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Medienkompetenz – Was steckt dahinter?

Ihre Fähigkeiten als Vater sind gefragt

Die Neuen Medien fordern uns regelmäßig heraus, immer wieder Neuland zu betreten und weiter zu lernen. Kindern fällt es meist überraschend leicht, technische Geräte intuitiv zu bedienen; sie finden oftmals auch einen schnelleren Zugang zu neuen Spielen, Diensten oder Programmen. Sind sie also „bessere“ Mediennutzer als ihre Väter? Medienkompetenz umfasst jedoch viel mehr als technische Fertigkeiten. Welche Rolle spielen Sie als Vater in der Vermittlung dieser Kompetenzen und wo können Sie sich informieren?
Die Medienlandschaft entwickelt sich ständig weiter, Trends, Technologien oder Geräte kommen und gehen. Väter suchen oftmals nach Lösungen, wie sie ihre Kinder sicher durch das tägliche Abenteuer „Medien“ begleiten können.  Wie lässt sich Kindern ein langfristig guter, sinnvoller und  verantwortungsbewusster Umgang mit Medien vermitteln? Der Schlüssel, um dieses Ziel zu erreichen, ist Medienkompetenz. Das heißt:  Medien zu kennen, kritisch zu hinterfragen, sie bewusst einzusetzen, technisch bedienen und inhaltlich erfassen zu können sowie eigene Ideen kreativ umzusetzen. Im Zuge der Digitalisierung unserer Gesellschaft wird diese Fähigkeit für Kinder, Heranwachsende genauso wie für ihre Eltern immer wichtiger.

Von und mit Medien lernen

Spricht man von Medien, so sind sowohl Zeitschriften, Bücher, Hörfunk, Film und Fernsehen wie auch die Neuen Medien, die einen Zugang zum Internet bereitstellen und Interaktivität ermöglichen, gemeint. Vom ersten Bilderbuch bis hin zu Tablet, Computer oder Smartphone lernen Kinder und Erwachsene mit und von Medien. Das Berufs- und Sozialleben ist durch ihre technischen, wirtschaftlichen und kommunikativen Möglichkeiten geprägt. Medien durchdringen inzwischen alle Lebensbereiche, auch die von Kindern und Jugendlichen und sind damit wichtige Kanäle für Bildung und Meinungsbildung. Doch stellt sich allein durch die Nutzung von Medien auch automatisch ein kompetenter Umgang ein?

Was ist Medienkompetenz?

Der Begriff Medienkompetenz wurde durch den Erziehungswissenschaftler und Medienpädagogen Professor Dr. Dieter Baacke (1934 – 1999) geprägt. Er unterteilte das Thema in vier Dimensionen: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung. Diese Teilkompetenzen sind auch in der heutigen medienpädagogischen Debatte von zentraler Bedeutung. Baacke ging es weniger darum, was die Medien mit den Menschen machen, sondern vielmehr, wie sie die Medien kompetent nutzen können.
  • Medienkritik ist laut Baacke nicht das „Meckern über Medien“, sondern die Fähigkeit zu entscheiden und zu unterscheiden, für welchen konkreten Zweck welches Medium bzw. welche Quelle jeweils am besten geeignet ist.
  • Medienkunde umfasst das Wissen über heutige Medien und Mediensysteme, etwa über journalistische Arbeitsweisen oder Soziale Netzwerke, sowie die Kenntnis von Fachbegriffen wie Pay TV oder Emojis. Auch praktische Fähigkeiten, die beispielsweise notwendig sind, um neue Geräte zu bedienen, werden hierzu gezählt.
  • Mediennutzung beschreibt zum einen die Fähigkeit zum aktiven Medienkonsum, also z. B. Fernsehen schauen oder ein Buch lesen, sowie zum anderen zu interaktiven Handlungsmöglichkeiten, etwa die eigene Video- oder Podcast-Produktion zu erstellen.
  • Mediengestaltung bedeutet, innovative Veränderungen und Entwicklungen der Medienlandschaft voranzutreiben und sich mit neuen Ideen gestaltend einzubringen.

