Vater ist, das was du draus machst!
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Unternehmen

Gute Vereinbarkeit: Ein Pluspunkt für Unternehmen und Beschäftigte

Praxisleitfaden „Familiengerechte Personalpolitik“

Die Zahl der Fachkräfte nimmt ab, der Wettbewerb um qualifizierte Beschäftigte wird größer. Attraktive Vereinbarkeitslösungen sind ein starkes Argument und können für eine erfolgreiche Personalsuche entscheidend sein. Der Praxisleitfaden „Familiengerechte Personalpolitik – Gute Praxis nordrhein-westfälischer Unternehmen“ des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) unterstützt Unternehmen bei der Einführung und Etablierung einer familiengerechten Personalpolitik.
Fachkräfte gesucht? Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die mit 99,5 Prozent den Mammutanteil der in NRW ansässigen Betriebe ausmachen, werden in den kommenden zehn Jahren vom Fachkräftemangel betroffen sein. Es gilt also, attraktive Arbeitsbedingungen anzubieten und damit sowohl bei der bestehenden Belegschaft als auch bei den Jobsuchenden positiv zu punkten. Unternehmen, die ihre Beschäftigten mit einer lebensphasenorientierten Personalpolitik unterstützen, schaffen beste Voraussetzungen, dem demografischen Wandel zu begegnen.

Gestalten und handeln – so gelingt es

Der Praxisleitfaden beschreibt die zentralen Gestaltungsbereiche und erläutert die daran geknüpften Handlungsfelder:
  • Flexible und familienbewusste Arbeitsbedingungen Handlungsfelder:  Arbeitszeitgestaltung, vollzeitnahe Teilzeit und mobile Arbeit/Homeoffice
  • Familienbewusste Unternehmens- und Kommunikationskultur Handlungsfelder: Väterorientierung und Führung
  • Lebensphasenbezogene Serviceangebote Handlungsfelder: Betriebliche Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie bzw. Pflege und Beruf, Sozialberatung und haushaltsnahe Dienstleistungen
Praxisnah zeigt die Publikation auf, wie eine familiengerechte Personalpolitik im Unternehmen Schritt für Schritt eingeführt werden kann. Anhand konkreter Vorschläge und Checklisten erhalten Personalverantwortliche einen schnellen Überblick zu Aufwand und Machbarkeit der vorgestellten Maßnahmen. Infokästen bieten kompaktes Wissen zu den verschiedenen Themenfeldern.

Väterorientierung und Führung

Einen besonderen Stellenwert schreibt der Leitfaden der Väterfreundlichkeit in Unternehmen zu. Noch fühlen sich Väter zu selten von familiengerechten Maßnahmen angesprochen und oftmals zögern sie, das Thema selbst anzusprechen. Mit der Beschreibung klarer Rahmenbedingungen für eine familienbewusste Personalpolitik wirbt die Publikation ausdrücklich dafür, Väter gezielt in den Blick zu nehmen und mit eigenen väterorientierten Angeboten besser zu erreichen. Den Führungskräften kommt hierbei eine entscheidende Vorbildfunktion zu, sie gestalten die Rahmenbedingungen für Väter und sorgen durch die eigene Nutzung der Maßnahmen dafür, dass sich eine familiengerechte Kultur im Unternehmen etabliert.

Gute Praxis – Nachmachen ausdrücklich erwünscht!

Rund 20 gute Beispiele aus Unternehmen in NRW zeigen, welche familiengerechten Maßnahmen bereits erfolgreich umgesetzt werden konnten. Die Verantwortlichen aus den vorgestellten Unternehmen stehen gern für einen Erfahrungsaustausch zur Verfügung, die Broschüre enthält die jeweiligen Kontaktdaten. Familienminister Dr. Joachim Stamp ermuntert interessierte Unternehmen: „Die Vielfalt der hier vorgestellten Maßnahmen zeigt: Vereinbarkeit ist machbar, familienpolitisch sinnvoll und wirtschaftlich rentabel. Deshalb wollen wir Arbeitgebern Mut machen, sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf einzusetzen.“ Herausgeber des Praxisleitfadens „Familiengerechte Personalpolitik – Gute Praxis nordrhein-westfälischer Unternehmen“ ist das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Publikation kann über den Broschürenservice als Druckausgabe bestellt werden und steht zum Download bereit.

Väterfreundliche Vereinbarkeitsmodelle: Besondere Herausforderungen im Schichtbetrieb

