Vater ist, das was du draus machst!
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Ein Rucksack voller Zeit – dank Zeitwertkonto

Ein Rucksack voller Zeit – dank Zeitwertkonto

Zeitsouveränität lässt sich erarbeiten

Väter äußern immer lauter ihre Bedarfe nach mehr Zeit für Familie. vaeter.nrw sprach mit Dr. Thomas Haßlöcher von der netvisory Beratungsgesellschaft mbH über die Potenziale und den Nutzen von Zeitwertkonten.
vaeter.nrw: Sie sind Experte für die Einführung von Zeitwertkonten in Unternehmen. Wie können dadurch die Rahmenbedingungen in Betrieben so verändert werden, dass mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten entsteht? Dr. Thomas Haßlöcher: Vielleicht erkläre ich zunächst kurz, was es mit einem Zeitwertkonto auf sich hat. Ein Zeitwertkonto ist ein Konto, auf dem Beschäftigte Zeit oder Bruttoentgelt für die Zukunft ansparen können. Dieses Wertguthaben kann lebensphasenorientiert für Freistellungs- bzw. Teilzeitphasen genutzt werden. In dieser Zeit erhalten sie ihre arbeitsvertraglich geregelten Bezüge und sind entsprechend sozialversichert. Sie sammeln also ihre Rentenpunkte und sind arbeitslosenversichert. Auch ihr Status bezüglich der Krankenversicherung bleibt erhalten, egal ob pflicht-, freiwillig gesetzlich oder privat versichert. Das Ganze ist gesetzlich im Sozialgesetzbuch IV § 7 ff. geregelt. Allerdings gibt es keinen Rechtsanspruch auf Zeitwertkonten. Das Unternehmen führt ein solches System auf freiwilliger Basis ein. Aktuell bieten ca. fünf bis sechs Prozent der deutschen Unternehmen ihren Beschäftigten diese Möglichkeit. Unternehmen, die sich für ein Zeitwertkontenmodell entscheiden, setzen ein klares Signal, dass der flexible Umgang mit Zeit nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern gelebte Realität werden darf. Das System funktioniert nach klar definierten Regeln, die für alle Beschäftigten transparent sind. Da gibt es keine Sonderlösungen mehr für diejenigen, die besser darin geübt sind, Vorteile für sich auszuhandeln. Im Rahmen der vereinbarten Regelungen ist das System hochflexibel und basiert auf dem beidseitigen Einverständnis zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin.
vaeter.nrw: Welche Vorteile haben Väter, wenn ihnen ein Zeitwertkonto zur Verfügung steht? Dr. Thomas Haßlöcher: Bevor ich Geschäftsführer meines eigenen Unternehmens wurde, war ich bei einer großen Bank beschäftigt und hatte selbst ein Zeitwertkonto. Während dieses Arbeitsverhältnisses bin ich auch Vater geworden. Es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl, einen Rucksack voller Zeit zu besitzen, wie ein Fallschirm, der mich absichert. Ich hatte jederzeit die Möglichkeit, auf mein Zeitvermögen zuzugreifen, wenn ich mir Zeit für Familie nehmen wollte – ohne finanzielle Verluste und Risiken. Dadurch konnte ich im Job und in der Familie ganz anders auftreten, denn ich wusste, dass ich beiden Seiten gerecht werden konnte. Und das Tolle war, ich hatte es mir selbst erarbeitet, mir sozusagen Zeit mit Hilfe meiner Arbeitsleistung gekauft. Wann kann man das sonst im Leben?
vaeter.nrw: Zeitwertkonto – wie kurzfristig kann ich auf mein Wertguthaben zugreifen? Darf ich ins „Minus“ kommen? Was passiert bei einem Arbeitgeberwechsel?Dr. Thomas Haßlöcher: Die Fristen für die Inanspruchnahme des Zeitguthabens hängen vom Regelwerk des jeweiligen Unternehmens ab. Meist ist eine Ankündigungsfrist von drei Monaten einzuhalten. In Unternehmen, die eine hohe Flexibilität aufweisen, sind auch kürzere Fristen und eine tageweise Nutzung erlaubt. Für den Fall, dass noch nicht ausreichend Zeit angespart wurde, kann mit dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin vereinbart werden, eine Freistellungs- oder Teilzeitphase in Anspruch zu nehmen und das dafür notwendige Guthaben nachzuarbeiten. Wer einmal mit dem Ansparen von Wertguthaben begonnen hat, verliert seine Ansprüche nicht – auch nicht bei einem Arbeitgeberwechsel. Das wissen viele nicht. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gibt es drei Möglichkeiten, mit dem Wertguthaben zu verfahren. 1. Das Guthaben wird ausgezahlt. Vorher müssen der im Wertguthaben enthaltene Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung sowie Lohnsteuer abgeführt werden. 2. Bietet der neue Arbeitgeber bzw. die neue Arbeitgeberin ebenfalls Zeitwertkonten an, lässt sich das Guthaben übertragen. 3. Ab einer bestimmten Höhe des Wertguthabens können Beschäftigte von ihrem bisherigen Arbeitgeber bzw. von ihrer bisherigen Arbeitgeberin verlangen, das Guthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund zu übertragen. Übrigens ist das Wertguthaben auch im Falle einer Insolvenz des Unternehmens gesichert. Hier noch ein Tipp von mir: Väter sollten ruhig mutig sein und ihre Bedarfe nach Flexibilität äußern. Werden im Unternehmen noch keine Zeitwertkonten angeboten, lohnt es sich, das Thema einmal bei den Vorgesetzten anzusprechen. Ich erlebe es immer wieder, dass eine positive Resonanz viel häufiger ist, als man denkt.
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