Vater ist, das was du draus machst!
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Pflege

Pflegen und leben

Pflege

Pflege ist längst keine reine Frauensache mehr. Zwar ist die Mehrheit der Pflegenden weiblich, dennoch pflegen auch immer mehr Männer, betont Imke Wolf, die Leiterin der virtuellen Beratungsstelle pflegen-und-leben.de.
„Dank Ihrer Beratung gab es bei der Pflege meines Vaters zuletzt keinen Streit mehr wie sonst immer. Ohne aufkommende Wut konnte ich nun klar und ruhig die Probleme vermitteln. Ein gutes Gefühl“, schreibt einer der Nutzer der psychologischen Online-Beratung.

An wen kann man sich wenden?

Diplom-Psychologin Imke Wolf spricht von einer neuen Generation Mann, die sich verantwortlicher für die Familie fühlt. Oft sind es die Partnerinnen oder Ehefrauen, die von Männern gepflegt werden. Für Väter, die ihre kranken Kinder pflegen, ist pflegen-und-leben.de ebenso eine Anlaufstelle. Viele Nutzer des Portals fühlen sich allein und sind am Ende ihrer Kräfte. „Seit drei Jahren pflege ich meinen Vater. Er hat Alzheimer. Sogar nachts muss ich mich um ihn kümmern, wenn er durch unsere Wohnung wandert und nach Hause will. Aber langsam geht mir die Puste aus. Besonders schlimm ist es, wenn mein Vater mich nicht mehr erkennt. Dankbarkeit spüre ich kaum. Manchmal wird er sogar aggressiv“, schreibt jemand. Bei der Online-Beratung von pflegen-und-leben.de bekommen pflegende Angehörige Unterstützung und Anerkennung. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erleben 53 Prozent der alten Menschen Gewalt durch pflegende Angehörige: Medikamentenüberdosierungen, psychische Gewalt oder sie werden eingesperrt. Die Dunkelziffer liegt noch deutlich höher. Im Rahmen der Gewaltprävention entstand auch die Online-Beratung von pflegen-und-leben.de als Modellprojekt. Seit 2010 können sich Hilfe suchende pflegende Angehörige an das psychologische Beraterteam rund um Imke Wolf wenden.

Schreiben hilft, sich die eigene Situation klar zu machen

„Wir bieten eine schriftliche und anonyme Beratung per E-Mail. Zeit ist für pflegende Angehörige ein rares Gut und so haben sie die Möglichkeit, sich zu jeder Tages- und Nachtzeit an uns zu wenden“, erklärt die Projektleiterin. Das Schreiben soll helfen, sich über die eigene Situation klarer zu werden, seine Gedanken zu sammeln und auch, eine andere Perspektive einzunehmen. Innerhalb einer Woche folgt dann die individuelle Antwort eines Psychologen aus dem Team – sie ist meist zwischen ein und drei A4-Seiten lang. Der Austausch kann bis zu einem halben Jahr dauern und bis zu zehn professionelle Antworten umfassen. Der Dienst ist für gesetzlich Krankenversicherte kostenlos. „Die schriftliche Kommunikation ist deshalb auch so wichtig, weil sich viele Ratsuchende gar nicht trauen würden, ihre Gedanken auszusprechen. Oft sind die Probleme tabuisiert, weshalb die Anonymität sehr hilfreich ist. Wenn sich der demenzkranke Vater stark aggressiv oder sogar sexuell enthemmt verhält, dann möchte man das nicht gerne mit dem Hausarzt besprechen“, erklärt Psychologin Wolf. Ihrer Erfahrung nach leiden viele pflegende Angehörige aber auch unter Selbstzweifeln und Gewissensbissen: War es richtig, den Vater ins Heim zu geben? Wie kann ich meiner kranken Partnerin, meinem Beruf und meinem Kind gerecht werden? 

