Vater ist, das was du draus machst!
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Beziehung

Väterrolle

Jede Vaterschaft verändert sich im Laufe der Jahre: Der Schmusepapa aus Babytagen wird zum Spielgefährten, zum Beschützer, zum strengen Erzieher, zur Reibefläche oder zum erfahrenen Berater. vaeter.nrw.de hat Vater Heinz (*1942) und Sohn Tobias (*1978) zum Doppelinterview gebeten. Sie erzählen aus ihrer Perspektive, wie sie ihr Vater-und-Sohn-sein erlebt haben.
vaeter.nrw: Welche Erinnerung haben Sie an die Geburt ihres Sohnes?Heinz: Bei Tobis Geburt, 1978, war ich zum Glück dabei. Noch fünf Jahre vorher, als unsere Tochter zur Welt kam, wurde ich aus dem Kreißsaal geschickt. Aber als es bei Tobi losging, habe ich das getan, was man als Vater so tun kann: Hand halten und beruhigen. Die Geburt war auch nicht ganz einfach. Tobi kam einige Wochen zu früh, war sehr klein und schwach. Zum Glück hat er gleich geschrien und geatmet. Dennoch ging es mit dem Rettungswagen sofort in eine Klinik, die mit Brutkästen und Wärmebetten für Frühchen eingerichtet war. Wir haben uns wirklich Sorgen gemacht, aber ich bin froh, dass ich dabei war. In den Siebzigern waren Kinder ja noch mehr Frauensache. Selten hat man Väter gesehen, die ihr Baby im Kinderwagen durch die Gegend schoben.
vaeter.nrw: Und nach der Krankenhauszeit? Kam dann eine eher klassische Aufgabenteilung?Heinz: Nein, das ging auch nicht. Meine Frau war Lehrerin und sie musste sechs Wochen nach der Geburt wieder in die Schule. Außerdem gab es ja auch noch samstags Unterricht – dann musste ich natürlich alles machen: wickeln, füttern, anziehen, Mittagessen kochen und was so anfällt. Das habe ich alles aber auch schon fünf Jahre vorher, bei unserer Tochter so gemacht. Nur ans Baden habe ich mich nicht herangetraut. Tobias: Wochentags warst du aber viel arbeiten. Ich erinnere mich daran, dass du so gegen halb vier am Nachmittag nach Hause kamst. Und dann hattest du das Telefon immer griffbereit bis fünf oder sechs Uhr. Rückblickend würde ich sagen, dass du einfach viel Wert auf Leistung und Pflichterfüllung gelegt hast. Und das hieß dann, dass auch zuhause noch Arbeitszeit war. Die Freizeit, Spielen mit uns Kindern, fing eigentlich danach erst an.Heinz: Stimmt, ich war ja selbstständig und musste mir Arbeit mit nach Hause nehmen. Aber ich war anwesend und konnte von den Kindern was mitbekommen. Allerdings bin ich auch morgens so früh aus dem Haus, dass die Kinder noch geschlafen haben. Ich habe für alle Frühstück gemacht und bin los. Dass ich richtig was mit den Kindern gemacht hätte, kam also erst abends.Tobias: An viele kleine Fahrradtouren erinnere ich mich noch. Im Sommer stieg Tanja dann auf ihr Rad und ich kam bei dir hinten in den Sitz. Oder wir haben im Garten Fußball gespielt. Aber außer Spielen hattest du noch einen speziellen Job bei uns: Wenn wir eine Erkältung hatten, warst du immer fürs Fiebermessen zuständig, für Hustensaft oder Rücken und Brust einreiben.Heinz: Ja, da war ich immer hinterher. Als du vielleicht drei Jahre alt warst, hattest du mal einen Fieberkrampf. Das war nicht lustig. Und in den ersten Jahren warst du ja – nach der frühen Geburt – sowieso nicht so robust. Jedenfalls habe ich auf Gesundheitssachen immer geachtet und das zu meiner Aufgabe gemacht.
