg in die Beratung. Als Beispiel nannte die Vertreterin einer kirchlichen Beratungsstelle etwa das Thema Geburt des (ersten) Kindes und das darauf abgestimmte Angebot eines Babymassagekurses für Väter. Wie Väter im Rahmen der etablierten betrieblichen Gesundheitsberatung auf Wunsch auch ganz einfach Unterstützung im Bereich Erziehung und Familie erhalten könnten, beschrieb ein Unternehmensvertreter als weiteres Praxisbeispiel.

Attraktivität schaffen und Forschung fortsetzen

Das Fachpublikum kam überein: Wer mit Vätern zu Erziehungs- und Familienthemen in Kontakt kommen möchte, sollte Angebote schaffen, die für Männer inhaltlich, aber auch mit Blick auf die Rahmenbedingungen attraktiv sind. Dann werden diese gern in Anspruch genommen und im besten Fall von Vater zu Vater weiterempfohlen. Für ein tiefergehendes Verständnis dafür, was Väter beschäftigt und welche Unterstützung sie sich wünschen, könnte außerdem eine qualitative Erforschung in Einzelgesprächen sowie der Blick auf das gesamte Familiensystem sinnvoll sein, so die Expertinnen und Experten.

Ein schwieriges Geschäft: Windelwechsel unterwegs

Väter auf der Suche nach öffentlichen Wickelplätzen

Das Baby hat die Windeln voll und muss dringend gewickelt werden. Für Mütter keine große Sache: Ein Wickelplatz findet sich auf fast allen Damentoiletten. Für Väter dagegen kann sich eine volle Windel unterwegs zu einem echten Problem auswachsen.
Wickelplätze auf Herrentoiletten sind noch immer die Ausnahme – und die Damentoilette dürfen Männer nicht benutzen. Was also tun als wickelnder Vater? Der Überblick von vaeter.nrw liefert sichere und saubere Tipps für dringende Geschäfte.

Wichtig für die Gleichberechtigung: Wickelplätze für alle

Die USA sind auf dem Weg zur Wickel-Gleichberechtigung bereits ein großes Stück weiter: Der im Jahr 2016 verabschiedete Bathrooms Accessible in Every Situation Act – kurz BABIES-Act – schreibt gesetzlich vor, dass in jedem öffentlichen staatlichen Gebäude in den USA Wickeltische in den Toilettenräumen zur Verfügung stehen müssen, zugänglich für Frauen und Männer. Was nach einer vermeintlichen Kleinigkeit aussieht, ist für Fachleute ein wichtiger Schritt hin zu mehr Familienfreundlichkeit und Geschlechtergerechtigkeit.

Sauber und sicher – die besten Wickelplatz-Tipps

In Deutschland sind  entsprechende Regelungen noch nicht in Sicht. Doch auch hierzulande hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan. Väter, die alleine mit Babys und Kleinkindern unterwegs sind, sind keine Randerscheinung mehr. Öffentliche Einrichtungen und Geschäfte stellen sich zunehmend auf diese Entwicklung ein. Hier finden sich (fast immer) für Väter zugängliche Wickelplätze:
  • Viele Geschäfte, Kaufhäuser und Einkaufszentren haben geschlechtsneutrale Wickelräume eingerichtet. Auf Nachfrage erhalten Eltern hier häufig auch kostenlose Windeln und die nötigen Pflegeprodukte.
  • Drogeriemärkte: Verschiedene Drogerieketten bieten in ihren Filialen öffentliche Wickelplätze inklusive Windeln und Pflegeprodukten. Der Vorteil: Die Geschäfte finden sich fast überall in der Stadt. Der Nachteil: Man wickelt häufig mitten im Laden unter den Blicken anderer Kunden.
  • Öffentliche Gebäude: Ämter, Universitäten oder Gerichte bemühen sich im Rahmen von Gleichstellungskonzepten darum, Wickelplätze einzurichten, die von Vätern ebenso wie von Müttern genutzt werden können. Häufig befinden sich diese im Vorraum der Damentoilette. Ein entsprechender Hinweis an der Tür erlaubt dann auch Vätern den Zutritt.
  •  Hilfreich sind Webseiten und Apps, auf denen neben zahlreichen anderen kinderfreundlichen Orten auch Wickelplätze eingezeichnet sind, wie zum Beispiel daipa.de und babyplaces.de.