4 Fragen an … Petra Giesler, Albrecht Bäumer GmbH & Co. KG, Freudenberg

Flexible Arbeitszeitmodelle mit den Anforderungen eines Produktionsbetriebs zu vereinbaren, stellt das mittelständische Familienunternehmen Albrecht Bäumer GmbH & Co. KG vor besondere Herausforderungen. vaeter.nrw sprach mit der Personalchefin Petra Giesler darüber, wie es Bäumer als familienfreundliches Unternehmen schafft, Vereinbarkeitslösungen auch für Mitarbeiter im Schichtbetrieb anzubieten.
vaeter.nrw: Frau Giesler, die Rolle der Väter hat sich gesellschaftlich stark verändert. Wie macht sich dieser Wandel bei Bäumer als Unternehmen mit einem sehr hohen Männeranteil von über 70 Prozent in der Belegschaft bemerkbar und wie reagieren Sie von Unternehmensseite darauf? Petra Giesler: In vielen Familien sind mittlerweile beide Elternteile erwerbstätig. Daher kümmern sich beide Partner neben ihrem Beruf auch gemeinsam um Haushalt und Familie. Väter sehen sich nicht mehr ausschließlich als Ernährer und möchten neben ihrem Beruf mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Außerdem spielt die Pflege von Familienangehörigen auch bei unseren männlichen Kollegen immer öfter eine größere Rolle. Wir möchten unseren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, beides zu vereinbaren und haben verschiedene Lösungen entsprechend den Wünschen unserer Mitarbeiter gefunden: Zum einen haben wir für die Mitarbeiter, die am Gleitzeitverfahren teilnehmen, die Kernzeit reduziert. So haben auch Väter, die einen längeren Weg zur Arbeit haben, die Möglichkeit, vor Arbeitsbeginn ihre Kinder zur Kita zu bringen bzw. auch früher abzuholen. Außerdem können Kollegen aus der Verwaltung oder aus dem technischen Bereich spontan im Homeoffice arbeiten, falls ihre Kinder unplanmäßig betreut werden müssen.
vaeter.nrw: Stichwort Fachkräftesicherung: Welche Rolle spielen Vereinbarkeitslösungen für Väter schon im Bewerbungsgespräch?Petra Giesler: Väterfreundlichkeit wird zu einem immer wichtigeren Wettbewerbsfaktor. Auch in Vorstellungsgesprächen taucht immer häufiger die Frage nach flexiblen Arbeitszeiten auf. Gerne verweise ich dann auf unsere Zertifizierung als „Familienfreundliches Unternehmen“ und bringe den potentiellen Kandidaten die in unserem Unternehmen geschaffenen Möglichkeiten nahe. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass wir hiermit gerade bei jungen Vätern (und Müttern) punkten und diese für uns gewinnen konnten.
vaeter.nrw: Wie schaffen Sie es organisatorisch, im Produktions- und Schichtbetrieb die Bedarfe von Vätern nach flexiblen Vereinbarkeitslösungen zu berücksichtigen?Petra Giesler: Die Schaffung von Lösungen im Bereich der Produktion gestaltet sich wesentlich schwieriger. Zur Aufrechterhaltung unserer Fertigung ist es notwendig, in Schichten zu arbeiten. Während der Schicht müssen die Teams eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern aufweisen, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Aber auch hier ist eine Verschiebung der Arbeitszeit in Absprache mit dem Vorgesetzten möglich. Hierfür nutzen die Kollegen ein Flexzeitkonto. Das heißt, wenn sie an einem Tag nicht die gewünschte Sollzeit erreichen, haben sie die Möglichkeit, dies an einem anderen Tag wieder auszugleichen. Diese Möglichkeit nutzen insbesondere Kollegen, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern und öfter Arzttermine zur regulären Arbeitszeit wahrnehmen.
vaeter.nrw: Welche Aufgaben im Bereich „Väterfreundliches Unternehmen“ gilt es nach Ihrem Empfinden noch zu lösen?Petra Giesler: Die von Kunden gewünschte Flexibilität und die Digitalisierung der Arbeitswelt stellen uns als Arbeitgeber, aber auch die Arbeitnehmer vor immer größere Herausforderungen – gerade im Hinblick auf die Arbeitszeiten. Gleichzeitig begreife ich dies aber auch als Chance, die Arbeitszeiten auch für die Mitarbeiter in der Produktion noch flexibler zu gestalten und dem Wunsch nach Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf mehr entsprechen zu können. Wir sind hier auf einem guten Weg und finden schon jetzt mehr individuelle Lösungen als viele andere mittelständische Unternehmen.
Zur Person:

Petra Giesler

Petra Giesler ist Human Ressources Director bei der Albrecht Bäumer GmbH & Co. KG in Freudenberg. Das Familienunternehmen ist seit fast 70 Jahren ein führender Hersteller von Maschinen und Anlagen für die Schaumstoffindustrie. Der Unternehmensschwerpunkt liegt auf Spezialmaschinen zum Schneiden, Bearbeiten und Transport von Polyurethan-Schaumstoffen und ähnlichen Materialien. In diesem Bereich hat sich das mittelständische Unternehmen vom Pionier zum weltweiten Marktführer entwickelt. 270 Mitarbeiter (73 Prozent) von insgesamt 369 Beschäftigten weltweit sind Männer. Foto: © Albrecht Bäumer GmbH & Co. KG  

