Vater ist, das was du draus machst!
vaeter.nrw

Eltern als Vorbild

Ingenieur oder Erzieher?

Eltern spielen bei der Berufswahl eine entscheidende Rolle. Dessen sollten sie sich bewusst sein.

Der Übergang von der Schule in den Beruf ist ein einschneidendes Ereignis. Eltern fällt dabei eine knifflige Aufgabe zu. Sie müssen Töchtern und Söhnen Orientierung geben, ohne die eigenen Wünsche in den Vordergrund zu rücken. Die zentrale Frage: Was passt zu meinem Kind?
„Geld verdienen kann man gut mit dem, was man gut kann“, sagt Professor Stephan Höyng. „Und das ist nicht unbedingt der Beruf, den Eltern und Gesellschaft passend und zukunftsträchtig finden. Als ich damals anfing, mich mit so genannten Männerthemen und Jungenarbeit zu beschäftigen, hätte auch niemand gedacht, dass ich damit mal meinen Lebensunterhalt verdienen könnte.“ Dass das hervorragend funktioniert, hat Stephan Höyng längst bewiesen. Heute ist er Professor für Jungen- und Männerarbeit an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und führt Seminare zu geschlechterbewusster Sozialer Arbeit durch. Und er ist Vater eines 13-jährigen Sohnes. Für den Wissenschaftler ist wichtig, dass Eltern ihre Kinder beim Übergang von der Schule in den Beruf offen und neugierig begleiten und sich mit ihren eigenen Vorstellungen zu den beruflichen Perspektiven der Kinder zurücknehmen. „Es ist menschlich, dass wir unsere Kinder in die Gesellschaft integriert sehen wollen, ihnen Erfolg und materielle Sicherheit wünschen.“ Allerdings suchen Eltern dann gerne nach Berufen, die ihrer Meinung nach passen, und drängen die Kinder dann mehr oder weniger sanft in diese Richtung. Solche Zwänge sind aber oft überhaupt nicht hilfreich bei der Suche nach Ausbildungsplatz oder Studium. Besser ist es, wenn Eltern ihren Kindern dabei helfen, ihre individuellen Interessen zu festigen, auch wenn diese nicht üblich sind.

Die eigenen Interessen entdecken

Das setzt Offenheit für die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der eigenen Kinder voraus. Stephan Höyng: „Väter sollten darüber nachdenken, welche Fähigkeiten ihr Kind tatsächlich mitbringt und welche Fähigkeiten sie nur zuschreiben und warum.“ Das jeweilige Geschlecht legt dabei häufig schon bestimmte Berufsfelder fest oder schließt andere aus. Bis heute. „Noch im Kindergarten gibt es kaum Unterschiede in der Entwicklung von Fähigkeiten, ob das jetzt Sprache, Kooperation oder technisch-mathematisches Interesse ist. Weil sie aber nicht selten geschlechterspezifisch gefördert werden, verfolgen Kinder bestimmte Interessen weiter und verleugnen andere“, so Stephan Höyng. Im Rahmen seines Projektes Chance Quereinstieg machte er immer wieder eine Beobachtung: Wenn der Druck durch Gleichaltrige nachlässt – etwa zwischen 25 und 30 Jahren – entdecken viele junge Männer ihr Interesse für einen sozialen Beruf und wollen wechseln. Dazu passen auch die Erfahrungen, die der Wissenschaftler bei der Kampagne Männer in Kitas sammeln konnte. „Viele junge Männer interessierten sich tatsächlich für den Erzieher-Beruf, sobald durch Werbung die Aussage transportiert wurde, dass diese Arbeit ‚ja doch ganz cool sei‘. Unternehmen oder zum Beispiel die Bundeswehr machen ständig Werbung, soziale Träger aber haben dafür in der Regel kein Geld. Wenn aber beispielsweise Väter ihren Kindern vermitteln, dass der Beruf des Erziehers ebenso cool ist wie der des Chemikers, können die Jugendlichen leichter zu ihren Interessen stehen.“ (vaeter.nrw)Prof. Dr. Stephan Höyng ist Professor für Jungen- und Männerarbeit an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin. Seine aktuellen Arbeitsschwerpunkte sind: Männlichkeit, Vereinbarkeit von Beruf und privatem Leben, Männer in Kindertagesstätten. Er leitet das Institut für Diversity und Gender in der sozialen PraxisForschung und darin das Projekt „Koordinationsstelle Männer in Kitas/Chance Quereinstieg“. Er wirkt im Vorstand von Dissens e.V. und des Bundesforums Männer mit. Stephan Höyng ist Vater eines 13-Jährigen Sohnes. Text aktualisiert am 25. Mai 2016