Vorbereitet auf alle Fälle: Was immer im Gepäck sein sollte

Kein richtiger Wickelplatz in Sichtweite? Viele Väter wickeln in solchen Situationen auf Parkbänken, Wiesen oder auch in der Nische in einem Café. Wichtig ist es hier, auf die Sicherheit des Kindes zu achten: Von einer Bank kann ein Baby noch viel schneller herunterfallen als von einem Wickeltisch. Entsprechend umsichtig sollte gewickelt werden – Feuchttücher und die frische Windel müssen unbedingt vorher griffbereit gelegt werden, um dann ohne Ablenkung wickeln zu können. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Hygiene: (Einweg-)Wickelunterlagen und eine Decke leisten beim Windelwechsel unterwegs gute Dienste und sollten deshalb immer mit in die Wickeltasche gepackt werden.  

Partnerschaftlich Familie und Beruf leben – davon profitieren alle

Interview mit Anna-Lena und Rüdiger Dreier

Anna-Lena (37) und Rüdiger Dreier (44) haben seit der Geburt ihrer beiden Töchter, die heute drei Jahre und 14 Monate alt sind, die gemeinsame Vision von einem partnerschaftlichen Familienmodell umgesetzt. Im Interview mit vaeter.nrw erzählen die Lehrerin und der Diplom-Sozialpädagoge aus Münster davon, wie sie ihre Vereinbarungen aushandeln, wie sie Konflikte bewältigen und warum es bei den Absprachen immer mal wieder anders kommt.
vaeter.nrw: Wie sieht Ihr derzeitiges Vereinbarkeitsmodell aus?Rüdiger Dreier: Das Modell, das wir bei unserer ersten Tochter Luise ausprobiert haben, hat sich bewährt. Deshalb haben wir es bei Alma fast genauso wiederholt. Meine Frau ist am Anfang acht Monate zu Hause geblieben, weil sie die Mädchen gestillt hat. Dann ist sie auf ihre Vollzeitstelle in der Schule zurückgekehrt und ich habe für die nächsten sechs Monate übernommen. Luise ist mit einem Jahr in eine U3-Gruppe in die Kinderbetreuung gekommen, so dass auch Alma zuerst mit meiner Frau und dann mit mir eine exklusive Zeit hatte. Weil ich anfangs unbedingt einen Fuß in meinem Berufsalltag behalten wollte, habe ich in Luises Elternzeit noch fünf Stunden in der Woche gearbeitet. Bei Alma brauchte ich diese Absicherung nicht mehr und habe mich ganz aufs Vatersein konzentriert.
vaeter.nrw: Welche Rahmenbedingungen haben Sie bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit besonders unterstützt?Rüdiger Dreier: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen mit Elternzeit und Elterngeld haben es erst möglich gemacht, ein individuelles Vereinbarkeitsmodell zu gestalten. Besonders hilfreich war allerdings, dass es bei meinem Arbeitgeber „Caritasverband für die Stadt Münster e.V“ die Möglichkeit gibt, Arbeitsstunden befristet zu reduzieren. Es ist aber tarifvertraglich geregelt, dass ich den Anspruch auf meine ursprüngliche Stundenzahl behalte. So stecke ich nicht wie viele andere, die später nicht mehr auf ihre Vollzeitstelle zurückkehren können, in der „Teilzeitfalle“. Derzeit wird Alma in der Kinderbetreuung eingewöhnt, und ab nächster Woche kehre ich erst einmal auf eine 24-Stunden-Teilzeitstelle in meinen Job als Familientherapeut in einer Erziehungsberatungsstelle zurück.
vaeter.nrw: Worin lag für Sie beide der größte Gewinn der partnerschaftlich aufgeteilten Elternzeit?Rüdiger Dreier: Wir haben mit der Elternzeit, in der wir unser Lebensmodell partnerschaftlich umgesetzt haben, eine solide Basis für unser Familienleben geschaffen. Davon werden wir profitieren, wenn wir jetzt beide wieder berufstätig sind. Außerdem war ich begeistert davon, dass ich in der Elternzeit bei allen wichtigen Entwicklungsschritten von Luise und Alma live dabei war. Dadurch haben beide eine sehr intensive Beziehung zu mir aufgebaut. Für Luise bin ich bis heute die erste Ansprechperson. Ich weiß was es bedeutet, wenn einem das Kind am Rockzipfel hängt. Anna-Lena Dreier:  Wir müssen uns nicht erklären, wie es mit den Kindern läuft. Wenn einer nach Hause kommt und der andere weg muss, kann man nahtlos ansetzen. Der größte Gewinn für mich ist, dass die Kinder uns beide akzeptieren und auch ohne Probleme damit klarkommen, dass wir beide Dinge unterschiedlich machen. Das heißt natürlich auch, dass jeder dem anderen sein Fahrwasser lassen muss. Diese Toleranz ist wichtig. So haben wir uns auch durch die Kinder nicht auseinanderdividiert. Im Gegenteil: Da ist zusätzliche Nähe entstanden. Ich finde, dass wir als Eltern ein hervorragendes Team sind. Wir diskutieren und handeln viel aus, aber vieles geht auch ohne Worte Hand in Hand.