vaeter.nrw: Waren Sie eher der Kümmerer - oder der strenge Erzieher?Heinz: Streng, ja auch. Aber eindeutige Rollen gab es nicht. Meine Frau und ich hatten da immer eine gemeinsame Linie. Vor allem, weil Kinder Schlitzohren sind. Wenn die etwas wollten und die Mutter sagte „nein“, kamen sie direkt zu mir und fragten noch mal. Dann war meine Antwort immer: „Hast du Mutti gefragt? Was sagt die denn?“Tobias: Eure Einigkeit haben wir natürlich gemerkt, wir haben es trotzdem versucht …Heinz: Und auch wenn man die Entscheidung des anderen vielleicht nicht ganz richtig fand – gegenüber den Kinder waren wir uns einig. Hinterher, wenn die Kinder nicht dabei waren, haben wir uns die Dinge gesagt, die wir nicht gut fanden.Tobias: Du warst bei wichtigen Entscheidungen aber schon tonangebend. Da hat jeder in der Familie ein bisschen auf deine Meinung geschaut.
vaeter.nrw: Auch bei schulischen Fragen?Heinz: Ich habe mir dafür zumindest immer Zeit genommen – auch wenn ich sonst wenig Zeit hatte. Wenn zum Beispiel Elternsprechtag war, sind wir immer mit Tobi von Lehrer zu Lehrer gegangen. Die Schule war für mich der Grundstein, wenn da die Struktur stimmt, lässt sich darauf aufbauen.Tobias: Klare Strukturen waren tatsächlich ein großes Thema bei uns. Strukturiertheit in vielen Bereichen. Dazu gehörte auch, dass wir immer um halb sieben beim Abendessen saßen. Alle.Heinz: Naja, spätestens mit 15, 16 warst du oft nicht mehr dabei. Das war aber ohnehin eine etwas schwierige Zeit.Tobias: Das hatte auch oft mit dieser Strukturiertheit zu tun. Aus meiner Sicht war das ein Zuviel an sinnloser Struktur. Da hätte man manchmal auch ausloten können, wo größere Freiräume besser gewesen wären.Heinz: Das war aber auch deine stinkfaule Phase und in der Schule ging es bergab. Die Mama hat sich – bestimmt ein Jahr lang – immer mit dir hingesetzt und geübt. Aber du warst bockig und es hat oft geknallt. Wenn ich nach Hause kam, habe ich das Theater mitbekommen und dich mehrmals zur Brust genommen. Und als das auch nicht half, habe ich gesagt: „Tobi, das muss jetzt besser werden, sonst kommst du ins Internat.“ Das hat gewirkt. Dann wurden auch die Noten wieder besser. Für uns war klar, wir brauchen eine klare Linie, von der bin ich dann auch nicht abgegangen. Und wenn ich das im Nachhinein betrachte: Da haben wir recht behalten, hast ja ein gutes Abi gemacht.Tobias: Es stimmt, in der Schule war es zu der Zeit schon schwierig. Aber mir waren die Strukturiertheit und Reglementierung zuhause und in der Schule oft zu stumpf. Ich wollte andere Sachen entdecken und habe mich mehr für Musik und Politik interessiert. Und ich glaube, es hätte auch mit der Schule gut funktioniert, wenn ich mehr Freiheiten gehabt hätte, um Dinge auszuprobieren.
vaeter.nrw: Aber haben Sie sich denn an die vorgegebenen Strukturen gehalten?Tobias: Teilweise. Um das Lernprogramm kam ich nicht herum. Aber bei anderen Dingen habe ich schon versucht, mich abzugrenzen und mich auch aus der Familie entfernt. Statt Abendessen mit der Familie war ich dann mit Freunden unterwegs und wir haben auch Dinge gemacht, von denen die Eltern besser nichts wissen sollten.Heinz: …und deine kaputten Klamotten! Gerade frisch gekauft und du nimmst die Schere und schneidest Löcher rein oder Ärmel ab. Wir kamen mit dieser Schludrigkeit und Missachtung der Sachen nicht gut zurecht. Um die kaufen zu können, mussten wir arbeiten.Tobias: Aber genau die Missachtung war Programm. Mir ging es dabei auch um eine Haltung der Welt gegenüber: um die großen Ungerechtigkeiten, um Verteilung