Pflegen kann nur, wer sich selbst pflegt

„Manchmal wünsche ich mir, Mutter wäre einfach tot. Ich fühle mich schlecht, wenn ich das sage oder auch nur denke. Aber meine Frau und ich sind durch die lange Pflege meiner Mutter wirklich am Ende. Seit Jahren hatten wir keinen richtigen Urlaub mehr. Es bleibt keine Zeit für uns selbst. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, schreibt Peter, 66 Jahre alt. Auf die seelische Belastung folgen häufig körperliche Beschwerden wie Schlafmangel und Erschöpfung; auch Depressionen und Burnout sind keine Seltenheit. pflegen-und-leben.de setzt deshalb auf Selbstfürsorge: Denn pflegen kann nur der, der sich selbst pflegt. Neben der individuellen Beratung finden sich auf der Internetseite zahlreiche Tipps zum Durchatmen, Durchschlafen und Abschalten. Außerdem verweist eine Linkliste auf weitere Beratungsangebote wie Pflegestützpunkte und Initiativen von und für pflegende Angehörige. Die Online-Entlastung – wie sie Imke Wolf nennt – soll andere Beratungsangebote nicht verdrängen, sondern nur ergänzen. Die niedrigschwellige psychisch-therapeutische Anlaufstelle kann zum Beispiel dann helfen, wenn für eine persönliche Beratung keine Zeit ist oder man sich einfach mal den Kummer von der Seele schreiben will. „Seit Wochen möchte ich mich mal wieder mit meiner Freundin treffen, aber immer kommt mir im letzten Moment etwas dazwischen. Sogar aus meinem Chor habe ich mich jetzt abgemeldet, weil ich nie Zeit für die Proben habe. Es ist zum verrückt werden, und allmählich werde ich immer einsamer“, schildert die 58-jährige Brigitte.

Fragen besser als Ratschläge

„Wir legen großen Wert darauf, den Ratsuchenden Anerkennung und Wertschätzung für ihre Leistungen entgegen zu bringen. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass man Hobbys und Freunde aufgibt, um den Vater zu pflegen. Und es ist auch nicht immer die beste Lösung“, meint Imke Wolf. Sie verweist auf die vielen Alternativen, die es gibt; ein Vater muss nicht unbedingt vom Sohn oder der Tochter gepflegt werden. Doch nur die Hälfte aller Nutzer von pflegen-und-leben.de nutzt professionelle Hilfe zum Beispiel durch einen ambulanten Pflegedienst. Zudem sind 50 Prozent der Pflegenden noch berufstätig. „Wir vermeiden es, Ratschläge zu geben, aber stellen Fragen, durch die sich pflegende Angehörige neue Gedanken erlauben. Wie und wo ende ich, wenn ich mich für die Pflege meines Vaters völlig selbst aufgebe? Welche Wünsche und Bedürfnisse habe ich?“, erklärt Wolf ihre Arbeitsweise. Am Ende der Beratung fühlen sich die pflegenden Angehörigen weniger belastet, gestresst und ängstlich, auch das melden sie zurück. Imke Wolf ist zufrieden mit ihrem Projekt. pflegen-und-leben.de wird getragen von der gemeinnützigen GmbH Catania, die sich seit 2005 für die Prävention häuslicher Gewalt sowie die nachhaltige Verbesserung der medizinischen und psychosozialen Versorgung von traumatisierten Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Deutschland einsetzt. Seit April 2014 findet das Angebot in Kooperation mit den drei Pflegekassen Barmer GEK Pflegekasse, TK-Pflegeversicherung und DAK-Gesundheit-Pflegekasse statt. Zum Beraterteam von Imke Wolf gehören fünf weitere Kolleginnen. Text aktualisiert am 22. Juni 2016

BGH stärkt Position unverheirateter Paare

UNTERHALT

In seinem Beschluss vom 9. März 2016 zur Unterhaltspflicht eines Sohnes gegenüber seinem Vater bekräftigt der Bundesgerichtshof (BGH) die familiäre Gestaltungsfreiheit von Paaren. Damit sind Unverheiratete zwar nicht den verheirateten Paaren gleichgestellt, aber bei der Berechnung von Ansprüchen Dritter muss das gemeinschaftlich gewählte Familienmodell unter Umständen berücksichtigt werden.
Der Platz im Altenheim oder der ambulante Pflegedienst kosten viel Geld. Wenn Rente, Pflegeversicherung und das Gesparte dafür nicht ausreichen, springt der Staat ein und leistet die sogenannte „Hilfe zur Pflege“. Da aber Kinder grundsätzlich zum Unterhalt ihrer Eltern verpflichtet sind, verlangen die Behörden das Geld unter Umständen von diesen zurück. Maßgeblich ist dabei das Jahreseinkommen der Kinder. Um den Lebensstandard der nachfolgenden Generationen zu schützen, berücksichtigt die bisherige Rechtsprechung, ob auch eigene Kinder oder ein Ehepartner zu versorgen sind. Inwiefern dieser „Selbstbehalt“ auch für unverheiratete Partner gilt, war Gegenstand der aktuellen Entscheidung des BGH.