Medienkompetenz als Bildungsaufgabe

Auch die Politik hat erkannt: Die Förderung von Medienkompetenz, die sowohl traditionelle als auch digitale Medien umfasst, ist eine der wichtigsten Bildungsaufgaben unserer Zeit. Die Initiative „Medienpass NRW“ unterstützt Erziehende und Lehrkräfte dabei, Kindern und Jugendlichen einen sicheren, kreativen und verantwortungsvollen Umgang mit Medien zu vermitteln. Wesentliche Bestandteile des Konzepts sind der aktuelle Medienkompetenzrahmen 2017 für digitale Medien, der zwischen sechs Kompetenzbereichen mit 24 Teilbereichen differenziert, ein Lehrplankompass sowie ein Medienpass für Schülerinnen und Schüler. Der Medienkompetenzrahmen NRW bildet den verbindlichen Orientierungsrahmen für die Weiterentwicklung des schulischen Medienkonzepts, das alle Schulen in NRW bis spätestens 2021 erstellen sollen. Der Landschaftsverband Rheinland,  Zentrum für Medien und Bildung, setzt mit diesem Angebot die bundesweiten Bildungsstandards in Nordrhein-Westfalen (NRW) um. Das Projekt wird von der Landesregierung NRW, der Landesanstalt für Medien NRW und der Medienberatung NRW unterstützt.

Väter als Kompetenzvermittler

Väter (Eltern) sind wichtige Vorbilder, wenn es um den Umgang mit Medien geht. Von Anfang an gut begleitet, entwickeln Kinder langfristig ein sicheres Gespür und kritisches Verständnis für vertrauenswürdige Informationen, altersentsprechende Inhalte und gute Umgangsformen in der digitalen Kommunikation. Gut genutzt bieten Medien die Chance, eigenständig zu lernen und kreativ zu gestalten. Übernehmen Sie eine aktive Rolle und überstützen Sie Ihr Kind um Umgang mit Medien. In welchen Themen sind Sie fit? In welchen Bereichen lohnt es sich zusätzliches Wissen aufzubauen,  um es altersgerecht an Ihr Kind weitergeben zu können? Viele Fachleute haben sich mit dem Thema Medienkompetenz befasst. Profitieren Sie von dem umfangreichen Wissensschatz:

Internetguide für Eltern

Die Expertinnen und Experten des Portals Elternguide.online haben ein spannendes Angebot geschaffen, um Eltern bei der Medienerziehung ihrer Kinder unterstützend und beratend zur Seite zu stehen. Mit Hilfe einer Guided Tour lassen sich Themen nach Alter, Lebensphase, Medienwelten und Medien in der Familie zusammenstellen. Schnell und zielgerichtet ist alles Wissenswerte, was zu Ihnen und ihrer Familiensituation passt, zu finden. Der Elternguide.online bietet Informationen über die sichere Mediennutzung, empfohlene Angebote und Möglichkeiten für den Jugendschutz. Eltern erfahren, welche Rolle sie bei der Medienerziehung ihrer Kinder spielen und welchen Einfluss Medien auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen haben. Das Angebot ist ein Kooperationsprojekt von: Unterstützt wird das Angebot von Facebook. Die einzelnen Projektbeiteiligten stellen auf ihren Webseiten weitere Informationen zum Thema Medienkompetenz zur Verfügung.

Das Internet-ABC für Eltern

Aktuelle Informationen, Spieletipps, Lernsoftware, einen Mediennutzungsvertrag und vieles mehr finden interessierte Väter auf dem Portal Internet-ABC. Im Bereich "Familie & Medien" bietet das Portal hilfreiches Basiswissen, um sich im Internet gut zurechtzufinden und um Kindern zeigen zu können, wie's geht. Von A – Z: Ein Lexikon hält die wichtigsten Begriffe, die man rund um das Internet braucht und kennen sollte, bereit. Das mehrfach ausgezeichnete Portal ist ein Angebot des Internet-ABC e.V., der Landesanstalt für Medien NRW.

Intitiative Eltern+Medien

Gemeinsam mit Schule, Kita oder Elternvereinen können Eltern wichtige Impulse bei der Vermittlung von Medienwissen setzen und somit verlässliche und kompetente Ansprechpartner für Kinder und Jugendliche sein. Die Initiative Eltern+Medien unterstützt Institutionen, Elternvereine und andere Initiativen in Nordrhein-Westfalen bei der Planung und Organisation von Informationsveranstaltungen zu Fragen der Mediennutzung und stellt kostenlos Referenten bzw. Referentinnen zur Verfügung. Mit der Durchführung der Initiative Eltern+Medien wurde das Grimme-Institut beauftragt.