und solche Dinge. CDU wählen und Mercedes fahren, dagegen habe ich mich abgrenzen wollen. Was mich damals politisch interessierte, das Linke und Alternative, diese Gegenwelt zur konservativen Familie, hat mich auch auf meinen Weg gebracht. Zum Beispiel zum Politikwissenschaftsstudium.Heinz: Konservativ bin ich auch heute. Aber inzwischen haben wir über solche Themen viel diskutiert und uns in manchen Punkten angenähert – von beiden Seiten.Tobias:Zu Schulzeiten haben wir noch nicht wirklich darüber gesprochen. Ich bin dem da eher aus dem Weg gegangen.Heinz: …aber ab deinem Studium, ging es. Ich weiß noch, dass wir dann lange zusammensaßen und es eine gemeinsame Ebene gab.Tobias: Ja, und besonders nach dem Referendariat, als ich die erste Lehrerstelle hatte und mit meinen eigenen Ansprüchen an den Job völlig überfordert war. Da war ich kurz davor, die Brocken hinzuschmeißen. Und ihr habt mir ganz viel geholfen: mit Gesprächen, Essen kochen oder Hörbüchern.
vaeter.nrw: War es in der Situation schwer, Hilfe anzunehmen – statt endlich komplett auf eigenen Füßen zu stehen?Tobias: Nein, gar nicht. Ich war einfach sehr dankbar, dass die Hilfe kam. Das funktionierte ohnehin zu jeder Zeit sehr gut. Wenn ich irgendwo Probleme hatte, einen Ratschlag brauchte zu Banken, Versicherungen oder so, dann waren meinen Eltern immer da.Heinz: Das Band zwischen uns war ja zum Glück auch nie gerissen. Es war wohl für ein paar Jahre zwischendrin sehr angespannt, gedehnt. Das ist wohl so, wenn man für seine Kinder das Beste erreichen will, die aber selbst auch was beitragen müssen – und gerade störrisch sind. Aber wir hatten sogar in der Zeit noch ein funktionierendes Verhältnis.Tobias: Das hat wohl auch damit zu tun, dass du zwar immer von uns Leistungen sehen wolltest, aber die Leistung keine Bedingung für Nähe, Zeit und Liebe war. Das war in der Kindheit so und später auch. Ich denke manchmal an eine Szene während meiner Examensarbeit: Ich haderte mit allem und hatte Angst vor den anstehenden Prüfungen. Und da hast du zu mir gesagt: „Mach dir mal keine Sorgen, du bist bei uns auf Lebenszeit verbeamtet.“ Der Rückhalt hat mir mit einem Schlag sehr viel Energie gegeben.Heinz: Das ist mir und uns auch wichtig: Die Kinder sollen immer wissen, dass wir sie nicht fallen lassen, dass wir für sie einstehen. Ich hatte selbst sehr liebe Eltern, aber die waren nicht sonderlich stark und konnten sich nicht für uns Kinder einsetzen. Das war ein Grundwert, den ich anders leben wollte. Gegenüber Lehrern oder sonst wem.Tobias: Ja, zum Beispiel, wenn ich beim Fußball eine Scheibe eingeschossen habe und die Nachbarin mir daraufhin eine Ohrfeige verpasst hat. Da konnte ich dir davon erzählen und obwohl du sauer warst, dass ich die Scheibe kaputt gemacht habe – du hast dich mit der Nachbarin dann intensiver auseinandergesetzt.
vaeter.nrw: Gibt es andere Werte, die in der Kindheit schon spürbar waren?Tobias: Offen miteinander zu sprechen war immer wichtig. Dazu gehörte auch, die Wahrheit zu sagen. Lügen, Papi, war für dich eines der schlimmsten…Heinz: Heute noch! Das gehörte aber auch zusammen: Die Kinder sollten wissen, dass sie ehrlich sein müssen – und dass sie ehrlich sein können, weil wir immer hinter ihnen stehen.Tobias: Das will ich heute auch für meine zwei Kinder. Die sollen zu dem stehen, was sie gemacht haben und dabei nicht denken, dass es besser gewesen wäre, nichts zu sagen.
Zur Person:

Vater Heinz und Sohn Tobias

Elternstart NRW: Fit fürs Vatersein

Der Entwicklungshelfer

Gerade im ersten Lebensjahr eines Kindes, haben die jungen Väter und Mütter unzählige neue Fragen. Daher bieten rund 150 Einrichtungen in ganz NRW kostenfreie Kurse zur Familienbildung an. Finanziert durch das Familienministerium NRW stehen pädagogische Fachkräfte mit Informationen, Rat und Zuspruch zur Seite.
Um den Familienalltag in der ersten Zeit nach einer Geburt zu meistern, können Eltern viel Unterstützung von außen gebrauchen. Mit etwas Glück helfen Oma und Opa, Freunde und Arbeitskollegen bei Einkäufen, im Haushalt oder übernehmen Extraaufgaben bei der Arbeit. Und wer von denen eigene Kinder hat, wird auch ein paar Ratschläge beisteuern können. Aber all die praktischen Hilfestellungen und Tipps aus dem Bekanntenkreis ersetzen keinen Ort, an dem Eltern ihre Fragen mit Fachleuten und anderen jungen Eltern besprechen können. Einen solchen Ort bieten die Kurse von Elternstart NRW. Das Angebot ist ganz auf die Situation von jungen Eltern im ersten Jahr nach der Geburt zugeschnitten. An fünf frei wählbaren Terminen treffen sich Gruppen von Eltern mit ihren Babys in einer der teilnehmenden Einrichtung und reden über ihre Sorgen und Bedürfnisse. Begleitet und moderiert werden die Kurse von pädagogischen Fachkräften. Mit ihnen besprechen die Eltern beispielsweise, wie sich eine innige Eltern-Kind-Beziehung aufbaut, wie sich die Entwicklung des Babys positiv beeinflussen lässt und wie Väter und Mütter den anstrengenden Alltag managen.

Papa-Kompetenzen entwickeln

Im Gegensatz zu vielen anderen Eltern-Baby-Angeboten richtet sich Elternstart NRW ausdrücklich auch an Väter. Gemeinsam mit ihrer Partnerin können sie sich in den Kursen Gedanken zu einer gerechten Aufteilung ihrer neuen Aufgaben machen, zu Freiräumen für andere Aktivitäten und natürlich zu grundsätzlichen Erziehungsfragen. Anstatt das Thema „Kind“ den Müttern zu überlassen, haben Männer hier die Chance, ihre eigenen Kompetenzen zu entwickeln – auf Augenhöhe mit der Partnerin. Beispiel Stillen: Ähnliche Momente mit inniger Nähe zum Kind können sich auch Väter einrichten. In den Kursen erfahren sie, wie andere Männer mit ihrem Baby schmusen, es am Körper tragen, beruhigen oder zum Einschlafen bringen – und so schon ganz früh eine enge Bindung zu dem Kleinen herstellen. Die eigene Vaterrolle zu aufzubauen, fällt meist leichter, wenn man erlebt, wie andere Väter in sie hineinwachsen. Für junge Väter gibt es im Alltag nicht viele Gelegenheiten, sich mit anderen Männern in einer vergleichbaren Situation auszutauschen. Um so wertvoller sind sie. Bei dem Projekt Elternstart NRW ist dieser Austausch wesentlicher Teil des Konzepts: Wie gehen andere Väter mit Problemen am Arbeitsplatz um, wenn Vereinbarkeit nicht so leicht umzusetzen ist? Wie erleben sie den Rückzug von alten Freunden? Was tun andere, um die Liebesbeziehung zur Partnerin lebendig zu halten? Welche anderen Angebote für junge Väter gibt es noch? Wie versteht man besser, was der Säugling will? Immer geht es um die konkreten Fragen der Teilnehmer – mit dem Ziel, sie fit und selbstbewusst für den Start ins Familienleben zu machen.

