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Partnerschaftlich Familie und Beruf leben – davon profitieren alle

Partnerschaftlich Familie und Beruf leben – davon profitieren alle

Interview mit Anna-Lena und Rüdiger Dreier

Anna-Lena (37) und Rüdiger Dreier (44) haben seit der Geburt ihrer beiden Töchter, die heute drei Jahre und 14 Monate alt sind, die gemeinsame Vision von einem partnerschaftlichen Familienmodell umgesetzt. Im Interview mit vaeter.nrw erzählen die Lehrerin und der Diplom-Sozialpädagoge aus Münster davon, wie sie ihre Vereinbarungen aushandeln, wie sie Konflikte bewältigen und warum es bei den Absprachen immer mal wieder anders kommt.
vaeter.nrw: Wie sieht Ihr derzeitiges Vereinbarkeitsmodell aus?Rüdiger Dreier: Das Modell, das wir bei unserer ersten Tochter Luise ausprobiert haben, hat sich bewährt. Deshalb haben wir es bei Alma fast genauso wiederholt. Meine Frau ist am Anfang acht Monate zu Hause geblieben, weil sie die Mädchen gestillt hat. Dann ist sie auf ihre Vollzeitstelle in der Schule zurückgekehrt und ich habe für die nächsten sechs Monate übernommen. Luise ist mit einem Jahr in eine U3-Gruppe in die Kinderbetreuung gekommen, so dass auch Alma zuerst mit meiner Frau und dann mit mir eine exklusive Zeit hatte. Weil ich anfangs unbedingt einen Fuß in meinem Berufsalltag behalten wollte, habe ich in Luises Elternzeit noch fünf Stunden in der Woche gearbeitet. Bei Alma brauchte ich diese Absicherung nicht mehr und habe mich ganz aufs Vatersein konzentriert.
vaeter.nrw: Welche Rahmenbedingungen haben Sie bei der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit besonders unterstützt?Rüdiger Dreier: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen mit Elternzeit und Elterngeld haben es erst möglich gemacht, ein individuelles Vereinbarkeitsmodell zu gestalten. Besonders hilfreich war allerdings, dass es bei meinem Arbeitgeber „Caritasverband für die Stadt Münster e.V“ die Möglichkeit gibt, Arbeitsstunden befristet zu reduzieren. Es ist aber tarifvertraglich geregelt, dass ich den Anspruch auf meine ursprüngliche Stundenzahl behalte. So stecke ich nicht wie viele andere, die später nicht mehr auf ihre Vollzeitstelle zurückkehren können, in der „Teilzeitfalle“. Derzeit wird Alma in der Kinderbetreuung eingewöhnt, und ab nächster Woche kehre ich erst einmal auf eine 24-Stunden-Teilzeitstelle in meinen Job als Familientherapeut in einer Erziehungsberatungsstelle zurück.
vaeter.nrw: Worin lag für Sie beide der größte Gewinn der partnerschaftlich aufgeteilten Elternzeit?Rüdiger Dreier: Wir haben mit der Elternzeit, in der wir unser Lebensmodell partnerschaftlich umgesetzt haben, eine solide Basis für unser Familienleben geschaffen. Davon werden wir profitieren, wenn wir jetzt beide wieder berufstätig sind. Außerdem war ich begeistert davon, dass ich in der Elternzeit bei allen wichtigen Entwicklungsschritten von Luise und Alma live dabei war. Dadurch haben beide eine sehr intensive Beziehung zu mir aufgebaut. Für Luise bin ich bis heute die erste Ansprechperson. Ich weiß was es bedeutet, wenn einem das Kind am Rockzipfel hängt. Anna-Lena Dreier:  Wir müssen uns nicht erklären, wie es mit den Kindern läuft. Wenn einer nach Hause kommt und der andere weg muss, kann man nahtlos ansetzen. Der größte Gewinn für mich ist, dass die Kinder uns beide akzeptieren und auch ohne Probleme damit klarkommen, dass wir beide Dinge unterschiedlich machen. Das heißt natürlich auch, dass jeder dem anderen sein Fahrwasser lassen muss. Diese Toleranz ist wichtig. So haben wir uns auch durch die Kinder nicht auseinanderdividiert. Im Gegenteil: Da ist zusätzliche Nähe entstanden. Ich finde, dass wir als Eltern ein hervorragendes Team sind. Wir diskutieren und handeln viel aus, aber vieles geht auch ohne Worte Hand in Hand.