Das Medienkompetenzportal NRW

Mit dem Medienkompetenzportal NRW leistet die Landesanstalt für Medien NRW einen Beitrag dazu, bestehende Angebote zu vernetzen und auffindbar zu machen. Dadurch soll die Förderung von Medienkompetenz auf breiter Ebene angestoßen bzw. ausgebaut werden. Interessierte finden zahlreiche Angebote, Projekte und Initiativen in NRW zur Förderung von Medienkompetenz im "Medienpädagogischen Atlas NRW". Grundlagen- und Praxiswissen sowie Dossiers zu Themen wie Informationskompetenz, Medien und Sprachbildung, TV-Formate etc. runden das Angebot ab.

Medienkompetenz-Datenbank der Bundeszentrale für politische Bildung

Die Medienkompetenz-Datenbank bietet einen Überblick über die Vielfalt an länderübergreifenden, überregionalen und regionalen Angeboten zur Förderung der Medienkompetenz für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Es ist eine systematische Sammlung von nachhaltigen institutionalisierten nicht kommerziellen Medienangeboten, deren erklärtes Ziel es ist, Medienkompetenz als Kernkompetenz zu fördern. vaeter.nrw wünscht Vätern und Kindern viel Freude, Kreativität und tolle Lernerlebnisse beim kompetenten Umgang mit Medien!  

Quizzen und Wissen

Internetwissen für Groß und Klein

Kann man mich über das Smartphone orten? Was ist die GEMA? Welchen Internetseiten kann ich trauen? Stimmt es, dass ich über die Computerkamera heimlich beobachtet werden kann? Im Quiz können Väter und Kinder gemeinsam ihr Wissen rund ums Internet testen.
Nutzen Sie einen spielerischen Ansatz, um mit Ihrem Kind über Medienthemen ins Gespräch zu kommen: Der Surfschein des Internet-ABC macht Kinder im Grundschulalter fit fürs Internet. Die Entdeckerfreude wird bei diesem Quiz genauso angeregt, wie der Ehrgeiz, die Führerscheinprüfung für das Web zu bestehen und die Surfschein-Urkunde zu erwerben. Besonders viel Spaß macht es, das Quiz gemeinsam zu lösen. Beantworten Sie knifflige Fragen aus den vier Themenbereichen „Surfen und Internet“, „Achtung, Gefahren“, „Lesen, Hören, Sehen“ und „Mitreden und Mitmachen“ und erklären Sie sich gegenseitig, warum Sie sich für die jeweilige Antwortmöglichkeit entschieden haben. Wahrscheinlich werden Sie einiges voneinander lernen. Nach dem erfolgreich absolvierten Quiz haben Sie ein gemeinsames Hintergrundwissen zu Begriffen wie „Upload“, „Browser“, „Server“, „Link“„ etc. Super! Sie und Ihr Kind haben jetzt eine gemeinsame Grundlage für weitere Gespräche und Diskussionen über Medienthemen geschaffen. Wenn Sie und Ihr Kind zu manchen Fragen noch mehr wissen möchten oder den Surfschein im ersten Anlauf nicht bestanden haben, besuchen Sie auf der Website die passenden Lernmodule zu den vier verschiedenen Themenbereichen und surfen Sie sich schlau.

Mit Dennis durch die digitale Datenwelt (ab Mittelstufe)

Auch „Dennis Digital“ stellt in seinem Quiz einige spannende Fragen, die sich an Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe richten. Könnten Sie beispielsweise Ihrem Kind erklären, was Cookies sind oder der Zwischenspeicher im Internet? Welche Interessen verfolgen verschiedene Internetanbieter? Machen Sie gemeinsam den Test und finden Sie heraus, bei welchen Fragen vielleicht noch Nachholbedarf besteht. Wenn Sie mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter weiteren Geheimnissen der Datenwelt auf die Schliche kommen möchten, klicken Sie einfach weiter: Dennis Horn, Journalist für Hörfunk und Fernsehen, klärt über Risiken und Gefahren im Umgang mit Digitalen Medien auf. In der WDR-Sendereihe "Dennis Digital" geht der Multimedia-Experte den Fragen von Jugendlichen rund ums Internet auf den Grund, wie zum Beispiel: Wieso kann Facebook Freundschaften vorhersagen? Wie schütze ich mich vor Passwortklau? Und was ist Personalisierung? Im Gespräch mit Informatikern und Medienfachleuten findet der Reporter Dinge heraus, die Väter und ihre Kinder bislang vielleicht noch nicht wussten. Durch anschauliche Beispiele und Selbstversuche werden komplizierte Zusammenhänge einfach erklärt.  