Vom Paar zur Familie – Beziehungen neu definieren

Tipps

Die Geburt des ersten Kindes markiert im Leben einen Wendepunkt. Zeit für eine Standortbestimmung – für die Partnerschaft und die neuen Rollen als Vater oder Mutter. Um eine angemessene Balance in der Arbeitsteilung zu finden, helfen beim Aushandeln auch Gesprächsrituale, den Bedürfnissen beider Partner gerecht zu werden.
Was passiert in einer Beziehung, wenn ein Kind geboren wird? „Ein Kind öffne die auf sich selbst bezogene Zweierbeziehung des Paares nach außen, zur Welt“, so sah es die deutsche Philosophin Hannah Arendt (1906-1975). Die frisch gebackenen Eltern stehen vor einer großen Herausforderungen: „Sie müssen ihre Beziehung zueinander und zu ihrer Umgebung, zu Verwandten und Freunden neu definieren“, erklärt Hans Bertram, Professor für Mikrosoziologie an der Humboldt-Universität in Berlin. „Zweimal in der Woche abends pünktlich als Trainer im Sportverein zu erscheinen, ist eventuell nicht mehr drin. Es gilt dann, Lösungen zu suchen und mit den Betroffenen zu verhandeln.“ Durch das neue Kind bekommt jede Person im Familienkontext eine zusätzliche Rolle, die zu neuen Facetten in den Beziehungen führt. Zentral für den weiteren Verlauf der Paarbeziehung ist auch die Verteilung der neuen Aufgaben zur Versorgung und Pflege des Babys. Es könne ein bis zwei Jahre dauern, bis eine neue Konstellation ausgehandelt und eingespielt sei, sagt der Soziologe. „Wer dafür ausreichend Zeit einplant, umgeht einen zentralen Stressfaktor.“

Mann und Frau als "Architekten der Familie"

„Biografisch bedeutet ein eigenes Kind den Austritt aus der Kinder- in die Elternrolle", sagt der Lüdenscheider Diplom-Pädagoge, Heilpraktiker für Psychotherapie und Buchautor Ansgar Röhrbein. Die große Aufgabe sei, nicht von der Partner- bzw. Partnerinnen- in die Vater- oder Mutterrolle zu wechseln, sondern beide Rollen beizubehalten und mit Leben zu füllen. Die amerikanische Familientherapeutin Virginia Satir (1916-1988) bezeichnete Paare als „Architekten der Familie“, die ihre Beziehung untereinander und ihre jeweilige Beziehung zum Kind gestalteten. Väter hätten dabei von Anfang an eine wichtige Rolle, meint Ansgar Röhrbein. „Männer wissen heute, dass sie auch in den ersten Lebensjahren ihrer Kinder das Feld nicht allein den Frauen überlassen wollen“, sagt Hans Bertram. „Das war nicht immer so: Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, zum Beispiel sah den Vater zunächst allein als den Konkurrenten des Kindes. Erst mit zunehmendem Alter des Nachwuchses kam dem Vater eine wichtige Rolle zu. Das würde inzwischen kein Psychologe und auch kein Vater mehr so akzeptieren.“