Vereinbarkeit: Mobiles Arbeiten macht vieles möglich

4 Fragen an … Jana Dimter-Hammerstein, connecT EDV-Vertriebs GmbH, Siegen

Vaeter.nrw wollte wissen, wie der digitale Wandel Vereinbarkeitslösungen für Väter in kleinen Unternehmen erleichtert und sprach hierzu mit Jana Dimter-Hammerstein vom IT-Dienstleister connecT.
vaeter.nrw: Frau Dimter-Hammerstein, das Unternehmen connecT unterstützt Väter besonders bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Welcher Impuls war dafür ausschlaggebend?Jana Dimter-Hammerstein: Der Impuls liegt bei uns in der Firmenphilosophie. Wir sprechen häufig von der „connecT-FAMILIE“ und möchten mehr als nur ein Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter sein. So ist es selbstverständlich, unsere Mitarbeiter in ihren persönlichen Belangen zu unterstützen und bei lebensbezogenen Veränderungen – Familienzuwachs, Betreuungsengpässen, Pflege Angehöriger etc. – zu reagieren und Lösungen parat zu haben. Durch das mobile Arbeiten ist heutzutage nahezu alles möglich. Ob sie ihre E-Mails vom Spielplatz senden oder im Büro sitzen, macht von der Sache her erst mal keinen Unterschied.
vaeter.nrw: Wie können wir uns das vorstellen – wie geht ein Vater in Ihrem Unternehmen vor, wenn er seine Vereinbarkeitsbedarfe umsetzen möchte?Jana Dimter-Hammerstein: Das beginnt damit, dass die typischen Schwangerschaftsvorbereitungstermine von den werdenden Vätern mit ihrer Partnerin ohne viel Aufwand während der normalen Arbeitszeit wahrgenommen werden können. Die Möglichkeit in Elternzeit zu gehen, sehen wir ebenfalls als selbstverständlich an. Mobiles Arbeiten ist hier auch eine optimale Lösung, mit der wir gute Erfahrung gemacht haben. Im Team wird Respekt vor Persönlichkeit und Familie groß geschrieben, deshalb gibt es keine schlechte Stimmung, wenn für den werdenden Vater mal eine Aufgabe übernommen werden muss. Selbstverständlich ist auch alles ein Geben und Nehmen. Wir können sicher sein, dass ein zufriedener Vater, der die Möglichkeit hat, auch im Geschäftsalltag den ein oder anderen privaten Termin zu erledigen, seine geschäftlichen Aufgaben ebenfalls hoch motiviert ausübt. Wir schaffen da in gewisser Weise einen „Druckausgleich“, indem wir signalisieren, dass auch die private Situation des Einzelnen seinen Platz hat. Unser Ziel sind zufriedene Mitarbeiter, die in der Lage sind, Privatleben und Beruf bestmöglich zu vereinbaren.
vaeter.nrw: Sie sind ein Unternehmen mit 25 Beschäftigten. Wie schaffen Sie es, Vereinbarkeitslösungen in den Teams und auf Unternehmensebene umzusetzen? Jana Dimter-Hammerstein: Es gibt in unseren Teams feste wiederkehrende Meetingtermine, in denen die Mitarbeiter im Unternehmen sein müssen. Diese Meetings dienen als festes Ritual und ermöglichen den direkten persönlichen Austausch. Darüber hinaus organisiert der Mitarbeiter weitestgehend selbst, ob er Termine wahrnimmt, im Unternehmen verbleibt oder mobil arbeitet. Somit sind jegliche Vereinbarkeitslösungen einfach umzusetzen. Auch wir sind mitten in der sogenannten „Digitalen Transformation“, die Arbeitsstruktur hat sich komplett verändert. Unser Vorteil gegenüber anderen Unternehmen ist natürlich die jahrelange Erfahrung mit dem digitalen Handwerkszeug. Das wiederum kommt allen Vätern, Müttern und auch den Kindern zugute. Unsere Vereinbarkeitslösungen bauen auf Vertrauen auf und geben unseren Mitarbeitern einen gewissen „Vorschuss“, den wir gerne gewähren. Er dient zusätzlich der Mitarbeitermotivation und zeigt unseren jungen Menschen, dass Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen ist.
vaeter.nrw: Wie geben Sie Vätern das Gefühl, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Unternehmen selbstverständlich ist?Jana Dimter-Hammerstein: 2016 sind wir als eines der ersten Unternehmen der Region als familienfreundliches Unternehmen zertifiziert worden. Wir leben das im Unternehmen ganz selbstverständlich, indem die bereits erwähnten Arzttermine ohne Rückfragen wahrgenommen werden können, Homeoffice-Möglichkeiten bestehen und wir bei der Verteilung von situativ aufkommenden Dienstleistungen, die das Wochenende oder den Feierabend betreffen, Familienväter – wann immer möglich - ausschließen. Kinder sind bei uns willkommene Gäste und können den Papa gerne am Arbeitsplatz besuchen. Man kann nie früh genug anfangen, junge Menschen für uns zu begeistern.
Zur Person:

Jana Dimter-Hammerstein

Jana Dimter-Hammerstein ist Mitarbeiterin für die Bereiche Unternehmenskommunikation und Qualitätsmanagement bei der Firma connecT EDV-Vertriebs GmbH. connecT ist ein IT-Systemhaus mit Sitz in Siegen, das seit mehr als 20 Jahren seine Dienstleistungen mit gut ausgebildeten Fachkräften und einer ausgewählten Produktpalette namhafter Hersteller anbietet. Herz, Verstand und Leidenschaft sind Attribute, die bei connecT großgeschrieben werden. 21 Mitarbeiter von insgesamt 25 Beschäftigten sind Männer. Foto: © connecT EDV-Vertriebs GmbH  

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf birgt große Chancen

Familienminister Joachim Stamp hat die nordrhein-westfälische Wirtschaft ermutigt, ihre Anstrengungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verstärken.
Familienminister Joachim Stamp hat die nordrhein-westfälische Wirtschaft ermutigt, ihre Anstrengungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verstärken. „Es gibt große Chancen für die Familien und die Unternehmen, wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter verbessert wird“, betonte der Minister bei der Eröffnung des Jahreskongresses „familie@beruf“ in Düsseldorf.  Bereits heute fehlen den Unternehmen in Nordrhein-Westfalen 134.000 Fachkräfte, bis 2030 wächst die Lücke nach Prognosen auf 592.000 Fachkräfte an. Eine familiengerechte Unternehmens- und Personalpolitik sei ein wichtiger Baustein zur Fachkräftesicherung. „Motivierte, qualifizierte Fachkräfte sind die Grundvoraussetzung für eine starke Wirtschaft. Wir müssen Potenziale, gerade auch die gut ausgebildeter Mütter, besser nutzen, um die Fachkräftelücke zu schließen. Es lohnt sich, in gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu investieren – familienpolitisch und wirtschaftlich“, betonte Stamp.   Rund 300 Besucherinnen und Besucher – darunter Unternehmensvertreter, Multiplikatoren und renommierte Wirtschaftsexperten, diskutierten unter dem Titel „Chancen NRW: Job, Familie, Fachkräfte – mit Vereinbarkeit gewinnen“ über Chancen und Strategien einer neuen Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Gewinnung von Fachkräften. Stamp bestärkte die Unternehmen, gute Vereinbarkeitsmaßnahmen als harten Standortfaktor zu verstehen.   Die Landesregierung hat das Ziel, Rahmenbedingungen für eine gute Familienpolitik zu schaffen. „Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und investieren dazu unter anderem massiv in die Qualität und Quantität der frühkindlichen Bildung sowie den Ausbau des Offenen Ganztags“, erklärte Joachim Stamp. Darüber hinaus wird die Landesregierung sich für einen Ausbau der Teilzeitausbildung einsetzen, um jungen Eltern und Alleinerziehenden die Möglichkeit zu geben, Ausbildung und Familie gleichzeitig zu bewältigen.   „Familienfreundliche Personalmaßnahmen und flexible Arbeitszeiten von der Teilzeit über Homeoffice bis zum mobilen Arbeiten können ein Standortvorteil im Wettbewerb um die besten Köpfe sein“, sagte Stamp. Viele Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen haben das bereits erkannt. 72 Prozent der befragten Arbeitgeber messen einer familienbewussten Personalpolitik bei der Gewinnung und Bindung von Fachkräften eine hohe bis sehr hohe Bedeutung zu. Das hat eine repräsentative Prognos-Umfrage im Auftrag des Familienministeriums ergeben. Befragt wurden im Oktober dieses Jahres rund 500 Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie Personalverantwortliche nordrhein-westfälischer Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größe, welchen Zusammenhang sie zwischen der Fachkräftesicherung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen.   Ergebnisse der Kurzstudie:
  • Die Fachkräftegewinnung fordert Unternehmen in Nordrhein-Westfalen heraus: Rund 63 Prozent haben aktuell bei der Gewinnung von Fachkräften sehr große oder große Herausforderungen.
  • Einer familienbewussten Personalpolitik kommt nach Auffassung von 72 Prozent der Befragten eine sehr hohe oder hohe Bedeutung bei der Gewinnung von Fachkräften zu.
  • Als zentrale Maßnahmen zur Bindung und Gewinnung von Fachkräften werden arbeitszeitbezogene Instrumente, v.a. flexible Arbeitszeiten, Teilzeit und individuell vereinbarte Arbeitszeiten, sowie die Unterstützung von Vätern bei der Inanspruchnahme von Elternzeit und eine familienfreundliche Unternehmenskultur genannt.
  • Noch nicht erschlossene Möglichkeiten zur Fachkräftebindung bietet „Homeoffice“. Obwohl sich die Zeitersparnis im Bundesdurchschnitt durch den Wegfall von Wegzeiten für das Pendeln pro Woche auf 4,4 Stunden beläuft, bieten nur 27 Prozent der befragten Unternehmen „Homeoffice“ an.
  • Gerade mit Blick auf die Mütter schöpft nur die Hälfte der Unternehmen in Nordrhein-Westfalen die Fachkräftepotenziale aus: In nur 49 Prozent der Unternehmen ist es (in Einzelfällen) Praxis, teilzeitbeschäftigte Mütter zu fragen, ob sie ihr vertragliches Arbeitszeitpensum erhöhen wollen.
  • 135.000 Mütter in Nordrhein-Westfalen würden gerne ihre Wochenarbeitszeit erhöhen. Insgesamt sind rund 575.000 Mütter in Nordrhein-Westfalen nicht erwerbstätig, darunter 285.000 mit abgeschlossener Berufsausbildung oder akademischem Abschluss.
Quelle: Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen

"Es gibt bei uns keinen Vater, der die Elternzeit nicht nutzt"

4 Fragen an ... Miriam Schilling, VAUDE Sport GmbH & Co. KG, Tettnang

Miriam Schilling unterstützt bei VAUDE individuelle Vereinbarkeitsmodelle für alle Beschäftigten. Ein wichtiger Bestandteil von guten Vereinbarkeitslösungen für die Beschäftigten ist das Kinderhaus auf dem Betriebsgelände.
vaeter.nrw: Frau Schilling, die VAUDE Sport GmbH und Co. KG ist vielfach ausgezeichnet – unter anderem erhielt Ihr Unternehmen Preise für seine herausragende Familienfreundlichkeit sowie das besonders gute Betriebsklima. Woran machen Ihre Beschäftigten dies fest?Miriam Schilling: Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es ein wichtiges Thema, dass unsere Geschäftsführerin Antje von Dewitz, Mutter von vier Kindern, mit ihrer Art, wie sie Beruf und Familie vereinbart, ein großes Vorbild ist. So hält sie sich beispielsweise den Freitagnachmittag für ihre Familie frei, außerdem achtet sie auf möglichst regelmäßige Arbeitszeiten. Damit lebt sie allen Vätern und Müttern vor, dass es machbar ist, neben der Arbeit eine Familie zu haben und sich ausreichend Zeit für sie zu nehmen. Als weiterer Pluspunkt kommt unser Kinderhaus hinzu, das wir – gemeinsam mit der Stadt Tettnang – für die Kinder unserer Mitarbeiter, aber auch für Familien in der Umgebung zur Verfügung stellen. Dies ist für unseren verhältnismäßig kleinen Standort mit 500 Beschäftigten eine Besonderheit. Die dort betreuten Kinder nehmen zu vielen Gelegenheiten an unserem Firmenleben teil. So ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie zum Beispiel zur Weihnachtsfeier oder zum Sommerfest mit eingebunden sind.
vaeter.nrw: Betriebseigenes Kinderhaus, flexible Arbeitszeitmodelle, Teilzeitangebote, Home-Office- und Job-Sharing-Möglichkeiten: VAUDE bietet umfangreiche Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. Wie weit hat es sich etabliert, dass auch Väter diese Angebote selbstverständlich in Anspruch nehmen?Miriam Schilling: Das ist spannend für mich zu beobachten. Ich bin nun seit zwei Jahren bei VAUDE und stelle fest, dass alle neuen Ideen und Ansätze zum Thema „New Work“ im Unternehmen geradezu aufgesogen und umgesetzt werden. Ein Beispiel: Wir haben 40 Führungskräfte, wovon drei gerade Väter geworden sind und deshalb ihre Arbeitszeit reduzieren und jetzt in Teilzeit arbeiten. Es gibt bei uns keinen Vater, der die Elternzeit nicht nutzt.
vaeter.nrw: Aktive Vaterschaft setzt sich langsam durch. Wenn man als Vater Beruf und Familie vereinbart, besteht bei vielen Männern dennoch Angst vor Karriereeinbrüchen. Wie ermutigen Sie in Ihrem Unternehmen Väter, Vereinbarkeitsmodelle in Anspruch zu nehmen?Miriam Schilling: Tatsächlich sind wir in der glücklichen Lage, unsere Beschäftigten nicht ermutigen zu müssen – die Väter kommen von selbst auf uns zu, und das ganz ohne Scheu. Das ist sicherlich zurückzuführen auf unsere familiär geprägte Unternehmenskultur und den hohen Frauenanteil der Branche. Hier übernehmen die Mütter eine klare Vorbildfunktion! Seit Väter nach der Geburt ihrer Kinder zunehmend ebenfalls mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen möchten, ermöglichen wir ihnen dies genauso wie den Müttern. Die Flexibilität, die dadurch vom Unternehmen abverlangt wird, hat aber auch Grenzen, in deren Rahmen wir dann eine Lösung suchen. So standen wir gerade vor der Situation, dass im nächsten Jahr gleich vier Mitarbeiter einer Abteilung gleichzeitig zum zweiten Mal Vater werden. Im gemeinsamen Gespräch mit der Geschäftsführung und den Angestellten haben wir dann vereinbart, dass die Elternzeit zu möglichst verschiedenen Zeiträumen genommen wird. Gerade für die kurzen Elternzeitphasen von zwei oder drei Monaten können wir keine Vertretung einstellen, sodass das Mehr an Arbeit vorübergehend von den Kolleginnen und Kollegen geschultert werden muss. Das ist keine Selbstverständlichkeit und bedarf einer guten Vorausschau und Begleitung. Deswegen hat es sich bei uns etabliert, dass wir dem jeweiligen Team vor und nach einer Elternzeitphase persönlich unseren Dank aussprechen für die zusätzliche Arbeit. So stellen wir sicher, dass sich die bleibenden Kolleginnen und Kollegen gesehen und wertgeschätzt fühlen.
vaeter.nrw: Die Vernetzung mit anderen Vätern und Müttern zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für viele Eltern eine gute Unterstützung. Wie fördert VAUDE den Erfahrungsaustausch der Beschäftigten untereinander?Miriam Schilling: Wir haben Elternzeit-Treffen eingerichtet, bei denen sich Väter und Mütter über Neuigkeiten im Unternehmen allgemein und in ihrer Abteilung speziell austauschen. Gerade für Beschäftigte, die eine längere Elternzeit in Anspruch nehmen, ist das von großem Wert. Begleitend dazu suchen wir das Gespräch mit den „Elternzeitlern“ und ihren jeweiligen Führungskräften und machen ein Briefing zum Thema „Rückkehr nach der Elternzeit an den Arbeitsplatz“. Das hat sich bewährt, um gegenseitige Erwartungshaltungen abzufragen und miteinander in Einklang zu bringen. Aufgrund der positiven Unternehmenskultur hat es sich etabliert, dass der Austausch unter den Vätern und Müttern auch über die Elternzeit hinaus fortgesetzt wird. So bedarf es für den Austausch keines eigenen Netzwerkes, sondern bleibt auf informellem Weg unkompliziert in Gange.
Zur Person:

Miriam Schilling

Miriam Schilling ist „Head of Human Resources” bei der VAUDE Sport GmbH & Co. KG in Tettnang. Der Outdoor-Ausrüster VAUDE wird als modernes Familien-Unternehmen in zweiter Generation geführt und hat derzeit rund 500 Beschäftigte, etwa 40 Prozent davon sind Männer. Neben Umweltschutz und Nachhaltigkeit prägen Werte wie soziale Verantwortung und Familienfreundlichkeit die Unternehmenskultur. Hierfür wurde VAUDE in den vergangenen Jahren vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem 361° Family Award der Unternehmensberatung A.T. Kearney als einer der familienfreundlichsten Arbeitgeber Deutschlands. © Foto: vaude.com

"Väter sind überrascht, was alles für sie möglich ist"

4 Fragen an ... Claudia Lazai, DATEV eG, Nürnberg

Claudia Lazai, Beauftragte für Diversity und Inklusion, berichtet über steigende Teilzeitquoten sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben bei der DATEV eG.
vaeter.nrw: Frau Lazai, die DATEV eG bietet seit 2001 umfangreiche Maßnahmen zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie an. Dabei fällt auf, dass Sie dabei auch Väter und ihre Partnerinnen speziell in den Blick nehmen. Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?Claudia Lazai: Wir haben festgestellt, dass die wesentliche Herausforderung darin besteht, werdende Väter überhaupt zu identifizieren. Das ist bei Frauen offensichtlicher. Auch das Aufbrechen von tradierten Rollenbildern spielte von Beginn an eine erhebliche Rolle. Die Familienzeit für Väter war ja nicht immer so weit verbreitet wie heute. Eine direkte Ansprache war und ist deshalb wichtig. Wir versuchen hier Sensibilität im Unternehmen zu schaffen, damit sich werdende Väter frühzeitig melden und wir gemeinsam in eine partnerschaftliche Beratung einsteigen können – auch wenn die Partnerin vielleicht gar nicht bei uns arbeitet.
vaeter.nrw: Wie umfangreich werden die Angebote von Vätern genutzt und was schätzen sie besonders daran? Claudia Lazai: Zu Anfang war die Akzeptanz der Väter noch zurückhaltend, mittlerweile werden die Angebote aber zunehmend auch von ihnen in Anspruch genommen. In etwa 40 Prozent der Fälle kümmern sich beispielsweise die Väter um einen Betreuungsplatz, sei es für die regelmäßige Kinderbetreuung oder für die Ferien. Das Eltern-Kind-Rückzugsbüro, welches im Betreuungsnotfall zur Verfügung steht, wird sogar etwas häufiger von Vätern genutzt. Was mich besonders freut ist die Tatsache, dass immer mehr Väter sich schon sehr früh ihrer Verantwortung stellen. Sie nutzen beispielsweise die Elternzeit mit Teilzeit, um sich mit ihrer Partnerin die Erwerbs- und Erziehungsarbeit zu teilen und die Familie zu unterstützen. 2017 haben bisher 154 Väter Elternzeit genommen, und das bei ca. 200 Geburten pro Jahr. Dieses Phänomen macht auch in den Führungsebenen nicht Halt. Aktuell sind 22 männliche Führungskräfte in Elternzeit und 14 arbeiten als Führungskraft in Teilzeit. Auch bei der Entwicklung der allgemeinen Teilzeitquote, die bei DATEV aktuell bei 23 Prozent liegt, sind immer mehr Männer (22 Prozent) zu verzeichnen. Vor fünf Jahren lag die Teilzeitquote allgemein bei 20 Prozent und bei 16 Prozent unter den Männern. Das ist eine tolle Entwicklung und zeigt, dass wir uns auch kulturell gut weiterentwickelt haben. Kinder, aber auch Pflege sind schon lange keine reinen Frauenthemen mehr. Es ist viel selbstverständlicher geworden, dass sich alle Zeit für die Familie in unterschiedlichsten Arbeitszeitmodellen nehmen.
vaeter.nrw: Sie ermutigen Väter, neben der Elternzeit auch ihre anderen vielfältigen familienfreundlichen Angebote in Anspruch zu nehmen. Wie hat sich dieses Engagement auf die Kultur im Unternehmen ausgewirkt?Claudia Lazai: Ein Kindergarten auf dem Betriebsgelände, Eltern-Kind-Rückzugsbüros, intensivere Nutzung von Teilzeitmodellen – auch in Führung –, das geht natürlich nicht spurlos an der Kultur des Unternehmens vorüber. Kolleginnen und Kollegen, Führungskräfte und Teams erleben dies positiv, müssen aber auch lernen damit zurechtzukommen, dass Eltern vielleicht anders flexibel sind und neben dem Beruf weitere Verpflichtungen haben. Letztlich lernen sie dabei auch, mit Vielfalt im Unternehmen umzugehen.
vaeter.nrw: Wo sehen Sie die größten Erfolge der DATEV eG in Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und speziell in der Väterarbeit?Claudia Lazai: Seit zehn Jahren ermutigen wir mit unserem Väterbrief die werdenden Papas dazu, sich gemeinsam mit der Partnerin frühzeitig über die Möglichkeiten zu den Themen Elternzeit/Teilzeit und Kinderbetreuung beraten zu lassen. Die Beratung bietet unser Mitarbeiterservice an. Dies trägt dazu bei, dass beide die gleichen Informationen haben und leichter entscheiden können, welches Familienmodell favorisiert wird. Speziell Väter sind häufig überrascht, was alles auch für sie möglich ist und sind dann auch eher bereit den nächsten Schritt zu wagen. Es hilft natürlich auch, wenn kollegial von anderen Vätern Mut gemacht wird und ein Austausch stattfindet. Wir sprechen mittlerweile nicht mehr über Vereinbarkeit von Beruf und Familie sondern eher über die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Wir haben viele Angebote, die wir ursprünglich speziell für Beschäftigte in ihrer Elternrolle geschaffen haben, für alle geöffnet. Teilzeit war zum Beispiel ursprünglich in der Regel der Kinderbetreuung geschuldet, heute kann ich problemlos auch aus anderen Gründen meine Arbeitszeiten reduzieren. Die Väterarbeit war und ist hier wichtig, weil darüber solche Themen in ein breiteres Bewusstsein getragen werden.
Zur Person:

Claudia Lazai

Claudia Lazai ist Beauftragte für Diversity und Inklusion bei der DATEV eG in Nürnberg. Die DATEV ist Softwarehaus und IT-Dienstleister für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren zumeist mittelständische Mandanten. Mit 40.500 Mitgliedern, rund 7.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 928 Millionen Euro im Jahr 2016 belegt die 1966 gegründete DATEV Platz 3 im Ranking der Anbieter von Business-Software in Deutschland. Der Anteil männlicher Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigtenzahl liegt bei 58,3 Prozent.   © Foto: Hendrik Schmahl/DATEV eG

"Die Herausforderungen des Familienlebens sind allgegenwärtig"

4 Fragen an ... Thomas Lemken, Dr. Guntermann GmbH, Köln

Thomas Lemken, Geschäftsführer der Dr. Guntermann GmbH mit Sitz in Köln, berichtet zum Auftakt der Interviewreihe "4 Fragen an …" über die Verbindung von Arbeits- und Lebenszeit im Agentur-Alltag.
vaeter.nrw: Herr Lemken, als Vater und Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur gilt es, Familie und Beruf gut auszubalancieren. Wie gelingt Ihnen diese Aufgabe? Thomas Lemken: Manchmal besser und manchmal schlechter: Rein formal arbeite ich im klassischen Modell Vollzeit, während meine Frau nach der Elternzeit wieder in Teilzeit in ihren Job einsteigt. In unserer kleinen Firma lösen wir das Thema Vereinbarkeit ziemlich pragmatisch mit einer ‚durchlöcherten Vollzeit', wie einer mein Kollegen immer sagt. Das bedeutet: Einen spontanen Kinderarztbesuch um 10 Uhr morgens wahrzunehmen, ist immer möglich. Dafür meckert aber auch keiner, wenn er abends im Zweifel noch mal ran muss. Diese Flexibilität und Freiheit sind ein großes Glück, das ich sehr zu schätzen weiß.
vaeter.nrw: Sie beschäftigen überwiegend männliche Mitarbeiter. Welche Vorbildfunktion übernehmen Sie als Führungskraft dadurch, dass Sie Vaterschaft aktiv leben? Thomas Lemken: Da wir in unserer Agentur ohne Hierarchien auskommen, bin ich nicht mehr oder weniger Vorbild als jeder andere Kollege. Bei uns arbeiten gleich vier Väter, die Herausforderungen des Familienlebens sind also allgegenwärtig. Wenn einer von uns ein krankes Kind zuhause hat oder nachmittags zum Laternenbasteln in die Kita geht, kann er auf das Verständnis aller Kollegen zählen. Dass es keine dummen Sprüche hagelt, wenn man sich Familienzeit nehmen möchte oder muss, macht es einem natürlich einfacher. Das sollte in meinen Augen heutzutage aber auch eine Selbstverständlichkeit sein.
vaeter.nrw: Väter entwickeln neue Kompetenzen. Wie kommt das Ihrer Zusammenarbeit im Unternehmen zugute?Thomas Lemken: Ob ich durch die Vaterrolle neue Kompetenzen gelernt habe, die sich auch direkt im Berufsalltag nutzen lassen, weiß ich nicht. Verändert haben die Kinder aber trotzdem etwas. Wir arbeiten in einer Branche, in der es nicht unüblich ist, abends bis in die Puppen im Büro zu hocken und äußerst wichtige Dinge zu tun. Jahrelang musste meine Frau sich anhören, dass es „heute etwas später wird“, weil dieser Text oder jene Mail unaufschiebbar seien. Erst seit ich Vater bin, schaffe ich es erstaunlicherweise fast immer, pünktlich das Büro zu verlassen. Sind Eltern also fauler als Kinderlose? Ich glaube, das Gegenteil trifft zu. Subjektiv habe ich das Gefühl, in kürzerer Zeit als zuvor ein vergleichbares Gesamtpensum wegzuschaffen. Meine Kinder haben mich dazu gebracht, effizienter und disziplinierter zu arbeiten.
vaeter.nrw: Sie betreiben mit Ihrer Agentur den Väter-Blog IchBinDeinVater.de und zeigen deutlich, dass beides geht: Vater sein und Beruf leben. Welche Reaktionen erhalten Sie darauf?Thomas Lemken: Die Reaktionen sind grundsätzlich positiv. Unser Blog erhält auch regelmäßig mediale Aufmerksamkeit und dass sich Männer überhaupt mit ihrer Elternrolle beschäftigen, wird fast immer positiv honoriert. Das ist einerseits toll, zeigt andererseits aber auch, dass es als Vater immer noch sehr leicht ist, Lob oder Anerkennung für Gedanken oder Taten einzuheimsen, die von Frauen als Selbstverständlichkeit erwartet werden.
Zur Person:

Thomas Lemken

Thomas Lemken ist Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Dr. Guntermann GmbH mit Sitz in Köln. Zusammen mit Gründer und Co-Geschäftsführer Dr. Thomas Guntermann arbeitet er im Team mit drei Kollegen und einer Kollegin. Im gemeinsamen Agenturblog „IchbindeinVater.de“ dreht sich alles um das Vatersein der Autoren Thomas Lemken, Thomas Guntermann und Janni Orfanidis. © Foto: Dr. Guntermann GmbH

Wunsch-Zeit: Väter wollen flexiblere Jobs und mehr Familienzeit

Veränderung im Unternehmen mitgestalten

Gehören Sie dazu? Väter wünschen sich heute mehrheitlich ein Berufsleben, das sich mit dem Familienleben gut vereinbaren lässt, wie die Ergebnisse der Befragung zum 2. Väter-Barometer zeigen. Darauf reagiert die Arbeitswelt mit einer wachsenden Anzahl väterfreundlicher Angebote. Wie kann es nun konkret gelingen, Wunsch und Wirklichkeit zusammenzuführen?
Damit der Wunsch von Vätern nach mehr familiärem Engagement bei gleichzeitig verringerter beruflicher Aktivität für immer mehr Männer gelebter Alltag werden kann, braucht es zweierlei: zum einen Väter, die voran gehen und den Unternehmen ihre Bedarfe mitteilen. Auf der anderen Seite sind passgenaue Angebote für Väter von Arbeitgeberseite notwendig.

Es geht voran

Beides nimmt zu und ist auf gutem Weg, so die Ergebnisse der repräsentativen Befragung von 1.000 Vätern und 300 Unternehmen im Auftrag des Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Vor allem junge Väter zwischen 18 und 29 Jahren äußern demnach den Wunsch nach einer deutlichen Arbeitszeitreduzierung zugunsten der Familie. Sie fühlen sich mit ihrem Bedürfnis nach mehr Familienzeit zunehmend wahrgenommen und profitieren von flexiblen Angeboten ihres Arbeitgebers. Väter mit älteren Kindern äußern sich noch zurückhaltender. Was braucht es, damit sich alle Väter angesprochen fühlen?

Kommunikation und Kultur

Die Entwicklung einer väterfreundlichen Unternehmenskultur und die damit einhergehende vertrauensvolle, offene Kommunikation beider Seiten ist laut Väter-Barometer von zentraler Bedeutung. Unternehmen sollten sich aufgeschlossen und sensibel für die speziellen Bedarfe von Vätern mit Kindern aller Altersklassen zeigen. Es ist wichtig, dass diese Väter-Bedarfe auf ehrliche Akzeptanz treffen und Väterfreundlichkeit in Form von Vorbildern auf allen Unternehmensebenen gelebt wird. Vor allem Väter mit Elternzeiterfahrung erleben das inzwischen häufig.

„Wer sich traut, wird akzeptiert.“

Trauen Sie sich, auch nach der Elternzeit ihre Wünsche nach mehr Familienzeit mit Ihrem Vorgesetztem bzw. Ihrer Vorgesetzten auszuhandeln. Ist es für Sie derzeit schwierig, aufgrund von Arbeitsaufkommen, Vertragssituation oder finanziellen Aspekten ihre Arbeitszeit zu reduzieren? Vielleicht bieten Home-Office-Lösungen, Zeitwertkonten, Vertrauensarbeitszeit etc., die Chance, Ihre Arbeit räumlich bzw. zeitlich flexibler zu gestalten.

Engagierte Mitarbeiter durch innovative Personalpolitik

Studie belegt Effekte

In Betrieben mit mitarbeiterorientierten Maßnahmen wie Angeboten zum Gesundheitsschutz, Qualifizierungsangeboten oder regelmäßigen Mitarbeitergesprächen sind die Beschäftigten zufriedener, engagierter und denken seltener über einen Arbeitgeberwechsel nach. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Sie beruht auf Befragungen von mehr als 7.000 Beschäftigten und rund 1.000 Betrieben mit mindestens 50 Mitarbeitern.
Acht von zehn Beschäftigten in Deutschland berichten von mindestens einer belastenden Arbeitsbedingung wie Termindruck, Informationsflut, körperlicher Anstrengung oder von unangenehmen Umgebungsbedingungen wie Hitze, Kälte oder Lärm. Am häufigsten werden Termindruck und Multitasking genannt: Sechs von zehn Beschäftigten sind davon nach eigenen Angaben betroffen. Von unangenehmen Umgebungsbedingungen berichten vier von zehn Beschäftigten, von einer schwer zu bewältigenden Menge an Informationen drei von zehn Beschäftigten.

Acht von zehn Betieben bieten mitarbeiterorientierte Maßnahmen

Gleichzeitig steuern aber auch acht von zehn Betrieben dem entgegen, indem sie beispielsweise Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Gesundheitsförderung anbieten, die über die gesetzlich verpflichtenden Maßnahmen hinausgehen. So analysiert mehr als die Hälfte der Betriebe den Krankenstand im Betrieb. Je ein Drittel führt Mitarbeiterbefragungen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz durch oder hat innerbetriebliche Angebote wie etwa eine aktive Pausengestaltung, Betriebssport oder Gesundheitstage. Schulungen und Beratungen werden von mehr als einem Viertel der Betriebe angeboten, externe Gesundheitsangebote werden von einem Sechstel finanziell unterstützt.
„Auf Dauer können körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz ein Gesundheitsrisiko darstellen. Zwar sind Beschäftigte, die von Termindruck und Multitasking oder von einer schwer zu bewältigenden Menge an Information berichten, nicht häufiger krank als andere Beschäftigte; sie äußern aber zum Befragungszeitpunkt ein schlechteres allgemeines Wohlbefinden“, schreiben die IAB-Forscher in der Studie.