Der Klick zum Kick

Videos, Spiele und Wissen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2018

Weltweit steigt das Fußball-Fieber, die Mannschaften geben ihr Bestes und wir drücken unserem Team die Daumen. Abstauber, Dropkick oder Sechser – spielen Sie vorne mit und halten Sie dem Sturm von Fragen stand, die Ihr fußballbegeisterter Nachwuchs an Sie hat? Machen Sie sich gemeinsam schlau. Vaeter.nrw stellt Kinderseiten zur Weltmeisterschaft (WM) in Russland vor.
Tolle Webseiten für Kinder ab 6, 8 und 10 Jahren füllen die Zeit zwischen den Spielen. Glänzen Sie bei jeder Begegnung mit Ihrem gemeinsam neu erworbenen Profiwissen über Fachbegriffe, Regeln, Land und Leute oder die WM-Stadien.

Kindersache – WM-Spezial

Starten Sie Ihre Entdeckungsreise durchs Internet zum Beispiel mit dem WM-Spezial bei „Kindersache“. Die Website des Deutschen Kinderhilfswerkes e. V. verschafft Fans ab 6 Jahren mit dem „Fußball-ABC“ einen klaren Wissensvorsprung, sorgt mit einer witzigen Sammlung von Fußballersprüchen für gute Laune und verrät bei den Rezeptideen, wie sich Groß und Klein zur nächsten WM-Party ein Spielfeld zum Anknabbern auf den Tisch zaubern.

Paule und seine Fußballfreunde

Adler Paule, das Maskottchen des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB), hat als Glücksbringer der deutschen Nationalmannschaft eine wichtige Aufgabe zu erfüllen und feuert Jogis Jungs vom Spielfeldrand an. Zwischen den Spielen hält er in seinem WM-Tagebuch auf der Kinderseite des DFB (empfohlen ab 6 Jahren) spannende Geschichten rund um die Weltmeisterschaft fest. Ein Fußball-Lexikon klärt über Regeln und Begriffe auf, in der Video-Rubrik „Fit am Ball“ lernen Väter und Kinder, wie man richtig mit dem Fußball umgeht. Hacke, Spitze, Tooor!

logo! – WM-Themenseite

Die Themenseite der Kindernachrichten-Sendung „logo!“ des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) füttert Fußball-Begeisterte ab 10 Jahren mit umfangreichem Hintergrundwissen, etwa zum WM-Kader, den einzelnen Stadien des Turniers, dem WM-Gastgeber Russland oder dem Weltfußballverband FIFA (Fédération Internationale de Football Association). Des Weiteren trifft logo!-Kinderreporter Johannes Spieler wie Mats Hummels oder Sebastian Rudy zum Interview und entlockt ihnen spannende Informationen. Das WM-Quiz stellt kleine und große Ratefüchse auf die Probe.

ZDFtivi im Fußballfieber

Für jüngere ballbegeisterte Kinder ab 6 Jahren hat das ZDF eine weitere Anlaufstelle eingerichtet: Unter dem Motto „Fußballfieber“ hält die Webseite Sendungen, Videos und Spiele rund um den beliebten Rasensport bereit. Im kniffligen Fußball-Zahlen-Quiz ist ein gutes Auge für Torgröße oder Freistoß-Abstand gefragt. Wer wissen möchte, wie man selbst Fußballstar werden kann oder wie es sich anfühlt, einmal mitten auf dem Spielfeld zu übernachten, klickt sich durch die verschiedenen Filme.

HanisauLand – Themenschwerpunkt WM

Einen wahren Wissensschatz rund um Fußball, die WM und ihre Teilnehmerländer birgt der Themenschwerpunkt von „HanisauLand“. Das Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) richtet sich an Kinder zwischen 8 und 14 Jahren. Die umfangreichen Informationen bieten eventuell auch für Erwachsene noch Neues. Oder wissen Sie beispielsweise, wie viele Staaten an das Gastgeberland Russland grenzen? Spannend wird es auch für die Ohren, wenn sich das Hymnen-Karussell zu drehen beginnt. Probieren Sie es aus und spielen Sie ein paar Töne an – wer errät, zu welchem Land die jeweilige Nationalhymne gehört? Ein kniffliges Quiz und ein Comic zum Thema „Fairplay im Fußball“ runden das WM-Spezial ab. Ob vor dem Fernseher, im Internet oder auf dem Bolzplatz: Bleiben Sie gemeinsam am Ball und jubeln Sie mit!  