vaeter.nrw: Wie haben Sie die Aufgaben aufgeteilt, und wie liefen solche Aushandlungsprozesse konkret ab?Rüdiger Dreier: Wir haben uns gefragt, was jeder von uns gern macht. Meine Frau kocht zum Beispiel hundert Mal lieber und sie fährt auch mit Begeisterung zum Einkaufen. Bei den Kindern bin ich ein Gläschen-Geber und kümmere mich nicht so gern um die Zubereitung des Essens. Aber dafür besorge ich zwischendurch Kleinigkeiten und alle Drogerieartikel wie Windeln, und ich bin fürs Staubsaugen zuständig. Für die Dinge, die keiner so gern macht, leisten wir uns mittlerweile einmal in der Woche eine Haushaltshilfe.Ein gutes Beispiel für einen Aushandlungsprozess war die Frage, wer nachts für die Kinder aufsteht. Da Luise ein echtes Papa-Kind ist, hatten wir die Nächte anfangs nach den Kindern geteilt. Meine Frau war für Alma zuständig, und ich habe mich um Luise gekümmert. Doch dieses Modell haben wir geändert und an unsere persönlichen Tiefschlafphasen angepasst. Bis drei Uhr stehe ich jetzt für beide Kinder auf, danach meine Frau. Das erspart uns eine Menge Stress. Wenn man weiß, dass der oder die andere zuständig ist, kann man sich getrost dem Schlaf hingeben.
vaeter.nrw: In welchen Bereichen gibt es Konflikte?Rüdiger Dreier: Manchmal gibt es dicke Luft, wenn ich den Tag mit den Kindern verspielt habe und vergessen habe, einzukaufen. Dann kommt meine Frau schon mal und sagt: Hast du mal in den Kühlschrank geguckt? Warum ist keine Milch für die Kinder da? Aber richtig problematisch sind bei uns eigentlich nur die Freizeitthemen, wenn einer von uns wirklich mal etwas allein machen möchte. Da tappen wir immer wieder in die Falle und werden emotional. Wenn meine Frau abends berufliche Zusatztermine hat und dann auch noch ins Fitnessstudio gehen will, kriege ich manchmal einen zu viel und sage: Du warst diese Woche schon zweimal weg! Jetzt will ich auch mal raus und joggen! Wir haben schon versucht, jedem von uns bestimmte Abende freizuhalten. Aber es klappt nicht, alles so festzuklopfen. Wir können uns nur immer wieder hinsetzen und neu verhandeln.
vaeter.nrw: Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihr partnerschaftliches Lebensmodell?Anna-Lena Dreier: Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon darauf angesprochen wurde, warum ich denn wieder Vollzeit arbeite. Wenn ich um fünf Uhr nachmittags noch in der Schule bin, fragen ältere Kollegen oft: Wer ist denn jetzt bei deinen Kindern? Theoretisch sind alle für Gleichberechtigung, aber wenn es konkret wird, entscheiden sich doch fast alle für das klassische Rollenmodell. Wir haben mit unserem Lebensmodell immer noch Exoten-Status.Rüdiger Dreier:  Ich habe mich ebenfalls extrem als Exot empfunden, als ich mit Luise in Elternzeit war. Überall, wo ich hinkam, gab es nette Mütter und kaum Väter. Daraufhin habe ich zusammen mit einem Kollegen bei uns in der Beratungsstelle eine Gruppe für Väter mit Kindern bis zu drei Jahren gegründet. Mittlerweile sind wir dort acht Väter, die eine längere Elternzeit in Anspruch genommen haben oder noch nehmen. Daraus sind auch Freundschaften mit Gleichgesinnten entstanden.
vaeter.nrw: In Ihrem Blog „Mannpluskind.de“ berichten Sie über Ihre Erfahrungen. Welchen Rat geben Sie anderen Vätern?Rüdiger Dreier: Ich wünsche jedem Vater, dass er exklusive Zeit, in der er allein die Verantwortung trägt, mit seinem Kind erlebt. Da muss man auch einmal etwas ausprobieren und sich durchsetzen lernen. Nach acht Monaten Elternzeit hatte meine Frau ihr Fahrwasser. Ich paddelte dann ganz anders und habe zu ihr gesagt: Schatz, ich mache es anders, aber ich komme auch im Hafen an.
Zur Person:

Anna-Lena, Lehrerin und Rüdiger Dreier, Diplom-Sozialpädagoge

Rüdiger Dreiers Blog "Mannpluskindgleichvater"Gastbeitrag von Rüdiger Dreier zum Vatersein auf daddylicious

Aushandeln konkret: Das passende Vereinbarkeitsmodell finden

Beispiele für partnerschaftliche Vereinbarkeitsmodelle

Die gesetzlichen Regelungen zu Elterngeld, Elterngeld Plus und Elternzeit bieten Vätern und Müttern nach der Geburt eines Kindes zahlreiche Möglichkeiten, berufliche und familiäre Aufgaben untereinander aufzuteilen. Aber auch für Eltern von älteren Kindern bieten sich noch viele Chancen, Familie und Beruf partnerschaftlich zu leben. Eine gemeinsam getroffen Entscheidung stellt in jedem Fall die Weichen für eine gute Zukunft mit Zeit für Familie und Beruf.
Ein wichtiger erster Schritt: Informieren Sie sich  über die Regelungen zu Elterngeld und Elternzeit und Kinderbetreuungsmöglichkeiten an Ihrem Wohnsitz. Das können Sie entweder über die örtlichen Ansprechpartner in Ihrer Kommune oder Ihrem Kreis tun oder auch übers Internet. Die Links finden Sie in der Spalte rechts. Bei Ihrem Arbeitgeber sollten Sie sich frühzeitig über Angebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf erkundigen. Folgende Fragestellungen können zu Lösungen führen:
  • Wer von uns möchte wann und wie lange eine berufliche Auszeit (Elternzeit) für die häusliche Betreuung und Versorgung des Kindes oder der Kinder nehmen bzw. die Arbeitszeit (zeitweise) reduzieren?
  • Welche Vorstellungen haben wir zur Verteilung der Berufs- und Familienarbeit? Haben wir dabei unsere jeweilige berufliche Entwicklung ausreichend bedacht?
  • Welche finanziellen Mittel brauchen wir monatlich? Wie können diese durch Elterngeld und/oder Erwerbseinkommen bzw. andere finanzielle Unterstützung sichergestellt werden?
  • Ab wann möchten wir einen Kinderbetreuungsplatz in einer Kita bzw. bei einer Kindertagespflege in Anspruch nehmen? Wie können wir dort eine gute Eingewöhnung unseres Kindes gewährleisten?
  • Mit wem müssen wir Absprachen treffen (z. B. Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin)?
  • Welche unterschiedlichen Unterstützungsangebote sind durch den Arbeitgeber denkbar?