Gut vorbereitet in den Job

Berufswahl

Welcher Beruf passt zu mir? Vor dieser Frage steht jeder Jugendliche, wenn sich die Schulzeit dem Ende nähert. Damit die Antwort leicht fällt, sollten frühzeitig praktische Erfahrungen gesammelt werden: durch Praktika, Berufsorientierung in der Schule und Angebote wie Girls’ Day und Boys’ Day.
Erzieher, Informatiker oder Florist, berufstätig oder arbeitssuchend – Kinder nehmen ihre Eltern im Berufsleben in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen wahr. Eines sind Väter aber immer: Vorbilder! So zeigen Studien, dass Eltern für ihre Kinder die wichtigsten Ratgeber bei der Berufsorientierung sind. Ihre Meinung zählt viel mehr als Empfehlungen von Freunden oder Verwandten. Väter können ihre Kinder daher entscheidend motivieren, fördern und begleiten und somit dafür sorgen, dass der Übergang von der Schule in den Beruf gut gelingt. Zentral ist dabei stets, nicht die eigenen Vorstellungen auf die Kinder zu übertragen. Stattdessen kommt es darauf an, den Kindern zu helfen, die eigenen Fähigkeiten und Interessen zu entdecken. Das gilt vor allem dann, wenn Sohn oder Tochter geschlechteruntypische Berufsvorstellungen haben: Wenn die Tochter sich noch nie für Englisch interessierte, stattdessen aber Physik liebt. Und wenn der Sohn einen sozialen Beruf ergreifen möchte. Gerade dann ist die sensible Begleitung der Väter gefragt.

Praktikum: Annäherung an die Arbeitswelt

Viele Experten raten Vätern, ihren Kindern etwa ab der 8. Klasse Einblicke in die Arbeitswelt zu ermöglichen – zum Beispiel über Praktika. Dort erleben die Schülerinnen und Schüler einen Acht-Stunden-Tag, sie erhalten einen realistischen Blick in den Alltag des Wunschberufes und lernen, mit Mitarbeitern umzugehen, sie anzusprechen und ihnen Fragen zu stellen. Wichtig dabei: Praktikum ist nicht gleich Praktikum. In den verschiedenen Lebensphasen sind jeweils andere Lernerfahrungen sinnvoll. Außerdem gelten zum Teil unterschiedliche rechtliche Regelungen. Interessant kann es für Kinder ab einem Alter von 15 Jahren auch sein, die Eltern in den Schulferien zum Arbeitsplatz zu begleiten. In jedem Fall gilt: Positive und negative Eindrücke sind wichtig. Nur so finden Jugendliche heraus, was ihnen liegt und was nicht.

Berufsorientierung in der Schule und in der Praxis

Beim schwierigen Thema Berufswahl unterstützt seit 2012 das Projekt Kein Abschluss ohne Anschluss – Übergang Schule-Beruf in NRW. Das Ziel: Durch eine umfassende Berufsorientierung in den allgemeinbildenden Schulen entwickeln Schülerinnen und Schüler eine realistische Berufsperspektive. Frustrierende Warteschleifen oder Ausbildungs- und Studienabbrüche sollen so verhindert werden. Um das zu erreichen, durchlaufen die Kinder bzw. Jugendliche ab der 8. Klasse eine Reihe systematisch aufeinander aufbauender Elemente. Beispielsweise zeigt eine Potenzialanalyse auf, wo die Talente und Stärken jedes einzelnen liegen. Bei Betriebsbesuchen erkunden die Schülerinnen und Schüler Berufsfelder wie Bau, Gesundheit oder Verwaltung. Und mehrwöchige Betriebspraktika machen deutlich, was Unternehmen von ihren künftigen Mitarbeitern erwarten. Gesammelt werden sämtliche Eindrücke und Erfahrungen in einer Mappe – einem so genannten Portfolioinstrument. Dank dieser Dokumentation erkennen Schülerinnen und Schüler das eigene Berufsziel mit der Zeit immer besser. Zum Ende der Schulzeit wird das dann sehr klare Ziel in einer Anschlussvereinbarung festgehalten – ebenso die nächsten Schritte für den Start in die Arbeitswelt. Orientierung in geschlechterunspezifischen Berufsfeldern geben der Girls’ Day und der Boys’ Day. Am Girls’ Day öffnen Unternehmen, Betriebe und Hochschulen in ganz Deutschland ihre Türen für Schülerinnen ab der 5. Klasse. Die Mädchen lernen Ausbildungs- und Studiengänge in den Bereichen IT und Naturwissenschaft, Handwerk und Technik kennen – in Feldern also, in denen Frauen bisher eher selten vertreten sind. Die Jungen schauen sich am Boys’ Day Jobs an, in denen Männer bislang in der Minderheit sind. Das gilt vor allem für den sozialen, erzieherischen oder pflegerischen Bereich.

Den Weg der Kinder akzeptieren

Väter sollten ihr Kind begleiten, ihm Sicherheit geben, es aber selbstständig agieren lassen. Sohn oder Tochter müssen vom Job überzeugt sein, nicht die Eltern! Das erfordert eine hohe Offenheit für die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten der eigenen Kinder und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber: Väter müssen sich fragen, welche Fähigkeiten ihr Kind tatsächlich mitbringt und welche Fähigkeiten sie ihm nur zuschreiben und warum. Weitere Tipps zur Unterstützung im Berufswahlprozess bietet die Broschüre „Abenteuer Ausbildung - Handlungsempfehlungen für Eltern, deren Kinder sich in der Berufswahlphase befinden“.

Auch Väter brauchen Ratgeber

Fest steht: Die Berufswahl ist ein zentrales Ereignis im Leben jedes Kindes. Deshalb ist es wichtig, dass nicht nur die Kinder von ihren Vätern Unterstützung erhalten. Auch die Väter benötigen immer wieder Rat und sollten diesen auch aktiv einholen. Dazu bieten sich beispielsweise die Elternabende der Schule an. Auch Volkshochschulen, Städte und Kreise halten umfassende Informationen zum Thema bereit. (vaeter.nrw)   Text aktualisiert am 25. Mai 2016