Tradition wirkt nach - ein klarer Vater-Standpunkt hilft

Trotzdem wirke die Tradition nach. Ansgar Röhrbein sieht bei manchen Vätern eine Art „Fluchtreflex“. Sie überließen zum Teil der Partnerin das Feld, weil es ihnen nicht gelänge, in den nötigen Aushandlungsprozessen eine eigene Position zu formulieren. Statt dessen kämen oft alte Muster aus der eigenen Kindheit zum Tragen. „Damit das nicht passiert, ist es wichtig, sich vorher über die eigenen Wünsche und Möglichkeiten Gedanken zu machen und auch über gewisse Dinge – zum Beispiel die heftigen Gefühlsschwankungen, unter denen viele Frauen nach der Geburt leiden – Bescheid zu wissen“, sagt der Experte und empfiehlt den Vätern, Geburtsvorbereitungskurse zu besuchen oder sich in Büchern oder im Internet zu informieren. Wenn das Kind auf der Welt ist, rät er Vätern, früh eigene kleine Rituale mit dem Baby einzuführen. „Wenn zum Beispiel stillende Mütter Milch abpumpen, können auch Väter ihre Kinder regelmäßig füttern. Die anderen Bereiche, wie die Pflege, das Wickeln und Spielen stehen ihnen ja in jedem Fall offen.“ Es tue der Paarbeziehung gut, wenn Eltern sich als Team begriffen, das die Aufgaben rund um die Betreuung und Versorgung des Babys gemeinsam angehe. „Paare sind da erstaunlich kreativ“, sagt er. „Manche teilen sich zum Beispiel die ‚Nachtschichten’: Einer bis ein Uhr, der andere von eins bis sechs.“ Grundsätzlich sei es hilfreich, sich auch über die Fragen „Was brauche ich als Mann?“ beziehungsweise „Was brauche ich als Frau?“ und natürlich „Was brauchen wir als Paar?“ immer wieder auszutauschen.

Verbindliche Paar-Zeit als feste Institution

Damit dieser Austausch nicht im Alltag auf der Strecke bleibt, rät der Therapeut zu regelmäßigen Terminen: „Statt seltener nervenaufreibender Beziehungsgespräche, die immer dann anberaumt werden, wenn Druck im Kessel ist, schlage ich turnusmäßige eine ritualisierte Paar-Zeit vor, in der nicht nur ausgetauscht wird, was alles nicht klappt oder welche Wünsche offen sind, sondern gerade über das geredet wird, was gut läuft und was der Partner oder die Partnerin toll macht. Komplimente und kleine Überraschungen sind dabei herzlich willkommen.“ Auf diese Weise könnten Paare ernsthaften Krisen vorbeugen. Häufig sei es eine kommentarlos beibehaltene Gestaltung des Alltags in der Familie, die den Grund für Unstimmigkeiten liefere. Der Experte meint: „Es muss nicht immer alles bis ins Kleinste ausgeklügelt und genau gleich verteilt werden. Es funktioniert auch, wenn vorübergehend einer eine größere Last trägt oder auf mehr verzichtet. Es ist dann aber wichtig, dies auch wertzuschätzen und eine klare zeitliche Begrenzung – zum Beispiel für eine Auszeit aus dem Beruf – zu verabreden.“

In Krisen auf die Basis der Beziehung besinnen und Wünsche formulieren

Auch Paaren, die in einer akuten Krise stecken, hilft nur eins: Reden. Allen, denen dabei Trauer und Wut über das Verhalten der Partnerin oder des Partners den Blick trüben, rät Ansgar Röhrbein zu überlegen, welche Qualitäten es waren, die zunächst die Liebe entfachten und wie sich diese Eigenschaften auch in der Familie positiv auswirken könnten. „Hinter jedem Vorwurf steckt ein Wunsch“, lautet ein weiterer Hinweis. „Wer den Wunsch formuliert und nicht den Vorwurf, hat größere Chancen, gehört zu werden.“ Und: „Tempo rausnehmen: Zunächst zuhören beziehungsweise den anderen ausreden lassen, dann zusammenfassen, was man von dem, was der andere gesagt hat, meint verstanden zu haben. Gesagtes und Gehörtes sind nämlich – gerade, wenn Gefühle im Spiel sind – nicht immer deckungsgleich. Auf dieser Grundlage lassen sich die eigenen Anliegen dann besser formulieren.“ Außerdem warnt Röhrbein vor übertriebenen Erwartungen: „Ich kann nicht vom anderen verlangen, dass er mich glücklich macht. Das muss ich schon selber tun!“ Text aktualisiert am 22. Juni 2016