In Alltagsdingen steckt viel Wissen

Interview

Aus dem Umgang mit alltäglichen Gegenständen gewinnen Kinder viel Wissen. Dafür schärft die Pädagogin und Sachbuchautorin Dr. Donata Elschenbroich mit einem besonderen Projekt den Blick: Beim Erforschen von Alltagsdingen begleiten Väter und Mütter ihre Kinder – die Beschäftigung mit einem Kugelschreiber wird so zum Lernspiel für die ganze Familie.
vaeter.nrw: Beim Stichwort Bildung fällt den meisten die Schule ein, vielleicht auch noch die Kita. Welche Bedeutung hat die Familie als Ort für Bildung?Dr. Donata Elschenbroich: Die Familie ist ein zentraler Bildungsort. Ich spreche von Elternhäusern als „Wunderkammern des Wissens“, um das bewusst zu machen. Kinder sind dort von klein auf mit Dingen umgeben, in denen das Wissen von Jahrtausenden steckt. In Alltagsgegenständen ist ein großer Teil der Kulturgeschichte und des Erfindungsreichtums der Menschheit eingeschrieben. Kinder erschließen sich dieses Wissen Stück für Stück. Ihre Väter und Mütter sind ihnen dabei Bildungsbegleiter. Diese Aufgabe erfüllen sie unwillkürlich und sehr kompetent. Sie zeigen und erklären zum Beispiel, welcher Schuh an welchen Fuß passt und wie Messer und Gabel verwendet werden.
vaeter.nrw: Um diese besondere Bedeutung der Alltagsgegenstände ins Bewusstsein zu bringen, haben Sie ein Projekt realisiert, das Sie auch in einem Buch und in Filmen darstellen. Worum ging es in dem Projekt?Dr. Donata Elschenbroich: Wir haben in Kindertagesstätten „Weltwissenvitrinen“ eingerichtet. Dort waren ganz unterschiedliche Alltagsgegenstände ausgestellt: scheinbar banale wie eine Wäscheklammer, spektakuläre wie ein Stethoskop oder eher historische wie eine Balkenwaage. Die Gegenstände waren manchmal beleuchtet, oder Spiegel an der Vitrinenrückseite trugen dazu bei, die Dinge in Szene zu setzen. Das verändert den Blick auch auf alltägliche Gegenstände. Auch Erwachsene sehen sie dann neu – wie mit Kinderaugen – und beginnen, Fragen zu stellen. Am Beispiel der Wäscheklammer haben wir das einmal durchgespielt: Dieser Gegenstand enthält viele Möglichkeiten und Dimensionen. Einjährige werfen ihn durch die Gegend. Zweijährige legen die Klammern vielleicht in Reihen auf den Boden. Vierjährige stecken ihn sich und anderen an die Finger. Und das Beispiel der Wäscheklammer zeigt, wie viel ungelöste Naturrätsel in solch kleinen genialen Alltagsgegenständen stecken. Wir haben renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefragt, die sagten, dass sie auch nicht bis ins letzte erklären können, warum der offene Arm der Klammer immer wieder zurückspringt. Mit unserem Projekt wollen wir Kinder und ihre Eltern ermutigen, nah heranzugehen an die Gegenstände des Alltags, an ihre Möglichkeiten und Rätsel.
vaeter.nrw: Wie sah das konkret aus?Dr. Donata Elschenbroich: Die Kinder nahmen einen Gegenstand für eine Woche mit nach Hause. Die Pädagogen oder Pädagoginnen hatten ihnen kleine Aufgaben dazu mitgegeben. Zum Beispiel sollten sie überlegen, was wäre, wenn es diesen Gegenstand nicht gäbe. Oder sie sollten ihn zeichnen. Für unseren Film begleiteten wir 50 Familien dabei, wie sie sich gemeinsam mit dem geliehenen „Ding“ beschäftigten, Fragen stellten und es auf unterschiedliche Weise ausprobierten. Das Projekt sprach auch die Väter sehr an. Da lag dann eine Balkenwaage, eine Stimmgabel oder ein Dübel auf dem Küchentisch. Die Väter kamen manchmal so richtig in Fahrt, präsentierten ihr Wissen dazu und demonstrierten, wie dieser Gegenstand genutzt wird – manchmal über die Köpfe der Kinder hinweg. Aber wenn dann die Regie mehr auf die Kinder überging, haben sie mit ihren Einfällen andere Möglichkeiten der Dinge