Elternzeit- und Elterngeldplanung – Beispiele für partnerschaftliche Vereinbarkeitsmodelle

Benötigen Sie noch konkrete Anregungen für Ihre Elternzeit- und Elterngeldplanung? Basiselterngeld, Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus fördern Partnerschaftlichkeit auf verschiedene Weise. Hier ein paar Beispiele:Beispiel 1: Vater und Mutter nehmen zeitgleich für maximal sieben Monate Basiselterngeld in Anspruch. Das ermöglicht es, sich intensiv auf die Familienzeit einzulassen und gemeinsam Routine bei der Betreuung und Versorgung des Kindes zu gewinnen.Beispiel 2: Im „Phasenmodell“ können Eltern die Verantwortungsbereiche nach einer gewissen Zeit wechseln. Beispielsweise ist die Mutter in den ersten sieben Monaten im Elterngeldbezug und für die Versorgung des Kindes verantwortlich, während der Vater erwerbstätig ist. Und in den folgenden sieben Monaten übernimmt der Vater die Familienaufgaben während seines Elterngeldbezuges und die Mutter ist berufstätig.Beispiel 3: Die Mutter nimmt zwölf Monate Basiselterngeld und der Vater im Anschluss die verbleibenden zwei Elterngeldmonate, damit die Mutter nach ihrer Familienphase in den Beruf zurückkehren kann.Beispiel 4: Mit Elterngeld Plus und Partnerschaftsbonus können sich Mutter und Vater über einen längeren Zeitraum Familienaufgaben Erwerbsarbeit teilen. Aus einem Basiselterngeldmonat werden zwei Elterngeld Plus-Monate mit maximal der Hälfte des Elterngeldes, so lässt sich mit Elterngeld Plus die Bezugsdauer verdoppeln. Den Partnerschaftsbonus von vier zusätzlichen Elterngeld Plus-Monaten erhalten Eltern, wenn sie beide für mindestens vier aufeinanderfolgende Lebensmonate des Kindes gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden erwerbstätig sind.

Flexible Unternehmensangebote nach Familienphase nutzen

Auch im Anschluss an eine mit Elterngeld unterstützte Familienphase bestehen verschiedene Möglichkeiten, wie Väter und Mütter die Aufgaben in Beruf und Familie partnerschaftlich aufteilen können. Unternehmensangebote zur flexiblen zeitlichen und räumlichen Arbeitsgestaltung wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit, Zeitwertkonten, Home Office, Job Sharing oder Teilzeitmodelle unterstützen Familien mit älteren Kindern bei ihrer individuellen Lebensplanung. Erkundigen Sie sich nach den konkreten Möglichkeiten in Ihrem Betrieb und suchen Sie rechtzeitig das Gespräch mit Ihren Vorgesetzten, um eine für Sie passende Vereinbarkeitslösung auszuhandeln.  

