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Der kurze Weg vom Single zur Familie

Der kurze Weg vom Single zur Familie

Ungeplante Vaterschaft

Rund ein Fünftel aller Schwangerschaften in Deutschland gilt als ungeplant. Kommt das Kind dann zur Welt, stellt es das bisherige Leben der Eltern auf den Kopf. Mütter und Väter müssen sich umstellen, alte Pläne aufgeben und neue schmieden. Ein Vater aus Dortmund berichtet, wie tiefgreifend und bereichernd sein Leben umgekrempelt wurde.

Nichtstun, Partys feiern, treiben lassen. Ziellos mit einem Bier in der Hand im Stadtbus durch die Gegend fahren und so unbekannte Ecken der Dortmunder Heimat erkunden. So stellte sich Michael* den Winter 2002/03 vor. Er hatte gerade seine Ausbildung zum Feinmechaniker hinter – und viel freie Zeit vor sich. „Ich war 25 Jahre alt, hatte außer Musik machen und der Idee mit dem Busfahren keine Pläne, und ich genoss diese Unabhängigkeit.“ Rückblickend nennt er sein Leben ausschweifend und wild. Auf einer seiner ersten Bustouren sitzt er neben einer jungen Frau. Sie heißt Katrin. Sie und Michael kommen schnell ins Gespräch, fahren gemeinsam eine weitere Runde durch Dortmund. „Im Bus erzählte mir Katrin, dass sie gerade über den zweiten Bildungsweg das Abitur nachmacht. Sie fragte mich, ob das nicht auch etwas für mich wäre – ein paar Tage später war ich im Weiterbildungskolleg angemeldet“, sagt Michael.

In der Schule treffen die beiden wieder aufeinander. Sie mögen sich, verbringen gerne Zeit miteinander. Irgendwann wird ein Liebesabenteuer daraus – an eine feste Beziehung denken sie aber nicht. Die ungebundene Zeit endet schlagartig im Frühling 2003. Katrin ist schwanger und will das Kind unbedingt behalten. „Sie hat mich vor die Wahl gestellt: Ich könne mein freies Leben wie bisher weiterleben und müsse mir um das Kind keine Gedanken machen. Aber ich wäre komplett raus. Ein bisschen Papa sein, wenn es gerade passt, sollte es nicht geben“, sagt Michael. Er wählte die Alternative: Ganz Papa sein, zusammenziehen und eine Familie gründen. „Jetzt ist es passiert, dachte ich, dann stehe ich dazu. Dann ist es meine Aufgabe, das so gut wie möglich zu machen“.

Mit Mut und Beratung

Und in Michael wächst langsam Vorfreude auf das Kind, ein Sohn, wie sie bald erfahren. Er merkt, dass es gut tut, sich über sein Leben mehr Gedanken machen zu müssen. Dass das Kind ihm die Chance bietet, sich selbst neu zu definieren: „Ich fand die schlagartige Verantwortung und das Erwachsenwerden spannend. Ich wollte wissen, wie gut ich das kann und wie gut Katrin und ich als Eltern funktionieren würden.“ Die Schule ernst nehmen, gemeinsam eine Wohnung finden, zum Geburtsvorbereitungskurs gehen – die neue Verantwortung startet unmittelbar. Auch bei der Geburt dabei zu sein, ist für Michael selbstverständlich. Lasse kommt im Oktober per Kaiserschnitt auf die Welt. Michael hält Katrins Hand, spricht ihr und sich gut zu und übernimmt später direkt das Baby zum Waschen und Kuscheln. „Und dann steht man da, mit so einem Würmchen auf dem Arm“, wundert er sich noch Jahre später.

Schon während der Schwangerschaft lassen sich die werdenden Eltern umfassend beraten. Solange sie zum Weiterbildungskolleg gehen, bekommen sie zwar BAföG, aber damit allein können sie keine Familie ernähren. Bei Pro Familia bekommen sie deshalb nicht nur Zuspruch, sondern ebenso Tipps zu Mutterschaftsgeld, Wohngeld und der Kindererstausstattung. Zusammen mit den Beratern klären sie ihre Ansprüche und füllen Formulare und Anträge aus. Ihr Ansprechpartner beim Jugendamt hilft ihnen mit der Suche nach einer Tagesmutter. Michael sagt: „Wir hatten wirklich gute Berater. Und wenn man verstanden hat, wo man anfragen muss, ist das Hilfsangebot enorm groß.“

Sehen, dass man es kann

Das Paar ist sich einig, dass beide wie geplant Abitur machen. Mit einem Säugling ist das nicht so einfach. Aber die Schule zeigt sich flexibel und nachdem Lasse in den ersten Wochen auch mal mit im Unterricht sitzt, finden sie eine Tagesmutter, die das Kind stundenweise übernimmt. „Als wir das Abi in der Tasche hatten und ein Studium beginnen wollten, wurde es mit der Betreuung allerdings schwieriger“, sagt Michael. Katrin plante in Essen zu studieren, aber Michael wollte weiter in Dortmund wohnen und dort sein Maschinenbaustudium beginnen. Also pendelte Katrin jeden Tag 50 Kilometer – und Michael wurde zum Ansprechpartner für alle Kinderfragen vor Ort.

Während Michael inzwischen auf Partys und Ausschlafen verzichtete, ging das alte Leben für seine Freunde weiter. Sie studierten meist und waren frei von allen Familienpflichten. Trotzdem die Freundschaften aufrechtzuhalten klappte nicht gut: „In deren Alltag hat sich nichts geändert und sie hatten keine wirkliche Vorstellung von meinem neuen Leben. Sie beobachteten nur, dass ich mich veränderte,“ sagt Michael. Er und Katrin merkten schnell, dass der Kontakt zu den Freunden loser wurde und zu vielen schließlich abbrach. Aber auf der anderen Seite haben sie auch neue Leute kennengelernt: Eltern, die ganz ähnliche Themen und Probleme hatten. Außerdem spürte Michael einen wachsenden Stolz auf sich und die gemeinsame Leistung: „Es fühlte sich richtig an, einen entscheidenden Schritt im Leben weiter zu sein, Verantwortung für das Kind zu haben und zu sehen, dass man es tatsächlich kann.“

Aus eins mach drei

Mit der Erfahrung, dass sie ihr Familienleben und das Studium – wenn auch mit einigem Aufwand – unter einen Hut bringen konnten, dachten Michael und Katrin ihre Familie weiter: „Ich hätte vorher nie geglaubt, dass es mit uns und Lasse so gut laufen würde. Und wir beide mochten die Vorstellung von mehreren Kindern in unserem Leben, also entschlossen wir uns zu einem weiteren – diesmal richtig geplant.“ Noch während des Studiums kam der zweite Sohn, Lennart. Damit war die Familienplanung aber noch nicht abgeschlossen. Zwei Jahre später schon wurde Niklas geboren. „Keine Frage, ich musste vom Schicksal ein bisschen zu meinem Glück gezwungen werden“, sagt Michael heute. Inzwischen arbeitet er bei einem Automobilzulieferer und wohnt mit seiner Familie in einem Häuschen am Stadtrand. „Ich hatte das Glück, jung Vater zu werden und im richtigen Moment anfangen zu müssen, über mich und mein Leben nachzudenken. Durch die Kinder kann ich mich selbst jetzt ganz anders wahrnehmen. Ich habe meinen Weg gefunden und eine Rolle, die mich ausfüllt.“

*Alle Namen geändert.

 (vaeter.nrw)

Text aktualisiert am 31. Mai 2016