Nah am Familienselbstbehalt

Das Karlsruher Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob der Sohn eines 74-jährigen Berliners dem Sozialamt Pflegekosten erstatten muss. Der Sohn, ein 44-jähriger Softwareentwickler, ist selbst Vater einer fünfköpfigen Patchwork-Familie und lebt mit den Kindern und seiner nichtehelichen Partnerin zusammen. Nur ihn und sein Einkommen betrachtet, müsste der Mann für seinen Vater aufkommen. Auch wenn man den Unterhalt für seine leibliche Tochter berücksichtigt, bliebe ihm dazu noch genug Geld. Vor Gericht vertrat er aber den Standpunkt, dass in die Berechnung zum Selbstbehalt auch der Unterhalt für seine Partnerin einfließen müsse – in einer Ehe ergibt sich so der Familienselbstbehalt. Das Gericht war hier anderer Ansicht. Denn das Prinzip des Familienselbstbehalts gelte generell nur für Ehegatten, da auch nur diese rechtlich füreinander einstehen müssen. Und doch hatte der Vorsitzende Richter gute Nachrichten für den Softwareentwickler: Im konkreten Fall kann er immerhin einen Unterhaltsanspruch seiner Partnerin geltend machen. Schließlich hatte das Paar gemeinschaftlich beschlossen, dass die Mutter sich vorrangig um die Kindererziehung kümmert und daher nur vormittags ein paar Stunden arbeitet. Die Gestaltung des familiären Zusammenlebens, so der BGH, ist ein hohes Gut – und zwar auch, wenn sich ein Paar gegen die Ehe entscheidet. Ob und in welcher Höhe der Familienvater Leistungen des Sozialamts zurückzahlen muss, soll nun in einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Nürnberg entschieden werden. Zumindest aber ist geklärt, dass dabei auch der Unterhalt für die unverheiratete Partnerin in die Berechnung einfließt. (vaeter.nrw) Text aktualisiert am 31. Mai 2016

Diskrete Hilfe – Männer und Angehörigenpflege

Pflege von Angehörigen

Wenn Familienmitglieder zu Pflegefällen werden, übernehmen oft auch Männer die Betreuung. Doch wie finden sie in diese Rolle? Und wie geht unsere rasant alternde Gesellschaft mit der Vereinbarkeit von Beruf und Angehörigenpflege um? vaeter.nrw erkundigte sich dazu bei Fachleuten.
„Die These, dass Männer anders pflegen als Frauen, haben wir nicht bestätigt bekommen“, erklärt Sigrid Leitner, Professorin für Sozialpolitik an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der Fachhochschule Köln. „Unsere Untersuchung zeigt, dass Männer durchaus nicht nur dann pflegen, wenn es nicht anders geht – so eine verbreitete These – sondern sie tun es häufig aus Liebe, wollen ihren Eltern oder ihrer Ehefrau Zuwendung zurückgeben.“

Der unterschätzte Dienst

„Insgesamt“, betont auch Dr. Eckart Hammer, Professor an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, „wird die Pflegearbeit, die Männer leisten, noch stark unterschätzt. So hat sich zum Beispiel die Zahl der Söhne, die ihre Eltern pflegen, in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent erhöht.“ Rund 27 Prozent aller häuslich Pflegenden sind inzwischen Männer. Nimmt man einen erweiterten Pflegebegriff, sind es sogar bereits 37 Prozent. Sichtbar seien sie auch deshalb nicht, weil das Thema nach wie vor häufig tabuisiert wird und die Pflegenden Scham empfinden, darüber öffentlich zu sprechen. „Dabei“, erzählt Eckart Hammer, „berichten pflegende Männer sehr häufig, wie viel ihnen diese Tätigkeit gibt: Sie haben entdeckt, dass sie fürsorglich sein können, dass sie einen Haushalt führen können – eine Dimension, die gerade die ältere Generation nicht kannte. Und sie erfahren, wie beglückend es sein kann, sich, gerade wenn Sprache verloren geht, über die körperliche Ebene Zuwendung zu geben.“

Früh Hilfe suchen

Sigrid Leitner betont, dass Männer beim Pflegen seltener als Frauen bis an den Rand der Erschöpfung gehen: „Da können wir von ihnen lernen.“ Dennoch rät sie auch den pflegenden Männern, sich früh Hilfe zu holen, um ein Burnout zu vermeiden. Denn: Die große Mehrheit derjenigen, die erwerbstätig sind, reduziert ihre Arbeitszeit nicht, auch wenn das finanziell machbar wäre. Pflege im Betrieb zu thematisieren, ist noch stärker tabuisiert als das Thema Kinderbetreuung/Elternzeit. Die Männer befürchten zum einen, es könne ihnen bei der Karriere schaden, zum anderen ist der Betreuungsaufwand schwer abzuschätzen. Bei der Pflege steigert er sich über die Jahre, bei der Kinderbetreuung ist das Gegenteil der Fall.“