Bundesregierung sieht weiter Handlungsbedarf in der Gleichstellungspolitik

Zweiter Gleichstellungsbericht vom Kabinett beschlossen
„Die Bundesregierung hat in dieser Legislaturperiode viel für Gleichstellung getan, aber wir sind längst noch nicht am Ziel“. Das betonte heute (Mittwoch) Bundesfrauenministerin Dr. Katarina Barley anlässlich der Verabschiedung des Zweiten Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung im Kabinett. „Bei der Verteilung von Belastungen und Chancen zwischen den Geschlechtern geht es in unserer Gesellschaft immer noch ungerecht zu: Frauen arbeiten oft mehr und bekommen dafür weniger“, so die Ministerin.   Der Zweite Gleichstellungsbericht besteht aus einem Gutachten einer Sachverständigenkommission und der Stellungnahme der Bundesregierung dazu. Die Sachverständigenkommission unter dem Vorsitz von Frau Professorin Dr. Eva Kocher empfiehlt in ihrem Gutachten, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Erwerbsarbeit und unbezahlte Arbeit in der Familie und für die Gesellschaft gerecht zwischen Frauen und Männern aufgeteilt werden kann. Sie hat dazu eine neue Kennzahl entwickelt. Den Gender Care Gap, der bei 52,4 Prozent liegt. Frauen wenden danach deutlich mehr Zeit für unbezahlte Tätigkeiten im Haushalt und für die Familie auf als Männer. Zudem erzielen Frauen pro Stunde und auch über den Lebensverlauf hinweg weniger Einkommen. Die Sachverständigenkommission bewertet diese Lohn- und Sorge-Lücke als Zeichen ungleicher Verwirklichungschancen von Frauen und Männern.   In ihrer Stellungnahme schließt sich die Bundesregierung dieser Analyse an: „Gleiche Verwirklichungschancen von Frauen und Männern sind nach Auffassung der Bundesregierung die Voraussetzung dafür, dass die grundgesetzlich festgeschriebene Gleichstellung von Frauen und Männern auch tatsächlich in der Lebenswirklichkeit der Menschen ankommt. Die statistisch nachweisbaren Unterschiede in der Lebensrealität von Frauen und Männern sind ein Indiz dafür, dass Gleichstellung im Sinne verwirklichter Lebensplanungen noch nicht erreicht ist.“   Wichtige Schritte für mehr Gleichstellung sind nach Auffassung der Bundesregierung zum Beispiel die Aufwertung sozialer Berufe und die Schaffung weiterer Spielräume zugunsten von Familien für mehr Zeitsouveränität. Darüber hinaus werden die Impulse des Gutachtens gewürdigt, sich mit Gleichstellungspolitik weiter auch an Männer zu wenden und Strukturen der Gleichstellungspolitik zu stärken.   „Mit dem Zweiten Gleichstellungsbericht ist das Thema längst nicht abgeschlossen“, sagte Bundesfrauenministerin Dr. Katarina Barley. „Die Empfehlungen der Sachverständigen müssen jetzt intensiv diskutiert werden. Um mehr Gleichstellung zu erreichen, brauchen wir eine bessere Unterstützung von Familien. Außerdem müssen wir mehr Möglichkeiten schaffen, um Familie und Beruf auch wirklich gut vereinbaren zu können. Eines meiner zentralen Anliegen ist die Aufwertung von sozialen Berufen. Hiervon werden in erster Linie Frauen profitieren.“   Der Zweite Gleichstellungsbericht knüpft an den Ersten Gleichstellungsbericht an, der bereits wichtige Impulse gesetzt hat. Vieles davon ist mittlerweile Realität und wirkt auf die Gleichstellung von Frauen und Männern: Von der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns profitieren mehrheitlich Frauen in niedrig entlohnten Dienstleistungsbereichen und in geringfügiger Beschäftigung. Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung, dem Elterngeld und dem ElterngeldPlus sowie mit der Verbesserung der Familienpflegezeit wurden neue Möglichkeiten zur partnerschaftlichen Arbeitsteilung und zur dauerhaften eigenständigen Existenzsicherung geschaffen. In ihrer Bilanz stellt die Bundesregierung fest: Der Erste Gleichstellungsbericht hat gewirkt.   Die Sachverständigenkommission hat das Gutachten im Januar 2017 an die damalige Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig übergeben und im März 2017 veröffentlicht.   Weitere Informationen finden Sie unter der Website gleichstellungsbericht.de  Das Gutachten der Sachverständigenkommission als Download  Themenblätter zum Sachverständigengutachten Zweiter Gleichstellungsbericht Quelle: BMFSFJ    