vaeter.nrw: Wie haben Sie die Aufgaben aufgeteilt, und wie liefen solche Aushandlungsprozesse konkret ab?Rüdiger Dreier: Wir haben uns gefragt, was jeder von uns gern macht. Meine Frau kocht zum Beispiel hundert Mal lieber und sie fährt auch mit Begeisterung zum Einkaufen. Bei den Kindern bin ich ein Gläschen-Geber und kümmere mich nicht so gern um die Zubereitung des Essens. Aber dafür besorge ich zwischendurch Kleinigkeiten und alle Drogerieartikel wie Windeln, und ich bin fürs Staubsaugen zuständig. Für die Dinge, die keiner so gern macht, leisten wir uns mittlerweile einmal in der Woche eine Haushaltshilfe.Ein gutes Beispiel für einen Aushandlungsprozess war die Frage, wer nachts für die Kinder aufsteht. Da Luise ein echtes Papa-Kind ist, hatten wir die Nächte anfangs nach den Kindern geteilt. Meine Frau war für Alma zuständig, und ich habe mich um Luise gekümmert. Doch dieses Modell haben wir geändert und an unsere persönlichen Tiefschlafphasen angepasst. Bis drei Uhr stehe ich jetzt für beide Kinder auf, danach meine Frau. Das erspart uns eine Menge Stress. Wenn man weiß, dass der oder die andere zuständig ist, kann man sich getrost dem Schlaf hingeben.
vaeter.nrw: In welchen Bereichen gibt es Konflikte?Rüdiger Dreier: Manchmal gibt es dicke Luft, wenn ich den Tag mit den Kindern verspielt habe und vergessen habe, einzukaufen. Dann kommt meine Frau schon mal und sagt: Hast du mal in den Kühlschrank geguckt? Warum ist keine Milch für die Kinder da? Aber richtig problematisch sind bei uns eigentlich nur die Freizeitthemen, wenn einer von uns wirklich mal etwas allein machen möchte. Da tappen wir immer wieder in die Falle und werden emotional. Wenn meine Frau abends berufliche Zusatztermine hat und dann auch noch ins Fitnessstudio gehen will, kriege ich manchmal einen zu viel und sage: Du warst diese Woche schon zweimal weg! Jetzt will ich auch mal raus und joggen! Wir haben schon versucht, jedem von uns bestimmte Abende freizuhalten. Aber es klappt nicht, alles so festzuklopfen. Wir können uns nur immer wieder hinsetzen und neu verhandeln.
vaeter.nrw: Wie reagiert Ihr Umfeld auf Ihr partnerschaftliches Lebensmodell?Anna-Lena Dreier: Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon darauf angesprochen wurde, warum ich denn wieder Vollzeit arbeite. Wenn ich um fünf Uhr nachmittags noch in der Schule bin, fragen ältere Kollegen oft: Wer ist denn jetzt bei deinen Kindern? Theoretisch sind alle für Gleichberechtigung, aber wenn es konkret wird, entscheiden sich doch fast alle für das klassische Rollenmodell. Wir haben mit unserem Lebensmodell immer noch Exoten-Status.Rüdiger Dreier:  Ich habe mich ebenfalls extrem als Exot empfunden, als ich mit Luise in Elternzeit war. Überall, wo ich hinkam, gab es nette Mütter und kaum Väter. Daraufhin habe ich zusammen mit einem Kollegen bei uns in der Beratungsstelle eine Gruppe für Väter mit Kindern bis zu drei Jahren gegründet. Mittlerweile sind wir dort acht Väter, die eine längere Elternzeit in Anspruch genommen haben oder noch nehmen. Daraus sind auch Freundschaften mit Gleichgesinnten entstanden.
vaeter.nrw: In Ihrem Blog „Mannpluskind.de“ berichten Sie über Ihre Erfahrungen. Welchen Rat geben Sie anderen Vätern?Rüdiger Dreier: Ich wünsche jedem Vater, dass er exklusive Zeit, in der er allein die Verantwortung trägt, mit seinem Kind erlebt. Da muss man auch einmal etwas ausprobieren und sich durchsetzen lernen. Nach acht Monaten Elternzeit hatte meine Frau ihr Fahrwasser. Ich paddelte dann ganz anders und habe zu ihr gesagt: Schatz, ich mache es anders, aber ich komme auch im Hafen an.
Zur Person:

Anna-Lena, Lehrerin und Rüdiger Dreier, Diplom-Sozialpädagoge

Rüdiger Dreiers Blog "Mannpluskindgleichvater"Gastbeitrag von Rüdiger Dreier zum Vatersein auf daddylicious