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Hereinspaziert: Mehr Väter in Kitas

Hereinspaziert: Mehr Väter in Kitas

Bildung

In der Kita lernen die Kinder grundlegende soziale Fähigkeiten und auch ihre Persönlichkeit macht große Entwicklungsschritte. Aber Kitas sind – anders als Schule, Ausbildung oder Studium – fast männerfreie Räume. Meist fehlen dort männliche Rollenvorbilder, die kindliche Entwicklung prägen. Weshalb sich das ändern sollte und wie sich besonders Väter mehr einbringen können, fragten wir den Familien- und Sozialtherapeuten Torger Bünemann.
vaeter.nrw: Herr Bünemann, die meisten Kitas sind stark durch Frauen geprägt. Es fehlen die Erzieher, die auch männliche Elemente einbringen könnten. Wie schaut es denn mit den Vätern aus? Wie präsent sie im Kindergarten?Torger Bünemann: Es stimmt, dass die Männer in den Kindergärten allgemein unterrepräsentiert sind. Der Anteil der Erzieher lässt sich aber nicht beliebig erhöhen – wenn auf dem Arbeitsmarkt keine Erzieher bereitstehen, können die Kitas auch keine einstellen. Also gibt es für viele kleine Kinder eine Art Männlichkeitslücke. Hier kommen die Väter der Kindergartenkinder ins Spiel – wobei ich jetzt unter „Väter“ genauso die Stiefväter, Großväter, Onkels oder andere nahe männliche Bezugspersonen verstehe. Wenn die sich in den Kita-Alltag einbringen, können sie den Mangel an Erziehern zumindest teilweise ausgleichen. Und tatsächlich werden die Väter im Kindergarten langsam aktiver – aber wie man an Elternabenden sieht: Es sind immer noch zu wenige.
vaeter.nrw: Weshalb sind die Väter so zurückhaltend?Torger Bünemann: Zunächst ist es wie in anderen familiären Bereichen auch: Die klassische Rollenverteilung ist noch sehr weit verbreitet und gerade in den ersten Lebensjahren der Kinder halten sich viele Väter zurück. Wenn der Vater der Hauptverdiener ist, dann hat er durch seine Arbeit natürlich auch weniger Gelegenheit, sich in die Kita einzubringen. Aber zugleich erleben viele Väter den Kindergarten als extrem weiblichen Raum und fühlen sich etwas fehl am Platz. Sobald es aber in der Kita einen männlichen Erzieher gibt, passieren zwei Dinge: Zum einen wird eine solche Kita attraktiver für andere Erzieher. Zum anderen haben die Väter dann einen männlichen Ansprechpartner – und das gefällt ihnen.
vaeter.nrw: Aber wenn sich nun kein männlicher Erzieher findet, wie motiviert man die Väter für den Kindergarten?Torger Bünemann: Entscheidend ist, sie direkt anzusprechen. Auf vielen Anschreiben oder Aushängen heißt es: „Liebe Eltern …“. Warum steht da nicht zum Beispiel „Liebe Väter und Mütter …“? Das wäre ein Signal an beide, sich angesprochen zu fühlen und die Aufgabenverteilung mal zu überdenken. Aber auch die Väter untereinander sollten sich zusammentun und sich für Elternabende oder gemeinsame Projekte verabreden. Es geht dabei ja auch darum, sich in dem Umfeld Kindergarten wohl zu fühlen. Wenn man morgens beim Bringen der Kinder auf andere Väter trifft, bisschen Smalltalk zu Fußball oder Wochenendaktionen machen kann, hilft das schon, sich etwas weiter zu integrieren.
vaeter.nrw: Und außer dem Bringen und Abholen? Wie können gerade Väter den Alltag der Kita mitgestalten?Torger Bünemann: Das Bringen und Holen ist ja schon ein guter Anfang, wenn man sich einen Moment Zeit nimmt, mit anderen Eltern spricht oder den Erzieher/-innen ein paar Fragen stellt. Das Minimalziel sollte heißen: Da sein, wo alle sind. Also bei den Kitafesten, Elternabenden oder Gartentagen. Aber warum nicht selber etwas außerhalb der Reihe auf die Beine stellen? Beispielsweise ein Väterfrühstück, Vater-Kind-Backen, ein Fußballturnier oder Väter-Übernachten im Kindergarten – wenn die Kita bereit ist, bei so einer vielleicht etwas chaotischen Veranstaltung mitzumachen. Nach meiner Erfahrung sind die Kinder von solchen Vateraktionen immer völlig begeistert. Das bereichert ihre Erfahrungen mit Männern enorm.
vaeter.nrw: Sind solche Aktionen mit vollzeitbeschäftigten Vätern machbar?Torger Bünemann: Warum nicht? So etwas kann ja schließlich auch am Wochenende stattfinden. Und noch etwas: Die Arbeit der Papas kann auch selbst zum Gegenstand werden. Ich habe eine Aktion miterlebt, bei der Väter die Kinder im Kindergarten mit der Kamera interviewt haben. Frage: „Was macht dein Papa bei der Arbeit?“ Da kamen teilweise die wildesten Antworten. Aber auch ganz viel Begeisterung, wenn jemand zum Beispiel einen Feuerwehrmann als Vater hatte. Die Antworten wurden zu einem Film geschnitten und im Anschluss haben ein paar Väter im Kindergarten ihren Beruf vorgestellt.
vaeter.nrw: Welche besonderen Kompetenzen können denn die Väter in die Kita einbringen?Torger Bünemann: Ich weiß nicht, ob es dabei vor allem um Kompetenzen geht. Es ist schon sehr hilfreich, wenn die Kinder in diesem wichtigen Lebensabschnitt möglichst viele und unterschiedliche männliche Rollenvorbilder erleben. Sonst hängen sie schnell an Stereotypen fest. Was tun Kinder, denen die Vorbilder fehlen? Sie fantasieren sie sich zusammen: Väter aus den Kindergeschichten oder Actionhelden füllen dann die Leerstelle. Aber nur echte Väter können ihnen männliche Vielfalt vorleben. Dabei kommt es darauf an, dass die Väter das tun, was ihnen Freude macht. Wenn sie Lust haben, mit den Kindern zu kochen, sollten sie kochen. Wenn sie authentisch sind, auch überraschend oder irritierend, dann können sie Stereotypen durchbrechen. Das alleine ist schon sehr wertvoll.
Zur Person:

Torger Bünemann

Torger Bünemann ist Theologe und Systemischer Familien- und Sozialtherapeut in Lübeck. Er ist Mitinitiator des Projekts „Mehr Männer in Kitas“.

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Bildungschancen sind auch Vätersache

Gastbeitrag von Professor Dr. Wassilios E. Fthenakis

Die Bildung eines Kindes wird aus drei wesentlichen Richtungen beeinflusst: Familie, Kita und Schule. Dabei ist Bildung nicht als bloße Wissensvermittlung zu verstehen. Vielmehr spielen hier auch die Erziehung, die persönliche Entwicklung und soziale Fähigkeiten eine zentrale Rolle. Väter sollten das Thema nicht öffentlichen Einrichtungen überlassen, sondern ihre Möglichkeiten entdecken, die Bildungschancen der Kinder zu verbessern.