Fachleute diskutieren Väterfreundlichkeit in Gesellschaft und Unternehmen

Tagung der Katholischen Bildungsstätte Olpe bringt Akteure der Region zusammen

Unter dem Motto „Vater ist, was du draus machst!“ veranstaltete die Katholische Bildungsstätte Olpe im März 2017 eine Fachtagung. Ziel war es, das Thema „Väterfreundlichkeit“ aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und Akteure aus der Region zusammenzubringen. In vier Vorträgen informierten Fachleute aus Forschung, Beratung und Wirtschaft über die Ergebnisse neuer Studien, stellten aktuelle Trends und väterfreundliche Unternehmensmodelle vor.
Der erfahrene Familientherapeut Ansgar Röhrbein, Lüdenscheid, zeigte in seinem Vortrag „Vater werden – Vater sein. Gestalte die Rolle deines Lebens“ auf, wie sich die Aufgaben und Bedürfnisse von Vätern entsprechend verschiedener Familienphasen verändern und wie Familien damit umgehen können. Der Experte lädt Väter dazu ein, mit Blick auf die Herkunftsfamilie, die eigene Partnerschaft, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Erziehung der Kinder den persönlichen Standort zu bestimmen. Die Kernfragen, die sich Väter dabei stellen können, formuliert er folgendermaßen: „Was für ein Vater möchte ich eigentlich sein?“ und „Was sollen meine Kinder in zwanzig Jahren über mich erzählen?“. Aus der Auseinandersetzung mit diesen Fragen könnten Väter neue Handlungsmuster und ein neues Selbstverständnis entwickeln, unterstrich Ansgar Röhrbein.

Väter zu neuen Familien- und Arbeitsmodellen ermutigen 

Hans-Georg Nelles von der Fachstelle Väterarbeit in NRW aus Düsseldorf gab Denkanstöße zu „Elternzeit – Möglichkeiten und Perspektiven für Väter“. Trotz verschiedener Möglichkeiten Elternzeit partnerschaftlich zu teilen, fühlten sich Väter– aus Furcht vor beruflichen Nachteilen– in ihrer Rolle als Ernährer gefangen. Dies zeigten aktuelle Studien. Es sei Zeit umzudenken: Das Elterngeld Plus ermögliche Vätern und Betrieben, neue Arbeitszeitmodelle auszuprobieren. Hans-Georg Nelles hält eine begleitende Beratung in den Betrieben sowie eine Kultur gegenseitiger Wertschätzung für wünschenswert und regte sowohl Väter als auch Personalverantwortliche dazu an, individuelle Lösungen auszuhandeln. Marcus Schmitz von der IGS-Unternehmensberatung in Köln beschrieb Faktoren, welche die „derzeitige und zukünftige Welt für Väter“ beeinflussen werden, wie zum Beispiel der Trend zur egalitären Partnerschaft und damit verbundene individuelle Aushandlungsprozesse oder die Teilhabe am Familienleben als neue Wertvorstellung vieler Väter. Der Berater ermunterte die neue Generation von Vätern, ihr Selbstbewusstsein für individuelle Lösungen zu nutzen.

Unternehmen Hering-Bau geht mit gutem Beispiel voran

Wie „Gelebte Familienfreundlichkeit im Unternehmen“ aussehen kann, beschrieb Nicole Trettner, Personalmanagerin der Hering GmbH & Co KG aus Burbach. Sie stellte konkrete Maßnahmen vor, mit denen das Unternehmen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf seit dem Jahr 2006 bewusst und erfolgreich fördere:
  • Flexible Arbeitszeiten
  • Verständnis und Wertschätzung durch Vorgesetzte
  • Rücksichtnahme auf verschiedene Lebensphasen von Männern und Frauen
  • Elternzeit und Teilzeit auch für Väter
  • Arbeit im Homeoffice
  • Lebensarbeitszeitkonto
Wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Maßnahmen sei die offene Kommunikation zwischen Führungskräften und Beschäftigten. Es könnten zwar nicht alle Wünsche erfüllt werden, räumte Nicole Trettner ein, doch es bestünde seitens des Betriebes stets Offenheit zum Dialog, wenn Väter und Mütter ihre Wünsche einbrächten. Im gemeinsamen Gespräch werden Lösungen gefunden, die langfristig für alle Beteiligten zufriedenstellend sind. Bei Interesse an weiteren väterspezifischen Angeboten geben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Bildungsstätte Olpe gerne Auskunft: Katholische Bildungsstätte für Erwachsenen- und Familienbildung Tel.: 02761 / 94220- 0 E-Mail: info [at] kbs-olpe.de (info[at]kbs-olpe[dot]de)  