Die Mischung macht´s

Müssen Angehörigenpflege, Kinderbetreuung und Beruf unter einen Hut gebracht werden, wählen Männer häufig sogenannte gemischte Pflegearrangements. Dabei beziehen sie ihre Partnerin, ältere Kinder und professionelle Pflegedienste mit ein. „Die eigene Familie ist für die Väter ein großer Rückhalt, auch psychisch. Gleichzeitig ist sie aber auch eine Konfliktquelle, denn die zeitliche Beanspruchung der Väter durch die Pflege führt unweigerlich zu Konflikten mit den eigenen Kindern und der Partnerin“, erklärt Sigrid Leitner. „Die Väter stehen zwischen den Ansprüchen der zu pflegenden Angehörigen und denen ihrer Kinder“. In manchen Familien werden die Aufgaben, die durch Pflege und Kinderbetreuung anfallen, partnerschaftlich aufgeteilt. Andere leben ein Modell, bei dem beispielsweise die Mutter die Kinder betreut und der Vater seine Eltern pflegt. Eckart Hammer ist tief beeindruckt, wenn ihm Pflegende berichten, wie sie versuchen, ihr Leben fortzusetzen, auch wenn sie einen dementen Angehörigen pflegen. Konkret bedeutet das: sich weiterhin mit Freunden treffen, einkaufen gehen oder Straßenbahn fahren – alles mit dem dementen Angehörigen. Die peinlichen Situationen, die dabei meist unweigerlich entstehen, halten sie aus. „Männer grenzen sich in der Regel besser ab als Frauen“, erklärt Eckart Hammer, „und das hilft ihnen auch in anderer Hinsicht: Sie gehen nicht so leicht in die Überforderung! Sie setzen sich eher realistische Ziele, beschließen beispielsweise `Ich pflege meine Frau, solange sie mich erkennt´ und setzen das dann auch um.“

Eine schwierige Entscheidung

Auszeiten zu nehmen ist gerade für pflegende Väter sehr schwierig. Deshalb rät Eckart Hammer auch, sich diese Entscheidung gut und ehrlich zu überlegen. Auch wenn er das Sprichwort richtig findet ´Kinderpflege ist Natur – Altenpflege ist Kultur´, ist sich der Wissenschaftler sicher: Es gibt keine moralische Pflicht, Angehörige in jedem Fall zu pflegen, wohl aber die moralische Pflicht, darüber nachzudenken. „Es ist ein Aushandlungsprozess, ob Kinder ihre Eltern pflegen. Auch nicht alle Eltern wollen das. Deshalb ist es sehr wichtig, das Thema früh genug offen zu thematisieren: Wie soll es gehen? Können wir das? Wollen wir das? Wer hilft uns?“ Wenn die Entscheidung gefallen ist und sich Männer entscheiden, Angehörige zu pflegen, sollten sie die Pflege von vorneherein breit anlegen und alle einbeziehen, denen das zuzumuten ist: Geschwister, Nachbarn, ältere Kinder. Und seiner Meinung nach ist es ganz wichtig, die Bereicherung zu betonen, die pflegende Angehörige erfahren, und nicht nur von der Belastung zu sprechen. Außerdem ist sich Eckart Hammer sicher: Aktive Väter haben eine größere Affinität zur Pflege als solche, die sich wenig um ihre Kinder kümmern. Und sie sind auch deutlich besser dafür gerüstet! (vaeter.nrw) Sigrid Leitner ist Professorin für Sozialpolitik an der Fachhochschule Köln und hat das Forschungsprojekt „Männer zwischen Erwerbstätigkeit und Pflege“ bearbeitet. Das Projekt analysierte anhand von Betriebsfallstudien und qualitativen Interviews typische Strukturen und Problembewältigungsstrategien erwerbstätiger pflegender Männer. Nähere Informationen finden Sie hier. Eckart Hammer ist Professor für Soziale Gerontologie an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Er befasst sich seit vielen Jahren mit den Themen „Männer und Alter“ und hat in einem Forschungsprojekt 25 pflegende Männer ausführlich befragt. Eckart Hammer ist verheiratet und hat drei Kinder.   Text aktualisiert am 29.05.2016