Entwicklungsförderung und Wertschätzung

Betriebe können ihren Beschäftigten durch das Angebot von Gesundheitsmaßnahmen zeigen, dass sie sich der bestehenden Belastungen bewusst sind und auf diese reagieren, so die Arbeitsmarktforscher. Sie betonen: Beschäftigte in Betrieben, die das gesundheitsbewusste Verhalten ihrer Mitarbeiter fördern, sind im Durchschnitt zufriedener. Gesundheitsförderung sei allerdings nur ein Teilaspekt guter Personalführung und bestimme damit letztlich auch nur einen Teil der subjektiv empfundenen Arbeitsqualität von Beschäftigten. Neben dem richtigen Umgang mit potenziellen Belastungen bei der Arbeit hänge Arbeitsqualität maßgeblich mit Entwicklungsförderung und Wertschätzung durch den Betrieb zusammen.
„Beschäftigte in Betrieben, die dies in ihren Personalmaßnahmen berücksichtigen, sind zufriedener und engagierter, fühlen sich stärker ihrem Arbeitgeber verbunden und denken deutlich seltener über einen Arbeitgeberwechsel nach“, erklären die Arbeitsmarktforscher.
 Den ganzen Kurzbericht gibt es auf der Website des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung.

Balance und Austausch

VÄTERNETZWERK NRW

Unternehmen helfen Vätern, sich zu vernetzen – über das Väternetzwerk NRW. Dort können sie sich informieren, untereinander austauschen und ihre Rollen in Job und Familie in Einklang bringen. ista, ein Anbieter für Energiedatenmanagement, macht es vor und ist seit November 2015 Teil des Väternetzwerks. Ein Gespräch mit HR-Projekt-Managerin Aida Azadfar über die Bedürfnisse der Väter, über Chancen und Ziele.
vaeter.nrw: Weshalb ist ista dem Väternetzwerk NRW beigetreten?Aida Azadfar: Work-Life-Balance hat bei ista einen hohen Stellenwert. Wir glauben, dass Top-Leistungen nur dann möglich sind, wenn die Balance stimmt und unsere Mitarbeiter ein ausgeglichenes Leben führen können. Für Familien gibt es einige Angebote bei ista. Da Väter sehr häufig die tragende berufliche Rolle in der Familie haben und zusätzlich und zunehmend familiäre Arbeit leisten, haben sie gezielte Unterstützung nötig – und verdient.
vaeter.nrw: Wie sieht denn die Unterstützung für Familien bisher aus?Aida Azadfar: Wir haben eine Reihe von Projekten, die Mütter und Väter gleichermaßen ansprechen: Einen Familienservice, der beispielsweise zusammen mit der Arbeiterwohlfahrt bei der Vermittlung von Kitaplätzen und Tagesmüttern hilft. Wir haben ein Familienzimmer im Headoffice, falls ein Elternteil sein Kind mit zur Arbeit bringt, weil die Betreuung ausgefallen ist. In dem Zimmer steht ein komplett ausgestatteter Schreibtisch – neben dem Wickeltisch und vielen Spielsachen. Wir ermöglichen außerdem flexible Arbeitszeiten und Home-Office wo es betrieblich möglich ist.
vaeter.nrw: Das sind eine ganze Menge interne Aktivitäten. Was kommt seit November 2015 durch das Väternetzwerk hinzu?Aida Azadfar: Dazu gehören Workshops, Vorträge und Webinare, etwa mit dem Thema „Selbstbewusste Töchter, starke Väter“ oder „Resilienz – gute Bindung von Anfang an. Die Bedeutung des Vaters für das Selbstvertrauen der Kinder“. Außerdem können wir über das Netzwerk Vater-Kind-Aktivitäten anbieten: von der Babymassage, übers Klettern, Floßabenteuer, Bogenschießen bis zum Geocaching. Ein großer Pluspunkt der Aktivitäten: Väter aus ganz verschiedenen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen finden zusammen, tauschen sich aus und vernetzen sich. So entstehen neue Ideen und Lösungen.
vaeter.nrw: Welches Feedback bekommen Sie bisher?Aida Azadfar: Die Resonanz ist sehr positiv. Wir merken, dass die Väter es schätzen, im Fokus zu stehen und Aufmerksamkeit für ihre Themen und Sorgen zu bekommen. Für uns war der Beitritt zum Netzwerk aber nur der Startschuss. Wir sind offen für weitere Initiativen und wollen das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig noch ausbauen.
vaeter.nrw: Familienfreundlichkeit misst sich nicht allein in Beratungsangeboten und der Förderung von Freizeitaktivitäten, oder? Aida Azadfar: Richtig, deshalb ist unsere Teilnahme am Väternetzwerk auch in erster Linie eine Initiative, mit der wir ein schrittweises Umdenken bei ista anstoßen wollen. Uns liegt viel am Wohlbefinden und der Gesundheit aller Mitarbeiter. Wenn sich eine Mutter oder ein Vater beispielsweise um die Betreuung der Kinder Sorgen macht, ist das für alle Seiten schlecht. Am Ende entscheiden aber auch unsere Möglichkeiten und Ressourcen, wie wir unsere Mitarbeiter unterstützen können. (vaeter.nrw.de)
Zur Person:

Aida Azadfar

Themen Balance und Austausch

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Wie sag ich‘s meinem Chef?

Elternzeit & Vereinbarkeit

Natürlich treffen Väter, die Elternzeit anmelden, nicht bei jedem Chef auf ungeteilte Begeisterung. Aber mit guter Vorbereitung und etwas Geschick lässt sich diese Hürde nehmen. „In der Regel werden die zwei Monate Elternzeit in den Firmen durchgewinkt“, sagt Hans-Georg Nelles, der seit über 15 Jahren für zahlreiche Projekte im Themenfeld „Vereinbarkeit von Arbeit und Leben“ verantwortlich ist.