VÄTERNETZWERK NRW

Fachtagung am 19. Januar 2017 – ein Bericht

Zwei Jahre VÄTERNETZWERK NRW – Am 19. Januar 2017 fand in Düsseldorf die Abschlussveranstaltung zum erfolgreichen Pilotprojekt statt. Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, lobte das Engagement für eine väterorientierte Personalpolitik. Expertinnen und Experten, Personalverantwortliche aus Unternehmen sowie Väter, die ihre Vereinbarkeitslösungen schilderten, boten vielfältige Anregungen zum Nachdenken oder Nachmachen.
„Mit dem VÄTERNETZWERK NRW wollten wir Unternehmen für eine väterfreundliche Personalpolitik gewinnen und Personalverantwortliche anregen, Väter als Zielgruppe für familienbewusste Angebote in den Blick nehmen“, berichtet Volker Baisch, Geschäftsführer der Väter PAL gGmbH und Initiator des „VÄTERNETZWERK NRW“, im Rahmen der Abschlussveranstaltung des vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (MFKJKS) geförderten Pilotprojekts. Am Pilotprojekt nahmen E.ON SE, ERGO Group AG, ista Deutschland GmbH, Sparkasse KölnBonn und Vodafone GmbH teil. Die Unternehmen konnten das umfangreiche väterspezifische Programm der Väter PAL gGmbH nutzen, um Vätern die Möglichkeit zu bieten, sich in Webinaren und unternehmensübergreifenden Veranstaltungen zu Themen aus den Bereichen Erziehung und Work-Life-Balance zu informieren sowie an Vater-Kind-Aktivitäten teilzunehmen. Die Initiierung von Väternetzwerken in den teilnehmenden Unternehmen war ein weiterer Baustein, den Austausch zu fördern. Spezielle Formate für Führungskräfte rundeten das Angebot ab. Eine ausführliche Evaluation im Rahmen des Projektes bestätigt, wie wichtig es ist, Mitarbeiter auch in ihrer Vaterrolle wahrzunehmen und wertzuschätzen. 75 Prozent der befragten Teilnehmer sind überzeugt, dass ein aktives Väternetzwerk im Unternehmen den Veränderungsprozess zu einer väterorientierten Personalpolitik voranbringen kann.

Intensiver Austausch

Mehr als 20 Expertinnen und Experten bzw. Personalverantwortliche aus Unternehmen sorgten für zahlreiche und vielfältige Impulse sowie einen regen Austausch mit den rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – sei es im Expertenpanel „Aushandlungsprozesse in der Partnerschaft“, der Podiumsdiskussion „Vereinbarkeit 2020 – nur noch mit Müttern UND Vätern!“ oder in einem der vier Workcafés zu den Themen Digitalisierung der Arbeits- und Familienwelt, väterbewusste Führung, Väternetzwerke in Unternehmen oder Partnerschaftlichkeit als Vereinbarkeitstrend.

Familienministerin Christina Kampmann lobt Engagement für eine väterorientierte Personalpolitik

"Sie haben einen Veränderungsprozess in Gang gesetzt hin zu einer väterorientierten Personalpolitik. Durch ihr Engagement haben sie einen Bewusstseinswandel eingeleitet, der auch die Väter in den Mittelpunkt stellt. Sie haben gezeigt: Unternehmen und Angestellte können profitieren, wenn sich Väter untereinander vernetzen und austauschen", sagte Christina Kampmann, Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Veranstaltung. „Die Erfahrungen und Erfolge des VÄTERNETZWERKES NRW sind hier richtungsweisend – für die Väter, Familien und die Unternehmen in unserem Land.“

Es geht weiter

Die am Pilotprojekt beteiligten Unternehmen setzen ihre Aktivitäten für Väter über die Förderphase hinaus fort. Als Anregung für die Praxis erhielten alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Tagungsunterlagen eine Checkliste für Unternehmen „So unterstützen Sie Väter bei der Vereinbarkeit“.