offenbart. So hatten Zwillinge plötzlich die Idee, ihre Köpfe mit der Balkenwaage zu wiegen. Wer den schweren Kopf hätte, sei schlauer, meinten sie. Doch dann ging es ihnen darum, die Waage möglichst ins Gleichgewicht zu bringen. Ein schönes Bild für das Gleichgewicht in der Familie. Eine andere Familie erprobte ein Stethoskop, hörte sich gegenseitig die Herztöne ab, den Puls nach dem Treppensteigen und sogar den des Haustiers. Besonders rührte es die Eltern, als die dreijährige Tochter die Membran ans Gras hielt und das Gras wachsen hören wollte. Interessant ist, dass Kinder oft ganz andere Wege gehen, andere Erklärungen haben und andere Sachen ausprobieren. Sie erschließen das „Mehr“ in den Dingen. Die Väter zeigten sich hinterher oft beeindruckt von dem Erfindungsreichtum und der Kreativität ihrer Kinder. Den Eltern wurde ihre Alltagslehrerfunktion in dieser Situation bewusst, was ihnen anfangs oft ihre Spontaneität nahm. Doch wenn sie die Regie mehr den Kindern überließen, entwickelten sich überraschende Situationen. Kinder sind ja unbefangener im Erproben und Interpretieren von neuen Dingen.
vaeter.nrw: Was können Väter und ihre Familien, die nicht an diesem Projekt beteiligt waren, für sich mitnehmen?Dr. Donata Elschenbroich: Das Projekt macht die Bedeutung des Lernens im Alltag bewusster. Kinder lernen nicht allein von den Dingen. Es braucht die Kommunikation mit den anderen, mit Erwachsenen. Die Sachforschung der Kinder ist immer zugleich Sozialforschung. Väter können ihr eigenes Weltwissen mit den Kindern teilen, wenn sie mit Kindern gemeinsam Dinge „erforschen“. Wenn sie zusammen beim Arzt oder der Ärztin im Wartezimmer sitzen, können sie sich zum Beispiel einen Kuli vornehmen. Ist da eine Kugel drin? Oder woher kommt der Name Kugelschreiber? Aus wie vielen Teilen besteht eigentlich so ein Schreibgerät? Zuhause können Väter und Kinder auch kleine Ausstellungen machen. Auf dem Fensterbrett oder im Spielzeugregal: Welchen Gegenstand gibt es nur in unserer Familie? Welches Ding haben wir schon mal repariert? Über welches Ding streiten wir oft? Ich möchte Väter auch ermutigen, darüber nachzudenken, welcher Elternteil welche Dinge mit den Kindern „bespielt“. Über diese kulturellen Zuschreibungen: Der Dübel ist ein Ding „für Männer“, das Schüttelsieb eines „für Frauen“. Das muss ja nicht immer so bleiben. Familien, die solche gelegentlichen Gegenstandsbetrachtungen zu einer Gewohnheit haben werden lassen, können das auch fortführen, wenn die Kinder älter sind und die üblichen Alltagsgegenstände schon „beherrschen“. Das regt immer wieder die Kommunikation an und es entstehen vielleicht seltener diese Parallelwelten innerhalb der Familie.
vaeter.nrw: Was macht die Dinge, die uns umgeben, so attraktiv?Dr. Donata Elschenbroich: Ein erwachsener Mensch kennt rund 20.000 Gegenstände – und hat sehr viel Wissen dazu. Nicht nur Faktenwissen. Dinge haben breite Schultern: Es sind ja oft ganz individuelle Erinnerungen mit ihnen verbunden, etwa weil sie schon seit Generationen in der Familie sind oder weil sie ein Geschenk waren. Die Kommunikation über diese Gegenstände, das nahe Herangehen an ein Ding kann erstaunlich entspannend und beruhigend sein. Vielleicht weil diese Konzentration eine Gegenerfahrung ist zur Überstimulation durch die vielen elektronischen Informationen. Bei Kindern wie bei Erwachsenen kann dabei eine neue Hochachtung vor den Dingen entstehen. Man geht achtsamer mit ihnen um. Goethe sagt: „Jeder neue Gegenstand wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf.“
Zur Person:

Dr. Donata Elschenbroich

Dr. Donata Elschenbroich ist Pädagogin und Sachbuchautorin  Text aktualisiert am 22.Juni 2016